Im Zusammenhang mit Unfällen, lieber Kollege Wadephul, in Atomkraftwerken ist dieser Vergleich mehr als daneben. Schließlich gefährdet ein Pkw nicht das Leben von Millionen von Menschen, sondern das tun Atomkraftwerke.
Die Sozialministerin hat bereits in der letzten Woche im zuständigen Ausschuss einen ersten Bericht über die Vorfälle in Brunsbüttel und Krümmel gegeben. Die Mitteilung, dass das Ministerium im Verlauf der Störfälle nur stichwortartig Informationen vom Betreiber erhalten hat und dass nur gesicherte Informationen nach außen gegeben werden, ist nicht zufriedenstellend und schon ein Grund, den Laden dort dichtzumachen. Wer stichwortartig berichtet, berichtet nicht ausführlich, damit nicht zuverlässig und damit ist ihm eigentlich die Bude dichtzumachen.
Wenn vom Betreiber stichwortartige Informationen über Vorfälle im Reaktorkern an das Ministerium gegeben werden, erwarte ich, dass sich die zuständige Aufsichtsbehörde mit Nachdruck an den Betreiber wendet und Aufklärung verlangt. Ich erwarte, dass sie ihrer Aufsichtspflicht wirklich nachkommt. Hier kann sich die Aufsichtsbehörde nicht hinter dem Betreiber verstecken.
Die dargestellten Fehler und Pannen sowohl beim Betreiber als auch bei der Aufsichtsbehörde machen deutlich, dass hier einiges im Argen liegt und vor allem, dass die Atomenergie nicht so sicher ist, wie es immer wieder dargestellt wird. Wir müssen einfach feststellen, dass wir es mit einer gefährlichen Risikotechnologie zu tun haben, wo Unfälle passieren können, die wir nicht kontrollieren können und die Wahnsinnskonsequenzen für uns nach sich ziehen können. Besonders deutlich wird dies bei den AKW Krümmel und Brunsbüttel. Schrott bleibt Schrott und gehört daher vom Netz genommen. Auch ein anderer Energiekonzern kann einen sicheren Betrieb dort nicht mehr gewährleisten.
Die einzig logische Konsequenz aus den Erfahrungen, die wir gemacht haben, ist, dass beide AKW endgültig dichtgemacht werden müssen. Es ist niemandem mehr zu erklären, warum dies noch nicht geschehen ist. Das Atomgesetz zeigt hierbei nur den Weg, den Betreibern die Lizenz zu entziehen, wenn gegen das Gesetz verstoßen wurde. Auch das vorsichtige Vorgehen der Ministerin macht deutlich, wie schwierig es ist, den Betreibern von Atommeilern beizukommen. Man gewinnt den Eindruck, dass das Gesetz die Betreiber schützt und nicht die Menschen. Dies ist ein Fehler im Atomgesetz. Wenn das Atomgesetz sich nur annähernd am
Mein lieber Kollege Höppner, wenn das Atomgesetz nicht scharf genug ist - liebe Kollegin Ministerin -, dann sagen Sie dies und sorgen Sie dafür auch Sie von der Sozialdemokratie -, dass dies geändert wird, damit man unzuverlässigen Betreibern wirklich das Handwerk legen kann. Wenn das Atomgesetz genügend Handhabe bietet, dann müssen Sie, liebe Frau Ministerin, endlich handeln und die Betriebserlaubnis entziehen. Ich bin davon überzeugt, dass dies geht.
