Protokoll der Sitzung vom 15.06.2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 4. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt sind die Herren Abgeordneten Konrad Nabel und Thomas Stritzl. - Von dieser Stelle aus gute Genesungswünsche an die beiden!

(Beifall)

Beurlaubt sind Herr Minister Dr. von Boetticher. Ebenfalls für den heutigen Tag grundsätzlich beurlaubt ist Herr Minister Austermann, der jedoch bis zum Ende des ersten Teils der Aktuellen Stunde an der Sitzung teilnehmen wird. Beurlaubt ist ferner für den heutigen Tag Landtagspräsident Kayenburg.

Meine Damen und Herren, die Abgeordneten des SSW im Landtag haben einen Dringlichkeitsantrag eingereicht, den ich zunächst aufrufe:

Bericht über die angekündigte Landesförderung für das Science Center in Kiel

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/134

Wird das Wort zur Dringlichkeit gewünscht? - Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es ganz kurz machen, weil die Dringlichkeit aus der schriftlichen Begründung unseres Antrages hervorgeht. Wir bitten darum, dass dieser Antrag in dieser Tagung beraten wird.

Gibt es weitere Wortmeldungen zur Dringlichkeit? - Das sehe ich nicht. Dann lasse ich über die Dringlichkeit des Antrages der Abgeordneten des SSW im Landtag abstimmen. Ich weise darauf hin, dass nach § 51 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist. Wer die Dringlichkeit bejaht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist die Dringlichkeit des Antrages mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln bejaht worden. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag als Tagesordnungspunkt 18 a in die Tagesordnung einzureihen und mit einer Redezeit von jeweils fünf Minuten am Donnerstag nach Tagesordnungspunkt 23 zu behandeln. - Ich höre dazu keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Es soll ein weiterer Dringlichkeitsantrag vorliegen - das kündige ich schon einmal an -, und zwar von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bericht zum Sachstand Husumer Hafen. Ich kündige das jetzt an; ich glaube, Ihnen liegt der Dringlichkeitsantrag noch nicht vor. Dann schauen wir einmal, ob wir den rechtzeitig bekommen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist zur Landtagsverwaltung hochgegeben worden! - Dr. Johann Wa- dephul [CDU]: Wann denn? - Anne Lütkes [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor Beginn der Sitzung! - Weitere Zurufe)

- Der Dringlichkeitsantrag wird gleich verteilt. Wir sollten das jetzt nicht davon abhängig machen, wie schnell die Verwaltung das kopiert bekommt. Ich habe ihn ordnungsgemäß bekommen und darauf hingewiesen.

Ich möchte Ihnen jetzt den weiteren Ablauf der Landtagstagung vorschlagen. Ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 5, 7, 15, 16, 18 und 21 ist eine Aussprache nicht geplant. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 6 und 12, Anträge zum Ladenschluss sowie zur Bäder- und Fremdenverkehrsregelung. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Punkte 3, 19 und 24. Punkt 20 soll ebenfalls von der Tagesordnung abgesetzt werden, da die Ausschüsse ihre Beratungen noch nicht abgeschlossen haben.

Der Innen- und Rechtsausschuss hat mit Drucksache 16/132 eine Beschlussempfehlung zum Thema „Grundsätze für die Behandlung von Immunitätsangelegenheiten“ vorgelegt. Ich schlage Ihnen vor, dieses Thema als Punkt 21 a in die Tagesordnung einzureihen und den Tagesordnungspunkten ohne Aussprache hinzuzufügen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 4. Tagung. Wir werden unter Einschluss einer jeweils zweistündigen Mittagspause bis längstens 18 Uhr tagen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Meine Damen und Herren, auf der Besuchertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Jörgensby Skolen aus Flensburg

(Beifall)

und Schülerinnen und Schüler der Toni-JensenGesamtschule aus Kiel. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Die Aktuelle Stunde wird dieses Mal zu zwei Gegenständen durchgeführt, zunächst zum Thema „Stand der Ausschreibungen des Bahnteilnetzes Ost.“

Ich erteile für den Antragsteller, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten Klaus Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Das war ja schon ein Paukenschlag letzte Woche: die Ankündigung des Verkehrsministers Austermann, das Bahnteilnetz Ost eventuell nicht ausschreiben zu wollen. In der Presse und Öffentlichkeit ist das ganz schlecht angekommen. Auch den Abgeordneten der großen Koalition war schon in der Ausschusssitzung alles andere als wohl und angenehm bei den Ausführungen des Ministers.

