Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

Für einen weiteren Kurzbeitrag hat nun Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der doch bemerkenswerte Beitrag des Kollegen Hentschel gibt mir Veranlassung, neben den sonstigen Sachbeiträgen, die ich zur Kenntnis habe nehmen dürfen, zu der Frage Stellung zu nehmen, worum es den Beteiligten eigentlich geht. Der Kollege Hentschel - ähnlich wie der Kollege Eichstädt - ist der Auffassung, dass das Parlament, solange es diese Regierung gibt, nach Hause gehen kann, weil wir immer darauf warten müssen, bis die Regierung etwas vorlegt und wir uns dann in Jubelarien ob dieser hervorragenden Vorschläge, zu denen es keine Alternative gibt, ergehen müssen. Herr Kollege Eichstädt, möglicherweise ist es nicht mehr weit hin, bis Sie wieder in der Opposition sitzen, und dann werden wir auf diesen Beitrag, den Sie geleistet haben, zurückkommen und ihn als ständigen Maßstab dafür nehmen, wie wir die Arbeit der SPD-Fraktion zu bewerten haben.

In der Sache geht es aber um die Frage Nichtraucherschutz. Es gibt in der FDP überhaupt niemanden, der nicht für Nichtraucherschutz eintritt, obwohl diese inhaltlich sehr emotional vorgetragenen Begründungselemente, Frau Kollegin Heinold, etwas komisch sind. Wenn Sie sagen, dass Eltern mit ihren Kindern doch in Restaurants keinem Rauch ausgesetzt werden dürfen, dann müssen Sie konsequenterweise dafür eintreten, dass diese Restaurants nur auf der grünen Wiese errichtet werden, denn auf dem Weg von zu Hause zum Restaurant atmen die kleinen Kinder bedauerlicherweise so viel schlechte Luft ein, dass sie davon drei Wochen gut haben und von dem, was in den Restaurants noch ihre Lungen tangieren würde, gar nicht weiter berührt werden. Sehen Sie sich einmal die Belastungen in den Innenstädten an. Niemand von Ihnen kommt auf die Idee zu sagen, die Kinder dürften nicht mehr in die Innenstädte kommen.

Es kommt der FDP darauf an, dass hier etwas anderes geschieht. Es wird ja nicht nur Nichtraucherschutz betrieben, sondern es wird in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen, und zwar in den Gewerbebetrieb der Gastronomen. Darüber muss man nachdenken. Man muss fragen, ob es hier nicht für den Staat ein Übermaß

(Dr. Heiner Garg)

verbot gibt. Ist eine Regelung nach dem Motto „Wir verbieten grundsätzlich alles“ verfassungsrechtlich überhaupt gerechtfertigt, wenn es andere Möglichkeiten gäbe? Selbstverständlich gibt es andere Möglichkeiten, nämlich die, dass sich die jeweiligen Gastronomen selbst entscheiden, was sie anbieten wollen und was nicht.

Frau Heinold, niemand ist gezwungen, in ein Restaurant zu gehen, in dem geraucht wird. Sie auch nicht. Sie haben auch keinen Anspruch darauf, in ein bestimmtes Restaurant zu gehen. Wenn der Wirt Sie nicht mag, dann sagt er Ihnen: Das war es, Hausverbot! Aus meiner Sicht hätte ich dafür viel Verständnis, wenn ich das einmal so sagen darf.

Ich möchte nicht so leben müssen, wie Frau Heinold lebt. Ich habe andere Auffassungen. Ich möchte nicht das essen, was sie essen mag. Ich bin Nichtraucher. Ich möchte nicht das anziehen, was sie anziehen mag, und ich möchte auch nicht ihr Auto fahren. Ich möchte etwas anderes machen. In einer freien und demokratischen Lebensform müssen diese Alternativen möglich bleiben. Das hat Herr Bundestagspräsident Lammert auch zum Ausdruck gebracht. Es darf nicht immer der Wahn da sein, man müsse den Menschen vorschreiben, sich so zu verhalten, wie es das eigene Lebensmodell im Zweifel vorsieht.

