Die Redezeit der Fraktionen ist abgelaufen. - Das Wort hat der Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herr Dietrich Austermann, in Vertretung für den Herrn Finanzminister.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Geschäftsordnung hätte ich jetzt 30 Minuten Redezeit. Ich werde sie aber nicht in Anspruch nehmen, weil ich ziemlich sicher bin,
Ich darf Ihnen zunächst die Grüße des Finanzministers bestellen, mit dem ich in dieser Frage völlig einig bin. Ich denke, dass ich auch in dem, was ich sage, mit der Regierung völlig einig bin. Ich glaube, es ist ganz gut, dass der Wirtschaftsminister zu diesem Thema sprechen kann.
Weshalb brauchen und weshalb machen wir - Bund und Länder miteinander - eine Steuerreform? Wir tun das, weil wir die Situation, die wir im internationalen Vergleich haben wollen, verbessern wollen; die tatsächlichen Möglichkeiten, Steuergewinne ins Ausland zu verlagern, wo sie niedrig besteuert werden, sind unbefriedigend. Wir machen das deshalb, weil wir glauben - wie Herr Kubicki an dieser Stelle zu Recht gesagt hat -, dass unser Steuersystem zu kompliziert ist. Wir machen es deshalb, weil wir mehr Gerechtigkeit, vor allem auch für kleinere und mittlere Betriebe, wollen. Wir machen es natürlich auch deshalb, um eine gewisse Entlastung vorzunehmen. Nur aufkommensneutral, einfach nur Geld hin- und herzuschieben, kann aus meiner Sicht nicht Sinn einer derartigen Reform sein.
Deshalb hat sich der Koalitionsausschuss in Berlin auch auf eine Nettoentlastung in der Größenordnung von 5 Milliarden € verständigt.
Ich möchte noch eine zweite Feststellung treffen. Wir haben im letzten Jahr als Land Schleswig-Holstein 513 Millionen € mehr Steuern eingenommen als erwartet.
- Herr Neugebauer, das Defizit lag ursprünglich nach den Schätzungen bei 1,7 Milliarden €. Es hat sich dadurch deutlich reduziert.
Jetzt stellt sich die Frage, ob man nicht an das Steuersystem und an die Steuerbelastungen mit falschen Erwartungen herangeht, wenn man in erster Linie davon ausgeht, dass wir damit - so wie der Einstieg von Frau Spoorendonk war - die Arbeitsmarktprobleme lösen. Der Staat ist ein schlechter Arbeitgeber. Der Staat baut Arbeitsplätze ab. Der Staat kann die Arbeitsmarktprobleme allein nicht lösen.
Wir haben die erfreuliche Situation in der Wirtschaft, dass wir jetzt wieder darüber nachdenken, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag weiter abzusenken, weil die Beschäftigung steigt und die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Das Ziel muss verstärkt
verfolgt werden. Dieses Ziel wird nicht dadurch verstärkt verfolgt, dass wir dem Staat mehr Einnahmen verschaffen, sondern dadurch, dass wir mehr Beweglichkeit in die Wirtschaft bringen.
Ein weiteres Thema: Sie haben das Thema Rente angesprochen. Ich denke, dass es eine ganze Menge Rentner gibt, die heute am Stammtisch - ob Raucher oder Nichtraucher - mehr über Aktienkurse als über die Rentenerhöhung reden. Wenn sie sich über Rentenerhöhung hätten unterhalten wollen, hätten sie in den letzten fünf Jahren nichts zu besprechen gehabt.
Insgesamt wird vielleicht in der Debatte vernachlässigt, dass in Schleswig-Holstein 98 % der Betriebe kleine und mittlere Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern sind. Über die wirtschaftliche Realität in unserem Land wird manchmal anders geredet, als es hier vielleicht gemacht wird. Natürlich haben auch die Rentner, weil sie von den Einkommen der Arbeitnehmer abhängig sind - denen ich gern in diesem Jahr einen deutlichen Zuwachs bei den Löhnen gönnen würde -, durch die Rentenerhöhung etwas davon, wenn wir mehr Beschäftigung und eine besser bezahlte Beschäftigung haben. Ich finde, man sollte die Dinge nicht alle miteinander in einen Topf werfen, weil man dann vielleicht auf ein falsches Ergebnis kommt.
