Protokoll der Sitzung vom 15.06.2005

Durch die unklare Finanzierungsstruktur bis zur Entscheidung im Bundestag war es Anfang des Jahres zu einer unhaltbaren Situation gekommen, die bis hin zum Stillstand führte. Weder die Arbeitsagenturen noch die Schulen oder die Auszubildenden hatten Planungssicherheit. So gab es länderübergreifend in diesem Jahr so gut wie keine Altenpflegeausbildung als Umschulungsmaßnahme, die durch die Bundesagentur finanziert wurde. Dieser Zustand hat die Altenpflegeschulen in existenzielle Nöte gebracht und hat noch einmal deutlich gemacht, dass wir so die Initiative der Landesregierung „PflegePlus“ werden nicht umsetzen können.

SPD und Grüne haben 2000 ein eigenes Altenpflegeausbildungsgesetz für Schleswig-Holstein beschlossen. Außerdem haben wir hier im Land seit dem vergangenen Jahr verbindliche Vorgaben für eine Altenpflegehilfeausbildung. Das Land finanziert seit Jahren einen Großteil der Ausbildungsplätze in gleicher Höhe wie die Bundesagentur. Im Rahmen der Pflegequalitätsoffensive und im Rahmen von „PflegePlus“

(Monika Heinold)

ist die Zahl der landesgeförderten Ausbildungsplätze angehoben worden. Das Land engagiert sich also bereits erheblich in diesem Bereich und dennoch bleiben genug Herausforderungen für die Zukunft. Das macht die heutige Debatte deutlich.

Es ist notwendig, dass die Landesregierung Träger und Schulen bei der Finanzierung des dritten Jahres der Umschulungsmaßnahme unterstützt. Auch dieses steht im Antrag der großen Koalition. Die große Koalition fordert jetzt klare und verlässliche Regelungen. Dagegen spricht nichts, das ist notwendig. Insofern können wir dem Antrag zustimmen, wenn er denn hilft, dass die Landesregierung dieses jetzt auch tut.

Präziser und weitergehender - Herr Garg hat das eben erläutert - ist der Antrag der FDP, weil dieser Antrag bereits inhaltliche Eckpfeiler aufweist, wie sie sich eine Struktur der Ausbildung in diesem Bereich vorstellen. Meine Fraktion unterstützt den Antrag der Fraktion der FDP. Sie glaubt, dass es richtig ist, in Modulen im Sinne des Flensburger Modells ein Stück weiterzukommen - mit der zweijährigen Basisausbildung und einem einjährigen Spezialisierungsmodul sowie Zusatzmodulen für die Fort- und Weiterbildung. Damit würde der Pflegeberuf insgesamt gestärkt und das ist bitter notwendig.

An dieser Stelle noch ein Letztes: Ich bewundere oft die Menschen, die in den Pflegeinrichtungen arbeiten. Sie verdienen relativ wenig, die gesellschaftliche Anerkennung ist nicht so furchtbar hoch und es ist eine ziemliche Knochenarbeit. Ich finde, wir können sehr froh sein, dass es Menschen gibt, die diesen Beruf mit Elan und Engagement ausüben.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Für den SSW erhält Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Qualitätspflege kann nur von qualifizierten Fachkräften gewährleistet werden. Hier im Landtag sind wir uns sicherlich einig darüber, dass die Reform der letzten Jahre ganz entscheidend dazu beigetragen hat, dass wir in Schleswig-Holstein einen Standard erreicht haben, hinter den wir einfach nicht mehr zurückgehen dürfen.

Ältere Menschen, die durch eine wachsende Zahl von Handicaps darum wissen, dass sie in absehbarer Zeit auf Hilfe angewiesen sein werden, schauen sehr genau hin, was hiesige Einrichtungen zu bieten haben,

unter anderem, wie hoch der Anteil von qualifiziertem Personal ist.

Der SSW begrüßt ausdrücklich diese wachsende Dienstleistungsorientierung bei den Kunden; denn nichts anderes sind Menschen, die am Ende ihres Lebens auf Assistenz bei der Bewältigung ihres Alltags angewiesen sind.

Durch die bundeseinheitliche Ausbildung, die den Altenpflegeschülerinnen und -schülern neben einem professionellen Standard auch eine Ausbildungsvergütung garantieren soll, konnte die Zahl der jungen Menschen, die sich zu diesem Beruf entschlossen, auf ein hohes Niveau geführt werden. Auch wer sich nach seiner Erstausbildung für die Altenpflege entscheidet, sollte diese Bedingungen nutzen können. Ich halte nichts von einer Ungleichbehandlung in der Ausbildung, nur weil der eine direkt nach der Schule zur Altenpflege kommt, sein Kollege aber erst nach einigen Berufsjahren als Umschüler.

