Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit dem Sommer 2006 wird in Sachsen-Anhalt ein Modellprojekt Bürgerarbeit durchgeführt. Ziele sind zum einen die Integration von Langzeit
arbeitslosen in gemeinnützige Beschäftigung, zum anderen die Überprüfung der Mitwirkungsbereitschaft und die Reduzierung der Schwarzarbeit. Bürgerarbeit soll allen - die Betonung liegt auf „allen“ Arbeitslosen angeboten werden. - Und schon dort trennen sich unsere Wege, Frau Birk.
Die pauschalen Vergütungen liegen in SachsenAnhalt zwischen 675 und 975 € Bruttoverdienst bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden. Das Zentrum für Sozialforschung in Halle ist mit der wissenschaftlichen Evaluation beauftragt. Die Ergebnisse werden erst in einigen Monaten vorliegen. Somit kann man heute überhaupt noch nichts über den Erfolg oder den Misserfolg des Modellprojekts aussagen. Aus diesem Grund kann man auch nicht sagen, wir sollten möglichst rasch all das aufs Land Schleswig-Holstein übertragen.
Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht überhaupt nicht auf die unterschiedlichen Situationen des Arbeitsmarktes in Schleswig-Holstein im Vergleich zum Arbeitsmarkt in Sachsen-Anhalt ein.
Nun komme ich zum sogenannten Wunder von Sachsen-Anhalt und da helfen am besten die Zahlen. Bis Mitte März 2007 haben im Rahmen des Projektes Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt 172 vormals langzeitarbeitslose Frauen und Männer sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen aufgenommen. Der erste Flächenversuch wird seit November 2006 in Bad Schmiedeberg in einem Ort mit 4.000 Einwohnerinnen und Einwohnern durchgeführt. Dort sind insgesamt 104 Personen in Bürgerarbeit beschäftigt.
Seit Februar 2007 läuft ein weiterer Flächentest in Barleben. Der Ort hat 6.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Dort haben bisher 48 Personen ihre Arbeit in gemeinnützigen Einrichtungen aufgenommen.
Der gewerkschaftsnahe „Monitor-Arbeitsmarktpolitik“ kommentiert die bisherigen Erfahrungen mit dem Bürgergeld in Sachsen-Anhalt wie folgt: Das Modell der Bürgerarbeit ist nicht wirklich neu. Bereits zwischen 1995 und 2002 wurde Ähnliches in einem Leipziger städtischen Eigenbetrieb mit bis zu 8.000 ABM-Beschäftigten praktiziert.
Meine Damen und Herren, genau davon wollen wir weg: Wir wollen einen Kurswechsel. Und durch Ihren Antrag werden wir diesen Kurswechsel nicht verzögern.
Anders als damals geht es dem Modell Bürgerarbeit jedoch um dauerhafte Beschäftigungsangebote. Allein aus diesem Grund scheint eine Übertragung
Im Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fehlt übrigens - und das ist ein weiterer Punkt, an dem wir weit auseinander sind - ein sehr entscheidender Punkt der Initiative Sachsen-Anhalts: In SachsenAnhalt hat man klargestellt, dass das Angebot von Bürgerarbeit nur unter Inkaufnahme von Sanktionen abgelehnt werden kann. Wer diesen Aspekt beiseite lässt, macht nur die halbe Rechnung auf und gaukelt den Menschen etwas vor. Sozialromantik hilft den Arbeitslosen in diesem Lande kein Stück weiter.
Der DGB in Sachsen-Anhalt sagt über ihr Modell, Frau Birk, dass es ausschließlich einem Ziel dient, nämlich die Arbeitslosenstatistik zu bereinigen.
Das ist ein weiterer Grund, warum wir sagen: Diese Schmupackung kann mit uns in Schleswig-Holstein nicht laufen.
