Dem Bericht ist zu entnehmen, dass 2006 rund 58 % der Betreuungen von Familienangehörigen und Ehrenamtlern übernommen werden, 23 % von Berufsbetreuern und 9 % von Betreuungen werden von Vereinen, Vereinsbetreuern und Behördenbetreuern übernommen. Den Betreuungsvereinen kommt bei der Thematik der Betreuung eine ganz besondere Bedeutung zu, nämlich die Werbung, Fortbildung und Beratung von ehrenamtlichen Be
Seit Jahren wird über die Qualifikation insbesondere von Berufsbetreuern diskutiert. Das Gesetz lässt hier sehr viel Spielraum. Zum Betreuer kann eine natürliche Person bestellt werden, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Damit liegt die Verantwortung für die Qualifikation eines Betreuers beim Gericht. Inzwischen bieten allerdings die berufsständischen Organisationen Weiterbildungsmöglichkeiten für Berufsbetreuer an. Der Bundesverband der Berufsbetreuer führt seit dem 1. Oktober 2006 ein Qualitätsregister, dessen Grundlage eine Datenbank ist, über die relevante Informationen abgerufen werden können. Damit soll die Professionalität der beruflichen Betreuung weiterentwickelt werden. Das Register enthält unter anderem Angaben über die Qualifikationen und die Arbeitsschwerpunkte der registrierten Betreuer beziehungsweise Vereine. Registrieren lassen können sich alle, auch Personen und Vereine, die nicht Mitglied sind. Sie müssen allerdings gewisse Qualifikationskriterien wie Berufserfahrung, Führungszeugnis, den Nachweis von Fachkenntnissen und noch einiges mehr erbringen.
Ich begrüße außerordentlich die offenbar empfundene Selbstverpflichtung der Berufsverbände, für die Qualität von Betreuern Sorge zu tragen. Schön, wenn man nicht alles gesetzlich regeln muss.
Für den ehrenamtlichen Bereich kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass die Betreuungsvereine ein gutes Angebot der Fortbildung vorhalten, so beispielsweise regelmäßige Runden von ehrenamtlichen Betreuern und Vereinsbetreuern, in denen ein aktueller Informationsaustausch stattfindet. Bei den meisten Vereinen kann man auch einfach hereinspazieren und seine Fragen klären.
Trotz dieser Angebote müssen wir die Diskussion um die Qualifikationen von Betreuerinnen und Betreuern im Interesse der betreuten Menschen weiterführen, um Missbrauch von Betreuung so weit wie möglich ausschließen zu können.
Betreuung hat sehr viel mit Vertrauen und Vertraulichkeit zu tun. Die Tatsache, dass der überwiegende Teil der Betreuungen von Familienangehörigen übernommen wird, was wir auch wollen - das ist notwendig -, macht es so schwer, den Personen
Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Große Anfrage ist eine gute Grundlage für weitere Beratungen und Diskussionen zu diesem Thema, das uns allen sehr wichtig sein sollte.
Lassen Sie mich zum Schluss noch Danke sagen an Sie, Herr Minister, und an Ihr Ministerium für die wirklich umfassende und ausgesprochen lesbare Antwort auf die Große Anfrage. Sie ist auch für jemanden, der mit dem Betreuungsrecht noch nie etwas zu tun hatte, wirklich ausgesprochen lesbar und bietet für uns eine gute Arbeitsgrundlage. Ihnen und Ihren Mitarbeitern herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Betreuungsrecht ist Bundesrecht. Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP-Landtagsfraktion wirft deshalb ihrerseits zwei Fragen zum landespolitischen Handlungsbedarf auf.
Erstens. Bedarf es einer landespolitischen Initiative zur Änderung des Bundesrechts, um die Lebenssituation betreuungsbedürftiger Menschen zu verbessern?
Zweitens. Tun wir als Land Schleswig-Holstein bei der Umsetzung des Bundesrechts im Sinne der betroffenen Menschen alles, was für eine menschenwürdige Betreuung erforderlich ist und getan werden kann?
