Protokoll der Sitzung vom 01.12.2006

(Wolfgang Kubicki)

Bearbeitung von Sexualdelikten mit zivilen Möbeln und einem Spielbereich für Kinder ausgestattet sind. Einige von Ihnen werden Polizeistationen bereits besucht haben und wissen, dass die normale Ausstattung von Polizeibehörden nicht gerade kindgerecht und nicht gerade vertrauenserweckend ist und Kinder zu entsprechendem Verhalten anhält.

(Beifall)

Eine Frage, die wir im Rahmen der Ausschussberatungen zu diesem Bericht noch erörtern sollten, betrifft den Täter-Opfer-Ausgleich - kurz TOA. Nach einer Studie des Bundesjustizministeriums zeigt sich, dass der Täter-Opfer-Ausgleich insbesondere bei Gewalt- und Körperverletzungsdelikten dafür in Anspruch genommen wird, einen Ausgleich im Sinn einer Konfliktschlichtung zwischen Opfer und Täter herzustellen. Über 47 % aller Fälle, die dem TOA zugewiesen wurden, betrafen bundesweit nach der Studie Körperverletzungs- sowie Raub- und Erpressungsdelikte. Lediglich knapp 17 % betrafen Eigentumsdelikte.

Insbesondere vor den Zahlen, die im Anhang des Berichts einen wirklich signifikanten Anstieg der Gewaltkriminalität in Schleswig-Holstein nachweisen, muss man über die weitere Intensivierung des Täter-Opfer-Ausgleiches auch in Schleswig-Holstein nachdenken. Nach unseren Gesprächen mit den Personen, die sich dem TOA widmen, halten diese eine extensivere Anwendung des TOA auch aus Gesichtpunkten der Verfahrenskürze sowie der geringeren Kosten im Vergleich zum Strafverfahren für sinnvoll. Wir schließen uns dem ausdrücklich an.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Minister, ich darf aus eigener Erfahrung einen Hinweis geben. Darüber stolpert man erst, wenn man als Verteidiger in eine solche Lage kommt, im Rahmen des TOA eine Konfliktlösung herbeizuführen. Wenn wir es nicht gewährleisten, dass der Täter-Opfer-Ausgleich kein Verfahrenshindernis in Ordnungswidrigkeitenverfahren darstellt - manche Delikte können im Wege des Ordnungswidrigkeitsverfahrens verfolgt werden -, macht es als Verteidiger wenig Sinn, einem Mandanten zu raten, am TOA teilzunehmen, weil er anschließend im Ordnungswidrigkeitenverfahren die gleiche Prozedur vor Gericht noch einmal durchleben muss. Das heißt, die bisherige Regelung, dass die Einstellung nach § 154 StPO in einem solchen Fall die weitere Verfolgung als Ordnungswidrigkeit zulässt, ist ein Hindernis im Rahmen eines wirksamen TOA.

(Beifall bei der FDP)

Dies können wir landesrechtlich regeln.

Es gibt auch die Idee für sogenannte Konfliktschlichtungszentren, in denen Schlichtungen für zivilrechtliche und auch strafrechtliche Verfahren angeboten werden. Ob dies sinnvoll ist, sollten wir im Ausschuss noch besprechen.

Abschließend möchte ich mich im Namen meiner Fraktion noch bei den vielen ehrenamtlich geführten Vereinigungen und Verbänden wie beispielsweise dem Weißen Ring oder contra bedanken, die eine wertvolle Arbeit leisten, um Opfern zu helfen, mit den traumatisierenden Erfahrungen eines Verbrechens zurechtzukommen.

(Beifall)

Ich kann allen klatschenden Abgeordneten nur empfehlen, es anderen Kollegen aus dem Parlament gleichzutun, dem Kollegen Arens nicht nur Beifall zu spenden, sondern solchen Organisationen beizutreten und mit ihren entsprechenden Mitgliedsbeiträgen einen entsprechenden Beitrag dafür zu leisten, Opfern auch anders zu helfen als nur durch staatliche Mittel.