Wir können die Regelungen, die wir haben wollen, in gleicher Weise mit dem FDP-Vorschlag umsetzen. Der mag Ihnen gefallen oder nicht. Wir können das tun. Herr Kollege Eichstädt, ich sage Ihnen: Ich bin häufiger in Spanien und ich empfehle allen, dort einmal hinzufahren. Im Sommer sitzen alle draußen, da spielt das gar keine Rolle. Wenn es aber regnet, dann müssen Sie sich einmal die Restaurants und Gaststätten in Spanien angucken. Da rauchen alle. Da gibt es abgetrennte Ecken für Nichtraucher. Da sitzt keine Sau. Es gibt Tische und Einrichtungen für Raucher. Da sitzen fast alle, weil es dort viel gemütlicher ist.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

- Herr Kollege Eichstädt, das ist keine Urlaubsfolklore. Sie sollten das vielleicht einmal tun. Sie sollten sich einmal angucken, was in Irland oder in New York passiert. Dort gibt es dann die Clubs.

Lieber Herr Kubicki, die Zeit!

Es folgt mein letzter Satz: Es gibt die Clubs mit Tagesmitgliedschaften. Es gibt die guten Restaurants mit Tagesmitgliedschaften, in denen die Leute essen und wo geraucht werden darf, weil auf diese Art und Weise die gesetzlichen Regelungen ausgehebelt werden, die Sie gerade einführen wollen. Herzlichen Glückwunsch! Sie können mir glauben: Im Zweifel sind die Leute, die am Markt ihr Geld verdienen müssen, intelligenter als Sie.

(Beifall bei der FDP)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der mir wohl bekannte Holger Astrup das Wort.

Frau Präsidentin, langsam kriegen wir das mit dem Namen gemeinsam hin. - Ich wollte nur drei Bemerkungen machen. Erstens. Ich stehe hier als der einzige bekennende Raucher. Alle meine Vorrednerinnen und Vorredner waren Nichtraucher oder geben dies zumindest vor.

Zweitens. Ich war etwas überrascht, als der Kollege Hentschel sich beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt vehement und in der üblichen Lautstärke dafür einsetzte, dass man sich das Eingreifen in die Wirtschaft schenken sollte. Hier ging es - wenn ich richtig zugehört habe - um Container. Bei diesem Tagesordnungspunkt hat er mit dem Gegenteil argumentiert. Ich werde nachher mit ihm darüber reden, was es beim nächsten Tagesordnungspunkt geben wird. Diejenigen, die andauernd die Heidelberger Studie zitieren, sollten sich einmal die Mühe machen, sie zu lesen. Das ist leider mein fataler Eindruck.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich habe mir die Mühe aus Eigennutz gemacht, das gebe ich gern zu. Wer sie bis zum Ende gelesen hat, der wird zu ganz überraschenden Ergebnissen kommen. Eines dieser überraschenden Ergebnisse ist, dass nicht alles, was die Heidelberger landauf, landab veröffentlichen und worauf sich alle beziehen, so richtig ist, wie es wiedergegeben wird. Ich sage das in der mir angeborenen Zurückhaltung. Lesen Sie einmal nach. Es gibt Leute, die sind an diesem Thema noch interessierter als ich.

Ich will Ihnen sagen, wie sich das Ganze persönlich für mich auswirken wird. Ich fahre bisher sehr gern mit der Bahn, wenn ich Termine in Berlin habe. Ich werde in Zukunft wieder mein Auto benutzen, weil

(Wolfgang Kubicki)

ich auf Fernstrecken ab September nicht einmal mehr auf dem Bahnhof rauchen darf. Diese Idiotie, dass man nicht einmal auf einem zugigen Bahnhof, auf dem man in aller Regel Mühe hat, einen festen Stand zu bewahren, weil es dort so zieht, nicht mehr rauchen darf, hat sich mir noch nicht erschlossen. Ich finde das albern. Wenn ich nach Frankfurt oder nach München muss, was regelmäßig der Fall ist, dann werde ich nicht mehr wie bisher mit der Bahn fahren, sondern ich werde fliegen. Das ist meine ganz persönliche Konsequenz.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Im Urlaub fahren wir nach Dänemark!)

