Das Betreuungsrecht ist aber bewusst nicht so eng definiert, im Gegenteil, das Ziel des modernen Betreuungsrechtes ist eine humane Form von sozialer, im wahrsten Sinne des Wortes bürgerrechtlicher Kontrolle und Hilfe, die alte ordnungsrechtliche Kontrollrechte ablöst, zum Beispiel das frühere Entmündigungsrecht, das hier angesprochen wurde. Es ist aber auch eine Ergänzung beispielsweise zur Heimaufsicht und ähnlicher Kontrollinstrumente.
Allerdings fallen einzelne Regelungen des Betreuungsgesetzes selbst hinter diesen Anspruch zurück. Ich möchte dies an einem Beispiel veranschaulichen: Um die Abrechung der Berufsbetreuung zu vereinfachen, wurden in der letzten Reform des Betreuungsrechtes Pauschalen vereinbart, woran wir im Grundsatz nicht rütteln wollen. Bei der Höhe der Pauschalen wird allerdings davon ausgegangen, dass nach einer Unterbringung im Heim oder in einer Anstalt der rechtliche Betreuungsaufwand sinkt. Leider lassen sich viele Profibetreuerinnen und Profibetreuer nach einer Heimeinweisung auch nicht mehr so häufig blicken. Das halte ich für völlig falsch.
Gerade in solchen Institutionen ist eine sehr häufige Begegnung zwischen Betreutem und der betreuenden Person notwendig, nicht weil diese Pflege oder ähnliche Aufgaben wahrnehmen soll, und auch nicht, weil täglich Rechtsgeschäfte zu tätigen sind. Warum dann? - Um sich zu überzeugen, ob die Selbstbestimmung des zu Betreuenden im Alltag gewahrt bleibt, um gegebenenfalls Veränderungen seiner Persönlichkeit durch fortschreitende Krankheit oder möglicherweise negativen Einfluss der Institution wahrzunehmen, um dem zu Betreuenden Ansprechpartner zu sein, damit er zeitnah Rechte im Alltag durchsetzen kann, zum Beispiel das Recht auf Rehabilitationsleistungen, die ja auch alten Menschen im Heim zustehen, aber oft nicht gewährt werden, also um ihm zu gesellschaftlicher Teilhabe zu verhelfen, gegebenenfalls auch, um als Betreuer in einem Heimbeirat mitzuwirken.
Dieses rechtliche Betreuungsamt wird gerade in solchen Institutionen als bürgerrechtliche Stütze und Wächteramt gebraucht. Das gilt natürlich ebenso bei Formen ambulanter Tagesbetreuung oder bei den zukünftig wohl üblicher werdenden Haus- und Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenzerkrankung. Dies gilt auch für die Psychiatrie, für Behinderteneinrichtungen und die Forensik. Eine selbstverständliche aktive Einmischung einer rechtlich versierten, couragierten Betreuung - durch eh
renamtliche Angehörige oder Profis - würde mehr zur Humanisierung der Alten- und Behindertenhilfe beitragen als die Verdoppelung der Heimaufsichtsbesuche.
Dazu gehört auch eine entsprechende Bildung. Um für ein solches Rechtsamt fortzubilden, bieten sich ergänzend als Partner der Betreuungsvereine die Volkshochschulen an, aber ich werbe in diesem Zusammenhang auch für eine Kooperation zwischen Sozialpädagogischer und Juristischer Fakultät. Damit sich Betreuende sowie Richterinnen und Richter nicht ausschließlich auf Gutachten verlassen müssen - die natürlich unerlässlich sind -, sondern selbst mehr über die Erscheinungsformen psychischer Erkrankungen oder geistiger Behinderung wissen und institutionelle Lebensorte der Betreuten von innen kennen, sollten sich diese Fachleute in den Gerichten mit Medizinern und Pflegefachleuten austauschen und selbst durch Praktika in Pflegeund Behindertenhilfeeinrichtungen den Alltag der zu Betreuenden erspüren lernen. Von einem solchen Austausch würde mehr Reformgeist ausgehen als von manchem Paragrafen.
