Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung strebt für die Betreuung unter Dreijähriger eine Billiglösung an, ein Sparmodell, das darauf ausgerichtet ist, den Bedarf an Krippenplätzen durch Auffüllung vorhandener Kindergartengruppen zu decken. Altersgemischte Gruppen in Kindergärten, also Gruppen mit Kindern unter drei Jahren und Kindern zwischen drei und sechs Jahren, werden danach künftig größer sein als bisher. Für die Betreuung aller Kinder und erst recht für die Förderung altersgerechter Bildungsprozesse bedeutet das eine massive Verschlechterung. In Sachen vorschulische Bildung und Erziehung stapelt die Landesregierung hoch, statt breit zu fördern.
Bislang galt für altersgemischte Gruppen die Obergrenze von 15 Kindern. Künftig werden auch nach dem überarbeiteten Entwurf der Kita-Verordnung höhere Gruppengrößen üblich sein, bei zwei Kindern unter drei Jahren zum Beispiel 18er Gruppen, bei drei unter Dreijährigen Gruppen mit 17 Kindern und so weiter.
Die alte Vorschrift, solche altersgemischten Gruppen auf maximal 15 Kinder und darunter höchstens fünf unter Dreijährige zu beschränken, beruht ja auf guten Gründen. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass Kleinkinder mehr Zuwendung und Betreuung brauchen als Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren. Der erhöhte Betreuungsbedarf der Kleineren besteht sowohl in der körperlichen Pflege als auch im Hinblick auf Trost, Zuspruch und Aufmerksamkeit. Wer dem nicht Rechnung trägt, der macht altersgemischte Kita-Gruppen zu Aufbewahrungsanstalten, in denen Pflege, Förderung und erst recht Bildung für Kinder vielleicht noch auf der Verpackung stehen, aber nicht mehr gelebte Wirklichkeit sein können.
Das gilt im Übrigen gerade auch für den Anspruch, in den Kindergärten für die drei- bis sechsjährigen Kinder eine qualitativ bessere Bildung zu vermitteln. Solche wichtigen Ziele kann man vergessen, wenn in den altersgemischten Gruppen die Gruppengröße heraufgeschraubt wird.
Dabei können altersgemischte Gruppen, wenn man bei den Qualitätskriterien, die die Kindertagesstättenverordnung bislang festlegt, bleiben würde, grundsätzlich auch eine wichtige pädagogische
Funktion erfüllen, weil Kinder unterschiedlicher Alters- und Entwicklungsstufen zusammen aufwachsen, ähnlich wie Geschwister in der Familie. Dieser mögliche pädagogische Nutzen solcher in manchen Kitas auch als „Familiengruppen“ bezeichneten Angebotsformen wird aber durch eine Heraufsetzung der Gruppengröße unmöglich. Dann geht der Stapeleffekt zulasten der kleineren wie der größeren Kinder.
Es ist deshalb nach unserer Überzeugung nur ein kleiner Fortschritt, dass die landesweite Kritik, die gegen den Regierungsentwurf für die Kindertagesstättenverordnung vorgetragen worden ist, das Ministerium wenigstens dazu veranlasst hat, nicht auch noch den Fachkraftschlüssel zu verschlechtern, und davon abzusehen, dass generell bei drei oder mehr Kindern unter drei Jahren eine zweite volle Fachkraft in den Gruppen eingesetzt werden muss.
Auch das war ja ursprünglich ein Sparansatz im ersten Entwurf der Kita-Verordnung. Das ist gestern nach der Entscheidung des Kabinetts zurückgenommen worden. Diese Entscheidung begrüßen wir natürlich, aber das bedeutet nicht, dass das, was wir zur Kritik an der Heraufsetzung der Gruppengrößen gesagt und was die Verbände dazu vorgetragen haben, weniger stichhaltig wird, als es bisher vorgetragen worden ist. Die Landesregierung weiß selber nur zu gut, was sie von den Kindergärten, was sie von den Erzieherinnen und Erziehern in den Kitas verlangt.
Die Aufgaben der Kindergärten sind durch die Präzisierung und Erweiterung des Bildungsauftrages erheblich gewachsen, ohne dass es dafür eine entsprechend verbesserte Ausstattung mit Zeit und Personal gegeben hat. Die Erzieherinnen und Erzieher sollen die individuellen Bildungs- und Lernschritte der Kinder wahrnehmen, das heißt jedes einzelne Kind während der Gruppenzeit entsprechend beobachten, außerhalb der Gruppenzeit diese Beobachtungen dokumentieren und auswerten und davon abgeleitet individuelle Fördermaßnahmen für jedes Kind entwickeln. Sie sollen regelmäßig mit den Eltern über die Entwicklung der Kinder sprechen. Sie sind für die Sprachentwicklungsförderung zuständig. Sie sollen die eigene pädagogische Arbeit evaluieren und sie sollen verstärkt mit den Grundschulen zusammenarbeiten.
