Protokoll der Sitzung vom 15.12.2006

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie herzlich.

Erkrankt ist nach wie vor Frau Abgeordnete Sandra Redmann. - Wir wünschen ihr zum dritten Mal gute Besserung. Nun muss es doch klappen!

(Beifall)

Beurlaubt ist Herr Abgeordneter Hildebrand. Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind Herr Ministerpräsident Carstensen sowie Frau Ministerin Dr. Trauernicht, Herr Minister Dr. Stegner und Herr Minister Wiegard beurlaubt.

(Zurufe)

- Ja, alle sind eifrig tätig.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Realschule Altenholz mit ihren begleitenden Lehrpersonen sehr herzlich. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Finanzierung A 20/Elbquerung vs. Finanzierung feste Fehmarnbelt-Querung

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1126

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Da mit diesem Antrag ein mündlicher Bericht in dieser Tagung erbeten wird, bitte ich das Parlament zunächst, diesem Berichtsantrag zuzustimmen. Wer dem Berichtsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Sehr geehrter Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herr Dietrich Austermann, ich bitte um Ihren Bericht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will den Bericht geben, der im Wesentlichen die Fragen der Grünen beantworten soll. Die erste Frage lautet: „Befolgt die Landesregierung die bundespolitische Vorgabe, Prioritäten bei den Verkehrsprojekten zu setzen?“ - Ganz eindeutig: Ja. Wir haben den Bundesverkehrswegeplan, den Fünfjahres

plan und die jährliche Abstimmung, in denen das Ganze geregelt wird.

Die zweite Frage lautet: „Welches der verkehrlichen Großprojekte ‚feste Fehmarnbelt-Querung’ oder ‚Elbtunnel (A 20)’ hat für die Landesregierung Priorität?“ - Ganz eindeutig hat der Elbtunnel Priorität.

Die dritte Frage: „Soll die Finanzierung der Elbquerung durch Mauteinnahmen oder aus Bundesmitteln erfolgen?“ - Ich gehe davon aus, dass es gelingt, Mittel aus dem Topf Transeuropäische Netze zu gewinnen. Ich gehe weiter davon aus, dass es eine Chance gibt, Strukturhilfemittel aus Niedersachsen zu bekommen. Dann würde eine Restfinanzierung durch Bundesmittel erfolgen.

Die vierte Frage: „Erwartet die Landesregierung mehr Mittel aus dem Bundesverkehrswegeplan, indem Mittel, die anderen Bundesländern zustehen, umverteilt werden?“ - Ganz eindeutig: Ja. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder zusätzliche Mittel vom Bund bekommen, weil wir schneller geplant haben. In diesem Jahr werden es 19,3 Millionen € sein, die wir über die Quote hinaus bekommen. Wenn Sie das mit zehn Jahren multiplizieren, hätten Sie fast den Anteil zusammen, den man bisher für die Elbquerung als Landesanteil für das Land Schleswig-Holstein gerechnet hat.

Die fünfte Frage: „Hält die Landesregierung weiterhin eine Finanzierung der Fehmarnbelt-Querung ohne Risikobeteiligung von privaten Investoren für machbar?“ - Da sagen wir: Nein. Es gibt hier allerdings eine Differenzierung. Sie gehen wahrscheinlich davon aus, dass die Privaten auch das Verkehrsrisiko übernehmen sollen. Davon gehen die Privaten nicht aus. Aber das darüber hinaus bestehende Risiko ist und kann sehr groß sein.

Nächste Frage: „Welche Auswirkungen hat die Kostensteigerung bei der Elbquerung auf 740 Millionen € auf die Bereitschaft privater Investoren, dort einzusteigen?“ - Dies wird zurzeit geprüft.

Letzte Frage: „Wie bewertet die Landesregierung den Investitionsrahmenplan der Bundesregierung (IRP) 2007-2010 für Schleswig-Holstein?“ - Ich sage Ihnen ganz klar, dass ich ihn für unterfinanziert halte. Ich will dabei eines deutlich sagen: Wir gehen im Moment davon aus, dass der Bund offiziell behauptet, dass uns in den nächsten fünf Jahren 624 Millionen € für Verkehrsprojekte wie Straßenbauprojekte zur Verfügung stehen. Nach der Berechnung meines Hauses sieht es so aus, dass effektiv 150 Millionen € zur Verfügung, aber 624 Millionen € auf dem Papier stehen. Das ist in anderen Bundesländern genau das Gleiche. Mit anderen

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Worten: Sowohl der Fünfjahresplan als auch der Bundesverkehrswegeplan sind hoffnungslos unterfinanziert.

