Protokoll der Sitzung vom 06.06.2007

Anhörungen sind aber auch dazu da, die Betroffenen zu hören und deren Anregungen und Kritik gegebenenfalls aufzunehmen und umzusetzen. Das geschieht im Augenblick und die Fraktionen von CDU und SPD haben sich darauf verständigt, am derzeitigen Personalschlüssel für unter Dreijährige festzuhalten, die Gruppenzusammensetzung für die Kindertagesstätten aber variabler zu gestalten. Wir hätten uns als CDU-Fraktion auch vorstellen können, Tagespflegepersonal zur Entlastung von Fachkräften in den Kindergartengruppen einzusetzen.

Es handelt sich bei der Verordnung um Mindestanforderungen, die zu erfüllen sind. Diese Mindestvoraussetzungen sind im Vergleich mit anderen Bundesländern nun weiß Gott nicht die schlechtesten. Der Vorschlag aus dem Ministerium sieht ab dem dritten Kind eine zweite Fachkraft für die Gruppe vor. Je Kind unter drei Jahren verringert sich die maximale Gruppengröße um ein Kind.

Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass lediglich sechs andere Bundesländer überhaupt einen Mindeststandard für altersgemischte Gruppen festlegen. So hat beispielsweise die Stadt Bremen geregelt, dass die maximale Gruppengröße für Kinder im Alter zwischen einem Jahr und sechs Jahren 15 Kinder beträgt, von denen mindestens fünf unter drei Jahre alt sein müssen. Über den Personalschlüssel hierfür wird jedoch keine Aussage gemacht. Hessen regelt, dass in altersgemischten Gruppen 1,5 Fachkräfte bei einer Gruppengröße

von nicht mehr als 20 Kindern das Minimum sind. In Thüringen wird die Mindestzahl von 1,6 Erzieherinnen bei einer zehnstündigen Betreuungszeit und einer Gruppengröße von maximal 15 Kindern festgelegt.

Die meisten Bundesländer allerdings überlassen es den Einrichtungen selbst, wie sie das zur Verfügung stehende Personal einsetzen. Baden-Württemberg verzichtet sogar ganz auf Richtlinien; die Kindergartenrichtlinie wurde dort zum 1. Januar 1997 aufgehoben - und die Kindergärten existieren immer noch. Dort haben sich nämlich die Verantwortlichen auch ohne Gesetze und Verordnungen geeinigt.

Hierbei möchte ich allerdings deutlich sagen, dass der Personalschlüssel und die Gruppenzusammensetzung beziehungsweise die Gruppengröße noch lange keine Aussage über die Qualität einer Kindertagesstätte gestatten können. Hier sind ganz andere Faktoren maßgeblich, wie etwa der Ausbildungsstand der Lehrkräfte und die inhaltliche Arbeit, die dort geleistet wird. Ich glaube, dass man darauf noch verstärkt das Augenmerk richten muss.

Im Übrigen handelt es sich hierbei ja um einen sogenannten Mindeststandard und dieser darf auch gern überschritten werden - was einige Träger auch tun. Schließlich stehen auch die Kindertagesstätten mit ihren Angeboten durchaus im Wettbewerb untereinander und eine gut ausgestattete Kindertagesstätte sichert am ehesten, dass deren Angebot von den Eltern auch angenommen wird.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnt die Kindertagesstättenverordnung in Gänze ab. Das halte ich für falsch. Man kann sich sicherlich über den in Kindertagesstätten zugrunde zu legenden Personalschlüssel streiten. Wichtig ist aber auch, dass andere Komponenten ebenfalls geregelt werden, so zum Beispiel das Thema Kindertagespflege, aber auch das Alkohol- und Rauchverbot in Kindertagesstätten.