All das ist natürlich richtig und notwendig, aber es braucht Zeit, Zeit und noch einmal Zeit. In größeren Gruppen ist die für das einzelne Kind verfügbare Zeitspanne und Aufmerksamkeit jedoch künftig logischerweise kleiner als bisher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kinder, ihre Bildung, Erziehung und Betreuung sind in den letzten zwei Jahren, also seit Bildung der Großen Koalition in Kiel, aber auch in Berlin, in den Mittelpunkt des politischen Handelns gerückt und das ist auch gut so.
Wir haben in dieser Zeit einen Bildungsauftrag für die Kindertagesstätten und ein neues Schulgesetz verabschiedet. Wir haben die vorschulische Sprachförderung in erheblichem Maße intensiviert durch verpflichtende Deutschkurse vor dem Schuleintritt und wir bauen die offenen Ganztagsschulen mithilfe der Schulen, der Kommunen, Vereine und Verbände vor Ort weiter aus.
Wir werden in dieser Legislaturperiode insgesamt 700 zusätzliche Lehrer in unsere Schulen holen. Wir werden den Schutz der Kinder in der Landesverfassung verankern. Wir arbeiten an einem Kinderschutzgesetz, das in Kürze auf den Weg gebracht wird, das sich umfassend mit dem Schutz insbesondere der kleinen Kinder befasst. Wir wollen den Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen vorantreiben.
Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass sich diese Große Koalition im Lande um ihre Landeskinder kümmert.
Auch die Bundesregierung - und hier führend Frau von der Leyen - will den Ausbau von Krippenplätzen fördern und finanziell unterstützen.
Von den rund 12 Milliarden €, die ein Ausbau an Plätzen für circa 35 % der Kinder bundesweit kosten würde, will der Bund 4 Milliarden € übernehmen, und zwar nicht nur für den Ausbau der Infrastruktur, sondern auch für die Betriebskosten. Das
heißt natürlich im Umkehrschluss, dass noch 8 Milliarden € von den Ländern und Kommunen zu finanzieren sind. Bund, Länder und Kommunen müssen hier zügig und eng zusammenarbeiten, um zu finanziell verträglichen Lösungen zu kommen.
Ich bin davon überzeugt, dass sich unsere Landesregierung aktiv an Gesprächen beteiligen wird. Dabei ist mir der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab 2013 weniger wichtig als die Tatsache, dass tatsächlich bedarfsgerechte Angebote da sind. Was nützt uns ein Rechtsanspruch, wenn wir kein entsprechendes Krippenplatzangebot haben? Wenn wir aber ein solches Angebot haben, dann brauchen wir auch keinen Rechtsanspruch.
Für Schleswig-Holstein wird die Umsetzung ein hartes Stück Arbeit werden und ich hoffe, dass man auf der Bundesebene schnell zu einem Finanzierungskonzept kommen wird, damit wir bald mit dem verstärkten Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige beginnen können.
Wir brauchen ein ausreichendes Angebot an qualifizierten Betreuungsplätzen auch für unter Dreijährige, und das sowohl in Form von Krippenplätzen und altersgemischten Kindergartengruppen als auch in Form der Tagespflege. Das Angebot der Betreuung muss so flexibel sein, dass Eltern in der Tat die Wahl haben, ob sie ihre Kinder in den ersten Jahren selbst erziehen oder ob sie Betreuungsangebote in Anspruch nehmen wollen.
Bei dem Antrag der Grünen, insbesondere, was den neuen Passus betrifft, hat man schon ein bisschen den Verdacht, dass das ein wenig in Richtung Verstaatlichung von Erziehung und Bildung geht. Das wollen wir von der CDU-Fraktion nicht.
Das gesetzlich verabschiedete Elterngeld und auch das vorgeschlagene Betreuungsgeld unterstützt insbesondere die Eltern, die sich in den ersten Lebensjahren selbst um die Erziehung ihrer Kinder kümmern wollen. Daher ist auch der letzte Absatz im Antrag der Grünen falsch, in dem behauptet wird, dass das Betreuungsgeld eine Prämie sei, die bei mittleren und niedrigeren Einkommen den Wiedereinstieg in den Beruf zu einem finanziellen Verlustgeschäft mache und ihm damit im Wege stehe; hinzu kämen die oft hohen Kita-Beiträge. Würde man
jedoch auf das Betreuungsgeld an der Stelle verzichten, dann benachteiligt man gerade diejenigen Eltern, die bereits einen Einkommensverlust haben, weil sie sich selbst um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Zu dem Einkommensverlust kommen dann häufig noch die oft hohen Kita-Beiträge hinzu. Das, glaube ich, trägt nicht gerade zu einer freien Entscheidung über die Familienform bei.
