Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Es ist deshalb richtig und wichtig, dass das Bildungsministerium bereits vor geraumer Zeit den Schulträgern eine umfangreiche Handreichung für ihre Planungsaufgaben zur Verfügung gestellt hat.

Die Bildungsministerin hat in der vergangenen Woche die Ergebnisse des Genehmigungsverfahrens für die sieben zum kommenden Schuljahr beantragten Gemeinschaftsschulen vorgestellt. Ich danke diesen Schulen, insbesondere den Kollegien, und den Schulträgern sehr für ihre Bereitschaft, eine Pionierrolle für unser neues Bildungssystem wahrzunehmen und deshalb pädagogische Konzepte zu

(Susanne Herold)

entwickeln, deren Erarbeitung für alle Beteiligten eine Herausforderung war.

Die Umsetzung des neuen Schulgesetzes setzt auch voraus, dass die Lehrkräfte und Schulleitungen entsprechend fortgebildet werden. Das Ministerium hat hierzu ein Sonderprogramm aufgelegt und eine Reihe größerer Veranstaltungen durchgeführt.

Ich denke, dieser kurze Bericht bringt auch für die Nichtbildungspolitiker die Arbeit, die alle Beteiligten, auch die Mitglieder des Bildungsausschusses und der bildungspolitischen Arbeitskreise der Landtagsfraktionen, seit langer Zeit leisten, nachvollziehbar auf den Punkt.

Die bildungspolitische Diskussion ist keine Frage der sich überschlagenden Stimme, sondern eine Frage der Kontinuität in der Arbeit und in der Argumentation.

Deutlich überflüssiger als der Berichtsantrag des SSW zur Umsetzung des Schulgesetzes war der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den diesjährigen Schulanmeldungen. Ich meine, man kann solche Aussagen ruhig und gelassen tun. Nach meiner Meinung hätte man das ebenso gut als Kleine Anfrage einreichen können. Das gilt umso mehr, als einige der gestellten Fragen in die Kompetenz der Schulträger fallen oder Probleme aufwerfen, die die Managementkompetenz der einzelnen Schulleiter, nicht aber die zentrale Steuerung durch das Ministerium betreffen.

Dass die Nachfrage nach integrierten Unterrichtsformen ungebrochen ist und leider unter den vorhandenen Voraussetzungen nur zur Hälfte bedient werden kann, geht natürlich aus der Antwort hervor. Dieses schlechte Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage wird sich allerdings - das hoffe ich sehr - in Zukunft ändern, wenn wir in der Fläche mehr Gemeinschaftsschulen anbieten können.

Was ich in den zahlreichen Diskussionen vor Ort und in der Presseberichterstattung feststellen kann, ist, dass sich die Diskussion über unser Schulsystem erheblich versachlicht hat. Die Szenarien vom Untergang des Abendlandes, der durch die Änderungen unseres Schulsystems bewirkt würde, sind ganz überwiegend der Bereitschaft zum Dialog und zur Mitwirkung gewichen. Das zeigt sich insbesondere - einige scheinen das zu vergessen - darin, dass die Diskussion über Modellregionen und Regionalplanung - ein Projekt der Bundesregierung, das sich mit den regionalplanerischen Handlungsgrundsätzen zur Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge in den Kreisen Steinburg und Dithmarschen, parallel in den Kreisen der mecklenburgischen Seenplatte oder im Kreis Havelland-Fläming

auseinandersetzt - sehr unaufgeregt vor sich geht. Die Dinge werden dort besprochen.

Aber hier stehen natürlich die Fragen der Neuorganisation des Schulwesens unter besonderer Berücksichtigung der demografischen Veränderungen in der Gesellschaft im Vordergrund der Planungsgespräche, nicht etwa die ideologische Auseinandersetzung in diesem Bereich. Einige scheinen mir hier zu vergessen, dass wir ganz wesentliche demographische Veränderungen vor uns haben, die uns bei der Veränderung des Schulwesens in der Region und auf dem platten Land sehr deutlich mehr bestimmen werden als die Auseinandersetzung, die im bildungsideologischen Bereich stattfindet.