Der nächste Punkt: Die Entwicklung der Einnahmen der Kommunen hat sich so gestaltet, dass im letzten Jahr zum ersten Mal seit vielen Jahren die Kommunen in der Summe - nicht jede, nicht die Großstädte - wieder Überschüsse haben. Ich sage das jetzt ganz deutlich: Diese Entwicklung ist natürlich von früheren Reformen mit begünstigt worden, auch Reformen des Jahres 2000, durch die Steuerreform, die damals durchgeführt worden ist. Es ist ein Erfolg, wenn Steuereinnahmen wieder sprudeln, wenn wir zusätzliches wirtschaftliches Wachstum haben. Das ist auch ein Ergebnis vorangegangener Reformen. Die hätte man sich sicher noch besser vorstellen können, aber das ist das Ergebnis.
Unsere gemeinsame Erwartung sollte sein, dass diese Reform das gleiche Ergebnis noch beflügelt, das heißt, dass sie darüber noch hinausgeht, dafür sorgt, dass wir zusätzliche Einnahmen erzielen, auch für die öffentliche Hand, und gleichzeitig die Betriebe entlastet, damit die Betriebe mehr Umsatz, mehr Erträge erzielen können.
von dem, was in die Betrachtung einfließt, wird außerhalb unseres Landes erzeugt. Vieles, zum Beispiel 40 % der Automobilproduktion, die uns zugerechnet wird, wird in anderen Ländern, außerhalb Deutschlands, erzeugt. Das ist ein scheues Reh. Sie können sich an dieser Stelle wie auch an anderen Stellen schnelle Veränderungen vorstellen, aber ich denke, auch das hat mit der Frage Exportweltmeister wenig zu tun.
Unternehmerinnen und Unternehmer haben gelernt, sich anzupassen. Sie tun es zum Beispiel dadurch, dass sie einen möglichst großen Anteil der im Inland erwirtschafteten Gewinne durch grenzüberschreitende Kreditaufnahme oder geschickte Nutzung des Steuerrechts ins Ausland mit niedrigeren Steuern verlagern. Als Folge dieser Kapitalflucht gehen Deutschland jährlich Steuereinnahmen in Milliardenhöhe verloren. Wir müssen darauf hinarbeiten, dass Gewinne, die hier erzielt werden, auch hier versteuert werden. Ich freue mich, dass der Vorsitzende des Finanzausschusses auch an dieser Stelle mit mir einer Meinung ist. Das ist Geld, das uns an anderer Stelle fehlt, um Rahmenbedingungen zu verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland weiter zu steigern.
Das Ziel heißt deshalb: runter mit den Steuersätzen. Ich möchte gern etwas zu den Fakten sagen. Unsere Unternehmen werden im Schnitt etwa mit knapp 40 % besteuert. Das gilt zunächst für Kapitalgesellschaften. Es gibt die Körperschaftsteuer mit zurzeit 25 %, dann kommt die Gewerbesteuer mit 13 bis 14 % dazu, dann kommt der Solidarzuschlag, unter Umständen die Kirchensteuer und bei Privatgesellschaften kommt noch die Reichensteuer hinzu. Also im Schnitt sind es Steuern in der Größenordnung von 40 %. Nominal wird dieser Betrag auf knapp 30 % gesenkt. Damit liegen wir europaweit im internationalen Vergleich auf einer vernünftigen Position. Ich glaube, real liegt die Absenkung nicht so hoch, weil eine Umverteilung natürlich an vielen Stellen stattfindet, Einnahmeentlastungen werden durch Belastungen an anderer Stelle ausgeglichen, sodass die Betriebe netto sicher nicht eine Verbesserung um 10 Prozentpunkte erreichen. Ich schätze, dass das eher 6 Prozentpunkte sind. Also, runter mit den Steuersätzen heißt nicht runter mit den Einnahmen. Es bedeutet aber auf der anderen Seite mehr Chancen für Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze am Standort Deutschland.
