Um zu erreichen, dass Hilfen und Leistungen im Kontext des Kinderschutzes früh und rechtzeitig erbracht werden, haben sich die an vielen Orten des Landes bestehenden lokalen Netzwerke als besonders hilfreich erwiesen. Die in diesen Netzwerken organisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vieler Organisationen und Einrichtungen gehen gemeinsam von einem ganzheitlichen Ansatz aus und schaffen jeweils vor Ort die geeigneten Strukturen für ihre Zusammenarbeit. Diese Netzwerke funktionieren bisher vorrangig durch informelle Strukturen. Das wollen wir stärken. Ihre Aufgaben werden in § 9 beschrieben. Sie können selbst regeln, bei
Die Auswertung und die Weiterentwicklung von Erfahrungen aus der jeweils praktischen Arbeit werden nicht nur durch die Vernetzung in den lokalen Bündnissen gefördert, sondern auch durch die Tatsache, dass das Land sich zur Förderung von Fortbildungsund Qualifizierungsangeboten zu Themen des Kinderschutzes für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen und der freien Jugendhilfe und ihrer Kooperationspartner verpflichtet. Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang aber auch auf die Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefährdungen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in den Kreisen und in den kreisfreien Städten Kooperationskreise gebildet werden, denen neben den schon zitierten Trägern der öffentlichen Jugendhilfe die Gesundheitsämter sowie Vertreter von Schulen, Polizei und Ordnungsbehörden und von Behörden und Dienststellen der Justiz angehören sollen.
Der Kinderschutzbericht, der in enger Kooperation mit den Kommunen und mit unabhängigen Fachleuten zu erstellen sein wird, soll nicht nur Aussagen zum Stand des Kinderschutzes in Schleswig-Holstein treffen, sondern auch Vorschläge zur Verbesserung und zur Weiterentwicklung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen machen.
Die Diskussionen der letzten Wochen und Monate haben uns die große Bereitschaft vieler Menschen gezeigt, sich für den Kinderschutz zu engagieren. Viele Interessenvertreter haben schon vor der eigentlichen offiziellen Anhörung Stellungnahmen abgegeben, die sich zwar kritisch mit einzelnen Aspekten des Gesetzes auseinandersetzten, seine Notwendigkeit aber eindeutig bejahen. Deshalb gehe ich davon aus, dass auch die weiteren Beratungen und die Anhörung, die wir morgen im Sozialausschuss beschließen werden, weiterhin vom gemeinsamen Interesse aller Beteiligten getragen sein werden, den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein durch ein gutes Gesetz zu sichern und zu verbessern.
Zum Schluss möchte ich noch einmal auf den Leitgedanken verweisen, der uns zu diesem Gesetzgebungsverfahren bewegt hat: Jedes Kind, jeder Jugendliche hat ein Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit, auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf Förderung von Entwicklung und Erziehung. Pflege und Erziehung sind das vorrangige Recht der Eltern. Die staatliche Gemeinschaft muss
sie dabei unterstützen und ihnen die notwendigen Hilfen und Unterstützungsleistungen anbieten. In den Fällen, in denen das Handeln der Eltern selbst eine Gefahr für das Kindeswohl darstellt, ist die staatliche Gemeinschaft allerdings verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen das vorrangige Persönlichkeitsrecht der Kinder und ihr Wohl sicherzustellen.
Ich danke Frau Abgeordneter Siegrid Tenor-Alschausky. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frühe Misshandlungen und Vernachlässigungen von Kindern sind nicht nur auf Einzelfälle beschränkt und sie sind mitnichten eine Privatangelegenheit. Hier schließe ich an das an, was die Kollegin Tenor-Alschausky gesagt hat. Das ist eine Angelegenheit, um die wir uns alle kümmern müssen. Das heißt, der Staat muss sich darum kümmern.
Es stellt sich also die Frage, wie gesundheitliche Störungen, Fehlentwicklungen, aber auch Vernachlässigungen und Misshandlungen von Kindern rechtzeitig erkannt und wenn möglich sogar verhindert werden können. Über einen Weg dahin debattieren wir mittlerweile seit über einem Jahr.
