Aber die Globalisierung hat auch negative Effekte. Es ist bekannt, dass es in Indien oder in afrikanischen Staaten Kinderarbeit gibt. Dennoch tragen diese Kinder dazu bei, dass ihre Familien überleben können, dass sie Essen, Unterkunft und Kleidung haben, weil beispielsweise im AIDS-verseuchten
Afrika die Eltern oftmals gar nicht mehr in der Lage sind, für das Einkommen der Familien zu sorgen. Es muss uns also in erster Linie darum gehen, nicht Kinderarbeit in diesen Staaten sofort zu verbieten, sondern sie zu gestalten. Es muss beispielsweise die Möglichkeit zur Teilhabe an Bildung für die Kinder eröffnet werden und bestehen. Dieses Beispiel lässt sich auch auf den gesamten Globalisierungsprozess übertragen. Wer, wie viele G-8-Gegner, gegen die Globalisierung als solches demonstriert, der hat sich aus der Wirklichkeit verabschiedet.
Der lebt in einer Utopie. Der träumt von einer „Entschleunigung“ der Wirtschaft, von regionalen statt globalen Kreisläufen. Der verkennt, dass das nur funktionieren kann zwischen Menschen, die ihre Bedürfnisse radikal senken. Das geht nur in einer Welt, die Erfüllung höher bewertet als Besitz. Es ist eine schöne Welt, aber es ist nicht diese Welt, und machen wir uns nichts vor, es wird auch nie diese Welt sein.
Hier komme ich zum Antrag der Grünen. Der zweite Teil ihres Antrages beschränkt sich im Wesentlichen auf die Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, die unter Rot-Grün übrigens unter dem heutigen Niveau lag, und der Einführung neuer Steuern und Abgaben. Das ist ihr politisches Angebot. Ich habe meine Zweifel, ob es wirklich gelingt, die Mehrheit unserer Bevölkerung durch erneute Belastungen für diesen Prozess zu gewinnen. Wir sollten zunächst einmal anfangen, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, die bereits vergeben werden, auf ihre sinnvolle Vergabe zu überprüfen. Ein Land wie China beispielsweise, welches eine boomende Wirtschaft hat und sich einen deutschen Transrapid zulegt, bekam in den letzten vier Jahren insgesamt 326 Millionen € vom deutschen Steuerzahler als „Entwicklungshilfe“ überwiesen. Die finanzieren jetzt den U-Bahn-Bau in Hanoi und überweisen die Entwicklungshilfe weiter nach Afrika.
- Unerhört weiß ich nicht, aber auch dort könnte man ansetzen und fragen, ob der Einsatz der Mittel tatsächlich sinnvoll ist.
- Kollege Neugebauer, machen wir uns doch nichts vor, wir reden von Globalisierung und meinen nichts anderes als Betreuung der Armen, statt den Armen die Möglichkeit zu geben, reich zu werden.
Die Europäische Union verhindert den Marktzutritt von Agrarprodukten von außerhalb, um die deutschen Bauern zu schützen. Ich habe von den Grünen noch nichts gehört, dass der europäische Agrarmarkt geöffnet werden soll.
- Herr Kollege Hentschel, dann müssen Sie doch auch dafür sein, dass Produktionsstätten in den ärmeren Nationen, in den Schwellenländern gebaut werden, die ihrerseits Konkurrenzprodukte zu Produkten aus dem deutschen Arbeitsmarkt herstellen können. Gleichzeitig reden Sie aber davon, dass möglicherweise von der Globalisierung Betroffene zu Recht in Rostock demonstriert hätten und eingefordert hätten, dass man vor den negativen Folgen der Globalisierung geschützt werden müsse. Wer den armen Ländern helfen will, muss ihnen Entwicklungschancen geben und sie nicht behandeln, als seien sie dauerhaft Bittsteller der reichen Nationen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Diskussion ist Gestaltung. Gestaltung und nicht Bekämpfung der Globalisierung ist gefragt. Gestalten kann man nicht durch das Werfen von Pflastersteinen. Dadurch kann man nur zerstören, beschädigen und verletzen. Wir sollten zunächst einmal anfangen, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, die bereits vergeben werden, auf ihre sinnvolle Vergabe zu prüfen und möglicherweise die Globalisierung auch für die ärmeren Länder - die Schwellenländer zeigen uns doch, dass es funktioniert - nutzen, damit sie an den Reichtum der reichen Länder heranreichen können, ohne dauerhaft Almosenempfänger zu bleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich noch einmal für den Bericht und ich hoffe, dass trotz der negativen Meldungen des gesamten Tages der heutige Abend, die heutige Nacht, der morgige Tag für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Sicherheitsbehörden in Heiligendamm und drumherum nicht zu einer katastrophalen Veranstaltung wird. Das muss unsere erste Sorge sein, die wir haben. Ich hoffe, dass sich diese Sorge morgen in Luft auflösen wird.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Kubicki. - Das Wort für den SSW im Landtag hat nun deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg: Gewalttätige Demonstranten sind Kriminelle und müssen auch so behandelt werden. Ich danke also im Namen des SSW dem Innenminister für seine klaren Worte und für den Bericht hier heute im Landtag.