Wo wird Ähnliches in Schleswig Holstein schon praktiziert? Was muss passieren, damit solche Beispiele Schule machen? - Auch zu diesen Fragen möchten wir im Ausschuss gern Fachleute hören.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niemandem möchte ich es wünschen, einmal die Funktion der Betreuungsperson übernehmen zu müssen. Andererseits steigt die Wahrscheinlichkeit in unserer Gesellschaft, dass genau das passiert. In der Regel sind es die eigenen Eltern, die einer Betreuung bedürfen, weil sie selbst nicht mehr in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen. Aber auch Angehörige, die von Behinderung betroffen sind oder von psychischer Krankheit, können eine Betreuung nötig haben. Betreuung bedeutet deshalb eine ungeheure Verantwortung und birgt umfangreiche rechtliche Konsequenzen.
So unangenehm die Aufgabe sein kann, so vielfältig ist glücklicherweise die Unterstützung, die gewährt wird. Die Antwort des Justizministers belegt eindrucksvoll, dass man sich eigentlich vor der
Übernahme der Betreuungsverantwortung nicht fürchten muss. Profis in Gerichten und Betreuungsvereinen stehen einem dabei zur Seite.
Bereits die hervorragende Broschüre der Landesregierung gibt eine erste Einführung. Weitere offene Fragen und Aktualisierungen liefert die vorliegende Antwort auf die Große Anfrage der FDP nach. Das Lob geht deshalb auch und insbesondere an die Fragesteller, die sich offensichtlich sehr sachkundig auf das Thema eingelassen haben. Heiner Garg und FDP, herzlichen Dank für diese Fragen, die nach 16 Jahren dringend notwendig waren!
Ich wünsche mir, dass dieser Text nicht nur ein Schattendasein als Drucksache führt, sondern entsprechend redaktionell aufgearbeitet wird und Betreuern und Betreuten an die Hand gegeben wird, damit sie sich über den aktuellen Stand des Verfahrens informieren können.
Es lohnt sich, diese Drucksache als Grundlage für eine Anhörung zu machen und den Leuten, die damit befasst sind, an die Hand zu geben.
Die Antwort belegt aber auch, dass im Betreuungssystem nicht alles eitel Sonnenschein ist. Bereits das Wachstum der Fallzahlen schafft Probleme, die nicht allein von einem Mangel an Informationen herrühren. Einzelne Fälle nähren die Vorbehalte vieler Bürger, als Betreuter zu einer Nummer zu verkümmern. Gerade ältere Menschen, die zunehmend gesundheitliche Probleme bekommen, fürchten sich davor, betreut zu werden, weil sie ihre Entscheidungsrechte einbüßen. Betreuung hat zwar nichts mit dem zu Recht abgeschafften System der Entmündigung zu tun; dennoch ist die Tatsache nicht zu leugnen, dass erwachsene Menschen Autonomie und Selbstbestimmung vertrauensvoll in andere Hände geben müssen.
Betreuung organisiert um einen Vertrauenskern herum. Es geht um gesundheitliche Unversehrtheit und Erhalt der Vermögenswerte. Betreuer, die liebgewordene Erinnerungen wie Fotoalben oder über viele Lebensjahre hinweg gesammelte Nippesfiguren vor dem Umzug des Betreuten ins Pflegeheim einfach in den Container versenken, weil die Zeit drängt, entstammen eben nicht etwa bloß erfundenen Horrorstorys. Deshalb ist es wichtig, bei alldem, was getan werden muss, auch die Gefühlslage der betroffenen Menschen zu berücksichtigen.
Außerdem geht es in vielen Fällen um erhebliche Geld- und Vermögenswerte, die die Betreuten im Laufe ihres Lebens angesammelt haben. Das weckt Begehrlichkeiten. In Schleswig-Holstein kommt es im Betreuungssystem immer wieder einmal zu Missbrauch und Überforderung. Erhebliche Vermögenswerte können zur Selbstbedienung verleiten. Auch bei der Einbeziehung mehrerer Kontrollschleifen ist es nicht gänzlich auszuschließen, dass Betreuer aus der Unselbstständigkeit der ihnen Anvertrauten Kapital schlagen. Allerdings - und dieser Hinweis ist ganz wichtig -: Ein systematischer Betrug erfolgt nicht. Das möchte in aller Deutlichkeit feststellen.