Politischer Handlungsbedarf auf Bundesebene scheint nicht zu bestehen. Das im Jahre 1992 in Kraft getretene, zweimal reformierte und überarbeitete Betreuungsgesetz hat erhebliche Verbesserungen für erwachsene Mitbürgerinnen und Mitbürger gebracht, die früher unter Vormundschaft und Pflegschaft standen. Betreuung als Fürsorge zum Wohle der betroffenen Menschen ist an die Stelle von Entmündigung und Vormundschaft getreten. Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage sind, ihre tatsächlichen oder rechtlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen, bleiben mündige Mitmenschen
in dem Sinn, dass ihr Selbstbestimmungsrecht gewahrt bleibt. Ihre Wünsche und trotz Krankheit oder Behinderung weiterhin erkennbaren Willensbekundungen sind für die gerichtlich eingesetzten und kontrollierten Betreuerinnen und Betreuer nicht nur beachtlich, sondern verpflichtend.
Obwohl Alzheimer und Demenz inzwischen Massenphänomene insbesondere der älteren Generation geworden sind, obwohl psychische Erkrankungen aber auch und gerade bei jüngeren Menschen immer häufiger auftreten, obwohl es also auch in Schleswig-Holstein seit Jahren aus diesen oder anderen Gründen kontinuierlich steigende Betreuungszahlen gibt, belegt die Antwort der Landesregierung überzeugend, dass Amtsgerichte, Betreuungsbehörden, Betreuungsvereine, ehrenamtliche und hauptamtliche Betreuerinnen und Betreuer die Vorgaben und Anforderungen des Bundesgesetzes optimal umsetzen.
Lobenswert ist, dass der Justizminister die wichtige Säule der ehrenamtlichen Betreuung durch versicherungsund steuerrechtliche Erleichterungen weiter stärken will und dies schon getan hat. Wichtig ist, dass im Gesetz und bei den Vormundschaftsgerichten Vorsorge getroffen ist gegen den Missbrauch vermögensrechtlich bedeutsamer Betreuungen durch unzuverlässige oder gar böswillige Betreuerinnen und Betreuer.
Eine persönliche Bemerkung möchte ich an dieser Stelle einstreuen. Aus jahrelanger rechtsanwaltlicher und notarieller Erfahrung weiß ich, dass die beste Betreuung im Grunde die nicht amtsgerichtliche ist, jene, die über Generalvollmacht, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zu regeln ist. Ich selbst bin kein Notar mehr. Deshalb darf ich sagen: Ich kann jedem von uns und auch allen Menschen draußen nur raten, sich an einen Notar ihres Vertrauens zu wenden und eine gut und sicher abgefasste Vollmacht ausfertigen zu lassen. Solange wir noch in einem bewussten, willens- und entscheidungsfähigen Zustand sind, sollten wir Vorsorge für unser Alter treffen. Damit ist nämlich gewährleistet, dass eine Person unseres Vertrauens eingesetzt wird, die, wenn wir selbst nicht mehr entscheiden können, für uns tätig wird und auch die medizinischen Entscheidungen trifft. Das ist allemal eine bessere Möglichkeit.
Das Betreuungsrecht des BGB ist im Grunde mit der Absicht geregelt, dass dies nur eine Ausweichmöglichkeit für den Fall ist, dass diese Vorsorge im persönlichen Bereich nicht getroffen werden kann.
