Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Zu Ihnen komme ich gleich noch, Herr Kollege Matthiessen, denn das, was Sie vorhin vorgetragen haben, hat mich doch sehr erschreckt, was Ihr Demokratieverständnis angeht.

Wir sind dem gefolgt, was der Landesrechnungshof gesagt hat, dass nämlich größere Verwaltungen mit Blick auf die Komplexität von Aufgaben, mit Blick auf Arbeitsteilung, Urlaubs- und Krankheitsvertretungen und Ähnlichem mehr kostengünstiger arbeiten könnten, und jede Verwaltung, die entfallen könne, ungefähr 200.000 € bringe. Wir haben gesagt, wenn wir es schaffen, 50 Verwaltungen entfallen zu lassen, landen wir bei 10 Millionen €. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind bei diesem Prozess, der nicht einfach gewesen ist bei über 70 Verwaltungen, die entfallen. Das heißt, dieser Betrag wird bei Weitem übertroffen, und es ist auch gut so, dass dies so geschieht. Ich freue mich sehr darüber, dass dieser Erfolg hat gelingen können. Dazu haben ganz viele Menschen auch vor Ort beigetragen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich deutlich sagen: Wir haben immer gesagt, 8.000 Einwohner ist die Mindestgröße, nicht die Regelgröße. Das bedeutet nämlich, dass

die, die noch größere Strukturen wählen, auch andere Aufgaben übernehmen können. Das müssen wir auch tun. Wir dürfen nicht bei der Übertragung von Aufgaben des Landes auf die Kreise und kreisfreien Städte stehenbleiben, sondern wir müssen auch den kreisangehörigen Gemeinden mit größeren Verwaltungen neue Aufgaben geben, wenn sie das denn wollen und 20.000 Einwohner haben. Das gilt für die Bauaufsicht oder die Verkehrsaufsicht und bei 40.000 Einwohnern vielleicht auch für Fragen der Jugendhilfe. Solche Dinge müssen wir machen. Darauf wartet die Kommunalpolitik. Das bringt dann Dinge näher an die Bürger heran.

Herr Matthiessen, es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass irgendjemand dann in ferne Kreishäuser fahren muss. Wir reden heute von elektronischer Verwaltung. Viele Dinge haben überhaupt nichts mehr mit Besuchen zu tun. Manche Zöpfe, die wir aus dem letzten Jahrhundert mit Kraftfahrzeugzulassung und Ähnlichem noch haben, werden sich ohnehin in kürzerer Zeit ändern.

Es ist, finde ich, ein gutes Beispiel für vernünftige Entwicklung.

Uns geht es darum, das Ehrenamt zu stärken. Da will ich etwas zu den Vorschlägen von Grünen und SSW sagen. Wir teilen überhaupt nicht Ihre Vorstellung, dass wir Ämter sozusagen demokratisieren, weil wir der Meinung sind, dass die Entscheidungen in die Gemeindevertretungen und in die Stadtvertretungen hineingehören.

(Beifall bei SPD, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Auch ich selbst habe einmal Kommunalpolitik gemacht. Die Menschen haben ihre Heimat im Dorf, in ihrer Gemeinde, in der Stadt, nicht in irgendwelchen Ämtern. Da geht es nicht um die Frage, ob Parteien in Ämtern vertreten sind. Sie sollen Verwaltung machen. Wenn wir das tun würden, was Sie vorschlagen, dann zwingen wir sie dazu, eine Gemeindegebietsreform von oben zu machen. Das wollen wir aber nicht.

Insofern, Herr Kollege Hentschel, sind Sie mir bei Ihrem Beitrag wie derjenige vorgekommen, der gesagt hat: Ein Kritiker ist jemand, der böse wird, wenn dem Publikum etwas gefällt, was er nicht mag. Genau das haben wir hier. Die Menschen in diesem Lande hängen an ihren Kommunen und Strukturen, die wollen nicht, dass wir ihnen eine Zwangsfusion, was ihre Gemeinden angeht, von oben verordnen. Sie wollen Verwaltungsstrukturen haben.

