Protokoll der Sitzung vom 09.05.2007

des Konsultationsprozesses zum Grünbuch und der anschließende Aktionsplan sind nur drei Beispiele für die ungeheure Eigendynamik, die das Thema Meerespolitik entwickelt hat. Es ist erstaunlich, wie in kurzer Zeit ein solcher Begriff geprägt und mit Leben erfüllt wird.

Ich kann auch auf meine Erfahrungen verweisen, die ich letzte Woche in Bremen gemacht hat. Ich war Ende letzten Jahres in Berlin. Ich habe nicht geglaubt, dass die Bundesregierung dieses Thema so nach vorne bringt und dass sich die Bundeskanzlerin in ihrer Rede zu diesem Thema so deutlich auslassen wird. Gleiches gilt für Herrn Bundesminister Tiefensee, aufgrund dessen Namen ich immer die Hoffnung hegte, dass er zur europäischen Meerespolitik ein besonders Verhältnis hat.

(Heiterkeit)

Hinter diese deutlichen Worte der Bundesregierung kann die Politik in Berlin nicht mehr zurückfallen. Das heißt, die Botschaft von der Küste ist in Berlin angekommen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Erfolg sowohl des Parlaments als auch der Landesregierung. Bei diesem Thema - das sage ich Ihnen deutlich - gibt es keine politischen Differenzen. Das gilt auch für die Regierung: An dieser Stelle passt zwischen den Ministerpräsidenten und den Europaminister keine Alge.

(Beifall bei SPD und CDU)

In Berlin wird in der Schlusserklärung zur deutschen Präsidentschaft dieses Thema Meerespolitik in all seinen Facetten enthalten sein. Dabei dürfen wir die Meeresumweltpolitik nicht vergessen.

Konkrete Erfolge für Schleswig-Holstein heißen in Bremen Folgendes:

Erstens. Wir haben ein deutliches Bekenntnis der Bundesregierung durch Frau Merkel sowie ein deutliches Bekenntnis der Europäischen Kommission durch Herrn Barroso zum Thema OffshoreWindkraft. Das ist eine der wichtigen Zukunftsenergien. Ich hoffe, dass wir in Schleswig-Holstein bald eine Pilotanlage haben, damit die einzige 5MW-Anlage nicht vor der schottischen Küste steht. Auch vor der schleswig-holsteinischen Küste muss eine stehen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens. Ich habe mit der Generaldirektion gesprochen. Die Generaldirektion hat ein hohes Verständnis für unsere Wünsche zum Thema Landstrom. Sie versteht nicht, dass sich Berlin in dieser

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Sache auf entsprechende Dinge und Formalia zurückzieht.

Der dritte Punkt betrifft die Kooperation maritimer Forschungsinstitute. Das ist eine Forderung von uns und auch eine Forderung innerhalb des Ausschusses der Regionen. Dieses wird aufgegriffen. Es ist am Ende der Konferenz deutlich geworden: Die Bundesregierung wird ein Koordinierungssekretariat fördern. Dieses wird jetzt ausgelobt. Unsere Chancen sind gut, dass es nach Kiel kommt. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass diese Koordinierungsstelle für europäische Meerespolitik nach Kiel kommt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Die Vertreter sowohl in Southampton als auch in Brest sind damit einverstanden. Sie wissen, dass wir in diesem Bereich eine hervorragende Rolle spielen. Das heißt, wir haben hier ganz konkrete Erfolge vorzuweisen. Das muss so weitergehen.

Der maritime Aktionsplan soll im Oktober vorgelegt werden. Ich wünsche mir, dass wir sehr schnell dabei sind, auch in Schleswig-Holstein einen regionalen Aktionsplan zu entwickeln, um aktiv Politik im integrativen Ansatz zusammenzuführen. So macht es auch Brüssel. Wir müssen sagen: Wir sind die Meeresregion, die Best Practice an dieser Stelle tatsächlich vorweisen kann. Dies wäre ein Riesenerfolg für uns. Dies wird einer der Schwerpunkte unserer Europapolitik sein.

Ich sage noch einmal: Ich habe mit den süddeutschen Ländern hinsichtlich der Erklärung im Bundesrat große Probleme gehabt. Diese haben gesehen, dass die Küste Förderungsmittel haben will. Sie hatten die Sorge, dass wir Förderungsmittel aus dem Süden abziehen wollen.