Kern der Reform ist die Senkung der nominalen Belastung der Kapitalgesellschaften. Ich habe das beschrieben. Deutschland läge damit im europäischen Mittelfeld. Gewinne der großen Personenun
ternehmen sollen künftig nur mit einem Einkommensteuersatz von 28,25 % belastet werden. Das ist ein ganz entscheidender Schritt der Stärkung der in Deutschland oft schwachen Eigenkapitalbasis von Unternehmen, die damit auch in die Lage versetzt werden, konjunkturelle Schwankungen leicht abzufedern.
Wenn man Kritik an der früheren Steuerreform üben möchte, wäre sie allenfalls an dieser Stelle angebracht, weil durch sie eine Unwucht zugunsten der großen Kapitalgesellschaften und zulasten der Personengesellschaften entstanden ist. Dies wird jetzt korrigiert. Wir unterstützen den Bundesfinanzminister ganz eindeutig in seiner Position. Sie bietet für unsere mittelständischen Betriebe die Möglichkeit, langfristige Planungen und eine stabilere Arbeitsplatzsicherung durchzuführen.
Schleswig-Holstein profitiert dabei überproportional, weil insbesondere die Regelungen zu Sonderund Ansparabschreibungen für kleine und mittelständische Unternehmen verbessert werden. Zum einen wird das Fördervolumen erhöht, zum anderen wird zukünftig auch die Anschaffung gebrauchter Wirtschaftsgüter gefördert.
Ein weiterer Eckpunkt ist die Abgeltung von Kapitalerträgen. Dazu hat hier heute keiner Stellung genommen, deshalb kann ich diesen Teil aussparen. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir mit geringeren Steuersätzen mehr Investitionen im Inland ermöglichen, mehr steuerzahlende Unternehmen haben werden und somit mittelfristig auch Mehreinnahmen aus der Körperschaft- und Gewerbesteuer erzielen werden.
Wenn wir dagegen die Hände in den Schoss legen und auf die geplante Reform verzichten, entstehen uns nicht nur Steuerausfälle, wir schwächen auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und verschlechtern die Rahmenbedingungen für Wachstum und Arbeitsplätze.
(Konrad Nabel [SPD]: Wer liest denn da ab? - Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
- Wir können das gern anders machen. Ich lege das zur Seite, Herr Abgeordneter Nabel, das ist gar kein Problem. Sie wissen, in einer Koalition muss man sehen, dass man dem einen oder anderen nicht zu sehr auf die Füße tritt. Das ist gelegentlich ein Balanceakt, aber ich denke, ich bringe das auch so hin.
Ich denke, dass wir im Rahmen dieser Steuerreform an verschiedenen Stellen noch einen gewissen Nachbesserungsbedarf haben. Das betrifft insbeson
dere die kleinen und mittleren Betriebe, ferner die Frage der Thesaurierung, welche Werte wir ansetzen, das betrifft die forschungsintensiven Betriebe, weil der Referentenentwurf zurzeit so aussieht, als wenn wir damit eher Investitionen in forschungsintensive Existenzgründungen belasten oder erschweren. An der Stelle wollen wir noch nacharbeiten. Es gibt noch den einen oder anderen kleineren Punkt.
Lassen Sie mich abschließen mit einem Hinweis auf frühere Finanzminister und frühere Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein. Ich kann mich erinnern, dass Mitte der 80er-Jahre die Steuerreform nicht nur die Unternehmensteuern umfasst hat, sondern natürlich auch die Lohn- und Einkommensteuer. Manch einer erinnert sich noch, dass wir ideologische Debatten um den Höchststeuersatz geführt haben, der damals noch bei 52 % lag, und dass es sozialdemokratische Ministerpräsidenten gewesen sind, die das Ganze auf 42 % heruntergebracht haben. Die Debatten gehören Gott sei Dank der Vergangenheit an.