Lieber Herr Kubicki, ich erkläre Ihnen gern noch einmal den Unterschied. Wir reden im Augenblick über Verwaltungen, was die Ämter angeht. Deswegen dürfen dorthin nicht einfach so mehr Aufgaben übertragen werden, denn die Dinge sollen in den Gemeindevertretungen entschieden werden. Sie sagten übrigens, der ländliche Raum hätte nichts mehr zu melden. Ich halte das für ein ganz schwieriges Verständnis von Kommunalpolitik im ländlichen Raum. Die können sich zu Verbänden zusammenschließen, wenn sie das wollen, die können sogar miteinander reden, wenn sie das wollen. Sie tun das übrigens sogar.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Amt ist ein Verband!)

- Das Amt ist aber ein Verwaltungsverband, den wir in unserer Ordnung haben, und nicht etwas, was sie freiwillig tun. Deswegen sind wir auch im Schulgesetz zu Regelungen gekommen, die andere Änderungen ermöglichen.

Es ist vieles über das parlamentarische Verfahren gesagt worden, was die Öffentlichkeit alles seit 11:02 Uhr weiß. Ich kann schon verstehen, dass man an dem einen oder anderen Punkt, was das Verfahren angeht, Kritik anbringt. Der Ausschussvorsitzende hat es dargestellt. Aber es wird ein Popanz aufgebaut.

Was das Wasserrecht angeht, so weiß doch der Bürgermeister Hildebrandt, dass das ein Problem war, das die Gemeinden selber hatten, und wir versucht haben, ihnen dabei zu helfen, und uns mit der Europäischen Union geeinigt haben, dass wir das in Ordnung bringen. Das tun wir und Sie kritisieren das dann aus formalen Gründen. Sie sind doch ein erfahrener Mann. Sie wissen doch, wie man so etwas macht. Man muss sich doch zutrauen, dass wir das geregelt kriegen und ordentlich darüber diskutieren.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtssicherheit!)

Liebe Anke Spoorendonk, Sie haben den Bundespräsidenten angesprochen und sagen, das, was Große Koalitionen machen, ist Murks. Ich würde Sie gern darüber informieren, dass es zum Verbraucherinformationsgesetz, das der Bundespräsident nicht unterschrieben hat, einen Brief des Vorsitzenden des Innenausschusses des Bundesrates gegeben hat, dass das Verbraucherinformationsgesetz nach der Föderalismusreform nicht der Verfassung entspricht. Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundesrates ist der schleswig-holsteinische Innenminister. Ich habe das Wochen vor dem Gesetzgebungsverfahren den Kollegen Kauder und Struck

(Minister Dr. Ralf Stegner)

geschrieben. Dass es nachher so gekommen ist, bekümmert mich. Aber ich will Ihnen nur sagen: Kommen Sie nicht und sagen, wir wüssten so etwas nicht. Wir haben der Föderalismusreform zwar nicht zugestimmt, aber wir wissen wenigsten, was drinsteht.

Insofern glaube ich schon, dass wir uns Mühe geben, die Verfassung zu beachten.

Ich sage dies, weil Sie diese Punkte angesprochen haben, Herr Hentschel. Ich stehe auch nicht an, dies für das Polizeirecht zu sagen. Wenn wir Anhörungserkenntnisse haben, dass wir sagen, als Verfassungsminister möchte ich ein Gesetz haben, das unserer Verfassung entspricht, und wir uns dann die entsprechende Beratungszeit nehmen, finde ich das in Ordnung und halte es nicht für ein Zeichen von Schwäche oder Dilettantismus, sondern von Ernstnehmen von Einwänden, die es in diesem Punkt gibt.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Auch die Kritik, wir nähmen die zentralörtlichen Orte nicht ernst, ließen Dinge zu und gäben Hochzeitsprämien aus, kann man nicht akzeptieren. Stellen Sie sich einmal vor, der Innenminister hätte sich hingestellt und gesagt: Wir machen nur Dinge, die mir persönlich gefallen, und wir lassen nur das zu, was wir für richtig halten. Sie hätten hier doch in mehreren Strophen das Lied der Freiwilligkeit gesungen. Dafür gibt es Grenzen.

