stadt und auch die anvisierte Einrichtung von Therapieplätzen im Bereich der Jugendanstalt Schleswig. Dieses Thema wird auch aus Sicht des Justizministers noch zu erörtern sein.
- Genau, morgen geht es ja um die Erweiterung angemessener Therapiemöglichkeiten, wie sie auch das Verfassungsgericht gefordert hat.
Diese bilden auch die Verknüpfung zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit auf der einen und der Gewährleistung eines entsprechenden Umfeldes für eine möglichst erfolgreiche Therapie auf der anderen Seite.
In diesem Sinne ist es ferner zu begrüßen, dass nunmehr auch das sogenannte Probewohnen als wichtiges Element der therapeutischen Behandlung und zur Vorbereitung der Entlassung ausdrücklich in den Katalog der Vollzugslockerungen aufgenommen wird. - Das fröhliche Gesicht des Oppositionsführers zeigt mir, dass er mir zu folgen bereit und in der Lage ist.
Im Übrigen enthält der Entwurf eine Vielzahl von Klarstellungen bis hin zu notwendigen Änderungen. Eine sinnvolle Klarstellung ist zum Beispiel die Definition des Anwendungsbereiches des Maßregelvollzugsgesetzes, welches sich auf diejenigen Bereiche beschränkt, die der Bundesgesetzgeber bereits durch seine strafprozessuale Gesetzgebung gefüllt hat.
Aufgrund der Eingriffstiefe sicherlich erforderlich sind die nun deutlich umfangreicheren Regelungen für den Bereich der Durchsuchung, da bisher lediglich körperliche Durchsuchungen gesetzlich geregelt waren. Diese Lücke müsste im Interesse der Rechtssicherheit geschlossen werden - sowohl für die Untergebrachten als auch für die Bediensteten und die Betreiber der Einrichtungen des Maßregelvollzuges.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden den Gesetzentwurf in den Ausschüssen weiter beraten. Was uns hier vorliegt, ist eine gute Beratungsgrundlage.
Ich danke Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl. Bevor ich der Rednerliste weiter folge, möchte ich auf der Tribüne auch unseren ehemaligen Abgeordneten Hermann Benker herzlich begrüßen. - Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Maßregelvollzug ist ein Thema, das die breite Öffentlichkeit häufig erst dann interessiert, wenn Patienten entweichen oder sich gutachterliche Prognosen, die zur Entlassung von Personen führten, im Nachhinein als unzutreffend erwiesen, weil die Betroffenen erneut straffällig wurden.
Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat im Januar 2000 das Maßregelvollzugsgesetz beschlossen, im Mai 2003 und im September 2004 geändert. Die seither im praktischen Vollzug gewonnenen Erkenntnisse, die Rechtsfortbildung auf Bundesebene und vor allem die erfolgte Beleihung der privatisierten Einrichtungen mit der Durchführung der Aufgabe des Maßregelvollzugs erfordern nun eine umfassende Novellierung unseres Maßregelvollzugsgesetzes.
Täter, die ihre Straftaten unter dem Einfluss schwerer psychischer Erkrankungen begangen haben, werden nach ihrer Verurteilung im Maßregelvollzug untergebracht. Ziel der Unterbringung ist Besserung und Sicherung, Risikominimierung beziehungsweise Beheben von Gefährlichkeit sowie die Angleichung an normale Lebensverhältnisse.
Mit den Bestimmungen für ein Maßregelvollzugsgesetz ist zwischen der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürgern vor psychisch kranken Straftätern einerseits und deren Anspruch auf sinnvolle Therapie und gesellschaftliche Reintegration andererseits abzuwägen. Außerdem haben wir in den letzten Jahren bundesweit eine Zunahme von Einweisungen in Einrichtungen des Maßregelvollzugs zu verzeichnen. Die Aufenthaltsdauer ist gestiegen, sie beträgt derzeit durchschnittlich sieben Jahre, es gibt einen Rückgang an Entlassungen.
In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung Ende 2004 mit dem auf mehrere Jahre angelegten Investitionsprogramm auf die räumlichen Unzulänglichkeiten in den Kliniken für forensische Psychiatrie in Schleswig und Neustadt reagiert. Dieses Investitionsprogramm zielt auf die qualitative Verbesserung des therapeutischen Milieus durch eine Optimierung der äußeren und inneren Sicherheit und damit auf die Verbesserung der Sicherheit der Bevölkerung sowie auf die Verringerung der Verweildauer.