Ich würde das herzlich gern tun, weil wir unterversorgt sind. Aber ich bin Realist. Deswegen habe ich nur davon gesprochen, die Mittel, die wir haben, in einem gemeinsamen Fonds zu bündeln, damit wir die verschiedenen Dinge aus einer Hand finanzieren können. Es war sehr schwierig, weil das Binnenland angenommen hat, dass Meerespolitik nur der Küste zugute komme. Ich sage hier an dieser Stelle und das müssen wir an anderen Stellen noch lauter sagen: Wenn wir an der Küste Zukunftspolitik machen, dann haben das gesamte Land und die gesamte EU etwas davon. Die Wertschöpfung findet auch in Nordrhein-Westfalen, auch in Bayern und auch in Baden-Württemberg statt.

(Beifall)

Das heißt, wenn wir hier an der Küste etwas tun, tun wir etwas für das ganze Land.

Ich möchte an dieser Stelle noch eine letzte Sache ansprechen. Wahrscheinlich überschreite ich damit meine Zeit, aber mir ist das wichtig. Es geht um eine Sache, die politisch als Botschaft herüberkommen muss. Vor 20 Jahren waren wir an der Küste abgeschrieben. Man hat gesagt: Ihr habt sterbende Industrien, seht mal zu, ihr habt ja den Fisch. Ansonsten macht einen Nationalpark und stellt ein Schild auf: Bitte nicht füttern. Sonst ist dort nichts mehr zu holen.

Meine Damen und Herren, ich bin fest davon überzeugt: Diese Zeit ist vorbei. Die Welternährung wird ohne Meere nicht gesichert werden können. Die Energieprobleme werden ohne Meerespolitik nicht lösbar sein, die Klimaprobleme schon gar nicht. Auch eine zukunftsorientierte Beschäftigungspolitik wird sich aus der Meerespolitik entwickeln. Das heißt, wir hier haben wirkliche Visionen, wir haben Zukunftspolitik. Insofern liegt die Zukunft der EU und der Bundesrepublik an der Küste!

(Beifall bei SPD und CDU)

Über die soziale Dimension rede ich das nächste Mal.

Ich danke dem Herrn Minister. Wir können schon die Uhr lesen. Sie haben die Redezeit um 2,5 Minuten überschritten. Das erhöht die Redezeit der Fraktionen entsprechend.

Doppelte Motivation: Man kann Professor Block so verstehen, wie man will. Ich habe ihn so verstanden: Europa ist ganz wichtig. Großmutter und Großzügigkeit reimt sich auch.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat der Abgeordnete Manfred Ritzek mit einer Redezeit in gleicher Länge.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin davon überzeugt, wir alle sind noch sehr bewegt von den Feierlichkeiten, die wir gerade beendet haben. Eigentlich, Herr Europaminister Döring, wollte ich Sie erst zum Schluss meiner kurzen Rede loben. Aber ich muss ehrlich sagen: Das, was Sie gesagt haben, hätte ich nicht besser sagen können.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich habe die Aufgabe, über einige andere Positionen aus dem Europabericht zu sprechen. Aber ich möchte auch ein bisschen staatsmännisch beginnen,

(Minister Uwe Döring)

(Heiterkeit)

weil mir der heutige Tag so wichtig ist.

Wir haben soeben die Feierstunde anlässlich der ersten konstituierenden Sitzung unseres Landtages vor 60 Jahren gehabt. Nur ganz wenige Monate vor diesen 60 Jahren hatte der britische Premierminister Winston Churchill in einer Aufsehen erregenden Rede in Zürich zur Aussöhnung und Partnerschaft der europäischen Länder aufgerufen. Vor 50 Jahren wurden die Römischen Verträge zwischen sechs ehemaligen Kriegsgegnern geschlossen, womit der Friedensprozess endgültig unumkehrbar wurde.

Heute, meine Damen und Herren, berichtet unser Europaminister, Herr Döring, über die europapolitischen Schwerpunkte 2007, über Schwerpunkte, die beweisen, dass Schleswig-Holstein in den europäischen Prozess eingebunden ist und in bedeutenden Bereichen eine Führungsrolle übernommen hat, zum Beispiel im Bereich der europäischen maritimen Politik. Ich zitiere: „Meerespolitik muss ein wichtiger Bestandteil der EU-Politik sein“, so Minister Uwe Dörings Bekenntnis anlässlich der in der vorigen Woche verabschiedeten „Bremer Erklärung“. Dem können wir nur zustimmen.