Die Betreuung bringt Einnahmen. Das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz hat aus Kostengründen die Einzelabrechnung ins Visier genommen, um die Kosten zu deckeln. Der Minister allerdings beurteilt die Umstellung kritisch, weil die Kosten gestiegen sind. Ich dagegen bin davon überzeugt, dass eine pauschale Abrechnung das Verhältnis zwischen Betreutem und Betreuer verbessern kann. Wenn nicht mehr jedes Gespräch Kosten auslöst, wird sich die Beziehung einfach verändern,
weil der Betreute nicht die Mutmaßung anstellen muss, ob es womöglich nur zum Kontakt gekommen ist, damit der Betreuer diesen dann finanziell abrechnen kann. Ich glaube, hier geht es auch sehr stark um Vertrauensfragen.
(Beifall beim SSW sowie der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Kosten sind gestiegen; gleichzeitig ist der Stundensatz nach der Mehrwertsteuererhöhung gesunken. Ich halte das nicht für den richtigen Weg, zwingt dies die Betreuer doch, in die Masse zu gehen, um das Niveau überhaupt halten zu können. Ich bin daher gespannt auf die anstehende Evaluation, die sicherlich auch Auskunft über die Auskömmlichkeit der Vergütungen geben kann. Letztlich führt kein Weg an der Anhebung des Nettostundensatzes vorbei.
Dass die ehrenamtlichen Betreuer ihre Aufwendungen steuermindern geltend machen können, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Doch ich halte die Haltung des Ministers für problematisch, sich durch den Wegfall steuerlicher Hemmnisse mehr ehrenamtliche Betreuung zu versprechen. Aufgrund der Lebenserfahrung weiß man doch, dass steuerli
che Anreize quasi nur das Tüpfelchen auf dem „i“ sind; sie sind jedenfalls nicht der Auslöser dafür, nun gerade ausgerechnet Betreuer zu werden.
Zudem wiegt die Verantwortung als Betreuer zu schwer, als dass jemanden die Steuerersparnis - die übrigens nur Gutverdienende oder zumindest Besserverdienende komplett einstreichen können - zur Übernahme der Betreuungsverantwortung bewegen würde.
Selbstverständlich sollten alle Aufwendungen, die getätigt werden, steuerlich absetzbar sein. Dies sollte im Übrigen aber auch für alle anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten gelten.
In der Mehrzahl der Fälle sind die Betreuer Familienangehörige. Die Tatsache, dass die Mehrzahl der Betreuer ehrenamtlich tätig sind, beruht auf einer politischen Entscheidung. Darum erachte ich die Aussage für problematisch, dass die zu besorgenden Geschäfte immer komplexer werden und darum den - ich zitiere - „häufigeren Einsatz von Berufsbetreuerinnen und -betreuern erforderlich“ machten. Aufgabe des Staates und der Gerichte ist es, die Geschäfte auch für Laien handhabbar zu machen. Da sind wir alle in der Pflicht. Der Vorrang der Einzelbetreuung ist gesetzlich vorgeschrieben und sollte respektiert und umgesetzt werden.
Andererseits ist eine Überforderung der Angehörigen tunlichst zu vermeiden. Aber hierfür scheint es derzeit auch keine Hinweise zu geben.
Die Diskussionen auf Bundesebene haben sich sehr differenziert mit einem möglichen Automatismus der Übernahme der Betreuungsverantwortung durch Eltern oder Ehegatten auseinandergesetzt. Wir sollten diese Themen aber auch weiterhin mit den Betreuern besprechen; denn in einer angespannten Beziehung kann auch die Betreuung nicht optimal ausfallen.
