Protokoll der Sitzung vom 10.05.2007

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Bei einer zugegeben weiten Auslegung des Gesetzes wird die Härtefallregelung dort so interpretiert, dass eine Elternbeteiligung von 30 % nur für das erste Kind erhoben wird und ab dem zweiten Kind vollständig entfällt. Kinderreichtum hier als Härtefall, was die Eigenbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten anbelangt! Schon mit diesem Beispiel ist der Vorwurf der Familienfeindlichkeit weitgehend entkräftet.

(Beifall bei der CDU)

Darüber hinaus muss man noch einmal grundsätzlich die Frage stellen, was an einer Regelung eigentlich familienfreundlich sein soll, die dazu führt, dass die heute Schulbus fahrenden Kinder später Zinsen für die Schulden zahlen müssen, die heute aufgenommen werden, um ihren Eltern den Eigenanteil zu ersparen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es reicht einfach nicht, nur in den Haushaltsdebatten und Sonntagsreden immer wieder die Verschuldung des Landes zu beklagen und eine schnellstmögliche Rückkehr zu einem verfassungsgemäßen Haushalt einzufordern, um dann bei jeder noch so kleinen konkreten Maßnahme wieder den Mut zu verlieren. Wir müssen auch tatsächlich damit beginnen, die Staatsaufgaben zu reduzieren und die Staatsausgaben zu senken, wenn wir unsere Kinder und Enkel finanziell nicht immer weiter belasten wollen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist es, was die Große Koalition in SchleswigHolstein auszeichnet, dass sie die Kraft und die Verantwortung besitzt, die erforderlichen Maßnahmen selbst dann zu ergreifen, wenn sie unpopulär sind und manch einem die Möglichkeit zur Profilierung bieten.

Fehlende Popularität und Profilierungsmöglichkeiten ändern nichts an der Richtigkeit und Notwendigkeit der beschlossenen Maßnahmen. Für meine Fraktion besteht deshalb kein erneuter Änderungsbedarf.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten lieben Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Redebeitrag von Herrn Dr. Klug bin ich in dem Eindruck bestätigt worden, dass er eigentlich nicht wirklich weiß, wie Schülerbeförderung funktioniert und wie sie finanziert wird.

(Beifall bei der SPD und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt da auch zwei Betrachtungsweisen, was die gesetzliche Regelung in § 114 angeht: die Sichtweise derjenigen, die bislang eine Dienstleistung meistens kostenfrei erhalten haben, zukünftig stärker beteiligt werden und das natürlich schlecht finden, und die Betrachtungsweise derjenigen, die schon immer 100 % der Schülerbeförderungskosten selbst getragen haben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Dr. Jo- hann Wadephul [CDU]: Kiel!) )

Die sagen natürlich: Eigentlich ist es doch gerecht, wir zahlen hier immer 100 % selbst, warum sollen die nicht auch bezahlen?

Herr Dr. Klug, Ihre Fraktion besteht ja zu 75 % aus Kielern und alle, die in Kiel leben, kriegen keinen einzigen Pfennig dazu.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wo ist der dritte Kieler?)

Wer in Friedrichsort die Entscheidung trifft und sagt: „Ich möchte mein Kind aufs Gymnasium nach Kiel schicken“, zahlt selber.

(Zuruf)

Lieber Kollege Garg, wer auf dem Ostufer lebt und sagt: „Ich möchte gern, dass mein Kind das altsprachliche Gymnasium, also die Gelehrtenschule, besucht“, der zahlt auch voll und ganz selber. Wer in Lübeck-Siems oder Kücknitz lebt und die Geschwister-Prenski-Schule besuchen will, zahlt allein.

In der K.E.R.N.-Region tragen die Kreise für ungefähr 40 % der Schülerinnen und Schüler die Kosten - mit Eigenanteilen - und etwa 60 % der Schülerinnen und Schüler bis zur Klasse 10 tragen alles selber. Das ist in der Tat der Fall. Wenn man diejenigen ab Klasse 10 noch dazunimmt, dann bekommen in der K.E.R.N.-Region nur rund 30 % der Schülerinnen und Schüler eine kostenfreie Schülerbeförderung.

Wir müssen auch die innerörtlichen Verhältnisse betrachten. Ich nehme einmal meine kleine Kreisstadt, die 11 km lang ist.

(Holger Astrup [SPD]: Wie heißt die?)

Dort befindet sich das Gymnasium am westlichen Rand der Stadt. Alle, die aus den großen Wohngebieten im Osten der Stadt kommen, zahlen die Kosten zu 100 % selber.

Gerade aus diesen Gründen, Herr Dr. Klug, halte ich Ihre Hinweise auf die Schulgeldfreiheit für völlig unangebracht. Das hat überhaupt nichts damit zu tun. Dann hätten Sie ja auch fordern müssen, dass es innerhalb der Stadt Kiel und innerhalb der kreisfreien Städte auch eine kostenfreie Schülerbeförderung gibt. Aber das wird mit Sicherheit nicht der Fall sein können.

Wir haben - ich sage das für viele Bürgermeister und Amtsvorsteher - ein Schreiben erhalten mit dem Motto: Elternbeteiligung ist zum Nachteil des ländlichen Raums. Man kann mit Sicherheit darüber sprechen. Aber manchmal ist es im ländlichen Raum auch anders. Wenn zum Beispiel größere zentrale Orte angefahren werden, dann sitzen Schülerinnen und Schüler nebeneinander, für die eine unterschiedliche Behandlung gilt. Der Schüler, der zwei Haltestellen vorher eingestiegen ist, ist mögli

(Tobias Koch)

cherweise kostenfrei, während derjenige, der dummerweise an der Stadtgrenze wohnt, zahlen muss. Das ist eine merkwürdige Form von Gerechtigkeit, zu der wir noch Überlegungen anstellen müssen.

