Protokoll der Sitzung vom 27.05.2005

Bei der Initiative für einen Mindestlohn und für die Erweiterung des Entsendegesetzes geht es ja gerade nicht nur darum, eine Gleichbehandlung von Arbeitnehmern aus dem In- und Ausland herzustellen, was allein schon aus Gerechtigkeitserwägungen und aus sozialer Verantwortung ein wichtiger Grund an sich gewesen wäre. Zusätzlich geht es darum, dass die Binnenkonjunktur hierdurch gestärkt werden soll.

Das alles darf aber nicht von oben her diktiert werden, sondern es muss zum System der sozialen Marktwirtschaft passen. Deshalb ist es wichtig, dass die Position der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände in diesem Zusammenhang gestärkt wird. Das, was diese beiden Partner konkret aushandeln, soll maßgeblich sein. Ein Mindestlohn kann sich somit von Branche zu Branche und von Region zu Region unterscheiden und darf nicht einheitlich festgelegt werden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wird Rücksicht auf die Wirtschaftskraft der jeweiligen Branche genommen, gleichzeitig aber wieder fairer Wettbewerb ermöglicht.

Deshalb ist die Lösung, wie sie jetzt auf Bundesebene angedacht ist, eine gute Lösung, die sowohl den Menschen als auch der Wirtschaft zugute kommen wird und insbesondere schleswig-holsteinischen Interessen dient.

Wir werden daher dem Antrag der Grünen zustimmen, sind aber auch mit einer Ausschussüberweisung einverstanden.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Kollegen Harms. - Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Uwe Döring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin immer wieder fasziniert, wie man auch in kleinen Dingen schwarz-weiß argumentieren kann und wie man auch in kleinen Dingen Makro- und Mikroökonomie in einem unterbringen kann.

Ich versuche einmal, dies anders darzustellen, und möchte an die Diskussion über die Entwicklung in Europa anknüpfen, die wir vor zwei Tagen miteinander geführt haben.

Entsenderichtlinie und Arbeitnehmerentsendegesetz beschreiben einen nicht unerheblichen Teil des Weges der Gestaltung des Binnenmarktes und der Freizügigkeit in Europa. Das Entsendegesetz berührt die Menschen insoweit unmittelbar. Beschäftigte inländische Unternehmen sehen sich zunehmendem Wettbewerb mit Arbeitnehmern aus den EU-Staaten ausgesetzt. Diese Entwicklung hat sich verschärft. Auf die Berichterstattung wurde schon hingewiesen. Das betrifft nicht unmittelbar das Entsendegesetz, aber was im Bereich der Fleischverarbeitung und in der Fliesenlegerbranche durch osteuropäische Billiglohnanbieter verursacht wird, können wir lesen. Das erschreckt viele, es macht unmittelbar betroffen, Ängste werden geweckt. Unsere Aufgabe muss es sein, diesen Ängsten entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang kann man diese Richtlinien diskutieren.

Etwas Grundlegendes möchte ich vorweg sagen. Ich möchte mich jetzt nicht auf den Bereich Rindfleisch beziehen. Die Jonglierereien von Herrn Garg haben mich beeindruckt. Herr Garg, Sie sind ein Rindfleisch-Rastelli, so wie ich das gesehen habe. Die Folgerungen und Ableitungen waren alle richtig, aber Sie sind nicht auf die Ursachen zu sprechen gekommen. Auf eine Sache möchte ich in diesem Zusammenhang besonders hinweisen.

Innerhalb der EU besteht ein erhebliches Lohngefälle zwischen den neuen Beitrittsländern und den Ländern, die bisher in der EU waren, insbesondere der Bundesrepublik. Selbst der Niedriglohnsektor in Deutschland ist für ausländische Arbeitnehmer zum Teil so attraktiv, dass sie mit diesen extrem niedrigen Löhnen in ihrem Heimatland noch Rücklagen bilden können. Solange das so ist, meine Damen und Herren, können wir relativ viel Regulierung und Protektionismus betreiben - Sie werden immer Menschen finden, die für diese Löhne arbeiten.

(Beifall bei CDU, FDP und des Abgeordne- ten Rolf Fischer [SPD])

Dementsprechend motiviert und engagiert sind diese Arbeitskräfte. Unser Problem ist, dass wir gerade im

(Minister Uwe Döring)

Niedriglohnsektor keine Auffangmöglichkeiten haben. Wir haben keine anderen attraktiven Jobs, sondern wir transferieren die Leute aus ihrem Sektor direkt in unsere Sozialtransfersysteme. Das ist unser Problem und das ist die teuerste Lösung, die man sich denken kann. Aber aufgrund des Lohngefälles in der EU wird dies - machen wir uns nichts vor, meine Damen und Herren! - auch absehbar so bleiben.

Jetzt kann man natürlich etwas dagegen machen. Politik ist ja nicht Stillstand. Ein Entsendegesetz kann bis zu einem gewissen Grad Auswirkungen auffangen. Es beseitigt Symptome, aber nicht die Ursachen. Die Konkurrenzsituation lässt sich nur effektiv beseitigen und auffangen, wenn die Unterschiede der Lohnniveaus der Länder angeglichen werden. Daran werden wir zu arbeiten haben. Das ist mit Portugal und Irland in der Vergangenheit auch geschehen.

Um zum heutigen Thema zurückzukommen: Das Arbeitnehmerentsendegesetz kann unter den dargestellten Umständen ein geeignetes Instrument sein, um Lohndumping entgegenzuwirken. Es sichert nach Maßgabe der Tarifparteien Mindesttarife auch für ausländische Unternehmen und für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Aus meiner Sicht ist dabei entscheidend, dass die eigentliche Lohnfindung bei den Tarifpartnern bleiben muss. Dies steht im Einklang mit unserer Tarifautonomie. Auf Grundlage dessen halte ich die Schaffung von gesetzlichen branchenspezifischen Mindestlöhnen weder für wünschenswert noch für wegweisend. Auch Erleichterungen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung führen in einigen Bereichen möglicherweise zu neuen Regulierungen; in diesen Bereichen den Markt zu regulieren, geht in der Regel schief.

Wir haben den Gedanken der Erweiterung des Entsendegesetzes auf andere Branchen neben der Baubranche. Das liegt nahe, wenn man damit Aussicht auf Erfolg haben kann. Aus meiner Sicht müssen dafür allerdings zwei Maßstäbe gelten: Erstens dürfen die Vorgaben des Entsendegesetzes nicht zu Produktionsverlagerungen ins Ausland führen. Die Gefahr besteht. Zweitens: Wenn es zu branchenspezifischen Einigungen kommt, ist auf Ausgewogenheit zu achten. Wir wollen keine Armutslöhne; außerdem sind Jobs gefährdet, wenn Mindestlöhne zu teuer sind. Dies gilt insbesondere in den von uns schon diskutierten Bereichen.

Wir müssen darauf achten, dass gering qualifizierte Menschen nicht vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Hier sind die Tarifvertragsparteien in besonderer Weise gefordert und sie haben in der Vergan

genheit gute Arbeit geleistet. Ich denke, sie werden diesen Aufgaben auch künftig gewachsen sein.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Zum Entsendegesetz selbst und den Richtlinien: Hier werden die Voraussetzungen geschaffen. Wir haben aber auch in der Baubranche gesehen: Es wird eine Vielzahl von Umgehungstatbeständen geben. Das heißt, wir werden darauf achten müssen, dass es keinen Missbrauch gibt. Wir haben das in der Baubranche erlebt und haben dann wiederum Vorschriften, wenn das nicht entsprechend eingehalten wird.

Meine Damen und Herren, wir haben die Verpflichtung, die Öffnung des Arbeitsmarktes auf europäischer Ebene so zu gestalten, dass auf der einen Seite die Integration fortschreitet, dass sie auf der anderen Seite aber nicht einseitig Nachteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land nach sich zieht. Das Arbeitnehmerentsendegesetz ist hierfür ein brauchbares Instrument, wenn es sinnvoll gestaltet und genutzt wird. Ein dauerhaftes Allheilmittel für die Situation ist es aber nicht, wie ich anfangs erläutert habe, sondern es ist ein Instrument.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag federführend dem Wirtschaftsausschuss und mitberatend dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Keine Geldverschwendung für den Ausbau des Flughafens Holtenau

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/74

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Für den Antragsteller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Klaus Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Bemerkung vorwegschicken: Wie in der Vergangenheit auch sind Begründungen natürlich kein Beschluss des Landtages. Das wollte ich kurz gesagt haben.