Die Pilot- und Modellphasen in Sachsen-Anhalt laufen also noch und wir müssen uns die Frage stellen, ob wir ein laufendes Modellprojekt mit wenigen Teilnehmern und mäßigem Erfolg zum jetzigen Zeitpunkt einfach so kopieren wollen, ohne dass uns Ergebnisse der Evaluation vorliegen. Möchten Sie wirklich nicht wissen, was aus den Maßnahmenteilnehmern geworden ist? Wollen Sie wirklich nicht wissen, ob sie wirklich dauerhaft eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben? - Ich sage Ihnen: Ich möchte kein Geld für Projekte ausgeben, von denen wir nicht wissen, ob sie Menschen wirklich dauerhaft helfen können. Diesen politischen Blindflug machen wir nicht mit.
Ist es wirklich richtig, ein Modell aus dem Land Sachsen-Anhalt, das eine extrem hohe Arbeitslosigkeit hat und viel stärker als wir auf einen zweiten und dritten Arbeitsmarkt angewiesen ist, auf das Land Schleswig-Holstein zu übertragen? Oder macht es nicht mehr Sinn, zielgenau eigene Projekte hier in Schleswig-Holstein zu entwickeln und auf die Anforderungen der Arbeitslosen und der heimischen Unternehmen auszurichten?
Für die CDU-Fraktion ist es von vorrangiger Bedeutung, das Zukunftsprogramm Arbeit konsequent zu verfolgen. Frau Birk, Sie haben gerade gesagt, es liege nichts vor. Es würde Ihnen helfen, hin und wieder in das hineinzuschauen, was die Regierung und die Fraktionen auf den Weg gebracht ha
ben. Schauen Sie sich das Zukunftsprogramm Arbeit an. Wenn Sie es gelesen hätten, wäre der heutige Antrag überflüssig gewesen.
Denn dann hätten Sie gesehen, dass wir uns vernünftig positioniert haben. Es stehen ihn SchleswigHolstein nämlich insgesamt 288 Millionen € zur Verfügung, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, Menschen in Arbeit zu halten und die Ausbildung junger Menschen zu unterstützen.
Meine Damen und Herren, wir reden hier nicht nur über den zweiten Arbeitsmarkt. Wir reden immer auch darüber, wie wir die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt bekommen. Das ist die wichtige Herausforderung an alle Sozial-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitiker.
Wir haben zu Beginn der Wahlperiode ausgeführt, dass es uns wichtig ist, uns in der Arbeitsmarktpolitik auf die folgenden drei Punkte zu konzentrieren: Der erste Kernpunkt beinhaltet die Stärkung des Beschäftigungspotenzials.
Der zweite Kernpunkt zielt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Sie bleibt trotz der anspringenden Konjunktur und der positiven Auswirkung auf den Arbeitsmarkt die vordringlichste arbeitsmarktpolitische und gesellschaftspolitische Herausforderung. Daher ist es richtig, dass der Hauptschwerpunkt des Zukunftsprogramms Arbeit auf die Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit gelegt wurde. Frau Birk, warum haben Sie sich nicht auch den Programmpunkt hinsichtlich des Übergangs von der Schule in die Arbeitswelt angeschaut? Dafür stehen Mittel zur Verfügung und damit leisten wir vorbeugend einen Beitrag dazu, dass junge Menschen gar nicht erst in die Sozialsysteme hineinschlittern und von ihnen abhängig werden. Uns geht es darum, dass sie dauerhaft selbstständig ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
Unser dritter Schwerpunkt beinhaltet die Integration von benachteiligten Personen in den Arbeitsmarkt. Von der positiven konjunkturellen Entwicklung, die sich auch auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt hat, werden nicht alle Arbeitslosen gleichermaßen erfasst. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und es gibt leider nach wie vor Personen, die aufgrund schwerer Vermittlungshemmnisse nach realistischer Einschätzung in absehbarer Zeit nur sehr begrenzte Chancen auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben.
gen in den Regionen reagieren zu können, wird im neuen Arbeitsmarktprogramm die Förderung von innovativen und regionalen Projekten zur Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt im Vordergrund stehen.
