Denn bei der konkreten Umsetzung werden Betreute mit ihren Angehörigen, Gerichte und Betreuer oftmals zu sehr alleingelassen. Das ist nicht so sehr ein Problem des Rechts, sondern insbesondere ein Problem des Umgangs damit in der Praxis aufgrund der bestehenden Rahmenbedingungen.
Mit 44.143 Betreuungen hat sich 2006 die Zahl gegenüber 1992 mehr als verdoppelt. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen: Das haben Sie, Herr Minister, geschildert. Sie haben gesagt, dass die Entwicklung eine Folge der demografischen Veränderungen ist, auch eine Folge des Reizes, dass Schleswig-Holstein als Zuwanderungsland von Menschen gesucht wird, die hier gern ihren Ruhestand verbringen möchten.
Auch in unserer älter werdenden Gesellschaft steigt in Zukunft der Betreuungsbedarf. Gleichzeitig nimmt mit dem Wegfall familiärer und nachbarschaftlicher Hilfestrukturen die Zahl der Einpersonenhaushalte zu. Die Zahl derjenigen sinkt, die Fa
Darüber kann auch nicht die derzeit hohe Zahl von insgesamt 26.258 ehrenamtlichen Betreuungen hinwegtäuschen.
Aus den Antworten wird unter anderem Folgendes deutlich: Allein aufgrund der demografischen Entwicklung werden mittelfristig immer mehr der familiären sowie ehrenamtlichen Strukturen wegbrechen. Das Problem kennen wir nicht nur im Bereich der Betreuung, aber hier wird es in den nächsten 20 Jahren drastisch sichtbar.
Seit 2004 stagniert die Zahl der ehrenamtlichen Betreuungen auf fast dem gleichen Niveau, und zwar trotz weiter steigender Betreuungsfälle. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Betreuer. Ob Bankgeschäfte, Anträge zur Pflegeversicherung oder Korrespondenz mit dem Rententräger - immer komplexere rechtliche Sachverhalte bergen die Gefahr, dass ehrenamtliche Betreuer, insbesondere Familienangehörige, trotz vorhandener Beratungsund Weiterbildungsangebote überfordert werden.
Auch dies ist ein Grund dafür, dass letztlich immer mehr professionelle Strukturen und Hilfeangebote benötigt werden, um den Bedürfnissen der zu Betreuenden gerecht zu werden.
Bereits heute werden 22,96 % der Betreuten durch Berufsbetreuer und 5,85 % durch Rechtsanwälte betreut. Die Tendenz ist weiter steigend.
Wenn wir feststellen müssen, dass die Fallzahlen immer weiter steigen, die damit verbundenen Verfahrenskosten steigen und die Fälle immer komplexer und somit immer mehr professionelle Helfer benötigt werden, dann müssen wir uns die Frage stellen, ob die Relation der für die Betreuung zuständigen Vormundschaftsrichter und Rechtspfleger zu den Betreuungsfällen in Schleswig-Holstein noch ausreicht.
Landesweit sind an den schleswig-holsteinischen Amtsgerichten 37,16 Richter und 41,06 Rechtspfleger in Betreuungssachen tätig. Das sind durchschnittlich 1.188 Betreuungsfälle, die ein einzelner Richter in Schleswig-Holstein zu bearbeiten hat, und 1.075 Betreuungsfälle für einen einzelnen Rechtspfleger. Die Frage muss also lauten: Wie würde vonseiten der Politik bisher auf diese Rahmenbedingungen reagiert?
Zunächst wurde auf Bundesebene mit dem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz versucht, die Kosten zu begrenzen, indem die Vergütung für professionelle Betreuer pauschaliert wurde. Diese Pauschalierung kann aber dazu führen, dass immer
weniger ambulante Hilfen durch den Betreuer organisiert werden können. Die Folge ist, dass zu betreuende Personen sehr viel schneller in ein Heim eingewiesen werden, obwohl dies möglicherweise noch gar nicht notwenig wäre.
Auch das Ziel, weiterhin möglichst viele Betreuungen ehrenamtlich durchzuführen, kann mittelfristig nicht erreicht werden. Ich habe das vorhin anhand der demografischen Entwicklung kurz skizziert.