Vor diesem Hintergrund kann ich verstehen, dass die Kollegin Heinold manchmal etwas ungehalten war. Eigentlich hat sie Ihnen einiges erspart. Ich denke da beispielsweise an die Selbstbeschäftigungsgruppe, die eingerichtet wurde. Hier wurde ganz klar die Kooperationsbereitschaft der Oppositionsfraktionen signalisiert. Es wurde mitgearbeitet und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN waren auch bereit, ihren Gesetzentwurf, den sie in das Verfahren eingebracht haben, lediglich als Grundlage anzudienen. Ich finde, das ist nicht selbstverständlich, wenn man einen eigenen Gesetzentwurf einbringt. Von daher will ich hier ungern den Eindruck stehen lassen, die Opposition - gleich, wer sie stellt - sei in dieser Frage nicht kooperationsbereit gewesen. Ich denke, hier waren andere nicht sehr kooperationsbereit.
Liebe Kollegin Heinold, inhaltlich haben wir über Ihren Gesetzentwurf bereits diskutiert. Das grundle
gende Problem bestand darin - das haben Sie auch in einer dieser Gruppen gesagt -, dass Ihr Gesetzentwurf nur eine zusätzliche Untersuchung vorsah. Damit würde nur einmalig ein Schlaglicht auf den Gesundheitszustand des Kindes geworfen. Sie haben selber damals gesagt - ich erinnere mich noch -, notwendig wäre ein durchgängiges Angebot an die Eltern. An diesem wollten wir ja gemeinsam arbeiten.
Die Lösung dieses Problems sollte im Rahmen der interfraktionellen Arbeitsgruppe des Sozialausschusses erfolgen. Ich finde es nach wie vor schade, dass die Arbeit dieser Arbeitsgruppe völlig umsonst war. Ich will es aber dabei bewenden lassen und nach vorn schauen, weil uns ein neuer Gesetzentwurf vorliegt.
Es ist unparlamentarisch, auch wenn Sie das selber infrage stellen. Nein, das fangen wir gar nicht erst an, Herr Matthiessen!
Der Gesetzentwurf von CDU und SPD wurde, wie die Kollegin Tenor-Alschausky ausgeführt hat, in Abstimmung mit dem Sozialministerium vorgelegt. Frau Ausschussvorsitzende, ich denke, das hat eine ganz neue Qualität in der parlamentarischen Arbeit, insbesondere wenn man an die Gewaltenteilung denkt. Ich meine, wir wären als Sozialausschuss selber groß genug gewesen und hätten einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen auf den Weg bringen können.
Der Gesetzentwurf, den sich die Großen Fraktionen zu eigen gemacht haben, muss jetzt auf Praxistauglichkeit abgeklopft werden. Ob er diesen Test in der vorliegenden Form besteht, daran hege ich erhebliche Zweifel.
Grundsätzlich enthält der Entwurf viele lobenswerte Ziele. Die meisten Ziele - Frau Ministerin, das wissen Sie auch - sind bereits gesetzlich in bundesrechtlichen Regelungen wie im SGB VIII niedergelegt und sollen jetzt auf Landesrecht heruntergebrochen werden.
Die jetzige Regelungen geben damit dem Anliegen, Kinder besser zu schützen, zwar nicht unbedingt juristisch eine neue Qualität, aber möglicherweise in der praktischen Zusammenarbeit. Um diese zu ermöglichen, muss aus unserer Sicht in der Praxis noch etwas hinzutreten.
Wenn die Summe kleiner Fehleinschätzungen durch Behörden, Institutionen und Fachleute letztlich zur Katastrophe führen können, dann muss neben dem Aufbrechen der Strukturen durch die notwendige Zusammenarbeit von Jugendhilfe, Gesundheitswesen und anderen Institutionen wie Polizei, Kindergarten und Schule auch inhaltlich etwas passieren.
Denn es geht letztlich darum, Risikogruppen vor Ort zu ermitteln, um ihnen entsprechende Hilfeangebote an die Seite zu stellen. - Kollege Geerdts, an der Stelle haben Sie recht: Das ist überhaupt keine Frage irgendeiner bestimmten Bevölkerungsschicht. - Bisher beruhen solche Diagnosen beispielsweise oft ausschließlich auf dem Gefühl der jeweiligen Mitarbeiter des Jugendamts.
Der vorgelegte Gesetzentwurf schreibt deshalb folgerichtig eine ganze Reihe von Angeboten zur Fortbildung, Qualifizierung und Förderung von Einrichtungen vor.