Mein Kollege Koch hat schon auf die Härteklausel in § 114 Abs. 2 hingewiesen. Die sozialen Brennpunkte sind in den kreisfreien Städten, wo also die Eltern selber zahlen. Sie sind nicht in Mönkeberg oder in Schellhorn. Darum ist der gegebene Hinweis etwas unangebracht.

Es ist kein Geheimnis, dass wir als SPD die Frage der Elternbeteiligung heftig diskutieren. Wir haben dazu auch einen Landesparteitagsbeschluss. Die politischen Parteien sind frei darin, was sie programmatisch äußern. Sie können auch über das Handeln der Regierung und der Koalition hinausdenken; das ist unstrittig. Aber für uns als SPD-Fraktion ist es ebenso unstrittig, dass das Schulgesetz, welches wir im Januar beschlossen haben, unterstützt und umgesetzt wird. Das vertreten wir auch öffentlich.

Ich habe Verständnis für einige Kollegen, die aus Ostdeutschland kommen, wo es sehr ungünstige Tarifverträge gibt. Da muss man anders darüber nachdenken.

Aber wir stehen hundertprozentig hinter diesem Gesetzentwurf. Ich glaube, dass man über die Sozialklausel in § 114 Abs. 2 und vor allem über die Satzungshoheit der Kreise eine Gerechtigkeit schaffen kann, die für alle Eltern tragbar ist, die im ländlichen Raum wohnen und ihre Kinder in die zentralen Schulstandorte schicken müssen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geschätzter Kollege Höppner, man kann in SchleswigHolstein viel machen, auch hier im Parlament. Aber ein Partei, die beschließt, dass das geltende Schulgesetz unsozial ist und rückgängig gemacht werden muss, ein Partei, die durch ihren Innenminister, ihren Parteivorsitzenden und ihren Fraktionsvorsitzenden im ganzen Land verspricht, sich dafür einzusetzen, dass Eltern zukünftig nicht mehr für die Schülerbeförderung zahlen müssen, eine Partei, die dies tut und dann den bildungspolitischen Sprecher hier in den Landtag schickt mit dem Auftrag, er möge sagen, dass das Schulgesetz eigentlich in

Ordnung sei, diese Partei versagt komplett. Gegenüber den Eltern ist das eine unglaubliche Haltung.

Herr Höppner, wir werden alles tun, damit Ihre Rede die Parteibasis erreicht. Der Parteitagsbeschluss ist gefallen, nachdem sich der Koalitionsausschuss für die Beteiligung der Eltern entschieden hat, nachdem die SPD zugestimmt hat.

Jetzt frage ich Sie: Haben Sie die Rede, die Sie hier gehalten haben, auch auf Ihrem Parteitag gehalten? Hat sich der Fraktionsvorsitzende auf dem Parteitag für die Elternbeteiligung der Schülerbeförderung stark gemacht? Hat der Parteivorsitzende der SPD, der Innenminister ist, dies gemacht? - Wahrscheinlich nicht.

Diese Art der Doppelstrategie lassen wir nicht zu. Es kann doch nicht sein

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Henning Höpp- ner [SPD])

- Herr Höppner, Sie müssen meinen Redebeitrag leider ertragen -, dass eine Partei landauf, landab den Eltern verspricht, sie setze sich dafür ein, dass Eltern künftig für die Schülerbeförderung kein Geld zahlen müssen, während dieselben Leute uns hier im Landtag davon überzeugen wollen, dass dieses Schulgesetz eine soziale Tat sei.

Meine Damen und Herren, dieses Schulgesetz ist eine bildungspolitische Fehlleistung. Wir haben im Rahmen unserer Haushaltsanträge damals beantragt, dass das rückgängig gemacht wird. In dem Sinne werden wir natürlich dem FDP-Antrag zustimmen. Bei uns gab es noch eine Gegenfinanzierung.

Ich will die Größenordnung einmal aufzeigen. Sie sprachen von 3 oder 4 €. Es handelt sich im Jahr 2007 um 6 Millionen €, die Schleswig-Holstein den Eltern aufbürdet. Im Jahr 2008 werden es 9 Millionen € sein. So sind die Zahlen aus dem Innenministerium.

Wir haben schon in der Haushaltsdebatte gesagt, dass das keine Entlastung der kommunalen Finanzen bringt, sondern eine Belastung der Eltern. Gegen diese massive Belastung wenden wir uns.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden der CDU, des Abgeordneten Dr. Johann Wadephul?

(Dr. Henning Höppner)

Frau Kollegin, Sie haben soeben gesagt, Sie hätten Alternativvorschläge unterbreitet. Es geht hier um eine Kompensation des Eingriffs in den kommunalen Finanzausgleich. Wie wollen Sie die Summe, die Sie gerade genannt haben, anderweitig kompensieren? Wie wollen Sie die Kommunen in dieser Größenordnung anderweitig entlasten?

- Das haben wir im Rahmen unserer Haushaltsvorschläge gesagt. Sie haben das vielleicht nicht mehr im Kopf. Ich kann es Ihnen sagen.