Wir wissen, dass diese Reform nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten einschließlich Lehrern, Schülern und Eltern daran mitwirken. Das Land engagiert sich weiterhin trotz schwierigster Haushaltslage durch die Schaffung neuer Lehrerstellen und dem Fonds zur Vermeidung des Unterrichtsausfalls.

Dass wir zu den Eingriffen in die Sonderzahlungen für die Beamten keine Alternative sehen, haben wir wiederholt deutlich gemacht, dennoch ist es außerordentlich schmerzlich, dass wir unseren Lehrerinnen und Lehrern für die Mehrarbeit für die neuen Herausforderungen nicht die zu erwartenden Geldmittel anbieten können, sondern ihnen auch noch Abstriche zumuten müssen. Das ist bedauerlich, aber in der derzeitigen Lage nicht zu ändern.

Das Bildungsministerium hat die gesetzlichen Vorgaben, die der Landtag im Januar beschlossen hat, zügig und zielorientiert abgearbeitet. Dafür bedanke ich mich bei allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für Bildung und Frauen, insbesondere natürlich bei der Ministerin und ihrem Staatssekretär.

Eigentlich erübrigt sich eine Überweisung der beiden Berichte an den Bildungsausschuss, da wir dort mit den hier angesprochenen Problemen ständig befasst sind. Wenn dies von den Antragstellern allerdings gewünscht wird, können die Berichte zur abschließenden Beratung an den Ausschuss überwiesen werden, auch vielleicht als Beitrag zur weiteren Pädagogik des Landes, indem man ja manche Dinge mehrfach wiederholen muss, damit man sie besonders gut lernt.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Buder. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug.

(Detlef Buder)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Schulpolitik ist der Bereich in der Arbeit der Großen Koalition, mit dem Bürger am wenigsten einverstanden sind. 72 % sind gegen die Abschaffung der Realschulen, nur 20 % dafür. Ich denke, das sind Zahlen, die sehr deutlich machen, wie die Resonanz, wie die Akzeptanz ihrer Schulpolitik im Lande ist.

(Beifall bei der FDP)

Das Misstrauen der Bürger gegen die Schulpolitik das ist hier schon angesprochen worden - drückt sich natürlich auch in den Schulanmeldungen aus, zu denen sich die Eltern für ihre Kinder entscheiden. Die Berichte, dass es an manchen Orten Zuwächse bei den Anmeldezahlen der Gymnasien von 20 oder 25 % gibt, sprechen Bände. Da ist sehr viel ins Rutschen gekommen. Das Phänomen, dass Schüler plötzlich da auftauchen, wo sie die Landesregierung, das Ministerium, nicht erwartet hatte, gibt es auch in anderen Bereichen. Nach Abschaffung des freiwilligen 10. Hauptschuljahres scheint das Ministerium überrascht gewesen zu sein, dass man nun plötzlich für rund 1.600 Schüler eine Alternative aus dem Hut zaubern musste. Man hat schnell die einjährige Berufsfachschule, eine neue Schulart ohne Abschluss - ich frage, mit welchem Wert -, ohne Konzept, ohne Lehrkräfte - es wurde von der Versetzung von nicht mehr benötigten Hauptschullehrkräften gesprochen - und auch ohne Räume, erfunden. Das Beispiel Mölln ist genannt worden. Dort hat man sich sogar für drei Klassen, für 90 Schüler, aus Platznot für die Anmietung von Räumen in einem Hotel entschieden. Die christdemokratische Vorsitzende des Bildungsausschusses, Frau Eisenberg, hat das in den „Lübecker Nachrichten“ mit den Worten kommentiert, die Hotellösung sei allemal besser, als wenn die Schüler auf der Straße stünden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, so klein kann das kleinere Übel ausfallen, das große Koalitionäre Schülern und Eltern zu bieten haben.