Ich habe mich an den Fragen jetzt so entlanggehangelt, wie Sie sie gestellt haben. Ich möchte jetzt aber versuchen, auf einem anderen Wege noch einmal zu antworten, um optimal zur Information des Hauses beizutragen. Wir haben am 8. November 2006 im Bundestag eine Debatte erlebt, bei der der Abgeordnete Steenblock, der früher ein engagierter Kämpfer gegen die A 20 gewesen ist, gefragt hat, unter welchen Bedingungen die Bundesregierung den Tunnel nicht als F-Modell, sondern in der Haushaltsfinanzierung sehen würde. Darauf hat der zuständige Staatssekretär geantwortet, um ein FModell zu realisieren, müssten viele Voruntersuchungen gemacht werden. Man sei dabei, eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorzubereiten, und könne im Herbst nächsten Jahres Auskunft darüber erteilen, ob sich das F-Modell überhaupt rentiere, was impliziert, dass, wenn sich das F-Modell nicht rentiert, die normale Haushaltsfinanzierung zum Zuge kommen würde.

(Konrad Nabel [SPD]: Was bitte ist ein F- Modell?)

- Ein F-Modell ist ein Maut-Modell. Das A-Modell ist ein Modell, bei dem die Finanzierung über den Bund vorweg erfolgt, bei dem aber nachträglich die Mittel aus der Quote des Landes abgetragen werden. Ein A-Modell wäre die vierte Elbtunnelröhre, das F-Modell wäre die Mautlösung.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Als ob Herrn Nabel das interessiert!)

Ein zweiter Punkt: Am 8. November 2006 haben wir ein Schreiben des Bundeswirtschaftsministers bekommen, in dem er uns mitgeteilt hat, dass er sich denken kann, dass Strukturhilfemittel für den niedersächsischen Teil eingesetzt werden und dass man mit dem Bundesverkehrsminister in dieser Frage in Verhandlungen stehe.

Der letzte Punkt wird Sie vermutlich am meisten interessieren. Es gibt einen Brief von Bundesverkehrsminister Tiefensee vom 17. November 2006 an unseren Ministerpräsidenten. Darin bestätigt er, dass wir zu Dritt - also Bundesverkehrsminister Tiefensee, Verkehrsminister Hansen aus Dänemark und ich - einen Zeitplan bis Ende 2006 vorgesehen haben und dass zurzeit eine Bewertung der Finanzierungsmodelle mit aktuellen Annahmen erfolgt. Dabei ist das Staatsgarantiemodell unter Berücksichtigung von Hinterlandanbindungen in die Bewertung einbezogen. Es ist absehbar, dass wir wieder zu Dritt - Herr Tiefensee, Herr Hansen und ich

zu Beginn des Jahres 2007 einen Termin machen, bei dem entschieden wird, wie und wann gebaut wird. Das heißt, der Bundesverkehrsminister hat in seinem Schreiben vom 17. November 2006 an den Ministerpräsidenten bestätigt, dass wir einen klaren Zeitplan haben. Er hat bestätigt, dass wir Anfang kommenden Jahres - ursprünglich sollte es noch in diesem Jahr sein - zusammenkommen, um darüber eine Entscheidung zu treffen.

Ich möchte noch eine allgemeine Anmerkung dazu machen. Es wird jetzt in der Zeitung gemutmaßt, ob das bis Januar oder März passiert. Ich habe für Januar zehn Terminangebote gemacht, ich denke, Herr Hansen ebenso. Es liegt jetzt nur an Herrn Tiefensee, dass wir einen gemeinsamen Termin finden. Ich vermute, er wird abwarten, bis die Überprüfung des Garantiemodells durch PricewaterhouseCoopers stattgefunden hat. Dann kommen wir zu einer konkreten Entscheidung.

Ich möchte mit einem aktuellen Bericht aus einer dänischen Zeitschrift schließen. In der wird dargestellt, dass Grund zur Annahme besteht, dass mit dem Bau der Brücke über den Großen Belt eine wesentliche Ursache für einen wirtschaftlichen Aufschwung in Dänemark gesetzt werden könnte. Es heißt dort: In Dänemark trug die Brücke über den Großen Belt mit zur Beendigung der Konjunkturflaute der 80er-Jahre bei. - Dort wird dargelegt, dass allein diese Brücke 66.000 Mannjahre an Arbeit generiert hat. Das heißt, dass ein gewaltiger Effekt direkt durch die Baumaßnahmen hervorgerufen worden ist. Darüber hinaus gab es natürlich noch weitere Effekte.

Lassen Sie mich zusammenfassen. Ich glaube, dass es zwischen uns und dem Bund keinen Dissens mehr in der Frage gibt, dass wir die FehmarnbeltQuerung brauchen. Das ist inzwischen auch bestätigt worden. Bundesfinanzminister Steinbrück hat in einem Schreiben vor wenigen Tagen bestätigt, dass die Europäische Union davon ausgeht, dass auch die Hinterlandanbindung über TEN-Mittel mitfinanziert wird. Es wurde konkret so ausgedrückt: Ohne die Einbeziehung der Hinterlandanbindung in die TEN-Finanzierung für die Fehmarnbelt-Querung gäbe es keine TEN-Mittel von der EU, weil man keine Insellösung zulassen wolle. Ich finde besonders bemerkenswert, dass der Bundesfinanzminister dies feststellt, dem ich gelegentlich unterstelle, dass er rückwirkend Landesverrat betreibt, wobei ich mich darauf beziehe, wie er sich gegenüber Verkehrsprojekten in Schleswig-Holstein aufführt, insbesondere was die Frage der Fehmarnbelt-Querung betrifft.