Insgesamt nehmen wir mit Befriedigung und Anerkennung zur Kenntnis, dass die rund 44.000 betreuten Menschen in Schleswig-Holstein darauf vertrauen können, dass sie menschenwürdig, zuverlässig und professionell betreut werden. Einzelheiten, Kritik hie und da oder vielleicht doch verbesserungswürdige Punkte sollten wir im Ausschuss näher erörtern. Ich danke dem Justizminister für seinen Bericht und Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von jemandem als erwachsener Mensch betreut werden zu müssen, weil die eigenen Geisteskräfte für bestimmte lebenswichtige und alltägliche Entscheidungen nicht mehr ausreichen - eine solche Vorstellung, an die gerade auch der Kollege Puls appelliert hat, schieben wir für uns persönlich gern beiseite. Dabei kann uns dies täglich nach einem Unfall treffen und immer mehr Menschen nehmen selbst gegenüber älteren Angehörigen mit Demenzerkrankungen oder gegenüber erwachsenen Kindern mit Behinderung ein Betreuungsrecht wahr. Das Amt der Betreuung praktizieren am häufigsten Angehörige - noch, wie meine Vorrednerin und mein Vorredner betont haben.
Die Einführung und Propagierung sowie die zentrale Dokumentation von Vorsorgevollmachten sind hierzu eine wichtige und immer selbstverständlichere Grundlage geworden. Aber machen wir uns nichts vor: Auch hier bestimmen Bildungsunterschiede in der Bevölkerung maßgeblich darüber, wer gut oder schlecht betreut wird. Das wollen wir ändern.
Die sehr sachkundige Große Anfrage der FDPFraktion und die ausführliche Antwort des Justizministeriums zum Betreuungsrecht - herzlichen Dank für beides - kommen just in time, da im Juli dieses Jahres die Justizministerkonferenz eine Auswertung der Evaluation zur Wirksamkeit des neuen Betreuungsrechtes vorlegen will, um zu prüfen, ob weitere Rechtsreformen notwendig sind.
Um es gleich vorweg zu sagen: Wir beantragen die Überweisung der Antwort des Ministeriums, über die wir jetzt debattieren, an den Innen- und Rechtsausschuss, aber auch an den Sozialausschuss mit dem Ziel, eine ausführliche Fachanhörung durchzu
führen und dabei auch die demnächst von der Justizministerkonferenz vorgelegten aktuellen Evaluationsergebnisse über die Wirkung der jüngsten Betreuungsrechtsreform hinzuzuziehen. Wir wollen diese Anhörung nicht als Fingerübung unter Juristen, sondern möchten mehr über die Praxis des Betreuungsrechtes erfahren und gleichzeitig die gesellschaftliche Akzeptanz dieses Rechtes noch mehr verbreitern helfen.
Praxisevaluation und Akzeptanz - für diese Ziele hat sich auch Anne Lütkes, die frühere grüne Justizministerin, erfolgreich in der Justizministerkonferenz engagiert. Sie und wir verbinden damit die Vision, dass Schleswig Holstein bei der Humanisierung und Reformierung juristischer Verfahren auch in diesem Bereich eine wegweisende Rolle einnehmen kann. Wie wir wissen, geht es dabei oft nicht nur um die Änderung von Paragrafen, sondern um die Einübung einer guten Praxis.
Drei Missverständnissen muss hier allerdings Aufmerksamkeit gegeben werden. Dass die Betreuungsverhältnisse stark ansteigen, ist zwar wesentlich, aber nicht allein dem demografischen Wandel der älter werdenden Gesellschaft geschuldet. Hierzu benennt das Ministerium weitere einleuchtende Gründe. Vor allem aber ist dieser Anstieg kein Unglück, keine Flut, die es mit allen Mitteln einzudämmen gilt, sondern angesichts früherer Rechtsverhältnisse und angesichts des steigenden Bedarfs ein zivilisatorischer Fortschritt.
,,Aber das kostet doch Unsummen!“, höre ich schon die Finanzminister protestieren. Damit komme ich zum zweiten Missverständnis. Dieser Aufschrei ist genauso wenig hilfreich wie die Klage, dass die Hilfen für Menschen mit Behinderung Geld kosten oder dass frühkindliche und lebenslange Bildung teuer ist. Das ist ein Stück Zivilisation, die eben auch Geld kostet.