Mir dem uns jetzt vorliegenden Gesetzentwurf wird das Ziel verfolgt, den Vollzug der Maßregeln für die untergebrachten Menschen und für die Einrichtungen des Maßregelvollzugs eindeutiger zu fassen und bestehende Regelungslücken zu beseitigen.
„Mitarbeit und Verantwortungsbewusstsein der untergebrachten Menschen sollen geweckt und gefördert werden. Sie sind gehalten, an der Erreichung der Vollzugsziele mitzuwirken und die therapeutische Behandlung zu unterstützen.“
Die Untergebrachten werden hiermit gefordert, aktiv zu werden, Behandlungen nicht nur über sich ergehen zu lassen. Nur durch die aktive, subjektiv sicherlich oft als belastend und schwer erträglich empfundene Auseinandersetzung mit den Taten, die zur Unterbringung im Maßregelvollzug geführt haben, kann ein Therapieerfolg gelingen. Weitere Änderungen schaffen eindeutige Rechtsgrundlagen für Sicherheitskontrollen, für die Ausübung der Informationsfreiheit, für das Recht auf Religionsausübung sowie für den Umgang mit persönlichem Besitz.
Wichtig scheint mir auch ein Hinweis auf § 5 Abs. 4. Durch die Neufassung des Absatzes 4 wird das Erfordernis einer externen Begutachtung in einem Rhythmus von mindestens drei Jahren festgelegt, um durch eine oder einen nicht in der Einrichtung des Maßregelvollzugs tätige Gutachterin oder Gutachter feststellen zu lassen, ob die Unterbringungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen oder ob eine Entlassungsreife erreicht ist oder welche dafür erforderlichen weiteren Behandlungsschritte sinnvoll erscheinen. Diese Regelung ermutigt die Untergebrachten, sich, wie oben angesprochen, aktiv am therapeutischen Prozess zu beteiligen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden Datenschutzbestimmungen an den Vollzug in privatisierten Einrichtungen angepasst und deren Fachaufsicht eindeutig geregelt.
Mit § 17 Abs. 2 wird das Probewohnen als besondere therapeutische Erprobungs- und Wiedereingliederungsmaßnahme auch als solche und nicht als längere Urlaubsphase gewertet.
§ 16 Abs. 6 regelt das Recht der Besuchskommission auf Akteneinsicht; denn nur so kann sie ihrem Auftrag, der Prüfung, ob die Rechte der untergebrachten Menschen gewahrt und die Ziele des Maßregelvollzugs beachtet werden, nachkommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Die vorliegenden Änderungen zum Maßregelvollzugsgesetz betonen das Wiedereingliederungsgebot. Die Einrichtungen haben auf die soziale und berufliche Wiedereingliederung der Patienten hinzuwirken. Die Patienten selbst sind zu einer stärkeren Beteiligung am Therapieprozess, zur Verantwortungsübernahme für Behandlungserfolge und die Erreichung von Zielen ausdrücklich aufgefordert. Die Wahrung der Menschenrechte unter den besonderen Bedingungen des Maßregelvollzugs und die erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber den Patientenrechten stehen im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs.
Mit einem Maßregelvollzugsgesetz, das die Grundlagen für die erfolgreiche Behandlung psychisch erkrankter Straftäter schafft, entsprechen wir nicht zuletzt dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung. Bauliche Sicherungsmaßnahmen sind wichtig, mindestens genauso wichtig aber die Behandlung der Untergebrachten, denn das oft geforderte Wegsperren für immer ist nur selten die einzig mögliche Alternative.
Wir beantragen die Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfes federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss.
Ich danke der Frau Abgeordneten Tenor-Alschausky. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Glaubt man den Verfassern des Gesetzentwurfes, so ist eine Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes notwendig. Die durch den praktischen Aufgabenvollzug gewonnenen Erkenntnisse, die Rechtsfortbildung auf Bundesebene sowie die Beleihung der privatisierten Einrichtungen mit der Durchführung der Aufgabe des Maßregelvollzuges erforderten eine umfassende Novellierung des schleswig-holsteinischen Maßregelvollzugsgesetzes.
Die FDP-Fraktion wird sich keiner sinnvollen Anpassung des Maßregelvollzugsgesetzes verschließen. Dennoch enthält dieser Gesetzentwurf der Landesregierung neben sinnvollen Vorschlägen auch Punkte, die der Nachfrage bedürfen und die sich aus unserer Sicht bisher nicht aus der Begründung des Gesetzentwurfes bereits erklären.
