Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage, Drucksache 16/1346, federführend an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
zieren“ - dieser Leitgedanke hat uns zu dem Antrag veranlasst, den Sie nun vorliegen haben. Viele Instrumente hat die Arbeitsmarktpolitik, um zu fördern. Aber viele ARGEn greifen immer wieder vor allem nach einem: dem sogenannten Ein-Euro-Job. Obwohl diese Jobs nicht viel Geld für die Langzeitarbeitslosen bringen, obwohl sie von den Arbeitsuchenden nur für die Dauer eines halben Jahres wahrgenommen werden dürfen, obwohl sie kein Arbeitsverhältnis begründen, das mit Arbeitnehmerrechten verbunden wäre, und obwohl sie häufig nicht freiwillig eingegangen werden und zudem nur ganz selten in den ersten Arbeitsmarkt führen, sind sie, wie der Bundesrechnungshof feststellte, sehr beliebt. Dabei verdrängen sie jedoch auch reguläre Arbeitsverhältnisse.
Dennoch ist der Run auf die Ein-Euro-Jobs entgegen aller Prognosen nach wie vor ungebrochen. Menschen wollen arbeiten. Da sind sogar Wissenschaftler bereit, für einen Euro die Stunde zu forschen oder einen professionell ausgebildeten Bibliothekar an der Uni zu ersetzen - das sind Fälle, die gerade durch die Medien gingen. Aber die meisten Menschen mühen und engagieren sich im Rahmen weniger geistvoller Arbeitsverhältnisse. Bisweilen bekommen sie ja auch etwas mehr als einen Euro die Stunde.
Der Arbeitseifer hat die Grenze der Zusätzlichkeit die ja eigentlich für diese Arbeitsverhältnisse die Grundlage ist - einfach hinweggespült. Viele private, aber auch öffentliche und gemeinnützige Arbeitgeber nutzen dies aus.
Weil das so ist, hat es keinen Sinn, die sogenannten Ein-Euro-Jobs einfach zu verbieten, sondern es muss bessere Alternativen geben.
Es gilt anzuerkennen - dies sage ich bewusst, weil wir uns hier im Plenarsaal vielleicht nicht einig sind -, dass Vollbeschäftigung wahrscheinlich nie mehr erreicht werden wird. Dies macht ein Umdenken in der Arbeitsmarktpolitik notwendig. Wo und wie ist es zu rechtfertigen und ökonomisch zu vertreten, Arbeitsplätze dauerhaft zu subventionieren und damit Menschen vom Abstellgleis zu holen? Denn machen wir uns nichts vor, bestimmte Menschen sind tatsächlich sogenannte Modernitätsverliererinnen und -verlierer. Sie werden Langzeitarbeitslose bleiben, wenn wir nichts tun. Gleichzeitig gibt es aber genug gesellschaftlich Sinnvolles, dem Gemeinwohl Dienendes zu tun. Es gibt ja genug Arbeit, aber sie findet keinen Markt; die bezahlte Nachfrage fehlt.
Deshalb schlagen wir vor, dass Schleswig-Holstein modellhaft, an einigen Orten auf dem Land und in der Stadt, ausprobiert - zumindest an einer Stelle im Land und an einer Stelle in der Stadt -, wie die passiven Leistungen, die die ARGE auszahlt, dauerhaft in aktive Leistung umgewandelt werden können, im Klartext: Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren.
Statt des einen Euro mehr die Stunde werden den Arbeitslosen - natürlich wird der Lebensunterhalt durch das ALG II gesichert - zwar keine Reichtümer, aber ein ordentliches, dauerhaftes Arbeitnehmerverhältnis mit Arbeitnehmerrechten und Sozialversicherung angeboten. Das Niveau der früheren ABM-Stellen wird die ARGE zwar nicht finanzieren können, aber deutlich über dem ALG-II-Satz sollte die Vergütung netto liegen.