Deshalb mein Fazit zum Schluss: Schlüssel umdrehen und wegschmeißen - und das so schnell wie möglich! Handeln Sie, Frau Ministerin! Machen Sie diesem Atomspuk endlich ein Ende! Die Menschen warten täglich darauf. Sie wollen Sicherheit in diesem Land und nur Sie können für Sicherheit sorgen - aber nur dann, wenn Sie auch handeln, und dazu fordere ich Sie auf.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wer sich mit Atomkraft beschäftigt, wird auf ein Phänomen stoßen - nämlich auf eine Sprache, die entweder nicht oder schwer verständlich ist, eine Sprache, die verbirgt statt klarzustellen. Ich nenne dies „Atomdeutsch“. Da finden sich Wortneuschöpfungen und Nebelworte, die die Konzerne bei Spezialagenturen einkaufen. „Entsorgungspark“ steht für Atommüllendlager, „Abbau von Überdimensionierung“ heißt: Die Halterung ist kaputt, hält an dieser Stelle gerade noch, Reparatur wäre schön, aber auch teuer - bleibt aus. Aus der Solllage in der Betonwand verschoben heißt: Hier handelt es sich um einen herausgerissenen Dübel.
Das ist die Sprache der Atomindustrie. Diese Sprache macht sich die Ministerin zu eigen. Sie redet von Auffälligkeiten, wo es sich um Ausfälle, Fehler und Störfälle handelt. Durch eine Schnellabschaltung - ein enormer Stress für ein Großkraftwerk - haben sich in Biblis A in Hessen die Befesti
gungselemente aus ihrer Solllage in der Betonwand verschoben. Diesen Vorgang lassen Sie durch Ihren Sprecher wie folgt - erst einmal pauschal - beschreiben: Es sei doch alles gut gegangen.
Herr Ritzek von der CDU warf mir Panikmache vor. Dabei habe ich nichts verkündet, was über die bekannte Sachlage hinausging.
Das Ministerium weiter: Im Übrigen ließe sich das vergleichen mit einer Vollbremsung beim Auto. Dabei könne schon einmal eine Radkappe abfallen. - Sie machen sich gemein mit den Public-RelationsAbteilungen der Betreiber von Atomkraftwerken. Was für ein Klima muss bei Ihnen in der Hausspitze geherrscht haben, dass sich der Sprecher zu dieser Wortwahl veranlasst sah, Frau Ministerin?
Er war vermutlich sehr stolz auf seine Wortschöpfung. Die Radkappe war ein Absinken des Wasserstandes im Reaktordruckbehälter um die Hälfte. Dieser Wasserstand beugt einer Überhitzung der Brennelemente vor, damit die Steuerstäbe fahrbar bleiben und eine Kernschmelze verhindert wird. Wie kommt es, dass sich das Ministerium, das für die Sicherheit von Millionen Verantwortung trägt, ohne Not einer Sprache der Verharmlosung bedient, meine Damen und Herren?
Auch wenn Medienarbeit wichtig ist - nicht die mediale Aufarbeitung erwarten wir. Wir erwarten Fakten, Auflagen, Anweisungen, Befristungen. Warum gab es nur einen Mitarbeiter mit einer Atemschutzmaske in der Leitwarte, warum nicht mehr? Warum waren überhaupt 25 anwesend? Warum wurde gegen das Betriebshandbuch verstoßen? Herr Hentschel hat einen Fragenkatalog vorgelegt, dessen Beantwortung wir hier erwartet hätten. Diese Fragen kann die Ministerin innerhalb sehr kurzer Zeit einer Klärung zuführen.
Meine Damen und Herren, in den Medien sagen Sie: Ich habe enormen Druck auf Vattenfall gemacht. - Wenn es nicht nur Aktivitäten in den Medien waren, was haben Sie sonst noch getan, Frau Ministerin?
Wir wollen hier und heute wissen, was Sie getan haben. Haben Sie Auflagen gemacht? Haben Sie Fristen gesetzt? Haben Sie Verfügungen herausgegeben?
Für einen weiteren Wortbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Oppositionsführer, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme ausdrücklich allen Rednern zu, die hier gesagt haben: Atomenergie ist als Energieform nur nutzbar, wenn das Höchstmaß an Sicherheit und Kontrolle gewährleistet wird. - Ich bitte trotzdem darum, dass man jetzt nicht den nicht vorhandenen GAU dadurch ersetzt, dass man einen Kommunikations-Gau zum Gegenstand der Debatte macht und das eine durch das andere zu ersetzen versucht. Ein Kommunikations-Gau ist geschehen, aber dankenswerterweise ist der Kernenergie-Gau ausgeblieben. Das, was nicht ausgeblieben ist, ist ein GAU der Kontrolle. Dass mich das besorgt macht, ja uns alle besorgt machen muss, ist eigentlich in den besten Händen; denn in die haben wir die Kontrolle gelegt. Können wir uns auf die Menschen, von denen wir erwarten, dass sie ihre Aufgabe erfüllen, verlassen?