Allerdings dürfen wir einen Aspekt nie aus den Augen verlieren: Wir müssen auch weiter das Augenmerk auf die Täter legen. Wir müssen auch weiterhin im Rahmen des künftig in Länderhand liegenden Strafvollzuges das Augenmerk auf die Resozialisierung des Täters richten. Reiner Verwahrstrafvollzug wäre hier kontraproduktiv. Wir müssen im Rahmen des Strafvollzuges weiterhin versuchen, aus ehemaligen Tätern gesetzestreue Personen zu machen, indem wir diesen Perspektiven eröffnen. Denn Opferschutz ist zwar wichtig, noch wichtiger aber ist der Schutz davor, dass jemand zum Opfer wird.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten KarlMartin Hentschel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Bericht ist nicht nur umfangreich, er liefert auch einen guten Überblick über das rechtliche und politische Instrumentarium. Ich werde nicht der Versuchung folgen, alles das zu wiederholen, was meine Vorredner gesagt haben.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall bei der CDU)

- Danke für den Applaus vonseiten der CDU. Das ist ungewöhnlich.

Ich spreche einige Punkte an, die für mich von besonderer Bedeutung sind.

Erstens. Kontinuität. Ich stelle fest, dass hier ein Bericht vorgelegt wird, der trotz Regierungswechsel voll in Kontinuität von Maßnahmen steht, die entwickelt worden sind. Ich glaube, dass wir hier in einer guten Kontinuität stehen. Ich bedanke mich bei dem Minister dafür, dass das möglich ist. Ich denke, dass das auch in Zukunft so weiterentwickelt und verbessert wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens möchte ich auf das Gewaltschutzgesetz und die daraufhin vorgenommenen Änderungen im Landesverwaltungsgesetz eingehen, die den rechtlichen Rahmen für das Konzept KIK bilden, das seit 2001 zunächst erprobt und dann landesweit eingerichtet wurde. Worum geht es? Es geht um häusliche Gewalt und in der Regel um Gewalt gegen Frauen. Ich gebe zu: Auch ich war betroffen und konnte es erst gar nicht glauben, als ich zum ersten Mal erfuhr, dass circa ein Viertel aller Frauen in Deutschland als Opfer mit diesem Delikt zu tun haben. Gewalt gegen Frauen geschieht nicht überwiegend außerhäuslich, nicht auf der Straße oder sonst wo, sondern vor allem in der eigenen Wohnung. Jede vierte Frau ist ein- oder mehrmals in ihrem Leben als Opfer betroffen.

Das zeigt, welchen großen Stellenwert die Hilfe bei häuslicher Gewalt hat. Das Wegweiserecht - Herr Kubicki hat das sehr ausführlich dargestellt - hat sich bewährt. Ich glaube, dass wir damit ein abgestimmtes und effizientes Hilfemittel haben.

Auch die Polizei hat es sehr begrüßt. Häufig standen die Polizisten vor folgender Situation: Sie werden gerufen. Sie greifen ein. Aber sie wissen nicht, was sie dann machen sollen.

Insofern sind sowohl das Wegweiserecht als auch die Frauenhäuser und andere Hilfeleistungen von großer Bedeutung, auch von großer Hilfe für die Polizei. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir sowohl ein rechtliches Instrumentarium als auch eine Infrastruktur in Schleswig-Holstein haben, die den Frauen hilft.

Drittens. Der Täter-Opfer-Ausgleich ist ein Projekt, das in Schleswig-Holstein bereits frühzeitig auf die Schiene gebracht wurde, indem es ideell und vor allem finanziell unterstützt und gefördert wurde. Es konnte sich bewähren und wird im fol

genden Bericht als erfolgreiches Instrument dialogischer Konfliktschlichtung bezeichnet. Das freut mich.

Viertens. Der Hinweis auf die geplante Kontaktstelle für Hinweisgeber auf Korruptionsdelikte. In Niedersachsen wurde bereits 2003 eine Datenbank für anonyme Hinweisgeber in den Bereichen Wirtschaftskriminalität und Korruption eingerichtet.

Ich glaube, das ist ein gutes Projekt. Eine solche Stelle ist sicher für die Ermittlungsarbeit hilfreich. Es gilt aber auch hier wie bei vielen anderen Dingen: Technik kann die menschliche Arbeit nur unterstützen, nicht ersetzen. Hinweise müssen überprüft und verwertet werden. Die Effizienz einer neuen Kontaktstelle hängt wesentlich davon ab, dass die Ermittlungsgruppe Korruption personell gut aufgestellt ist und bleibt.