Wir wissen aus dem Ministerium, dass es zahlreiche Initiativen gibt, die sich beworben haben, gemeinsam mit den örtlichen Trägern, gemeinsam mit dem Arbeitsministerium passgenaue Projekte für die jeweiligen Regionen auf den Weg zu bringen. Diese Ergebnisse sollten wir abwarten; ich glaube, ein Ergebnis wird uns bald vorgelegt. Wir brauchen kein Experiment ohne Auswertung aus SachsenAnhalt. Wir brauchen die Erfahrung der Akteure des Arbeitsmarktes, die wir hier vor Ort haben, und danach werden die Projekte ausgewählt.
Abschließend kann ich sagen: Wir werden Ihrem Antrag heute natürlich nicht zustimmen. Wir sehen kaum eine Chance auf eine realistische Umsetzung. Der Antrag der FDP geht in die richtige Richtung. Die dort formulierten Bedingungen sind allerdings bereits Regierungshandeln. Das Modellprojekt Bürgerarbeit aus Sachsen-Anhalt wird in dieser Zeit nicht auf Schleswig-Holstein übertragen.
Auf der Tribüne begrüße ich recht herzlich Schülerinnen und Schüler des Immanuel-Kant-Gymnasiums aus Neumünster sowie deren Lehrkräfte. Ferner heiße ich recht herzlich Personal- und Betriebsräte aus Kliniken in Heide, Brunsbüttel, Neumünster, Itzehoe und Bad Bramstedt willkommen. - Seien Sie uns alle ganz herzlich willkommen!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Begriff der Bürgerarbeit ist im Wandel. In seinem Buch „Schöne neue Arbeitswelt“ beschreibt sie der Soziologe Ulrich Beck als Teil eines Modells, in dem Erwerbsarbeit, Familienarbeit und Bürgerarbeit gleichberechtigte Bereiche sind. Die Gerechtigkeitsfrage sieht Beck im Zentrum sozialer Politik und er spricht von der Wiedergewinnung sozialer Sicherheit als Basis lebendiger Demokratie.
Wenn wir heute auf Antrag der grünen Fraktion über Bürgerarbeit sprechen, meinen wir - und das schließt auch den Antrag der FDP mit ein - etwas
anderes. Hier ist Bürgerarbeit hauptsächlich motiviert durch den Anspruch auf Teilhabe am Arbeitsmarkt. Dabei geht viel von dem ursprünglichen werteverändernden Ansatz, wie es Beck formuliert, verloren. Teilhabe an der Zivilgesellschaft geht weit darüber hinaus. Teilhabe am Arbeitsmarkt ist dabei ein wichtiger Bestandteil.
Wenn wir uns darüber hinaus die positiven Arbeitsmarktzahlen ansehen, bemerken wir, dass auch langzeitarbeitslose Menschen wieder mehr Chancen haben, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Ich möchte allerdings vor der Illusion warnen, jeder oder jede Langzeitarbeitslose sei in der Lage, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt zu bewältigen.
Diejenigen, denen dies gelingt, profitieren tatsächlich vom wirtschaftlichen Aufschwung. Das merkten in Schleswig-Holstein in den letzten Monaten Zehntausende ehemals lange Zeit arbeitslose Menschen. Gleichzeitig verbleiben Menschen, denen mit den üblichen Arbeitsmarktinstrumenten nicht geholfen werden kann in der Arbeitslosigkeit. Je stärker Arbeitsmarktbeteiligung und gesellschaftliche Teilhabe synonym verwendet werden, desto mehr wird diese vielfältige Gruppe von Menschen ausgegrenzt. Die Antwort darauf ist nicht einfach. Aus gesellschaftlichem Blickwinkel ist die soziale Inklusion ein vielversprechender Ansatz. Inklusion als sozialpolitisches Konzept erklärt sich solidarisch zu Menschen mit Hilfebedarf. Sie schafft Chancengleichheit und fördert ein solidarisches Netzwerk.
(Lothar Hay [SPD]: Das war so verabredet, dass einer klatschen soll! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Er hat das Wort „Inklusion“ verstan- den! - Heiterkeit)