Der Fall, dass Menschen ehrenamtlich zum Betreuer von Angehörigen werden, kann sich oftmals förmlich über Nacht ereignen, wie das etwa bei einem Schlaganfall geschieht. Das kann man also nicht sozusagen auf Vorrat üben. Umso wichtiger ist ein umfassendes Erstgespräch und eine professionelle Begleitung. Die Betreuungsvereine leisten in diesem Zusammenhang wirklich eine hervorragende Arbeit. Aber auch hier gilt, dass eine Wahl
möglichkeit beziehungsweise eine Auswahlmöglichkeit gut ist. Diese Möglichkeit ist in fünf Kreisen gegeben, in denen jeweils zwei Vereine ansässig sind; in allen anderen Kreisen existiert lediglich jeweils ein Verein. Es ist überlegenswert, ob die Landesregierung hier steuernd eingreift, indem sie zur Gründung neuer Vereine ermutigt. Die steigenden Fallzahlen legen eine entsprechende Ausweitung nahe. Es ist auch durchaus denkbar, dass die Ehrenamtler Alternativen wünschen und sich mit den Quasi-Monopolen nur notgedrungen abgefunden haben.
Über den Daumen gepeilt erhalten die Vereine für ihre Arbeit im Jahr ungefähr 30.000 €. Ist das ausreichend oder wird hier nicht vielmehr ein Mangel verwaltet? Ich hätte gern mehr darüber gewusst, wie diese Mittel eingesetzt werden. Fließen sie in Mietkosten, in Verwaltungskosten, oder dienen sie etwa der Fortbildung? Wir wissen das nicht; und wir sollten uns in der kommenden Anhörung hierüber schlau machen.
Es sind vor allem die Berufsbetreuer, die immer einmal wieder in die Kritik geraten und die bei vielen Menschen Unbehagen und Furcht vor dem Kontrollverlust auslösen. Der Fall Thea Schädlich scheint diesen Vorurteilen neue Nahrung gegeben zu haben. Frau Schädlich ist bekanntlich eine anscheinend etwas eigenartige Hausbesitzerin aus Kummerfeld, deren Haus von ihren gerichtlich bestellten Betreuern gegen ihren Willen an die Gemeinde verkauft worden war. Die Medien schlugen Alarm. Allerdings dauerte es sehr lange und bedurfte es einer regelrechten Kampagne, bis Frau Schädlich ihr Haus wiederbekam und dort einziehen konnte. Die Medien prangerten die Überforderung der Berufsbetreuer an, die pro Monat lediglich dreieinhalb Stunden Zeit für einen Hilfsbedürftigen hätten. Dieses Zeitbudget mag in einfachen Fällen ausreichen, bei komplizierten Betreuungsverhältnissen kann es allerdings dazu kommen, dass gegen den Willen des Betreuten gehandelt wird.
Die Antwort der Landesregierung kann diese Befürchtungen nicht ganz ausräumen - das ist auch gar nicht möglich. Eine kleine Minderheit der Berufsbetreuer betreut über das Jahr gesehen 60 und mehr Menschen - zwar nicht gleichzeitig und nebeneinander, wie das Ministerium betont; aber es muss doch gesehen werden, dass eine solch hohe Fallzahl die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Fehler passieren. Es muss durch strengste Kontrollen gewährleistet sein, dass es nicht bedingt durch die hohe Zahl
Betreuter zu Problemen kommt. Die Gerichte sollten strengstens darauf achten, dass eine Fallobergrenze eingehalten wird. Dies ist umso wichtiger, als die Zahl der Betreuungsfälle insgesamt weiter wachsen wird - das wissen wir heute schon - und die Überforderung der nur wenigen Profis also zunehmen könnten. Hier müssen wir aufpassen.
In diesem Zusammenhang ist die Erarbeitung eines einheitlichen Handlungskonzepts durchaus bedenkenswert. Sicherlich ist Papier geduldig. Ich bin aber dennoch davon überzeugt, dass Betreuer und Betreute immer wieder vor gleichen oder zumindest ähnlichen Problemlagen stehen. Eine einheitliche Handlungsrichtlinie wäre deshalb wünschenswert.
Abschließend möchte ich mich noch einmal bei den Antragstellern der Fraktion der FDP bedanken, die diese Anfrage gestellt haben. Daneben bedanke ich mich auch beim Ministerium und seinen Mitarbeitern für diesen hervorragenden Bericht, mit dem wir sehr gut weiterarbeiten können.