Dabei müssen wir immer im Auge behalten, worum es bei einem solchen Gesetz eigentlich geht. Das Maßregelvollzugsgesetz regelt die Unterbringung von Straftätern in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in einer Erziehungsanstalt und die einstweilige Unterbringung in einer der beiden Institutionen. Voraussetzung für die Unterbringung ist dabei, dass ein Straftäter aufgrund einer geistigen Erkrankung oder aus einem anderen Grund schuldunfähig oder vermindert schuldfähig und somit für die Allgemeinheit gefährlich ist oder dass jemand aufgrund seines Hanges zum Trinken oder zum Drogenkonsum eine Straftat begangen hat und zukünftig die Gefahr erheblicher Straftaten besteht.
Wir reden also in erster Linie über kranke Menschen, die straffällig geworden sind und vor denen die Gesellschaft zunächst geschützt werden muss. Langfristiges Ziel aller Maßnahmen ist die Resozialisierung des Täters und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft.
Der vorgelegte Gesetzentwurf der Sozialministerin legt allerdings einen anderen Schwerpunkt: Nachbesserungen im Gesetz gelten im Wesentlichen der Sicherung und der Kontrolle der Insassen der entsprechenden Vollzugseinrichtungen. So werden die Möglichkeiten zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen im Gesetz ausgeweitet. Dabei können bereits heute zur Sicherung des Vollzuges einer Maßregel Finger- und Handflächenabdrücke abgenommen, Lichtbilder aufgenommen sowie die Feststellung körperlicher Merkmale und Messungen vorgenommen werden. Dies wird nun auch im Hinblick auf eine einstweilige Unterbringung und der Sicherungshaft möglich sein. In der Begründung findet sich aber kein Wort darüber, welche tatsächlichen Erkenntnisse diese Erweiterung der Eingriffsbefugnisse notwendig machen. Hier bleibt die Landesregierung gefragt, eine entsprechende Begründung zu liefern.
Die Möglichkeiten zur Durchsuchung werden erweitert. Bisher war nach dem Maßregelvollzugsgesetz nur die körperliche Durchsuchung von Insassen erlaubt. Nach dem Gesetzentwurf können nun auch die Räumlichkeiten und der persönliche Besitz eines Insassen durch das Personal der Einrichtung durchsucht werden. Dies ist bereits bei einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung möglich - ein weit dehnbarer Begriff.
Darunter ließe sich vieles subsumieren, was letztlich die Gefahr von Willkürhandlungen durch das Personal der Einrichtungen erhöhen kann. Ich könnte weitere Beispiele für die Möglichkeiten von
persönlichen Einschränkungen im Vollzug nennen, die aus unserer Sicht zwar nicht von vornherein unsinnig, aber deren Notwendigkeit dennoch bisher kaum beziehungsweise unzureichend begründet wurde.
Entscheidend wird aber letztlich sein, wie das Gesetz tatsächlich umgesetzt wird. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einige Worte sagen. Der Bericht des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe - kurz: CPT über seinen Besuch vom 20. November bis 2. Dezember 2005 hinterlässt keinen guten Eindruck vom Maßregelvollzug in Schleswig-Holstein.
Das gilt insbesondere für die Einrichtung in Neustadt und auch für die Fachaufsicht des Sozialministeriums. So war eine der Empfehlungen der CPT folgende:
„Dem Personal im Psychiatrischen Zentrum Neustadt ist die eindeutige Botschaft zu vermitteln, dass Gewaltanwendung bei der Beschränkung der Freiheit eines gewalttätigen/ erregten Patienten sich auf das unbedingt erforderliche Maß beschränken sollte und keine Schläge gerechtfertigt sind.“
Auch aus anderen Quellen haben uns immer wieder - auch aktuellere - Beschwerden über den Umgang mit Patienten aus Neustadt erreicht beziehungsweise schneidet Neustadt im Vergleich mit Einrichtungen anderer Bundesländer schlecht ab. Hier ist das Sozialministerium gefragt, darauf hinzuwirken, dass die Mängel auch tatsächlich abgestellt werden. Denn wir haben es auch in diesen Einrichtungen mit Menschen zu tun, die unveräußerliche Rechte haben, die wir schützen müssen.
Dies sollte auch noch einmal ein Ansatzpunkt für die Beratungen zum Maßregelvollzug im Ausschuss sein. Selbst ein gutes Maßregelvollzugsgesetz nützte nichts, wenn es in der Realität keine Beachtung fände.