Vielleicht kommen wir in Schleswig-Holstein mit Frau Erdsiek-Rave doch noch zur Einführung der Schule auf Rädern. Man setzt einfach einen Klassencontainer auf einen Trailer und fährt ihn dorthin, wo er gerade mal benötigt wird. Dass diese Realsatire überhaupt denkbar geworden ist bei Ihrer Schulpolitik, zeigt, was Sie in diesem Land tatsächlich ausgelöst haben.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, keine Realsatire ist die ungeklärte Antwort auf die Frage, wo denn eigentlich die Lehrer für unsere Schulen bleiben beziehungsweise ob und wann und wo und wie viele zu ihnen kommen sollen. Nach wie vor gibt es keine Klarheit über die künftige Personalausstattung der neuen Schularten, der Gemeinschaftsschule und der Regionalschule, gleichwohl sollen Schulträger und Schulen vor Ort sich in den nächsten Monaten oder Jahren für die eine oder andere neue Schulart entscheiden. Auf welcher Grundlage denn?

Die Sozialdemokraten möchten, dass Gemeinschaftsschulen so ausstaffiert werden wie bislang Gesamtschulen. Das hat der Kollege Höppner hier bei einer früheren Debatte im Landtag gesagt. CDU-Kollegen wie Herr Wengler sagen in Gesprächen mit Besuchergruppen und Schülergruppen, das werde auf keinen Fall so eintreten. Christdemokraten wollen für ihre Schulart, die Regionalschule - Frau Herold hat das eben noch einmal bekräftigt -, die gleichen Konditionen durchgesetzt wissen wie für Gemeinschaftsschulen. Kollege Wadephul, der Fraktionsvorsitzende, reist durch das Land und erklärt - wie in Rieseby -, der Umfang der Unterrichtsverpflichtung an den Regionalschulen müsse heruntergefahren werden, gesenkt werden. Das würde freilich eine Menge kosten, entweder entsprechend mehr Stellen für die Schulen oder eine saftige Unterrichtskürzung. Das ist die logische Konsequenz, wenn man die Unterrichtungsverpflichtung verringert.

Bei so viel fröhlichen Versprechungen und - wie ich glaube - bewusst einkalkulierter Unklarheit frage ich die Regierung, Frau Erdsiek-Rave: Wann endlich will denn Ihre Regierung dem Parlament, den Schulen und der Öffentlichkeit klipp und klar sagen, wie denn die Personalausstattung der neuen Schularten in Zukunft aussehen soll?

(Beifall bei der FDP)

Oder soll das Frau Erdsiek-Raves Kinderüberraschung für eine ferne Zukunft bleiben?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nikolaus!)

Wo sollen die zusätzlichen Lehrer für die offensichtlich im nächsten Schuljahr überquellenden Gymnasien herkommen? Hundert Stellen sind im Frühjahr schon einmal aus anderen Schularten, nämlich aus Realschulen und Grund- und Hauptschulen, in den Bereich der Gymnasien transferiert worden, aber das beruhte auf der Feststellung, dass man schon im laufenden Schuljahr fast 2.000 mehr Schüler an Gymnasien zu unterrichten hat - im laufenden Schuljahr! -, als es vorher von der Prognose her erwartet worden ist. Das heißt, wenn jetzt noch

einmal ein erheblicher Anmeldeüberhang für das nächste Schuljahr dazukommt, stellt sich natürlich dort die Frage der Unterrichtsversorgung und der Verlagerung von Stellen.

Dass es wegen der geplanten Umbrüche in der Schullandschaft an den Schulen erhebliche Unruhe gibt, ist allgemein bekannt. Ich möchte dazu etwas zitieren. Frau Erdsiek-Rave hat das sehr verbrämt und beschönigend dargestellt, wie ich finde. Ich will dazu etwas aus der Mitgliederzeitschrift der GEW Schleswig-Holstein zitieren, April-Ausgabe. Dass die Lehrerverbände des Beamtenbundes mit ihrer Schulpolitik nicht einverstanden sind, wissen alle, aber dass eine Lehrergewerkschaft, die die Gemeinschaftsschule befürwortet, sich kritisch zu dem jetzigen Zustand äußert, sollte man als Stimmungsbild aus den Schulen hier zitieren können. Es heißt dort:

„Für etliche Kolleginnen“

- Kolleginnen mit großem I

„ist die Wahl zwischen Regionalschule oder Gemeinschaftsschule wie die zwischen Pest und Cholera. Beide bleiben vorerst ungeliebte Schulformen. Das sind Aussagen, aus denen der Frust über die geringe Wertschätzung der bisher geleisteten Arbeit heraus klingt. An anderen Kollegien kommt es zu internen Kämpfen. Man sei dabei, sich auseinanderzudividieren.“

- Soweit das Zitat.

Meine Damen und Herren, man muss sich doch fragen, wie eine neue Schule gelingen soll, wenn sie vor Ort so wahrgenommen wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich will noch eines hinzufügen: Schulstrukturfragen sind in Deutschland bekanntlich immer Streitfragen. Wie es dabei um die Streitkultur in Schleswig-Holstein beschaffen ist, insbesondere im Hinblick auf die Toleranzschwelle bei der Obrigkeit, ist ein Thema, das uns bei der Umsetzung des Schulgesetzes nicht gleichgültig sein kann. Bemerkenswert ist dabei der Vergleich mit anderen Bundesländern. In Baden-Württemberg haben sich unlängst - das ging auch durch die überregionale Presse - 100 Rektoren von Schulen in einer öffentlichen Erklärung für Gemeinschaftsschulen eingesetzt. Das widerspricht bekanntlich der baden-württembergischen Schulpolitik. Aber die „Schwäbische Zeitung“ berichtete am 22. Mai unter der Überschrift „Kultusministerium ist fair zu Kritikern“: Vertreter des Ministeriums und der Rektoren hätten sich an einen ovalen Tisch auf gleicher Augenhöhe

zusammengesetzt und zwei Stunden lang ein Gespräch über die Streitfragen geführt. - So viel zum Thema liberale tolerante Streitkultur in BadenWürttemberg.

Streitkultur auf schleswig-holsteinische Art sieht anders aus. Wenn sich ein Schulleiter in einer vor Ort geführten Debatte etwa gegen Pläne zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule ausspricht, dann erhält er aus Kiel die Anweisung, sich zurückzuhalten. Das Klima hierzulande ist mittlerweile so, dass Autoren, die im Magazin des Schulleiterverbandes kritische Beiträge zur Schulpolitik des Landes veröffentlichen, es vorziehen, dies anonym zu tun.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben sogar einem Rektor verboten, bei uns auf einer Veranstaltung et- was zu sagen!)

„Der Autor möchte namentlich nicht genannt werden“, heißt es im Titel eines Artikels in der AprilAusgabe der Zeitschrift des Schulleiterverbandes, ein Beitrag, in dem das „Innovationschaos“ in der schleswig-holsteinischen Schulpolitik angeprangert wird. Dies ist auch kein Einzelfall.

Im liberalen Südwesten wird in einem liberalen, toleranten Klima gestritten. Anders ist das in Schleswig-Holstein. Hier fordert die Obrigkeit, sprich das Bildungsministerium, von seinen Beamten Gefolgschaft und Kritiklosigkeit. Sie werden nicht bestreiten können, dass Sie im Zuge der Auseinandersetzung um das Schulgesetz auch disziplinarische Verfahren gegen Lehrkräfte eingeleitet haben. Wollen Sie das bestreiten?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es ist so! Das kann sie gar nicht!)

An anderer Stelle werden wir uns noch einmal eingehend über das Thema unterhalten, denn Sie sind verpflichtet, dem Landtag die Wahrheit zu sagen, Frau Ministerin.

Hier ist es leider üblich geworden, dass vom Ministerium eher autoritär und obrigkeitlich eingegriffen wird. Das ist eine zutiefst unerfreuliche Begleiterscheinung der schulpolitischen Entwicklung der letzten Zeit.