Stoltenbergs dreistufige Reform in den 80er-Jahren ging in die Richtung: Wir wollen entlasten, um dadurch den Betrieben mehr Luft zu verschaffen. Es gab die gleichen Einwände, die heute von den Grünen und vom SSW gekommen sind, nämlich die Sorge, dass dabei die Landesfinanzen den Bach hinuntergehen und dass wir weniger soziale Gerechtigkeit haben und die Sozialkassen in eine schwierige Lage kommen. Das Ergebnis war, dass sich Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre mit dieser Steuerreform eine positive Entwicklung mit 3 % Wachstum ergeben hat, dass die Verschuldung des Staates eingedämmt werden konnte. Ohne diese Voraussetzung wäre die Wiedervereinigung sicher schlechter zu meistern gewesen. Wir haben festgestellt, dass sowohl die Sozialkassen wie auch die Steuerkassen über sprudelnde Einnahmen verfügt haben.
Ich glaube, dass wir im Hinblick auf diesen tüchtigen Bundesfinanzminister und die tüchtigen Ministerpräsidenten mit Gelassenheit diskutieren sollten, in welche Richtung wir uns entwickeln wollen. Geht es tatsächlich darum, einzelnen Fonds mehr Geld zu verschaffen? Das kann mit Sicherheit nicht beabsichtigt sein. Gegen manchen Hedgefonds habe ich die gleichen Vorbehalte, wie sie von vielen hier im Hause vertreten werden. Ich habe damals, als das unter Finanzminister Eichel eingeführt wurde, sehr dagegen votiert und gesagt, dadurch könnte eine Fülle von Problemen entstehen.
Wenn man jetzt zu einer Belastung kommt, die gleichzeitig dazu führt, dass wir die Zinsen besteuern oder andere Geschichten machen, müssen wir uns sehr genau ansehen, wie weit das unsere Werften betrifft. Wir müssen ganz genau hinsehen, ob wir damit nicht die Finanzierungsmodelle, die dort gewählt sind, gefährden. Jeder, der einmal in einer Werft gewesen ist, hat an der Eingangstür gesehen, wie viele Unternehmen dort bestehen. Wenn es die nicht so gäbe, gäbe es in Schleswig-Holstein auch keinen Schiffbau, gäbe es keinen Schiffbau in Norddeutschland. Das muss man eindeutig sehen. Wir müssen mit dieser Reform, die im Bruttovolumen die größte Unternehmensteuerreform ist, die wir je hatten, und im Nettovolumen immerhin ein Anfang ist, dafür sorgen, dass wir mehr Arbeitsplätze haben, dass wir mehr wirtschaftliches Wachstum haben.
Was die Kritik an der Berechnung angeht, die der Abgeordnete Koch vorgetragen hat, so müssen wir Ihnen das natürlich offiziell als Auskunft geben. Das ist aber nicht das Ende der Aussage. Der Selbstfinanzierungseffekt einer Steuersenkung oder, besser gesagt, einer Steuerreform, um jetzt nicht unnötige Widerstände zu wecken, wird meistens unterschätzt. Die Steuerreform des Jahres 2000, die Steuerreformen der 80er-Jahre haben alle belegt, dass eine gut gemachte Reform unter dem Strich im Interesse des Staates, im Interesse der Arbeitsplätze, im Interesse des wirtschaftlichen Wachstums liegt. Ich bin überzeugt, dass die Reform, die Minister Steinbrück vorgelegt hat, den gleichen Erfolg hat. Wenn wir an der einen oder anderen Stelle im Interesse unserer Werften, unserer mittelständischen Betriebe noch nacharbeiten, so rufe ich dazu alle auf.
Zu Ihrem Zwischenruf, Frau Heinold: Ich habe Frau Spoorendonk nicht gerügt, sondern die Kolleginnen und Kollegen darauf hingewiesen, dass hier ohne vorbereitete Rede geredet werden soll. Sonst hätte ich an vielen anderen Stellen ebenfalls rügen müssen.
Zweitens habe ich dem Herrn Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr hier in Vertretung für den Herrn Finanzminister das Wort gegeben. Vor dem Hintergrund war das Präsidium der Auffassung, dass das etwas großzügiger gehandhabt werden sollte. Dank des Zwischenrufs des Abge