Ganz wichtig ist uns dabei die Freiwilligkeit. Hier unterscheiden wir uns vom FDP-Antrag. Warum Freiwilligkeit beim Arbeitseinsatz?
Viele Einsatzorte der bisherigen Ein-Euro-Jobber ob das nun Altenheime oder Jugendeinrichtungen sind - sagen uns: Was fangen wir mit Menschen an, die diese Arbeit nicht wollen, die überhaupt nicht begreifen, um was es da geht? Wir hatten gerade das sensible Thema der Betreuung. Nun stellen Sie sich einmal vor, Sie haben in einer Alteneinrichtung Menschen, die vorlesen wollen. Das wäre ein solches Arbeitsverhältnis, von dem wir jetzt sprechen, was wir also statt den Ein-Euro-Jobs einrichten wollen. Sie sollen auch noch einige andere Tätigkeiten machen, die nicht so selbstverständlich einfach vom Ehrenamt erledigt werden können. Sie sollen aber nicht pflegen, sie sollen nicht die professionellen Arbeitsplätze verdrängen. Das ist ein hochsensibles Feld.
Jetzt haben Sie da Menschen, die das überhaupt nicht wollen, die überhaupt nicht verstehen, was sie da sollen. Das bekommen Sie auch mit drei Wochen Fortbildung nicht geändert. Das wird für beide, für die Arbeitgeber wie für die Arbeitnehmerpersönlichkeit, die zwar aus der Langzeitarbeitslosigkeit raus will, diesen Job aber nun überhaupt nicht mag, eine Katastrophe. Erst recht wird es eine Katastrophe für die alten Menschen in einer solchen Einrichtung. Wollen Sie das allen Beteiligten zumuten?
Angesichts dessen, was ich gerade gesagt habe, dass sich schon bei den schlechten Bedingungen des Ein-Euro-Jobs die Leute die Hacken ablaufen es gibt doch viel mehr Suchende für diese Jobs als Arbeitsmöglichkeiten -, sollten wir doch nicht als Erstes mit der Keule des Zwanges kommen, sondern sollten die Freiwilligkeit des Arbeitseinsatzes erst einmal ausprobieren. Ich glaube, dass wir da auf dem richtigen Weg sind.
Eines ist klar, wir werden diese Arbeitsplätze nicht millionenfach schaffen können. Davon gehen wir aus. Sie wissen, dass wir strenge Kriterien anzulegen haben.
Damit komme ich zum Zweiten, nämlich der Zusätzlichkeit. Es ist völlig klar, dass es nicht sein kann - wie das bisher offenbar massenhaft bei den Ein-Euro-Jobs passiert -, dass diese neuen Arbeitsverhältnisse, die dauerhaft subventioniert werden, reguläre Arbeitsverhältnisse, die sich auf dem Markt behaupten können, verdrängen. Das ist ein heikles Kapitel und die bisherigen Formen des Aushandelns zwischen den Tarifparteien oder auch gemeinsam mit den Behörden haben offensichtlich noch nicht so funktioniert, wie wir uns das vorstellen.
Deshalb finde ich es auch richtig, dass wir an dieser Stelle sagen, wir probieren etwas aus, wir beobachten das und wir holen uns dazu auch wissenschaftlichen Rat.
Denn natürlich ist diese Definition, die flexibel und genau sein muss, auch selber etwas, was den Markt beeinflusst. Wir sind nicht so naiv, das nicht zu sehen.
Wir müssen auch wissen, dass das Recht auf Fortbildung in einem solchen Arbeitsverhältnis wichtig ist. Es soll nicht so sein: Einmal auf dieses Terrain abgestempelt, immer und ewig vom ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Auch hier müssen wir auf das kleine Wunder, vielleicht doch in den ersten Arbeitsmarkt einzumünden, setzen und müssen die Wege dafür ebnen.
Wir sollten aber auch ein solches subventioniertes Arbeitsverhältnis als Hilfe sui generes respektieren. Wir sollten es nicht ausschließlich davon abhängig machen, ob es hinterher in den ersten Arbeitsmarkt mündet.
Ich finde das Kriterium der FDP, diese Angebote für Langzeitarbeitslose sollen nicht für Leute unter 25 Jahren gelten, diskussionswürdig. Darüber würde ich mich gern noch einmal fachlich austauschen.
Denn auf der einen Seite sollten wir gerade junge Leute nicht einfach gar nichts machen lassen, deshalb ist mir ein solches Arbeitsverhältnis lieber als das, was wir häufig in der Realität vorfinden, dass trotz aller guten Ansätze junge Leute eben doch gar nichts haben. Auf der anderen Seite sehe ich den Ansatz der FDP durchaus, dass Sie sagen, gerade jungen Menschen muss man etwas anderes anbieten als solche dauersubventionierten Arbeitsplätze.
- So, jetzt kommen Sie und sagen: Das ist wirklich nicht neu. - Ja, aber warum wird es nicht gemacht?
Ich werde einmal ein paar Ausführungen dazu machen. Eine solche Alternative, wie wir sie vorschlagen, hat als „Wunder von Sachsen-Anhalt“ in den letzten Monaten Furore gemacht. Ein mutiger Bürgermeister hat lauter gemeinnützige, zusätzliche Jobs erfunden und alle gemeinnützigen Organisationen zu entsprechender Phantasie aufgefordert. Er bietet mit Abstimmung seines dortigen Arbeitsministeriums und der ARGE diese Jobs als versicherungspflichtige Dauerarbeitsverhältnisse genau denjenigen an, die sonst keine Chance haben. Es klappt, es entsteht hohe Zufriedenheit der Beschäftigen und ihrer Arbeitgeber, durch gemeinnützige Dienstleistungen höhere Lebensqualität in der Kommune und auch ein bisschen mehr Konsum.
So, jetzt komme ich zu dem, was Sie gesagt haben: Das ist doch nichts Neues. - Ja. Es gab in der Vergangenheit - gerade auch in Schleswig-Holstein aus den Beschäftigungsverhältnissen der kommunalen Beschäftigungsgesellschaften genau solche Elemente, wie wir sie hier jetzt neu einfordern, bei den dortigen Arbeitsangeboten. Allerdings waren diese Arbeitsverhältnisse immer befristet. Ich erinnere mich noch gut an Gespräche mit Menschen, die sich in diesen Arbeitsverhältnissen wohlgefühlt haben und die einen nach einem Jahr angerufen haben und gesagt haben: Wird das nicht wenigstens noch um ein halbes Jahr verlängert? Warum muss ich das jetzt aufgeben?
- Ja, die fühlen sich wohl, weil sie sinnvolle Tätigkeiten ausführen, und diejenigen, für die sie diese Tätigkeit ausführen, sind ihnen auch dankbar, genauso wie auch die gemeinnützigen Organisationen, denn sonst würden sie diese Arbeitsplätze nicht anbieten.
Aber uns ist natürlich klar, dass diese Arbeitsplätze als Dauerarbeitsverhältnisse bisher nur in der Behindertenhilfe existieren - aufgrund des Rechtsanspruchs. Dort haben wir natürlich dauerhaft subventionierte Arbeitsverhältnisse en masse. Das ist gut so. Uns ist klar, dass wir nicht für alle Langzeitarbeitslosen einen solchen Weg anbieten können. Trotzdem halten wir es für richtig und wichtig, in einem sehr begrenzten Umfang dieses Instrument zu erproben und die mikro- und makroökonomischen Effekte zu untersuchen.
Wenn Sie vonseiten der SPD bessere Vorschläge machen, so sind Sie herzlich eingeladen, diese hier vorzulegen. Bisher ist von Ihnen hier nichts vorgelegt worden.
Außer, dass Einzelne von Ihnen den Beschäftigungsverhältnissen in den Kommunen früherer Zeit nachtrauern, habe ich hier seitens der Regierungsfraktionen keine Alternative gesehen.