In der Realität findet aber hier genau eine Ungleichbehandlung statt. Aufgrund eines Kompromisses im Vermittlungsausschuss des Bundesrates werden zukünftige Umschüler nur noch zwei Jahre von den Agenturen für Arbeit gefördert. Nach zwei Dritteln der Ausbildung ist Schluss. Danach muss der Träger der praktischen Ausbildung die Ausbildungsvergütung bezahlen und die Weiterbildungskosten wie Fahrtkosten, Kinderbetreuungskosten und so weiter, erstatten. Die Länder stellen die Finanzierung der Schulkosten sicher.

Quer durch die Parteien ging nach Bekanntwerden des Beschlusses im April ein Aufschrei. So ist das eben bei einer Politik hinter verschlossenen Türen, wie sie typisch für den Vermittlungsausschuss ist: Am Ende will es wieder einmal niemand gewesen sein.

Lieber Kollege Astrup, dem Land Schleswig-Holstein wird nach dem Auslaufen der Bundesregelungen die Finanzierung der Umschulung aufgebürdet. Das ist definitiv falsch! Oder freut Sie das?

Unter diesen Bedingungen ist es fraglich, ob Umschüler überhaupt die Chance haben, eine Ausbildung anzufangen. Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung werden wir aber in den nächsten Jahren wesentlich mehr qualifiziertes Personal brauchen. Da macht es durchaus Sinn, auch ältere Personengruppen mit einzubinden. Sonst passiert uns das Gleiche wie seinerzeit im Bereich der Lehrer. Junge Leute wurden massenhaft eingestellt, die jetzt der Pension entgegensehen, und der Unterbau ist nicht breit auf alle Generationen verteilt. Genau diese Entwicklung, dass uns in 20 bis 30 Jahren die qualifizier

(Lars Harms)

ten Kräfte auf einmal wegbrechen, müssen wir verhindern. Das ist nur möglich, wenn man Erstausbildung und Umschulung in gleicher Art und Weise unterstützt.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der SSW plädiert für eine solide Ausbildung, die keine Unterschiede zwischen Erstausbildung und Umschulung macht. Im Vermittlungsausschuss war nur ein fauler Kompromiss durchzusetzen. Ihn als Rechts- und Finanzierungssicherheit zu feiern, wie das die SPD-Bundestagsfraktion tut, verhöhnt die Menschen, die durch eine Ausbildung ihre Arbeitslosigkeit beenden wollen, und hat mit nachhaltiger Planung nichts mehr zu tun.

Nun müssen wir sehen, wie wir als Land SchleswigHolstein die Umschulung seriös finanzieren. Ich plädiere dafür, die Entwicklung der Zahlen der Umschüler sehr genau zu beobachten und zu schauen, ob sie wirklich massiv zurückgehen, damit man gegensteuern kann. Ich hoffe eben nicht, dass sie zurückgehen.

Beide Anträge, die uns heute vorliegen, sind sicherlich im Kern gut und unterstützenswert. Ich würde mich freuen, wenn es möglich wäre, im Sozialausschuss zu diesem Thema eine gemeinsame Entschließung zu erarbeiten, und als Landtag gemeinsam für eine vernünftige Ausbildung in der Altenpflege einstehen könnte. Meine Vorredner haben es bereits gesagt: Das haben die Betroffenen, die Leute, die sich in diesem Bereich beruflich engagieren, durchaus verdient.

(Beifall bei SSW, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Jutta Schü- mann [SPD])

Danke, Kollege Harms. - Für die Landesregierung erhält Frau Ministerin Dr. Trauernicht-Jordan das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solidarität zu stiften und Lebensqualität im Alter zu fördern, gehört zur politischen Agenda der Landesregierung. Deswegen werden wir auch die Qualitätsoffensive „PflegePlus“ in den nächsten Jahren mit aller Kraft fortsetzen.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich über die Würdigung der Leistungen der Landesregierung in den letzten Jahren auch im Bereich der Pflege. Vielen

Dank, Frau Heinold. Sie haben sie noch einmal systematisch aufgelistet. Das brauche ich also nicht mehr zu tun.

Mit Blick auf die Ausbildung möchte ich aber noch einmal betonen, dass das Land in den Jahren von 1999 bis 2004 seine Anstrengungen finanziell verdoppelt hat

(Beifall bei SPD und SSW)

und dass damit die Zahl der Ausbildungsplätze in Schleswig-Holstein insgesamt um ein Drittel gesteigert werden konnte. Zurzeit gibt es 2.100 Ausbildungsplätze im Land.

Aber - das ist auch in den Debattenbeiträgen deutlich geworden - die Arbeitsverwaltung hat eine sehr wichtige Rolle gespielt, was vor dem Hintergrund der Geschichte dieses Berufes als Umschulungsberuf auch verständlich ist. Fast 1.000 Ausbildungsplätze im Land werden durch die Arbeitsverwaltung finanziert.