Derzeit betreuen mehr als die Hälfte aller Betreuer ihre Familienangehörigen. Wenn es im Zuge der demografischen Entwicklung diese Familienangehörigen aber nicht mehr geben wird oder sie zur Betreuung nicht mehr in der Lage sind, wird eine Betreuung im Ehrenamt immer unwahrscheinlicher.
Die Initiative der Landesregierung, Herr Minister, die Steuerfreiheit der Vergütung aus nebenberuflicher Tätigkeit auf die ehrenamtliche Betreuung auszudehnen, gleichzeitig den Steuerfreibetrag zu erhöhen, ist ein wichtiger Schritt, um das Ehrenamt zu stärken. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Ihnen dafür, diese Initiative eingeleitet zu haben.
So wird aber aus unserer Sicht die Frage, wie eine fachgerechte Betreuung in den nächsten Jahrzehnten ermöglicht werden soll, nicht beantwortet.
Sie haben ein weiteres Problem angesprochen. Da stehe ich ganz auf Ihrer Seite und da sind wir ganz anderer Auffassung als andere hier. Ich glaube nicht, dass durch Ombudsleute und Mediatoren dieses Problem in Zukunft gelöst werden kann.
Es war richtig, dass mit dem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz 2005 eine Evaluierung der Betreuungsregelung beschlossen wurde. Das Ergebnis dieser Evaluierung steht allerdings noch aus.
Es stellt sich die Frage, welche konkreten Maßnahmen die Landespolitik unabhängig davon ergreifen sollte, um die Weichen für die Zukunft zu stellen. Ist die Justiz auf die Entwicklung, die ich skizziert habe, vorbereitet?
Viele der durchschnittlich 1.188 Betreuungsfälle, die ein Richter in Schleswig-Holstein zu bearbeiten hat, mögen rechtlich einfach gelagerte Fälle sein. Die Frage stellt sich trotzdem: Reicht diese Relation aus, um auch aufwendige Verfahren, die es ja durchaus gibt, adäquat überwachen zu können? Natürlich müssen sich Gerichte auf Gutachten und auf glaubhafte Darlegungen von Betreuern verlassen können. Dennoch kann es nicht genügen, die Überprüfung darauf zu beschränken, ob die Abrechnung
der entstandenen Kosten formal stimmt. Diese Gefahr besteht aber, wenn Gerichte zu wenig Zeit für einen einzelnen Betreuungsfall haben. Auch die Einführung eines verbindlichen Nachweises von zusätzlichen Qualifikationen bei Berufsbetreuern wie die Verpflichtung zu regelmäßiger von Fortund Weiterbildungen, beispielsweise vom Bundesverband der Berufsbetreuer gefordert, wäre aus unserer Sicht eine durchaus sinnvolle Maßnahme an der Stelle.
In diesem Zusammenhang ist zu hinterfragen, ob die Regelung einer Pauschalvergütung tatsächlich ein sinnvoller Weg ist, um eine qualifizierte Betreuung zu gewährleisten. Sinnvoll ist es auf jeden Fall, gemeinsam mit Richtern, Rechtspflegern, Betreuungsvereinen, Behörden sowie ehrenamtlichen und professionellen Betreuern einheitliche Kriterien zu entwickeln, um auf Landesebene den in § 1.901 Abs. 4 BGB festgeschriebenen Betreuungsplan endlich mit Leben zu erfüllen.
Wenn wir vor Ort etwas erreichen wollen, ist es auch notwendig, örtliche Arbeitsgemeinschaften aus Betreuungsbehörden, Gerichten, Vereinen und Berufsbetreuern zu unterstützen und zu fördern. Das sind konkrete Möglichkeiten, um die im Betreuungsrecht gesetzten Ziele besser und schneller zu erreichen. Wenn wir dies ernst meinen, dann dürfen diese Maßnahmen nicht nur einseitig unter Kostengesichtspunkten abgehakt werden. Denn allein schon durch eine bessere Verzahnung von Behörden, Betreuern und Justiz könnte viel mehr für die Betreuten erreicht werden.
Fazit aus unserer Sicht: Erstens. Das gesetzgeberische Ziel, Betroffene zu betreuen statt sie zu bevormunden, ist der einzig richtige Ansatz in einer demokratischen Gesellschaft.