Was die Wirtschaft betrifft, bin ich dezidiert anderer Auffassung, Frau Kollegin Heinold. Ich halte die Wortwahl, die nicht unbedingt von Ihnen, jedoch teilweise von anderen Grünen gewählt wird, für missionarisches Treiben, das mir gewaltig gegen den Strich geht.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und Beifall des Abgeordneten Detlef Buder [SPD])

Das ist durch die Wortwahl missionarisches Treiben, mit der Absicht, auch in mein Privatleben einzugreifen. Insofern war ich dem Kollegen Harms sehr dankbar dafür, dass er mir zumindest zugestanden hat, dass ich bei mir zu Hause weiterrauchen darf, ohne dass einer klingelt. Ich finde das sehr ermutigend. Auf die spanischen Verhältnisse hätte ich auch hingewiesen, Herr Kollege Kubicki. Da bin ich nämlich auch gerade gewesen. Hier gibt es zwei nebeneinander liegende Kneipen. Die eine trägt ein blaues F, da gehe ich hinein. In der anderen finde ich Frau Heinold und beides finde ich gut so.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU sowie Bei- fall der Abgeordneten Detlef Buder [SPD] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Garg, es ist richtig: Mein stellvertretender Landesvorsitzender hat sich so geäußert, wie Sie es eben dargestellt haben. Ich kann Ihnen aber versichern: Es gibt einen Landesvorstandsbeschluss, der genau das widerspiegelt, was ich eben wiedergegeben habe. Ich bin nämlich parteitreu. Ich gebe im Parlament das wieder, was meine Partei von mir erwartet. Das ist in der FDP viel

leicht nicht so. Bei mir ist das so. Das war eine private Meinung meines stellvertretenden Landesvorsitzenden. Dieses Recht hat er. Genauso hat auch der Kollege Astrup weiterhin das Recht, seine Meinung zu vertreten, selbst wenn die Sozialdemokratie möglicherweise etwas anderes beschließt. So viel Freiheit muss sein.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Deswegen sehe ich das ganz locker. Ich habe heute wirklich versucht, deutlich zu machen, wo die Grenzen liegen. Ich finde, das hat auch der Kollege Astrup in seiner charmanten Art und Weise gerade eben noch einmal deutlich gemacht. Im privaten Bereich liegen bei mir die Grenzen. Hier sind wir einig. Hier will ich keine Eingriffe haben. An jedem Ort, der für die breite Öffentlichkeit zugänglich ist, geht es darum, dass die Menschen vor Rauch geschützt werden müssen. Dazu zählen für mich auch Kneipen. Wenn es nach mir geht, dann zählen dazu zum Beispiel auch Tankstellen, weil ich weiß, dass man sich dort auch trifft. Das ist jetzt meine Privatmeinung.

(Beifall beim SSW)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstens. Das peinliche Bekenntnis des Kollegen Astrup zu seinem Beitrag zum aktiven Klimaschutz 2007 will ich nicht kommentieren.

Zweitens. Herr Kubicki, wir sind uns wahrscheinlich schnell einig darin, dass wir beide stolz darauf sind, nicht so zu sein wie der oder die andere.

Drittens. Ich war auf der DEHOGA-Veranstaltung auch etwas erstaunt darüber, dass ich die Einzige war, die dort den Mut hatte, für Nichtraucherschutz in Gaststätten einzutreten. Ich hatte das dem SSW eben erspart, aber ich erwähne das jetzt. Ich war sehr erstaunt darüber, wie viel Applaus ich bekam. Darauf war ich gar nicht eingestellt. Es gab dort tatsächlich viele Menschen, die meine Meinung teilten. Das hat mich gefreut.

Viertens. Ich möchte Herrn Hentschel entschuldigen. Er ist oben bei einer Besuchergruppe. Sonst würde er mit Sicherheit etwas zu den Angriffen sagen.