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(Minister Dietrich Austermann)

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir gehen also davon aus, dass die Bundesregierung akzeptiert, dass wir zu einer anderen Form der Finanzierung der Elbquerung kommen. Ich denke, dass dies auch akzeptiert werden muss, wenn man vergleicht, welche Mittel für große Infrastrukturprojekte in andere Länder geflossen sind. Wir haben aus einem Sondertopf für die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit das kleine Stück der A 20 von der Landesgrenze bis zur A 1 finanziert bekommen. In Bayern hat man 150 km von Hof bis nach Nürnberg finanziert. Das ist etwa die Strecke der gesamten A 20 durch Schleswig-Holstein. Ich sehe nicht ein, dass wir hier überall Eintrittsgeld für unsere öffentliche Infrastruktur fordern sollen, wenn in Süddeutschland alles bezahlt wird und somit kostenlos genutzt werden kann.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Deswegen bin ich davon überzeugt, dass wir einen Anspruch darauf haben, die leistungsfähigste Verkehrsverbindung in Norddeutschland im Rahmen der normalen Haushaltsfinanzierung bezahlt zu bekommen.

Ich will abschließend kurz darlegen, wie ich mir das finanzielle Risiko für den Bund in der Frage der Fehmarnbelt-Querung tatsächlich vorstelle. Die Fehmarnbelt-Querung einschließlich der Hinterlandanbindung wird zu 20 bis 30 % aus TEN-Mitteln finanziert. Es hängt vom Bund ab, ob es 20 oder 30 % sind. Diesbezüglich müsste eine baldige Entscheidung erfolgen. Der Rest der Mittel wird durch Private vorfinanziert, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das erste Mal die Frage gestellt wird, ob die Maut ausgereicht hat, um die Finanzierung zu erbringen. Das wird nach meiner Einschätzung im Jahre 2017 der Fall sein. Bis dahin trägt der Bund kein Risiko. Ab dem genannten Zeitpunkt trägt der Bund zu 50 % das Risiko einer eventuell zu geringen Maut. Ich meine, dies muss man dem einen oder anderen in Berlin noch deutlicher in die Köpfe pressen, damit es wirklich ankommt. Es geht hier darum, zwei große Verkehrsprojekte für Schleswig-Holstein zeitgerecht prioritär durchzusetzen und für uns gleichen Bedingungen zu schaffen, wie sie andere Bundesländer auch haben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht. Sie haben selber gemerkt, dass der Bericht länger als fünf Minuten gedauert hat. Der Minister hat neun Minuten Redezeit in Anspruch genommen. Ent

sprechend lang sind nun die Redezeiten der Fraktionen.

Ich eröffne die Aussprache. Für den Antragsteller, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat der Herr Abgeordnete Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für den Bericht, Herr Minister. Der Bericht war ein erstaunliches Beispiel dafür, wie man mit so viel Worten so wenig Informationen in der Sache herüberbringen kann.

(Widerspruch bei der CDU)

Mit unserem Antrag wollten wir die bisherigen Vorstellungen der Landesregierung mit dem abgleichen, was im Lichte der aktuellen Vorstellungen des Bundes überhaupt noch machbar ist. Letzteres bleibt auch nach der soeben gegebenen Antwort unklar. Klagen über die Bevorzugung des süddeutschen Raumes gegenüber Norddeutschland helfen jedenfalls in der Realität wenig weiter. Die entsprechenden Äußerungen haben allerdings den meisten Applaus von Ihnen bekommen.

(Zurufe von der CDU: Aber recht hat er! - Komm mal zur Sache!)

- Der Minister mag recht haben und die Klagen mögen auch berechtigt sein. Trotzdem ist hier die Frage zu stellen: Helfen uns diese Klagen bei den Überlegungen zur Finanzierung der hier ins Auge gefassten großen Verkehrsprojekte weiter? Ich glaube, diese Frage ist zu verneinen. Solche Klagen helfen uns nicht weiter. Wir Grünen werden immer kritisiert, indem gesagt wird, dass wir solche Projekte schlechtredeten und mit Illusionen arbeiteten.

Auf diese Art wird man solche Projekte konkret aber nicht finanzieren können. Aus den Reihen der Fraktionen von CDU und SPD, aber auch von Ministerpräsident Carstensen und Minister Austermann kommen unbeirrt Durchhalteparolen in Bezug auf den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung und auch den Bau einer Elbquerung, und zwar ungeachtet des Gegenwindes aus Berlin. Die in Berlin hören offenbar nicht richtig zu, wenn der Ministerpräsident lockend sagt: Wir können visionär werden. Die Äußerung des Wirtschafts- und Verkehrsministers des Landes von eben betreffend rückwirkenden Landesverrat stellt die Äußerung von Carstensen „Wir können Visionäre werden“ aber zumindest in ein schiefes Licht.