Zweitens. Die praktische Umsetzung des Gesetzes scheitert konkret oftmals an nicht ausreichenden finanziellen Mitteln.
Drittens. Diejenigen, die als ehrenamtliche oder berufliche Betreuer, als Richter oder Rechtspfleger für den Betreuten handeln, werden noch zu oft alleingelassen. Als Ursache sind in vielen Fällen Kommunikationsprozesse auszumachen, die nicht ausreichend zwischen den Beteiligten stattfinden. Ich denke, gerade an der Stelle können wir entsprechend in den Ausschüssen nacharbeiten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Betreuung ist ein sensibles Thema. Die Entscheidung, das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen ganz oder in Teilen zu beschneiden, greift tief in die Persönlichkeitsrechte ein und muss mit äußerster Sorgfalt getroffen werden. Im Mittelpunkt einer solchen Entscheidung muss der betroffene Mensch mit seinen Bedürfnissen, Wünschen und Fähigkeiten stehen. Es geht hier nicht mehr um die Entmündigung eines Menschen.
Mit der Verabschiedung des Betreuungsgesetzes 1992 hat sich in diesem Bereich vieles verändert. Betreuung als Rechtsfürsorge ist an die Stelle von Entmündigung, Vormundschaft für Erwachsene und Gebrechlichkeitspflege getreten. Dabei besteht das Wesen der Betreuung darin, dass für eine volljährige Person eine Betreuerin oder ein Betreuer bestellt wird, dessen Aufgabenfelder fest umrissen sind. Das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen soll so weit wie möglich und zu deren Wohl erhalten bleiben.
Das Betreuungsrecht sieht klare Strukturen bei den Zuständigkeiten vor. Ausgehend von den Bedürfnissen und Wünschen der zu Betreuenden entscheidet das Vormundschaftsgericht über eine Betreuung, deren Umfang und den Betreuer. Dabei hat der zu Betreuende ein umfassendes Mitspracherecht, insbesondere bei der Bestellung der Betreuerin oder des Betreuers. Wird vom Betreuten ein Betreuer vorgeschlagen, und ist der geeignet und gewillt, ist das Gericht an diesen Vorschlag gebunden.
Alle wichtigen Entscheidungen wie beispielsweise eine Unterbringung in einer Einrichtung müssen immer in Zusammenarbeit mit dem Gericht getroffen werden, sodass einem eventuellen willkürlichen Handeln eines Betreuers klare Grenzen gesetzt sind. Auch bei Konflikten oder bei der Ablehnung eines Betreuers liegt die Zuständigkeit zur Klärung beim Gericht, sodass auch, wie in der Anfrage deutlich gemacht worden ist, eine Notwendigkeit für eine weitere Instanz in Form eine Ombudsmannes oder Mediators zur Klärung von Konflikten nicht besteht.
Trotz der klaren Strukturen gibt es immer wieder Reibungsverluste aufgrund der unterschiedlichen Institutionen, die mit einem Betreuungsverfahren befasst werden müssen wie Vormundschaftsgericht, Betreuungsbehörde, Betreuungsverein und Betreu
er. Dazu hat die Arbeitsgruppe Betreuungsrecht auf Bundesebene zwei konkrete Vorschläge gemacht, die Betreuungsbehörden stärker in die Verfahren einzubeziehen und die Vormundschaftsgerichte zu entlasten. Beide Vorschläge sollten intensiv diskutiert werden, weil sie die Chance bieten, die Betreuungsverfahren zu vereinfachen und zu verbessern. Dabei möchte ich darauf hinweisen, dass ich der Auffassung bin, dass über eine Betreuung und deren Ausmaß aufgrund des schwerwiegenden Eingriffes in die Persönlichkeitsrechte immer eine gerichtliche Entscheidung bleiben muss.
Der Bericht zeigt auf, dass die Zahl der zu Betreuenden in Schleswig-Holstein seit Inkrafttreten des Gesetzes beständig angestiegen ist, sie hat sich seit 1992 mehr als verdoppelt. 1992 waren es noch 18.747 Betreuungsverfahren und im letzten Jahr bereits 44.143 Betreuungsverfahren bei den Gerichten.