Aus Sicht des SSW enthält der Berichtsantrag von CDU und SPD zumindest zwei Punkte, auf die noch einmal im Ausschuss eingegangen werden sollte. Ich meine zum einen das, was im vierten Spiegelstrich des Antrages enthalten ist, wo nach den Folgen oder Auswirkungen der entstandenen Mehrarbeitsstunden auf den Dienstbetrieb der Landespolizei gefragt wird. Ich hoffe, dass es möglich sein wird, die Überstunden auszuzahlen, und ich hoffe, dass es möglich sein wird, dieses für die gesamte Landespolizei zu machen, denn diejenigen, die zu Hause bleiben, haben ja auch darunter zu leiden, dass der G-8-Gipfel in Heiligendamm stattfindet.
Zum anderen gehe ich davon aus, dass wir im Ausschuss noch Näheres dazu erfahren, welche Rolle das neue Polizeirecht bei den Vorkehrungen von Polizei und Justiz im Vorwege des G-8-Gipfels gespielt hat. Das ist auch etwas, dass im Antrag enthalten ist. Auch wenn es in Schleswig-Holstein keine Geruchsproben gab und sich unser Innenminister dankenswerterweise und zu Recht empört davon distanziert hat, so bleibt es dabei, dass wir ein neues Polizeirecht haben, das der Polizei neue Mittel in die Hand gibt. Ich denke, das sollte im Ausschuss noch einmal hinterfragt werden.
Aus Sicht des SSW will ich jetzt nicht die Debatte um das Polizeirecht wieder aufwärmen, aber es geht darum, dass wir uns bundesweit immer mehr von dem klassischen Straf- und Polizeirecht verabschieden und uns hin zu einem allgemeinen Gefahrenrecht bewegen,
wo es um die Etablierung von Frühwarnsystemen geht, um kriminelle und terroristische Risiken schon im Vorfeld zu erkennen und auch zu bekämpfen.
Auch der G-8-Gipfel an sich verkörpert dieses neue Sicherheitsdenken. Was das konkret heißt, sind die Menschen in Heiligendamm gerade dabei zu erfahren: Zuerst mussten sie stundenlang anstehen, um ihre „Badges“ - die Ausweise zum Passieren der Schleuse durch den 12 km langen Sicherheitszaun zu bekommen. Nun werden ihre Autos auf einer stationären Anlage nach Sprengstoff gescannt, ihr Gepäck wie auf einem Flughafen durchleuchtet und sie selbst immer wieder untersucht. Schon vor Beginn des Gipfels war jeglicher Privatverkehr untersagt. Die Menschen müssen ihre Autos an bestimmten Kontrollstellen stehen lassen, um mit einem Shuttleservice nach Hause gebracht zu werden.
Mehr noch als alles andere ist der G-8-Gipfel aber aus Sicht des SSW ein Ausdruck für politische Inszenierung. Auch die Tatsache, dass sich sowohl amerikanische wie auch britische Marineeinheiten an der Überwachung des Tagungsortes beteiligen, zeigt ja in diese Richtung. Denn wie anders lässt sich erklären, dass der Sicherheit trotz Netzsperre und dem Einsatz diverser Boote der Wasserschutzpolizei anscheinend immer noch nicht Genüge getan worden ist. Hier wird Macht demonstriert, damit letztlich die Staatschefs in ihrer Rolle als Global Players bestätigt werden. Für mich war in dieser Hinsicht die Stippvisite des amerikanischen Präsidenten in Kopenhagen 2005 ein richtiger „Augenöffner“. Das dänische Fernsehen übertrug damals live die Landung der „Airforce One“ - wovon es übrigens zwei gibt und man nie weiß, in welcher Maschine sich George Busch befindet -, den Einsatz von über 20 Hubschraubern und alles, was sonst noch geschah. Nichts, aber auch gar nichts wurde dabei dem Zufall überlassen. Ich referiere jetzt nur, was im Fernsehen zu sehen war. Erst recht gilt dies für die Landung von „Airforce One“, die von der Beleuchtung der Maschine bis hin zur Platzierung auf der Landebahn von einem Mitarbeiter des Weißen Hauses mit - wie ausdrücklich gesagt wird - Hollywood-Erfahrung inszeniert wurde.
(Martin Kayenburg [CDU]: Was wollen Sie damit sagen? Ich verstehe das nicht! Was hat das mit dem Thema zu tun?)
- Ich komme jetzt dazu, lieber Kollege: Aus Sicht des SSW ist es daher wichtig, dass wir uns die Geschichte dieses Gipfels vergegenwärtigen. Er wurde Mitte der 70er Jahre von Helmut Schmidt und dem französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing ins Leben gerufen und fand damals sozusagen in einem Hinterzimmer statt. Was seitdem daraus geworden ist, zeigt uns Heiligendamm.
rung des G-8-Gipfels. Denn fest steht, dass die G-8-Runde praktisch eine private Initiative derjenigen ist, die sich als die wichtigsten Wirtschaftsmächte in der Welt verstehen. Sie vertreten aber nicht den Großteil der Weltbevölkerung. Der Gipfel entscheidet nichts, er kann nur beraten, wobei formal betrachtet völlig unklar ist, wen er berät - nicht die UNO, die ja eigentlich der Adressat der G-8Empfehlungen sein sollte.