Die rechtliche Betreuung ist eine hohe fachliche Profession, aber auch ein Geschäft. Wie in der Pflege alter Menschen so gilt auch hier: Der Anteil derjenigen, die von bezahlten Kräften betreut werden, steigt. Deshalb war es richtig, maßvolle Stundensätze für die Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer zu vereinbaren, aber es ist unpraktisch, diese fixen Stundensätze im Gesetz nicht mit einer automatischen Dynamisierung zu versehen. Wo andere Tarifverhandlungen führen, muss im Betreuungsrecht jedes Mal das Gesetz geändert werden, um in
Außerdem: Wie finden sich in Zukunft ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer über die direkten Angehörigen hinaus angesichts der für manche Betreuungsverhältnisse doch niedrigen ehrenamtlichen Pauschalen? Der Stopp des stetigen Wachstums der Anzahl ehrenamtlicher Betreuung seit 2003 müsste auch unter diesem Gesichtspunkt einmal angesehen werden.
Umgekehrt gilt aber nicht, dass viel Geld allein das Problem einer diffizilen Kommunikation wie die eines Betreuungsverhältnisses löst. Das wäre das dritte Missverständnis. Die Kunst der rechtlich angemessenen Form der Betreuung und der Gestaltung von Betreuungssystemen besteht darin, sowohl feudal anmutende persönliche Abhängigkeit als auch anonyme, bürokratisch waltende Staatlichkeit zu vermeiden. Das Betreuungsrecht definiert deshalb regelmäßige persönliche Begegnung zwischen Betreuerinnen/Betreuern und Betreuten sowie die Zusammenarbeit zwischen Betreuungsbehörde, Betreuungsvereinen und Vormundschaftsgerichten als wesentliches Fundament. Hier unterstütze ich ausführlich die Ausführungen des Abgeordneten Garg.
Zeit und Qualität einer häufigen regelmäßigen persönlichen Begegnung, in der ein Vertrauensverhältnis wachsen kann, gleichzeitig aber auch moderne Formen der Selbstkontrolle und Fremdkontrolle Frau Franzen ging auf die Berufsbetreuungsvereine ein -, das ist der Schwebebalken, auf dem es das Gleichgewicht zu halten gilt.
Das Betreuungsrecht zielt auf eine flexible Verzahnung von bürgerschaftlichem Engagement und hoher juristischer Professionalität. Herr Minister, es droht allerdings sofort zu scheitern, wenn es aus Personalmangel nur um die Verwaltung von Aktenbergen geht oder wenn es nicht genügend fachlichen und öffentlichen Austausch gibt, weil das Thema zu sehr im gesellschaftlichen Abseits liegt wie dies zum Beispiel bei der Betreuung in Pflegeheimen, aber auch Institutionen wie der Psychiatrie oder der Forensik oft der Fall ist. Hier sehe ich Handlungsbedarf. Wie gelingt es, den gewaltig drohenden bürokratischen Schatten eines von flexiblen und differenzierten Verfahrensschritten geprägten Rechtsverhältnisses zu vermeiden? Das ist die Kardinalfrage. Hier erhoffe ich mir durch eine Anhörung im Fachausschuss Antworten.
Wir brauchen diese Antworten, denn Bürokratie, Anonymität, Arbeitsüberlastung, zu viel Routine und unaufgedeckte Missbräuche des Vertrauensamtes - genau diese Gefahren sind nicht abstrakt, son
dern sehr real und führen zunehmend zu einer ausschließlich an der Menge von aktenkundigen Rechtsgeschäften orientierten Erfolgsmessung.
Das Betreuungsrecht ist aber bewusst nicht so eng definiert, im Gegenteil, das Ziel des modernen Betreuungsrechtes ist eine humane Form von sozialer, im wahrsten Sinne des Wortes bürgerrechtlicher Kontrolle und Hilfe, die alte ordnungsrechtliche Kontrollrechte ablöst, zum Beispiel das frühere Entmündigungsrecht, das hier angesprochen wurde. Es ist aber auch eine Ergänzung beispielsweise zur Heimaufsicht und ähnlicher Kontrollinstrumente.