Die überwiegende Zahl der Betreuungen wird ehrenamtlich geführt, wobei viele von den Familienangehörigen übernommen werden, aber auch von Bürgern, die sich ehrenamtlich für die Belange von anderen Menschen einsetzen wollen. Aus eigener Erfahrung als ehrenamtliche Betreuerin weiß ich, wie viel Verantwortung, Zeit und Mühe mit einer ehrenamtlichen Betreuung verbunden sein können, und möchte allen danken, die sich freiwillig dieser Aufgabe widmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bemerkenswert ist aber die enorme Zunahme der Betreuungsfälle schon. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig. Zum einen sind es gesellschaftliche Entwicklungen wie die Demografie. Die Menschen werden immer älter und bedürfen damit auch länger einer Betreuung. Auch Einpersonenhaushalte sind Ergebnis der Gesellschaft. Sie schwächen die familiären und nachbarschaftlichen Hilfenetze. Nicht zuletzt ist eine Folge des gesellschaftlichen Wandels auch die Zunahme von psychischen Erkrankungen.
Aber auch das Betreuungsgesetz selbst ist einer der Gründe für die Zunahme. Betreuung wird zunehmend unter dem Aspekt der Fürsorge und nicht mehr so sehr als Entmündigung gesehen, was auch richtig ist. Somit ist allerdings auch die Hemmschwelle sehr viel niedriger, für einen Menschen eine Betreuung zu beantragen.
sondere in Pflegeeinrichtungen geführt hat. Auch unsere Bürokratie und Verrechtlichung unserer Gesellschaft führt dazu, dass sich zunehmend gerade auch ältere Menschen mit Behörden- und Bankengängen oder mit dem Papierwust von Versicherungen überfordert fühlen. Viele dieser Betreuungen könnten sicherlich vermieden werden, wenn sich die Gesellschaft wieder mehr um sich selbst kümmern würde. Wichtig ist aber, dass die Betroffenen nicht mit Ihren Problemen allein gelassen werden und zugleich auch vor Einschränkungen ihres freien Willens geschützt werden.
Verbunden mit der steigenden Zahl der Betreuungsfälle ist natürlich auch eine Steigerung der Kosten, sowohl der Verfahrens- und Gutachterkosten als auch der außergerichtlichen Kosten. Ein wesentlicher Kostenfaktor sind dabei die Kosten für die Berufsbetreuer. Trotz der 2005 erfolgten Umstellung der Abrechnungsverfahren für Berufsbetreuer auf ein Pauschalvergütungssystem sind die Ausgaben im Betreuungswesen zunächst gestiegen. Die derzeit laufende Evaluation zum Betreuungsrecht soll Aufschluss darüber geben, ob es sich hierbei um vorläufige Umstrukturierungseffekte handelt oder um eine dauerhafte Kostensteigerung.
Ich gehe aufgrund der demografischen, der gesellschaftlichen und der sozialen Entwicklungen davon aus, dass die Zahl der Betreuungen auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird. Das wird Auswirkungen auf den Bedarf an Betreuerinnen und Betreuern haben, aber auch auf die Arbeitsbelastung der Amtsgerichte, die die Betreuungsverfahren führen. In beiden Bereichen wird mit einem erhöhten Personalbedarf zu rechnen sein. Darum ist es umso wichtiger, dass wir uns hier in diesem Haus mit diesem Thema befassen und genau hinterfragen, wie sich die Situation der Betreuten und deren Betreuerinnen und Betreuern darstellt. Die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Betreuung bedürfen auch der unterschiedlichsten Fähigkeiten von Betreuerinnen und Betreuern. So gibt es freie Berufsbetreuung, Vereinsbetreuung, die Betreuung durch ein Betreuungsamt und die ehrenamtliche Betreuung.
Dem Bericht ist zu entnehmen, dass 2006 rund 58 % der Betreuungen von Familienangehörigen und Ehrenamtlern übernommen werden, 23 % von Berufsbetreuern und 9 % von Betreuungen werden von Vereinen, Vereinsbetreuern und Behördenbetreuern übernommen. Den Betreuungsvereinen kommt bei der Thematik der Betreuung eine ganz besondere Bedeutung zu, nämlich die Werbung, Fortbildung und Beratung von ehrenamtlichen Be