Ich finde es sehr wichtig, dass gerade beim Einsatz von Tagespflegepersonal darauf geachtet wird, dass dies in einem gewissen familiären Rahmen bleibt. Hier hat das Ministerium darauf hingearbeitet, dass nicht mehr als fünf Kinder zur gleichen Zeit und insgesamt nicht mehr als zehn Kinder zu betreuen sind. Das ist in Anbetracht dessen, dass es sich bei Tagespflegepersonal nicht um ausgebildete sozialpädagogische Fachkräfte handelt, absolut angemessen.

(Heike Franzen)

Frau Kollegin, achten Sie bitte auf die Einhaltung Ihrer Redezeit.

Ja, ich bin schon bei meinem letzten Satz: Ich schlage vor, meine Damen und Herren von den Grünen, dass wir Ihre Anregungen noch einmal im Ausschuss miteinander diskutieren, und beantrage daher für die CDU-Fraktion die Überweisung der Anträge von FDP und mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - federführend - in den Bildungsausschuss und - mitberatend - an den Sozialausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD hat Frau Abgeordnete Astrid Höfs das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kindertageseinrichtungen sind derzeit bundesweit ständig in der politischen Diskussion. Ich glaube, so intensiv, lang anhaltend und hoch angesiedelt wie derzeit ist bislang überhaupt noch nie über dieses Thema diskutiert worden. Ich denke jedoch, das wird seinem Stellenwert gerecht. Das ist gut so. Denn ich denke, dass auch der letzte Kommunalpolitiker endlich begreifen muss, wie wichtig die Betreuung und Bildung der Kleinkinder vor Ort ist. Doch das ist - wenn man sich einmal genau umhört - vor Ort noch überhaupt nicht der Fall.

Im Bereich der vorschulischen Kinderbetreuung verfolgen wir drei strategische Ziele. Erstens. Wir wollen, dass die Kindertagesstätten nicht wie in der Vergangenheit lediglich als Betreuungsinstitutionen, sondern als eigenständige Bildungseinrichtung verstanden werden. Dieses Ziel haben wir mit den Bildungsleitlinien und mit der Novellierung des Kindertagesstättengesetzes erreicht. Die Umsetzung der Bildungsleitlinien erfordert vor Ort in den Kindertagesstätten Anstrengungen, hat sich aber in die tägliche Arbeit der Erzieherinnen gut eingefügt. An dieser Stelle danke ich allen engagierten Erzieherinnen und Erziehern, die täglich hervorragende Erziehungs- und Bildungsarbeit in den Kindertagesstätten leisten.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir wollen und müssen die Vorgabe aus dem Tagesbetreuungsausbaugesetz des Bundes

umsetzen und für Kinder unter drei Jahren mit Krippenplätze schaffen. Das dient unserem Leitbild der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einem schnelleren Wiedereinstieg besonders der Frauen nach der Babypause in die Berufstätigkeit. Wir brauchen bessere und am besten ganztätige Bildungs- und Betreuungsplätze. Die Situation der frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangebote ist regional sehr unterschiedlich. Mit guten frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten sollen Bildungschancen aller Kinder, die Integration von Kindern aus sozial benachteiligten Familien, der Schutz vor Familiearmut sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden.

Viele Eltern wollen Familie und Beruf vereinbaren, können es aber mit den vorhandenen Angeboten überhaupt nicht leisten. Die Schaffung von mehr Krippenplätzen dient auch der körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Förderung der jüngsten Kinder und verbessert in jedem Fall die Entwicklungschancen unserer Kleinkinder. Es ist in der Praxis immer wieder feststellbar: Die Entwicklung der Krippenkinder schreitet sehr schnell voran. Hier beginnt bereits das gemeinsame Lernen, das sich dann in Kindertagesstätte und Schule fortsetzt.

Drittens. Wir wollen mittelfristig erreichen, dass jedes Kind eine Kindertagesstätte besucht und dass zumindest ein solches Jahr obligatorisch und natürlich für die Eltern kostenfrei ist. Darin sehen wir die beste Förderung und Vorbereitung auf den Schulbesuch. Wir alle wissen, dass dies nicht von heute auf morgen zu finanzieren ist. Denkbar wäre es zum Beispiel, den Einstieg in sozialen Brennpunkten zu schaffen, um besonders die Kinder zu erreichen, die von ihren Eltern unzureichende Betreuung und Förderung erhalten - wenn sie nicht gar Opfer von Vernachlässigung und noch Schlimmerem werden.

Das Einfachste und Angenehmste wäre natürlich: Wir beschließen heute, diese beiden noch offenen Ziele mit sofortiger Wirkung umzusetzen. Aber allein bei dem Gedanken spüre ich schon die bohrenden Blicke der Finanzpolitiker aller Fraktionen, obwohl wir in diesem Fachbereich nicht nur nach rein fiskalischen Gesichtspunkten entscheiden dürfen.

Das Bildungsministerium hat in seinem Entwurf für die Kindertagesstättenverordnung einen Weg aufgezeigt, wie wir dem zweiten von mir genanntem Ziel, nämlich der Steigerung der Angebote für unter Dreijährige, näher kommen können, ohne die Finanzen der kommunalen und freien Träger zu sprengen.

Das Ministerium hat dazu selbstverständlich eine Anhörung durchgeführt, deren Ergebnis - wie auch nicht anders zu erwarten - sehr unterschiedlich ist. Die kommunalen Landesverbände als Vertreter der kommunalen Träger haben sich positiv geäußert und die geplante Flexibilisierung der Standards in den Kindertagesstätten ausdrücklich begrüßt. Die Wohlfahrtsverbände haben sich sehr skeptisch geäußert. Die GEW lehnt den Entwurf zur Änderung der Landesverordnung für die Kindertagesstätten ab.

Es ist für uns immer selbstverständlich gewesen, dass Anhörungen keine Showveranstaltungen sein dürfen, bei denen die Betroffenen nur die Gelegenheit bekommen, ihre Kritik mit der gleichen Inbrunst und mit der gleichen Folgenlosigkeit wie im Londoner Hyde Park loszuwerden. Anhörungen sind für uns ein Weg, das Expertenwissen, das diejenigen uns voraushaben, die mit unseren Gesetzen und Verordnungen tagtäglich umgehen müssen, für unsere Entscheidungsfindung zu nutzen.

Ich begrüße es daher für meine Fraktion sehr, dass die Bildungsministerin beschlossen hat - das Kabinett hat dem ja zugestimmt -, den Entwurf an einer ganz entscheidenden Stelle zu ändern. In § 8 Abs. 3 des Entwurfes soll es nun dabei bleiben, dass eine zusätzliche Fachkraft für eine altersgemischte Gruppe dann eingesetzt werden muss, wenn in altersgemischten Gruppen drei oder mehr Kinder unter drei Jahren aufgenommen werden. Damit ist der wichtigste Kritikpunkt aus den beiden Anträgen der Oppositionsfraktionen Grüne und FDP, denke ich, aus dem Weg geräumt.

Zum Antrag der Grünen: Ich sehe nach der Ankündigung der Ministerin eigentlich keinen Grund, den Entwurf der Kindertagesstättenverordnung zurückzuziehen. Die Grünen bleiben bei ihrer Argumentation, die sie schon immer vertreten haben, nämlich dass jegliche Einschränkung bei den Standards für Kindertagesstätten abzulehnen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wenden sich deshalb mit ihrem Antrag zugleich gegen die Aussagen der Berliner Koalition, obwohl wir noch gar nicht genau wissen, was den Bundestag tatsächlich in Gesetzesform erreichen wird. Ich teile Ihre Kritik an der Idee, Familien, die ihren Kindern den Besuch der Kindertagesstätte vorenthalten wollen, mit einer, wenn auch kleinen, Heimoder Herdprämie zu belohnen. Wir sind nicht der Auffassung, dass es gleichwertige Alternativen sind, die Kinder zu Hause zu behalten oder sie in eine Kindertagesstätte zu schicken.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

Zu befürchten ist, dass gerade sozial benachteiligte Familien ihre Kinder nicht in die Krippe geben, sondern zu Hause lieber vor dem Fernseher parken und mit dieser Prämie dann mehr Geld für den Familienkonsum haben. Das lehnen wir als sozialdemokratische Politiker und Politikerinnen ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Gründen, die ich eingangs genannte habe, halten wir an der Perspektive fest, dass jedes Kind eine Kindertagesstätte besucht. Aus den Reihen der CDU auf Bundesebene sind als Alternative zum Betreuungsgeld auch Gutscheinsysteme für die Wahrnehmung von pädagogischen, sportlichen oder sprachlichen Bildungsangeboten in die Diskussion gebracht worden. Solange diese Debatte aber auf Bundesebene noch zu keinem greifbaren Ergebnis geführt hat, können wir sie hier nicht in Resolution begleiten.

Was den Antrag der FDP angeht, so kommt man aus dem Kopfschütteln eigentlich gar nicht heraus.

(Widerspruch des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ausgerechnet die FDP, die bei früheren Haushaltsberatungen immer und immer wieder den Abbau der Standards gefordert hat, singt jetzt das hohe Lied auf die Standards. Zwar soll es ja nicht verboten sein, klüger zu werden, aber ich fürchte, dass auch hier der Vorwahlkampf und nicht die bessere Einsicht das Motiv gewesen ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Jedenfalls kann man aufgrund der Ankündigung der Ministerin den FDP-Antrag wohl als erledigt ansehen. Den Antrag der Grünen können wir, meine ich, im Bildungsausschuss auf Halde legen, bis die Pläne der Bundesregierung zur Betreuung der unter Dreijährigen greifbarer geworden sind, als es jetzt der Fall ist. Ich bin im Übrigen voller Erwartungen in Bezug auf die Diskussionen im Ausschuss.

(Beifall bei SPD und CDU)

Auf der Tribüne begrüßen wir ganz herzlich Mitglieder des Nordfriesischen Vereins aus Schobüll. Seien Sie uns alle ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Frau Abgeordnete Monika Heinold.

(Astrid Höfs)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Höfs, Ihr letzter Satz war unglaublich. Da stellt die grüne Fraktion als Oppositionspartei einen Antrag, weil sie sagt, diese Herdprämie dürfe auf Bundesebene nicht kommen. Da fordern wir, dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag einmischt. Und dann sagen Sie hier ganz offen, die Große Koalition werde diesen Antrag im Ausschuss „auf Halde“ legen! Das waren Ihre Worte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Frau Abgeordnete Höfs, Frau Kollegin, was ist das für ein Parlamentsverständnis? Und wie peinlich ist es, nur weil Sie sich intern nicht einig sind, verhindern zu wollen, dass sich der Landtag politisch positioniert!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Meine Fraktion wird - auch im Ausschuss - darauf drängen, dass wir uns entscheiden. Denn diese 150 € pro Kind und pro Familie ist Geld, das uns nachher für die Institution Kindertagesstätte fehlt. Das muss man an dieser Stelle doch ganz deutlich sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Bundesfamilienministerin selbst ist ja - insofern habe ich die lobenden Worte der CDU nicht ganz verstanden - absolut kritisch in Bezug auf die Betreuungsprämie. Die hat die CSU Ihnen dort reingeschrieben und da waren Ihre Leute in Berlin nicht Manns und Frau genug, zu sagen, dass sie das nicht wollen. Ich zitiere einmal die Bundesfamilienministerin. In der „Welt“ heißt es:

„Zum Betreuungsgeld erklärte von der Leyen aber, Kindern mit geringen Bildungschancen sei mit mehr Geld nicht geholfen.“