Ehrlicherweise muss man sagen: Manchmal dauert das eine Weile, bis sich das zurechtrüttelt. Es wird sich schon zurechtrütteln. Auf die Dauer siegt die Vernunft. Davon bin ich fest überzeugt. Sonst hätte ich einen anderen Beruf ergriffen. Man kann auf die Dauer Strukturen und Verwaltungen nicht gegen Menschen organisieren und beeinflussen, wo sie hinfahren, wo sie einkaufen. Dass es manchmal die Tendenz gibt, das mit kleiner parteipolitischer Brille zu betrachten, wissen wir alle doch. Aber das ist nicht zwingend. Ich bin da ganz optimistisch.

Wir sollten diesen Prozess, den wir im kreisangehörigen Bereich erfolgreich betrieben haben, auch auf andere übertragen. In der Tat sollten wir Aufgaben vom Land übertragen. Der Finanzminister hat in diesem Punkt meine volle Unterstützung. Wir sollten dies gemeinsam tun. Aufgaben, die nicht vom Land durchgeführt werden müssen, sollten von Kreisen und kreisfreien Städten übernommen werden. Sie müssen das dann aber auch weitergeben. Um diesen Prozess müssen wir uns kümmern. Dies zu organisieren, haben wir jetzt noch etwas mehr Zeit.

Es ist gut, wenn wir dies so machen. Wir haben ein schwieriges - wie ich glaube -, aber am Ende auch erfolgreiches Reformjahr hinter uns. Ich bin davon überzeugt, das nächste Jahr wird genauso werden.

Nun wissen Sie: In der Vorweihnachtszeit werden stärker die Emotionen angesprochen als die kühle Vernunft. Dennoch ist es für mich ein gutes Gefühl, heute festzustellen, dass bei einem Thema, bei dem man die Herzen sonst nicht so leicht erreicht, nämlich bei der Verwaltungsstrukturreform, das konsequente Festhalten an der Vernunft Früchte getragen hat. Insofern bedanke ich mich herzlich bei denen, die dazu beigetragen haben. Alle anderen mögen im Geiste des Advents ihren Frieden damit machen. Ich bin ganz sicher: Wir haben einen guten Schritt in die Zukunft getan.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Innenminister Stegner und stelle fest, dass keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Ich schließe damit die Beratung.

Bevor wir in die Abstimmung gehen, möchte ich Sie auf eine Korrektur hinweisen. In der Berichtund der Beschlussempfehlung des Ausschusses auf Seite 18, Artikel 7 lfd. Nr. 3 muss es in der dritten Zeile „Artikel 3 Nr. 4“ heißen. Dort steht „Nr. 5“. Dasselbe gilt für die vierletzte Zeile. Auch dort ist aus „Nr. 5“ „Nr. 4“ zu machen.

Ich lasse dann über den Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/1003, in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung einschließlich der eben genannten Korrekturen abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung, Drucksache 16/1113, einschließlich der von mir eben vorgetragenen Änderungen angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Ausführungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1002

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Bericht und Beschlussempfehlung des Sozialausschusses Drucksache 16/1115 (neu)

Ich erteile der Berichterstatterin des Sozialausschusses, der Frau Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky, das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Sozialausschuss hat den ihm durch Plenarbeschluss vom 13. Oktober 2006 überwiesenen Gesetzentwurf zunächst in zwei Sitzungen beraten. Am 13. Dezember 2006 hat er seine Beratungen wieder aufgenommen. Er empfiehlt dem Landtag einstimmig, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der aus der Drucksache 16/1115 (neu) ersichtlichen Gegenüberstellung anzunehmen. Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage sind durch Fettdruck kenntlich gemacht.

Ich könnte die Änderungen noch vortragen. Ich denke aber, Sie können sie der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses selbst entnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke der Frau Berichterstatterin. - Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache zu behandeln. Ich lasse dann über den Gesetzentwurf in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung, Drucksache 16/1115 (neu), einstimmig angenommen worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich unterbreche die Tagung. Wir treffen uns morgen früh um 10 Uhr hier wieder.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 18:46 Uhr

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst