Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Der konjunkturelle Aufschwung wird auch 2007 weiter für fallende Arbeitslosenzahlen sorgen. Die Regionaldirektion hat dies zum Jahresbeginn noch einmal bestätigt. Ich freue mich, dass wir hier eine gute Zusammenarbeit zwischen Arbeitsministerium und Wirtschaftsministerium haben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Aber es ist zu befürchten, dass es trotz dieser positiven Daten einen relativ festen Sockel an Arbeitslosigkeit geben wird.

Gleichzeitig fehlen Fachkräfte. Nördlich des Kanals findet man kaum noch einen arbeitslosen Elektriker oder Fliesenleger. Immer öfter müssen Handwerksbetriebe Aufträge ablehnen.

Meine Damen und Herren, wir haben einen gespalteten Arbeitsmarkt, der der Wirtschaft schadet, die Sozialkassen belastet und immer mehr Menschen in

der Langzeitarbeitslosigkeit gefangen hält. Von den bis zu 60.000 Langzeitarbeitslosen in Schleswig-Holstein haben viele ohne weitere Unterstützung kaum eine Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt. Da stellt sich die Frage: Wie können wir diesen Menschen helfen?

Die Arbeitsgemeinschaften und die Optionskommunen haben für die Förderung von Langzeitarbeitslosen viele Mittel und Möglichkeiten zur Hand. Für die Eingliederung von ArbeitslosengeldI-Empfängern stehen zum Beispiel zur Verfügung Eingliederungszuschüsse, Trainingsmaßnahmen, Bildungsgutscheine für berufliche Weiterbildung; für Empfänger von Arbeitslosengeld II - gestatten Sie mir, dass ich hier einfüge: gerade seit dem heutigen Tage sollten wir regelmäßig von SGB II und nicht mehr von Hartz IV reden

(Vereinzelter Beifall - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das habe ich schon vor einem Jahr gesagt!)

gibt es zusätzliche Instrumente, etwa Schuldnerund Suchtberatung, Hilfe bei der Organisation von Kinderbetreuung oder der häuslichen Pflege von Angehörigen, das Einstieggeld und schließlich die sogenannten Ein-Euro-Jobs. Alle diese Instrumente sind sehr wichtig, aber meiner Überzeugung nach müssen wir noch an vier Stellen eine Schippe drauflegen:

Erstens. Wir müssen mehr für die Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen tun. Zweitens. Wir müssen uns mehr um Qualifizierung kümmern. Drittens. Wir müssen Angebote für Arbeitslose schaffen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben. Und viertens. Wir müssen den Niedriglohnsektor umbauen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die ersten drei Ziele stehen im Mittelpunkt der schleswig-holsteinischen Arbeitsmarktpolitik. Bereits mit dem Programm „Arbeit für SchleswigHolstein“, ASH 2000, wurden seit 2000 eigene Akzente gesetzt. Das Kombilohnmodell SchleswigHolstein war ebenso wie das Elmshorner Modell durchaus ein Erfolg.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze blieb nach Auslaufen der Förderung erhalten. Aber ASH 2000 war trotz dieser Erfolge insgesamt zu kleinteilig.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Der Aufwand bei der Abwicklung war zu groß. Das hat die Evaluation auch deutlich gezeigt. Deswegen - der Oppositionsführer hat das gestern erklärt -, kann ich für meinen Bereich nur sagen, hier gibt es keine einfache Fortsetzung.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Was das Klotzen und Kleckern anbelangt: In dem Bereich, für den ich verantwortlich bin, wird geklotzt. Ich zeige gleich noch einmal deutlich, wo die Schwerpunkte liegen.

Mit dem Zukunftsprogramm Arbeit für die gerade beginnende Förderperiode des Europäischen Sozialfonds wollen wir uns auf einige wenige Bereiche konzentrieren, und zwar auf die Bereiche, die von anderen nicht gefördert werden. Wenn ich mir die Gesamtförderung auf dem Arbeitsmarkt ansehe, ist das nicht so wahnsinnig viel Geld. Deshalb müssen wir das Geld zielgerichtet und nicht mit der Gießkanne ausgeben.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Konkret wollen wir zum Beispiel die Weiterbildung von Beschäftigen unterstützen. Unsere Weiterbildungsquote liegt deutlich unter dem OECDDurchschnitt. Wer hier schläft, verpasst den Anschluss und produziert die Arbeitslosen von morgen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich darf dazu auch sagen, bei einem Blick nach Dänemark - ich war im letzten Jahr zwei Tage drüben und habe mich informiert - wird Folgendes deutlich: Dort gibt es zielgenaue Weiterbildung. Das heißt, es wird abgesprochen, welche Bedarfe sind vorhanden. Die Maßnahmen sind manchmal nur sehr kurz, aber sie sind verpflichtend und sehr zielorientiert. Das ist bei uns anders; wir haben häufig sehr allgemeine Weiterbildungsangebote. Die Arbeitslosen sind ein Jahr aus der Statistik und nach einem Jahr wieder arbeitslos - auf einem höheren Niveau. Ich habe das etwas flapsig so ausgedrückt: In Dänemark haben Sie nach 14 Tagen den Gabelstaplerführerschein, bei uns haben Sie nach einem Jahr das Jodelabitur. Das können wir so nicht akzeptieren. Daran wird gearbeitet. Aber das muss schneller gehen.

Hauptschwerpunkt unseres neuen Programms wird jetzt die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sein. Wir konzentrieren uns hier auf die Förderung von jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren und auf die präventive Arbeitsmarktpolitik in der Schule.

Ich bin sehr froh darüber, dass ich mich mit meiner Kollegin Frau Erdsiek-Rave in dem Programm Schule und Arbeit wiederfinden kann, mit dem wir die Berufsfähigkeit von Jugendlichen und Schülern bereits in der Schule, in Klasse 8, zu verbessern versuchen und nicht erst danach.

(Beifall bei SPD, CDU und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt noch einen weiteren Schwerpunkt innerhalb der Förderung von Jugendlichen: das sind die Jugendlichen aus Einwandererfamilien. Es muss deutlich gesagt werden: Wenn man sich das statistisch ansieht, erkennt man: Hier sind ganz viele Begabungspotenziale, die brachliegen. Da gibt es Jugendliche, die haben gute Schulzeugnisse und trotzdem keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Das muss geändert werden.

Besonders schwierig ist das bei Mädchen aus Einwanderungsfamilien. Ich nenne dazu nur eine Zahl. Es gibt etwa 180 Ausbildungsberufe für Mädchen. Türkische Mädchen wählen davon in der Regel nur acht. Das sind die, die am wenigsten qualifiziert sind und am wenigsten Chancen haben. Das muss künftig geändert werden. Wir müssen alle Bildungspotenziale heben.

(Vereinzelter Beifall)

Zusätzlich zur Erarbeitung des Zukunftsprogramms Arbeit habe ich einen runden Tisch zur Bekämpfung der Sockelarbeitslosigkeit eingerichtet. Wir wollen hier nicht massenhaft neue Instrumente entwickeln. Es reicht oft schon, dass das, was wir haben, besser eingesetzt wird.

Ich vertrete in der gesamten Arbeitsmarktpolitik die Auffassung: Wir haben nicht zu wenig Geld, wir müssen dieses Geld nur vernünftig einsetzen. Daran müssen wir arbeiten.

Nehmen Sie die Ein-Euro-Jobs. Sie sind heute nur in jedem sechsten Fall die direkte Brücke in den Arbeitsmarkt. Trotzdem aber sind sie wichtig. Ich glaube, die längere Nutzung der Ein-Euro-Jobs als bislang, die üblichen sechs oder auch neun Monate, kann für viele eine Alternative zum Zurückfallen in das Nichtstun und in die Passivität sein. Daran sollten wir arbeiten.

Zusätzlich sollten wir über einen sozialen Arbeitsmarkt für diejenigen nachdenken, die auf dem ersten Arbeitsmarkt selbst auf längere Sicht chancenlos sind. Die Stellen können sowohl im marktfernen als auch im marktnahen Bereich geschaffen werden, in Integrationsbetrieben und im Rahmen gemeinnütziger Arbeit. Denkbar ist auch - wie von der Diakonie vorgeschlagen - die Zusammenfas

(Minister Uwe Döring)

sung und Kapitalisierung von Sozialleistungen zu einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn es ist besser zu arbeiten, als alimentiert zu werden.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dabei kann man allerdings auch vieles falsch machen. Es kann nicht angehen, wie in Bad Schmiedeberg, dem neuen Wunder der Vollbeschäftigung in Sachsen-Anhalt, dass einfach alle Arbeitslosen mit örtlichem Geld vom Arbeitsmarkt weggekauft werden. Dann könnten wir einfach vier Millionen Arbeitslose in den öffentlichen Dienst einstellen und hätten Vollbeschäftigung. Da, wo das das letzte Mal grandios gescheitert ist, war in der DDR. Das Ergebnis kennen wir.

(Heiterkeit)

Ich sage dazu: Den arbeitslosen Elektrikermeister, der 55 Jahre alt ist, müssen wir in einen Handwerksbetrieb bringen. Der soll nicht fünf Jahre oder länger die Oldtimer im Feuerwehrmuseum polieren.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Im Übrigen darf weder durch Ein-Euro-Jobs noch durch den sozialen Arbeitsmarkt reguläre Arbeit verlorengehen. Ich gebe zu, das ist eine Gratwanderung.

Übrigens, um nicht missverstanden zu werden: Dieser soziale Arbeitsmarkt ist nichts für Jugendliche unter 25 Jahre.

(Vereinzelter Beifall)

Wir müssen jeden Jugendlichen unter 25 Jahre in Arbeit bringen und nicht in eine Schublade und Dauerbeschäftigung der öffentlichen Hand.

(Beifall)

Dafür wollen wir bei der Schaffung der Ein-EuroJobs die Regionalbeiräte einbinden. Ich bin fest davon überzeugt: Kammern, Unternehmen und Gewerkschaften vor Ort wissen am besten, was funktioniert und wovon man besser die Finger lassen sollte. All dieses sollten wir zusammenfassen.

Ich sage noch einmal: Für den schleswig-holsteinischen Weg der Arbeitsmarktpolitik, für den ich Verantwortung trage, wird das Motto gelten: Geht nicht gibt’s nicht!

(Beifall bei SPD und CDU - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Sehr gut!)