Ich möchte im Übrigen nicht die Zeit missen, die ich mit meinen eigenen Kindern in deren ersten Lebensjahren verbracht habe. Ein Betreuungsgeld wäre in dieser Phase sicherlich hilfreich gewesen. Denn auch Eltern, bei denen ein Partner zu Hause bleibt, brauchen gelegentlich eine Betreuung außerhalb des Hauses. Hier könnte das Betreuungsgeld in der Tat eine echte Hilfe für Familien sein.
Ich kann daher die Forderung meines Fraktionsvorsitzenden an dieser Stelle ausdrücklich begrüßen. Für eine echte Wahlfreiheit sollte das Betreuungsgeld so schnell wie möglich kommen. Das wäre im Übrigen auch ein dringend notwendiges Signal für die gesellschaftliche Anerkennung der unterschiedlichen Formen von Familien.
Hier wiederhole ich auch gern, was ich bereits in einer früheren Landtagssitzung gesagt habe: Es gibt keine guten oder schlechten Familien, es gibt lediglich verschiedenartige Familien mit unterschiedlichen familiären Bedürfnissen. Die einen bleiben zu Hause, um ihre Kinder zu erziehen - das ist gut so -, die anderen haben einen Betreuungsbedarf und auch das ist gut so. Ausschlaggebend ist ausschließlich, dass es den Kindern dabei gut geht.
Meine Damen und Herren, machen wir uns doch nichts vor: Gerade unsere Generation erwartet viel von ihren Kindern. Deren Anzahl ist sehr viel geringer als die Anzahl der Kinder unserer Generation damals. Trotzdem sollen sie sich selbst, ihre eigenen Kinder und auch uns finanzieren, versorgen und pflegen. Dabei sollen sie zudem noch flexibel, innovativ und wettbewerbsfähig sein. Wir sind dafür verantwortlich, dass sie hierzu das notwendige Rüstzeug in Form von guter Betreuung und Bildung bekommen. Mit „wir“ meine ich uns alle, die ganze Gesellschaft. Hier ist auch die Eigeninitiative eines jeden Bürgers gefordert. Schließlich haben wir auch alle etwas davon.
Die Große Koalition in Schleswig-Holstein hat es sich zum Ziel gesetzt, aktiv am Ausbau von Krippenplätzen zu arbeiten. Dabei müssen wir verschiedene Faktoren berücksichtigen. Wir haben be
schlossen, dass wir den Landesbeitrag von 60 Millionen € für die Kindertagesstätten trotz rückläufiger Kinderzahlen weiterhin aufrechterhalten, um damit den Ausbau von Krippenplätzen und altersgemischten Kindergartengruppen zu fördern. Zudem wird die Qualifizierung von Tagespflegepersonal mit Landesmitteln gefördert. Wir müssen aber auch sicherstellen, dass die Kindertagesstätten trotz rückläufiger Kinderzahlen in den Kindertagesstätten in der Fläche erhalten bleiben. Die teilweise sehr geringen Kinderzahlen führen nämlich dazu, dass Kindergartengruppen oder gar ganze Kindergärten geschlossen werden müssen oder aber die Elternbeiträge zu hoch werden.
Was wir brauchen, ist also ein angemessenes Maß an Flexibilität bei der Bildung von Kindergartengruppen und beim Personaleinsatz. Zusätzlich müssen wir uns Gedanken über den Einsatz von Tagespflegepersonal machen und auch hier für die Ausgestaltung von Kleingruppen den Rahmen abstecken. Das war Aufgabe des Ministeriums, und daraus ist ja die Kindertagesstättenverordnung hervorgegangen, die sich derzeit, wie man deutlich vernehmen kann, in der Anhörung befindet.
Anhörungen sind aber auch dazu da, die Betroffenen zu hören und deren Anregungen und Kritik gegebenenfalls aufzunehmen und umzusetzen. Das geschieht im Augenblick und die Fraktionen von CDU und SPD haben sich darauf verständigt, am derzeitigen Personalschlüssel für unter Dreijährige festzuhalten, die Gruppenzusammensetzung für die Kindertagesstätten aber variabler zu gestalten. Wir hätten uns als CDU-Fraktion auch vorstellen können, Tagespflegepersonal zur Entlastung von Fachkräften in den Kindergartengruppen einzusetzen.