Noch ein paar Worte zur Opferstatistik, die diesem Bericht angefügt ist. Es ist natürlich eine Aufgabe, dass wir diese Zahlen mehr analysieren. Da kann man für die kriminalpolitische Debatte einiges ablesen. Wenn es aber um einen Opferschutzbericht geht, ist es interessant, dass die Daten überwiegend Daten über Täter sind. Wir haben viel mehr Daten über Täter als über Opfer. Das ist ein Punkt, über den man einmal nachdenken kann, denn Opferzahlen können durchaus ausgesprochen interessant sein, wie der vorliegende Bericht zeigt.

Ich will ein Beispiel bringen. Etwa 25 % der Bevölkerung Schleswig-Holsteins sind über 60 Jahre als. Von ihnen wurden im Jahre 2005 418 Menschen Opfer von Gewaltkriminalität. Im gleichen Zeitraum wurden von Jugendlichen zwischen 14 und 21 Jahren ganze 3.037 Opfer einer Gewalttat. Das ist also fast das Achtfache.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was lernen wir daraus?)

Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren machen nur 6 bis 7 % der Bevölkerung aus im Gegensatz zu den Menschen über 60, die 25 % ausmachen. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Jugendlicher Opfer einer Gewalttat wird, ist mehr als 30-mal so hoch wie bei einem alten Menschen. In der subjektiven Empfindung ist es völlig anders. In der subjektiven Empfindung ist es so, dass alte Menschen wesentlich mehr Angst haben, sich zu bewegen, oder wesentlich mehr Angst vor Kriminalität haben als junge Menschen. Es ist interessant, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen und daraus Konsequenzen für den öffentlichen Dialog zu ziehen.

(Karl-Martin Hentschel)

Herr Kollege Hentschel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Aber gern, Herr Oppositionsführer.

Herr Kollege Hentschel, bei der Gegenüberstellung von statistischen Daten, die eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen ist: Teilen Sie meine Auffassung, dass es naturgemäß so ist, dass Jugendliche schon kraft ihrer Entwicklung häufiger in Schlägereien verwickelt sind als Menschen über 60?

(Heiterkeit)

- Was sage ich denn dazu? - Ja, Herr Oppositionsführer, ich teile Ihre Auffassung zu 100 %.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich glaube, das war ein wesentlicher Beitrag zur Analyse dieses Problems.

Das Interessante an der Debatte ist doch, dass das subjektive Gefahrenbewusstsein völlig anders ist. Es ist in der Regel so, dass ältere Menschen sich viel stärker unsicher fühlen als junge Menschen, obwohl die Realität eine ganz andere ist. Insofern ist es, wie ich glaube, eine ganz interessante Diskussion und hat auch für die öffentliche Wahrnehmung und für die Diskussion über Kriminalitätsprobleme sicherlich Konsequenzen.

Ich möchte als Letztes erwähnen, dass in der letzten Woche drei Vertreter von amnesty international im Landtag waren und ein Gespräch mit den Landtagsfraktionen geführt haben. Interessanterweise waren zwei von den drei Vertretern von amnesty international, die beiden, die aus Schleswig-Holstein kamen, selbst Polizisten. Diese beiden Herren forderten uns auf, auch die Zahl der Verfahren gegen Polizeibeamte in die Statistik aufzunehmen. Das wird in vielen Ländern Europas gemacht, in Deutschland ist das nicht üblich, obwohl es jetzt einen Bericht in Berlin zu dem Thema gab. In der Regel gehen wir davon aus, dass wir in SchleswigHolstein eine ausgesprochen bürgerfreundliche Polizei haben. Das wurde bestätigt, auch von amnesty international.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem ist es so, dass solche Zahlen Hinweise darauf liefern können, wenn sich in bestimmten Gebieten überproportional Anzeigen wegen Wider

standes gegen die Staatsgewalt und auch Anzeigen gegen Polizeibeamte häufen, dass das möglicherweise damit zu tun hat, dass in bestimmten Polizeirevieren noch nicht die Bürgerfreundlichkeit vorherrscht, die in der Polizeischule gelehrt wird. Ich fand das einen interessanten Hinweis von amnesty international und ich denke, wir sollten das in unsere Beratungen einbeziehen.

Meine Damen und Herren, ich danke der Regierung für den ausführlichen, interessanten Bericht. Ich beantrage ebenfalls Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss und bedanke mich besonders für die konzentrierte Aufmerksamkeit dieses Hauses.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich bedanke mich bei dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel und erteile für den SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.