(Holger Astrup)

Fünftens. Ich habe in meiner Rede vorhin betont, dass es nicht um den Eingriff in die freie Wirtschaft geht. Es geht nicht darum, den Kunden vorzuschreiben, ob sie sich dem Rauch aussetzen sollen oder nicht. Es geht nicht darum, ob sie eine Entscheidungsfreiheit haben oder nicht. Es geht darum, das Recht auf Gesundheitsschutz für alle Arbeitnehmer und alle Arbeitnehmerinnen in Deutschland sicherzustellen. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Frau Heinold. - Bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, möchte ich auf der Tribüne neue Schülerinnen und Schüler begrüßen. Dort ist eine andere Klasse der Jacob-Struve-Realschule aus Horst. Weiter sitzt dort eine Klasse der KlausGroth-Realschule aus Heide. - Seien Sie uns mit Ihren Lehrkräften herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Landesregierung hat nun Frau Gesundheitsministerin Dr. Gitta Trauernicht das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die breite öffentliche Debatte in den letzten Monaten zum Thema Nichtraucherschutz hat der Sache gut getan. Inzwischen will eine breite Mehrheit der Bevölkerung, dass sie vor dem Passivrauchen geschützt wird. Darunter gibt es übrigens auch einen steigenden Anteil von Rauchern, dies bringen Umfragen zum Ausdruck. Ganz unabhängig von der Aussagekraft einzelner Studien hat die allgemeine Aufklärung ganz eindeutig zu der Erkenntnis beigetragen, dass nicht nur Rauchen, sondern auch Passivrauchen schädlich ist.

Außerdem wünscht die Bevölkerung eine gesetzliche Regelung und damit den Anschluss an Regelungen, wie sie in anderen Ländern bestehen. Die gesetzliche Regelung wird von breiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert, weil gesehen wird, dass die Freiwilligkeit nicht zu dem Ergebnis führt, das erwartet worden ist. 60 % aller Gaststätten hätten bis zum jetzigen Zeitpunkt Nichtraucherräume einrichten sollen. In Schleswig-Holstein hat dies lediglich ein Zehntel getan; das entspricht einem Anteil von 6 % aller Speisegaststätten. Das zeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht.

Mit Blick auf den Handlungsbedarf gibt es inzwischen auch ganz eindeutige Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Sie wünschen klare Regelungen, sie wünschen einfache Regelungen. Es soll nicht gewackelt und es soll keine faulen Kompromisse geben. Daneben soll jedoch auch keine Überbürokratisierung stattfinden; jeder soll einfach wissen, woran er ist. Diese Wünsche werden auch vonseiten der Gastwirte an uns herangetragen.

Das heißt, dass der niedersächsische Gesetzentwurf inzwischen zu einem Synonym für eine politische Fehlleistung geworden ist. Es gab öffentliche Empörung über diese Position, über die sogenannten R- und Eckkneipen. Diese Kneipen wurden sogar als ein Rückfall hinter die bis dato geltenden freiwilligen Vereinbarung mit der DEHOGA betrachtet. Allen war klar, dass das kein gesundheitspolitisch motivierter Vorstoß, sondern ein Rekurs auf das Motto „Freiheit für jeden Einzelnen“ war. Dieser Rekurs hat jedenfalls nicht überzeugt, sodass die niedersächsische Landesregierung die logische Konsequenz gezogen hat: CDU und FDP haben ihren Gesetzentwurf zurückgezogen.

Nun soll diese politische Bruchlandung in Niedersachsen als Neuauflage in Schleswig-Holstein gelten. Das ist verblüffend. Ob abgeschrieben, ob rechtlich überarbeitet, ob inhaltlich noch getoppt durch das Thema „Diskotheken“ - das Ergebnis bleibt immer das Gleiche: Dieser Entwurf ist kein Nichtraucherschutzgesetz, sondern ein Raucherschutzgesetz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als Schleswig-Holsteinische Landesregierung lassen uns nicht beirren. Wir haben einen ganz klaren Kurs vorgegeben, der hier auch schon vorgetragen wurde und sich in der Formulierung auf den Punkt bringen lässt: Überall in öffentlichen Gebäuden, aber auch in Gaststätten, wird das Rauchen verboten, aber überall kann es auch Raucherräume geben.