Jetzt hat gestern der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Lothar Hay, eine klare und deutliche Sprache dazu gefunden. Lieber Lothar, das begrüße ich ausdrücklich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aber die Aussage von Herrn Austermann, wenn die wirtschaftlichen Vorteile für das Land überwiegen, könne man auf eine Ausschreibung der bisher von der Regionaltochter der Deutschen Bahn AG betriebenen Strecke womöglich verzichten, ist eine Aussage, die so nicht stehen bleiben darf und wozu wir dem Verkehrsminister jetzt gern die Chance geben möchten, diese zu korrigieren. Diese Aussage widerspricht nämlich der bisher sehr erfolgreichen Bahnpolitik der alten Landesregierung und eigentlich widerspricht sie auch dem Koalitionsvertrag von CDU und SPD. Dort heißt es kurz und knapp: „Der Wettbewerb im regionalen Schienenverkehr hat sich bewährt.“

Jetzt haben sich in den vergangenen Wochen schon viele Akteure in der Bahnpolitik gefragt, ob hinter dieser Formulierung ein Unterschied zur rot-grünen Formulierung steckt, in der es hieß: „Die Wettbewerbspolitik wird konsequent fortgesetzt“. - Leider scheint dem wohl so zu sein.

Verehrte Damen und Herren, damit wir uns nicht missverstehen: Ich habe keine Zweifel, dass der Ver

(Klaus Müller)

kehrsminister das Beste für unser Land möchte. Ich habe auch keine Zweifel, dass er nach Recht und Gesetz vorgehen wird; dafür wird schon sein Ministerium sorgen. Ich würde mich auch freuen, wenn die Bahn AG das Teilnetz Ost bedienen würde. Entscheidend ist aber, ob dies nach einem fairen Wettbewerb mit gleichen Chancen für alle geschieht oder ob hier zwischen alten Freunden Austermann und Mehdorn bei einem guten Glas Wein miteinander ein Deal ausgehandelt wird. Das ist ein elementarer Unterschied; das sollte so nicht sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Verehrte Damen und Herren, auch ein Blick in die Zeitung von heute - ich empfehle das „Pinneberger Tageblatt“ - zeigt hier einiges an Diskussion. Man hätte ja meinen können, dass Herr Austermann vielleicht der einzige ist, der diese Linie verfolgt. Nein, leider weit gefehlt. Im Zusammenhang mit der geplanten Schließung von Reisezentren in den Bahnhöfen Pinneberg und Elmshorn lässt sich der Bundestagsabgeordnete Dr. Ole Schröder (CDU) heute wie folgt zitieren:

„Es kann nicht sein, dass die massiven Einsparungen der Bahn den Service dermaßen verschlechtern und dies auf dem Rücken der Pinneberger Fahrgäste ausgetragen wird, aber gleichzeitig die Bahn vom schleswigholsteinischen Verkehrsminister Dietrich Austermann als Partner für den Ostverkehr, und zwar ohne Ausschreibung, gewählt wird.“

Verehrte Damen und Herren, da hat der Bundestagsabgeordnete Schröder Recht gehabt. Das kann so nicht sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein hat bisher die Nase vorn im Schienenpersonennahverkehr. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat bisher die Regionalisierung des Schienenverkehrs konsequent genutzt, um Einsparungen zu erzielen, die dann für qualitative und quantitative Verbesserungen im Sinne der Menschen genutzt worden sind. Dazu wurde der Schienenverkehr schrittweise ausgeschrieben und das war leichter gesagt als getan.