Da kann ich nur sagen: Das können wir nicht. Wir sind von den Kontrolleuren verlassen worden, die die Aufgabe haben, solche Pannen im Zweifel zu verhindern oder sie, wenn sie denn stattgefunden haben, schnellstmöglich aufzuklären und mit ihren Erkenntnissen dafür Sorge zu tragen, dass andere
Frau Ministerin, ich frage Sie jetzt: Wenn Ihr Ministerium am Freitag nach Ihrer Auffassung kryptische Stichworte erhält, welcher Ihrer Mitarbeiter ist wann vor Ort gewesen, um diese kryptischen Informationen besser aufzuklären? Wer war es?
Nach dem, was ich gelesen habe, stelle ich mir vor, bei der Vogelgrippe würde in gleicher Weise gehandelt werden. Dann würden wir sagen, wir warten einmal darauf, dass uns irgendwelche Betreiber von Großviehanlagen, also von Hühnerfarmen, darüber unterrichten, wann welche Hühner gestorben sind. Die Leute fahren hin, gucken sich das dort an, fahren vor Ort, reden mit den Betroffenen und warten nicht darauf, dass etwas geschieht. Wenn wir genauso handeln würden, wie Sie in anderen Bereichen - mein Gott, unsere Bevölkerung müsste sich wirklich Sorgen darüber machen, was die Staatsorgane denn so leisten!
Ich sage das deshalb in besonderer Weise, weil zwischen Ihnen, Ihrem Haus, und dem Umweltministerium Niedersachsens eine erhebliche Kontroverse ausgebrochen ist, der wir nachgehen werden.
- Nicht „hoffentlich“. Ich habe mich darüber informiert, Frau Ministerin. Ich glaube, Sie werden Ihr Lächeln verlieren. Ihr Staatssekretär, der bei einem so wichtigen Thema die ganze Zeit nur lächelt, wird sein Lächeln auch verlieren.
Herr Staatssekretär, mir ist aufgefallen - der EMail-Verkehr zwischen Ihrem Haus und dem Niedersächsischen Umweltministerium kann ja vorgelegt werden; das werden wir im Ausschuss auch verlangen -, dass möglicherweise Ihre Mitarbeiter einige Ihrer Anweisungen falsch verstanden haben, sich aber jedenfalls einen ganzen Tag lang nicht in der Lage sahen, ihre niedersächsischen Kollegen auf Fachebene zu unterrichten, weil sie sich an eine Weisung von Ihnen gebunden fühlten, dass Informationen an Externe nur mit Ihrer Zustimmung herausgegeben werden können. Allein solche möglichen Missverständnisse müssen einem zu denken geben.
Gestern haben Sie noch einen draufgelegt. Sie haben gestern Abend erklärt, Sie hätten auf ein Schreiben Ihrerseits vom Niedersächsischen Umweltministerium keine Antwort erhalten. Und gestern Morgen ist um 8:28 Uhr ein entsprechendes Fax in Ihrem Haus eingegangen. Das hat Sie mögli
cherweise nicht erreicht, weil Ihre Postlaufzeiten vielleicht lange dauern. Aber die Tatsache, dass man einen halben Tag braucht, um Informationen auf diese Art und Weise zu Ihnen zu bringen, stimmt mich in dieser Frage doch sehr nachdenklich.
Frau Präsidentin, mein letzter Satz. - Weil ich mich jetzt entschieden habe, dass wir dieser Frage sehr intensiv nachgehen, will ich nur Folgendes sagen: Durch Besinnungserklärungen, die Sie abgeben, und Besinnungsaufsätze dieser Art werden Sie den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung nicht in ausreichendem Maße gerecht.