Meine Damen und Herren, nun einige Anmerkungen zum Europabericht 2007. Wir müssen uns mit neuen Begriffen und neuen Inhalten im Bericht über die Europapolitik der Landesregierung anfreunden. Ich erwähne nur zwei oder drei. Dazu gehört zum Beispiel die Umsetzung des FlexicurityModells - ich weiß nicht, ob das schon jemand von Ihnen gehört hat -, ein Modell zur Anpassung an den Wandel des Arbeitsmarktes. Der Begriff setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern Flexibility und Security. Dieses Modell beschreibt die für Dänemark typische Verbindung von Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt und sozialer Sicherheit für die Beschäftigten und soll jetzt auf die gesamte Europäische Union angewendet werden. Das Modell wird kritisch betrachtet; mit Recht. Problematisch ist zum Beispiel die im Bericht erwähnte Umsetzung des Modells bezüglich interner und externer Flexibilität. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Unternehmen erst eigene Leute ausbilden und dann akzeptieren sollen, dass diese zu anderen Unternehmen abwandern. Ich halte das für ein ziemlich schwieriges Postulat.

Ein weiterer Begriff, mit dem wir noch nicht so vertraut sind, ist der Begriff RENREN. Dabei handelt es sich um die Gründung des Regionennetzwerkes für regenerative Energien, in das SchleswigHolstein seine Expertise für Windkraft einbringt, Oberösterreich zum Beispiel für Biomasse, Island

für Geothermie, Zypern für Solarthermie, Nordschweden für Wasserkraft und Wales für Ozeanographie.

Meine Damen und Herren, bedeutend erscheint mir in diesem Bericht das klare Bekenntnis zur besseren Einbeziehung der nationalen und regionalen Parlamente in die EU-Gesetzgebung. Das Subsidiaritätsprinzip wird hier erwähnt und vom Minister besonders hervorgehoben. Das sind keine rituellen Beschwörungen, wie vorhin Professor Ruck gesagt hat, sondern das ist eine klare Aussage und eine Forderung unseres Europaministers, für die Landesparlamente Gestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen.

Wir sind mit dem Landtag und mit unserer Regierung in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien tätig und haben dort höchstes Ansehen.

Die Energiepolitik wird in dem Bericht besonders in Bezug auf die regenerativen Energien in vielen Facetten erwähnt, auch im Zusammenhang mit dem Klimaschutzproblem. Der Bürokratieabbau soll forciert werden. Wir alle können gespannt auf die Ergebnisse im nächsten Bericht in Bezug auf diese Zielvorstellungen sein.

Die Aktivitäten im Ostseeraum, auch die Verbindung mit Kaliningrad, werden erwähnt. Wir haben ja gerade das zweitägige Kaliningrader Symposium in Hamburg und Kiel durchgeführt, und zwar vom Schleswig-Holsteinischen Landtag, von der Oblast Kaliningrad und von der Hamburger Bürgerschaft.

Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte Ihnen meinen persönlichen Dank und auch den Dank der Fraktion für Ihr Engagement für Europa aussprechen und ich möchte auch Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den Bericht danken, den sie erstellt haben, den wir uns alle ansehen sollten. Der Bericht ist umfassend, kritisch und projektorientiert. Der Bericht fordert alle hier im Hohen Hause auf, Europa mit zu gestalten. Meine Damen und Herren, tun wir das!

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Ritzek. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Rolf Fischer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über den Europabericht fällt in die Zeit der deutschen Ratspräsidentschaft; der Minister hat das erwähnt. Die deutsche Ratspräsi

(Manfred Ritzek)

dentschaft ist fast am Ende. Wir können feststellen, dass kein Zeitpunkt besser geeignet ist, über einen solchen Europabericht zu reden, weil dieser Europabericht einen großen Vorteil hat, der auch zu Beginn erwähnt werden sollte. Er hat nämlich das Ziel, eine Art von Vorausschau von Europapolitik zu formulieren. Das ist in einer Zeit, in der wir eine kombinierte Ratspräsidentschaft haben, nämlich eine Staffelübergabe, eine ganz wichtige Voraussetzung, um kontinuierlich auf Europa, auf Brüssel, auf Berlin europapolitisch einzuwirken.

Das kann man nur dann, wenn man sich eine Vorausschau gibt. Der Bericht tut das. Deswegen an dieser Stelle ein herzlicher Dank für diese strukturellen Überlegungen, dem Parlament einen solchen Bericht vorzulegen. Dieses Parlament leidet ja nicht an einer zu geringen Zahl von Berichten, sondern eher im Gegenteil. Dieser hat durch diese strategische Ausrichtung, nämlich zu sagen, wir schauen nach vorn, eine ganz erhebliche Existenzberechtigung. Dafür sagen wir auch als Fraktion an den Minister und die Mitarbeiter im Europaministerium: „Danke schön!“