Verkehrsminister Rohwer hat damals harten Widerstand gehabt, weil natürlich eine Ausschreibung immer dazu führen kann, dass der Beste gewinnt und nicht automatisch der bisherige Monopolist; der kann auch Strecken verlieren.

Schleswig-Holstein ist Spitzenreiter bei der Ausschreibung von Strecken. Durch diese Ausschreibungen haben wir in den vergangenen Jahren millionenschwere Einsparungen erzielt, aber gleichzeitig auch die Qualität verbessert. Das heißt, die Menschen haben konkret etwas von dieser Politik gehabt. Ich erinnere nur an neue Triebwagen, neues Fahrzeugmaterial. Es macht Spaß, es ist wieder angenehm, in Schleswig-Holstein mit der Bahn zu fahren, auch dank dieser Politik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Deutsche Bahn ist aber nicht immer automatisch Verlierer bei solchen Ausschreibungen. Nein, das ist nicht der Fall. Ich erinnere an die Strecke HamburgFlensburg-Padborg, die jetzt neu vergeben worden ist. Da hat die Bahn zugeschlagen, weil sie gut war an der Stelle, weil die Bahn in der Lage war, hier ein gutes Angebot abzugeben, das besser gewesen ist. Diesen Weg in einem fairen Wettbewerb sollten wir an der Stelle weitergehen.

Kurz und gut, die Chancen der Regionalisierung wurden bisher genutzt, wurden optimal genutzt. Wir wünschen uns, dass dieser Kurs beibehalten wird. Bahnnutzer in Schleswig-Holstein haben mehr Haltepunkte, neue Schienenstrecken, mehr Angebote, neue Fahrzeuge, mehr Komfort. Darauf sollten wir alle stolz sein.

Herr Verkehrsminister Austermann, Sie haben heute die Chance, sich dieser Gemeinsamkeit anzuschließen und nicht wie ein einsamer Napoleon von der Waterkant einsam auf einem Feldherrenhügel zu stehen und einsame Entscheidungen zu treffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie des Abgeordneten Dr. Hei- ner Garg [FDP])

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Müller. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Arp.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war schon interessant, Herr Abgeordneter Müller, zu erfahren, wie Sie als Minister mit Ihren Partnern verhandelt haben. Ich glaube, das geht bei dieser Regierung etwas anders zu.

Die Strecke des Bahnteilnetzes Ost ist ohne Zweifel die lukrativste Strecke in Schleswig-Holstein. Wie schon vor vier Jahren einstimmig auch mit unseren Stimmen beschlossen, wird das Vergabeverfahren grundsätzlich formal von uns eingehalten. Machen

(Hans-Jörn Arp)

Sie sich also keine Sorgen. Es geht dabei ausschließlich um das Wohl und den Mehrwert für unser Land. Die Auswahl der Unternehmen, die sich an dem Verfahren beteiligen, wird anhand von objektiven, transparenten und nicht diskriminierenden Kriterien vollzogen. Das wichtigste Kriterium dabei muss allerdings die Wirtschaftlichkeit sein und damit verbunden der größte mögliche Vorteil für SchleswigHolstein. Wir bestehen dabei darauf, dass die optimalste Lösung erreicht wird. Herr Minister Austermann hat uns im Wirtschaftsausschuss zugesichert, uns zeitnah über die Verhandlungen zu berichten, und daran haben wir überhaupt keinen Zweifel.

Die CDU-Fraktion steht uneingeschränkt zum Wettbewerb, auch auf der Schiene, sonst hätten wir nicht schon jetzt zirka 50 % des Bahnbetriebes an Private beziehungsweise andere Betreiber als der Deutschen Bahn weitestgehend vergeben, und wir sind auch im Großen und Ganzen - wie man sagen muss - damit zufrieden. Es gibt hier und da ein paar Einschränkungen, aber im Großen und Ganzen sind wir damit zufrieden.