(Klaus Müller)

Zur Sache! Seit über vier Jahren wird jetzt über den Ausbau von Kiel-Holtenau diskutiert und gestritten. Nach der Landtagswahl gab es einen leider äußerst kurzlebigen Koalitionsvertrag. Darin war vereinbart worden, keine Bearbeitungsphase II durchzuführen. Das Ausbauprojekt wäre damit hinfällig gewesen. Allerdings leider nur für kurze Zeit.

Der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD lässt zum Thema Holtenau Interpretationsmöglichkeiten jeder Art zu. Gut ist aus unserer Sicht, dass ein Flughafenentwicklungs- und Flugverkehrskonzept in Abstimmung mit Hamburg in Auftrag gegeben werden soll. Das sollte auch der frühere Wirtschaftsminister erstellen, das hat er aber wohlweislich immer vermieden. Der neue Wirtschaftminister nimmt diese Gesamtkonzeption für Schleswig-Holstein und Hamburg ernst, nur so kann ich seine Briefe an die Kieler Oberbürgermeisterin verstehen. Warum ist die Bearbeitungsphase II so bedeutend? Warum der Streit darum? Wenn erst einmal die Verfahrensunterlagen für das Planfeststellungsverfahren vollständig erstellt sind, haben wir circa 40 LeitzOrdner gefüllt und weitere 1,1 Millionen € ausgegeben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

- Ich dachte gar nicht, dass Sie das wollen, Herr Kubicki! - Es gibt dann eine große Gefahr, immer weiter in das Verfahren hineinzurutschen. Die Notwendigkeit für eine Verlängerung der Start- und Landebahn ist in der Gesamtkonzeption nachzuweisen. Die aktuellen Kostenschätzungen der Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel von 26 Millionen € Belastung für Kiel im Zeitraum von 2004 bis 2013 sprengen den selbst verordneten und beschlossenen Finanzdeckel von 19,6 Millionen Euro bei weitem.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Volquartz hat daraus die Konsequenzen gezogen. Sie will das Projekt nicht weiter verfolgen. Dafür wird sie heftig gescholten. Sie hat aber Mut und Stärke gezeigt und dabei sehr viel Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung gewonnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] - Zurufe der Abgeordneten Sylvia Ei- senberg [CDU] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Eisenberg, das rechne ich Ihnen hoch an. Die tatsächliche verkehrliche Nutzung des Flughafens Holtenau spricht aber gegen ein Ausbauprojekt. Die angekaufte EAE-Linie Köln/Bonn-Kiel wurde wegen zu geringer Passagierzahlen und wegen Unwirt

schaftlichkeit eingestellt. Das heißt, die Wirtschaftsunternehmen, die immer danach gerufen haben, nutzen eben nicht die Fluglinie Kiel-Holtenau nach Köln/Bonn. Die Gesellschafter Stadt und Land hat das Abenteuer 550.000 € Anschubfinanzierung gekostet.

Cimber Air fliegt zunächst bis zum 31. Oktober 2005 die Königslinie nach Frankfurt/Main weiter. Als Gegenleistung werden ihnen die Personal- und Sachkosten für die Abfertigung abgenommen und die Rabatte gesenkt. Ich finde es gut - das will ich deutlich betonen -, dass unser Home Carrier in Kiel bleibt. Man muss aber ehrlich und nüchtern erkennen, dass eine Wirtschaftlichkeit auf dieser Fluglinie nicht gegeben ist. Die Ausführungen des Landesrechnungshofs im Ergebnisbericht 2005 vom 8. März dieses Jahres gehen in die gleiche Richtung.

Die Kabinettsentscheidung vom 26. März 2002 zum Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau wurde mit zwei entscheidenden Einschränkungen getroffen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da haben Sie mitgestimmt!)

- Richtig. Der Landeszuschuss aus GA-Mitteln wurde auf 20,2 Millionen € gedeckelt

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich, un- glaublich!)

und der Charterflugverkehr wurde ausdrücklich ausgeschlossen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Herr Kubicki, Sie fordern immer mehr Charterverkehr, Herr Garg fordert das Ende des Ausbaus. Regeln Sie das erst einmal intern in der FDP, bevor Sie irgendwelche Zwischenrufe schreien!