Lieber Kollege Geerdts, Sie haben an die Kollegen, also auch an die Opposition, appelliert und gesagt, dieser Gesetzentwurf werde Geld kosten. Alle Achtung, damit haben Sie recht. Problematisch ist aber aus meiner Sicht, dass genau dieses inhaltliche Angebot, von dem ich gerade gesprochen habe, in § 16 mit den Worten „nach Maßgabe des Landeshaushalts“ wieder eingeschränkt wird. Insoweit müssen Sie noch ein wenig Überzeugungsarbeit bei Ihren Finanzpolitikern leisten.
- ich weiß gar nicht, was es da zu maulen gibt, Herr Kollege Baasch -, dass durch spezielle Fortbildungen eine verbesserte Zusammenarbeit der Jugend-, Gesundheits- und Behindertenhilfe mit Landesbehörden gefördert werden sollen, wie in § 6 Abs. 2 des Entwurfs vorgesehen.
Seit wann schreiben Sie das denn in jedes Gesetz so explizit wie in dieses Gesetz? Zeigen Sie mir einmal die anderen Gesetze! Tun Sie bitte nicht so! Ganz dumm bin ich auch nicht und für dumm verkaufen lasse ich mich erst recht nicht.
Der Ärztliche Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Ulm, Professor Dr. Jörg Fegert, der das von Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Thüringen geförderte Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“ zur Verbesserung des Kinderschutzes wissenschaftlich begleitet, fordert deshalb die standardisierte Erfassung empirisch belegbarer Risikoindikatoren, um gerade gefährdete Säuglinge und Kleinkinder besser erreichen zu können. Diese müssen nach möglichst einheitlichen Kriterien erfasst werden.
Genau das bedeutet neben der ressortübergreifenden Zusammenarbeit auch eine entsprechende Schulung der Mitarbeiter, die im konkreten Fall Entscheidungen treffen müssen.
Es ist übrigens schön zu sehen, wie man Sie ärgert, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man genau auf die Schwachstellen Ihres Gesetzentwurfs hinweist. Das ist nichts für Modellprojekte, sondern das muss dauerhaft sichergestellt werden.
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus eine möglichst umfassende Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen vor. Die Koordination wird dabei der im Gesetz zur Durchführung von Reihenuntersuchungen verankerten zentralen Stelle, also der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kassen, übertragen. Hier laufen die gesammelten Datensätze aus den Meldebehörden und die Meldungen der untersuchenden Kinderärztinnen und Kinderärzte zusammen.
Gesundheitsämter und Jugendämter werden dann aktiv, wenn ein Datenabgleich ergibt, dass Kinder keinem Arzt vorgestellt wurden. Auch wenn die Abwägung darüber in den Hintergrund treten muss, in welchem Verhältnis der mit den Pflichtuntersuchungen und Meldeverpflichtungen verbundene Aufwand zum Erfolg steht, muss zumindest die kritische Frage gestellt werden, ob sich diese Maßnahme in der Praxis auch wirklich umsetzen lässt. Denn die zentrale Frage, auch bei diesem Gesetz, lautet: Wie viele Wochen werden vergehen, bis ein drei Monate altes Kind unter diesen Umständen zur fälligen Früherkennungsuntersuchung U4 vorgestellt wird? Das heißt: Wie lange dauert der im Gesetz beschriebene Prozess, um ein drei Monate altes
Kind, bei dem wirklich nicht viel Zeit ist, zur U4 vorzustellen, und lässt sich dieser möglicherweise abkürzen?
Wenn statistisch gesehen im ersten Lebensjahr mehr Kinder als in jedem späteren Alter in der Folge von Vernachlässigung und Misshandlung sterben, dann muss genau diese Frage ganz in Ruhe beantwortet werden.
Dies gilt insbesondere dann, wenn es darum geht, alle Eltern in der Entscheidungsfreiheit einzuschränken, um eine kleine Zahl von Kindern vor Erziehungsohnmacht, Gewalt und Verwahrlosung zu schützen. Darüber hinaus besteht für Ärztinnen und Ärzte aus den angrenzenden Bundesländern keine Meldepflicht, wenn sie für Kinder aus Schleswig-Holstein eine Früherkennungsuntersuchung durchführen.