Durch Ihre Beiträge ist auch deutlich geworden: Wir stehen vor einer ganz wichtigen Entscheidung. Dabei geht es um die Frage, ob wir mit Unterstützung des Landes und auch potenziell anderer Zahler diese Ausbildungsplätze aufrechterhalten können oder ob es zu einem Wegbrechen dieser Ausbildungsplätze kommt.

Ich glaube, ich muss es nicht weiter ausmalen. Wir brauchen diese Ausbildungsplätze, damit wir genügend qualifiziertes Personal für die Aufgaben der Zukunft haben. Deswegen müssen wir alle Kraft darauf richten, dass diese Ausbildungsplätze erhalten bleiben.

(Beifall)

Die finanzielle Basis ist das eine. Aber deutlich geworden ist in Ihren Beiträgen auch: Wir haben organisatorische und vor allen Dingen auch inhaltliche Fragen zu bewältigen. Zwar gibt es einige Lösungen für hier angesprochene Probleme, wie mir meine zuständige Fachreferentin gerade zurief, insbesondere für das schwierige Thema der Ausbildungsvergütung. Das können wir im Ausschuss miteinander klären. Aber Sie haben völlig Recht: Es gibt andere inhaltliche Aspekte, die ich hier auch noch einmal aufgreifen möchte.

Das Thema der integrierten Ausbildung ist vor dem Hintergrund der sich verändernden Zusammensetzung in den Altenpflegeeinrichtungen völlig plausibel. Wir kommen ohne eine solide Krankenpflegeausbildung im Altenheim auch nicht mehr zurecht. Deswegen ist das Konzept der integrierten Versorgung der Weg der Zukunft, den wir auch miteinander gehen wollen.

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Dafür gibt es auch Voraussetzungen im Bundesaltenpflegegesetz.

Wir haben uns mit Modellen auf den Weg gemacht, die anderen Länder haben dies auch getan. Morgen und übermorgen gibt es eine bundesweite Veranstaltung bei uns im Haus. Wir werden uns über unsere Erfahrungen austauschen und auf der Basis dieser Erfahrungen die nächsten Schritte für die Zukunft in Schleswig-Holstein planen können.

Sie haben weitere Aspekte angesprochen. Auf einige möchte ich noch eingehen, insbesondere auf die Tatsache, dass sich die Versorgungslandschaft im Gesundheitsbereich und im Bereich der Altenpflege völlig verändert. Zunehmend mehr Menschen wünschen sich, trotz ihrer Gebrechlichkeit am Gemeinwesen teilnehmen zu können. Wenn dies so ist, muss es darauf ankommen, die Einrichtungen für das Gemeinwesen zu öffnen. Insoweit ist ein großes ehrenamtliches bürgerschaftliches Potenzial vorhanden. Es mangelt nicht am Unterstützungswillen bereiter Bevölkerungskreise, hier unseren Alten, gebrechlichen Menschen beiseite zu stehen. Woran es allerdings mangelt, ist die Kompetenz bei den ausgebildeten Fachkräften, mit diesen Ressourcen auch optimal umzugehen. Immer wieder gibt es Berichte darüber, dass dieses Potenzial nicht genutzt wird.

Ich bin der Ansicht, wir sollten darüber sprechen, dass in Zukunft auch die Aufnahme bürgerschaftlichen Engagements Ausbildungsinhalt bei der Ausbildung der Altenpflegerinnen und Altenpfleger sein muss, um die Aufgaben zu bewältigen.

Das Thema ist ein Thema der Haushaltsplanberatungen. Das wird Sie nicht verblüffen. Denn unsere Vorstellung muss es sein, die Schulkosten für das dritte Ausbildungsjahr über den Haushalt sicherzustellen. Das ist kein schleswig-holsteinisches Thema. Das ist ein Thema aller Bundesländer. Wir haben einen Kompromiss gefunden. Seit Jahren ist bekannt, dass die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres auf die Länder zukommt. Wir haben in zähen Verhandlungen bewirkt, dass diese für das Jahr 2005 noch einmal von der Bundesebene übernommen wird. Aber im Jahr 2006 kommt die Stunde der Wahrheit. Deshalb ist dies auch ein Schlüsselthema der Haushaltsplanberatungen - hier und in anderen Landtagen. Ich freue mich über die Anträge. Ich freue mich über die Herausforderungen, die mit dieser Arbeit verbunden sind. Wir befinden uns damit in einem gesellschaftspolitisch unglaublich wichtigen Thema und dieses Thema ist zugleich arbeitsmarktpolitisch von großem Interesse. Denn die Menschen, die in diese Berufe gehen, können sicher sein, dass ihnen die Arbeit in der Zukunft nicht ausgehen wird.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Ministerin Dr. Trauernicht. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Die Anträge sollen dem Sozialausschuss überwiesen werden. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist damit einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Mitwirkung des Schleswig-Holsteinischen Landtages bei der Subsidiaritätskontrolle und dem Frühwarnsystem im Zuge europäischer Gesetzgebungsverfahren

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/110