Daher sage ich, es ist an der Zeit, dass sich die G-8-Staaten darüber Gedanken machen, wie die Frage der Legitimierung zu regeln ist. Denn natürlich macht es Sinn, dass sich Staatschefs treffen. Mit der Konstruktion des UN-Sicherheitsrates wird ja auch der Tatsache Rechnung getragen, dass Großmächte „gleicher“ sind als andere Staaten, was aus meiner Sicht ja auch wesentlich dazu beigetragen hat, dass die UNO ein Erfolg - und ich sehe die UNO als Erfolg - ist. Um es ganz deutlich zu sagen: Die Zeit ist dem G-8-Gipfel davon gelaufen. Es ist nicht hinnehmbar, dass so viele Ressourcen dafür aufgewendet werden, dass zumeist demokratisch gewählte Politiker sich dermaßen von den Menschen abschotten, die sie gewählt haben. Gelingt es nicht, den G-8-Gipfel neu zu ordnen, dann gehört er, denke ich, abgeschafft.
Die Konsequenzen zeigen uns Heiligendamm. Daher sage ich noch einmal ganz klar und deutlich: Gewalt von Demonstranten hat nichts, aber auch gar nichts mit der Ausübung des Demonstrationsrechts zu tun. Den Gewalttätern ist alles egal. Ihnen geht es nicht um Demokratie, ihnen geht es nicht um Globalisierung, ihnen geht es allein darum, mit den brutalsten und dümmsten Aktionen, die man sich überhaupt nur vorstellen kann - also mit roher Gewalt -, das demokratische System aufzumischen. Umgekehrt kann es den ernstzunehmenden Kritikern der G-8-Runde nicht egal sein, dass es bei den aus Sicht des SSW notwendigen Demonstrationen gegen die marktkonforme Globalisierung gewalttätige Trittbrettfahrer gibt. Die furchtbaren Rostocker Szenen können also nur überwunden werden, wenn die G-8-Demonstrationen einen so großen friedlichen Zulauf erhalten wie möglich. Geschieht dies nicht, dann bleibt der Eindruck, dass die Befürworter des Sicherheitsstaates recht haben, wenn sie immer mehr Maßnahmen fordern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein schwieriges Thema. Der niederländische Dichter und Maler Lucebert hat einmal gesagt: Alles von Wert ist schutzlos. Ich denke, das ist ein Spruch,
der auch mit diesem Thema zu tun hat. Denn natürlich ist schrecklich, was geschehen ist. Aber natürlich müssen wir als Politikerinnen und Politiker weiterdenken. Darum sage ich ganz deutlich: Wir stimmen denjenigen zu, die der Meinung sind, dass wir - ich sage das jetzt einmal so - als Weltbürger und demokratische Gesellschaft die Geschicke unserer Welt nicht den eingezäunten Staatschefs von Heiligendamm überlassen können.
Wir haben uns dafür entschieden, dem Antrag der Grünen zuzustimmen. Wir legen nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Wir finden es aber richtig, in dieser Debatte auch eine Alternative aufzuzeigen.
Wir haben jetzt folgende Geschäftslage: Es gibt zwei Kurzbeiträge und auch der Herr Minister hat noch einmal um das Wort gebeten. Wir kommen erst zu den Kurzbeiträgen. Zunächst hat der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst einmal sagen, dass ich mich über die überwiegend differenzierte Debatte freue, die wir heute geführt haben - auch wenn wir in einigen Punkten unterschiedlicher Auffassung sind. Dieser Dank gilt insbesondere auch in Richtung des Kollegen Lehnert. Ich fand es ausgesprochen gut, dass von Ihrer Seite aus nicht nur über die Frage der Polizeitaktik geredet worden ist, sondern auch über die Ziele des G-8-Gipfels und über die Frage der Globalisierung. Ich finde es wichtig, dass wir in diesem Zusammenhang darüber reden.
Ich möchte jetzt drei Punkte ansprechen. Erstens. Kollege Kubicki hat kritisiert, wir würden mehr Entwicklungshilfe fordern. Das war überhaupt nicht das, was wir gefordert haben. Wir haben gesagt, es geht um die Unterstützung der Eine-Welt-Initiativen in Schleswig-Holstein. Insofern geht es gerade um fairen Handel. Da geht es genau um das, worüber Sie gesprochen haben, nämlich um fairen Handel und um Initiativen in der Dritten Welt, die versuchen, ihre Produkte hier in Deutschland loszuwerden. Dass das unterstützt wird, dass Marktnischen gefunden werden - ich denke beispielsweise an die Kaffee-Initiative, die wir mittlerweile ja hier im Landtag haben - und dass es diese ehrenamtliche Zusammenarbeit in Projekten mit der Dritten Welt gibt, ist doch positiv.
Ich kann überhaupt nicht begreifen, wenn den Initiativen das Geld entzogen wird. Das muss ich in dieser Situation einfach einmal so sagen.