Protokoll der Sitzung vom 12.09.2007

(Beifall bei SPD und SSW)

In zahlreichen Branchen werden bereits Stundenlöhne von 5 € brutto und weniger gezahlt. Immer mehr Menschen können davon nicht leben. Das Arbeitslosengeld II - wir haben darüber bereits ge

(Lars Harms)

sprochen - entwickelt sich zu einem staatlich nicht gewollten Kombilohn. Es ist für den Arbeitgeber ein Vorteil, wenn er 3 € pro Stunde zahlt und sich der Arbeitnehmer den Rest vom Jobcenter holt. Insofern werden Lohnkosten auf den Staat umgewälzt. Derjenige, der den vollen Tarif zahlt, ist der Dumme. So stelle ich mir Wettbewerb nicht vor.

(Beifall)

Ich betone allerdings - das habe ich schon mehrfach gesagt -, dass der Staat mit der Festlegung von Mindestlöhnen überfordert ist. Die Lohnfindung muss deshalb auch zukünftig grundsätzlich in den Händen der Tarifpartner bleiben. Vorrang haben für mich immer tariflich vereinbarte Mindestlöhne. Zusätzlich muss in bestimmten Bereichen ein tariflich festgelegter Mindestlohn als allgemein verbindlich festgelegt werden. Ich hoffe, dass wir bei Post und Zeitarbeit - da gibt es eine Vereinbarung der Großen Koalition - bald zu einem Ergebnis kommen. Das möchte ich hier deutlich sagen.

Ich habe vorhin mit den Leuten von ver.di gesprochen. Im Moment haben wir dort einen tariflich vereinbarten Mindestlohn von 9 €, bei einigen von 9,80 €. Der liegt um 20 % unterhalb des Haustarifs der Deutschen Post. Es geht also um 20 % im Lohnkostenbereich, der wettbewerbsfähig ist. Ich habe allerdings private Zustellerdienste in Schleswig-Holstein, die durchschnittlich 4 € pro Stunde zahlen. Es gibt auch welche, die 3,20 € zahlen. Ich halte das für sittenwidrig.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich bin demnächst in einer besonderen Situation. Das Justizministerium arbeitete zunächst mit der Firma Jurex zusammen, weil sie der günstigste Anbieter war. Die Firma ist aber in Konkurs gegangen. Sie ist inzwischen von einem anderen Unternehmen aufgenommen worden. Die Dienstleistung für die Justiz muss ich demnächst neu ausschreiben. Da wir diesen Bereich im Tariftreuegesetz nicht haben, darf ich in die Ausschreibung gar nicht hineinschreiben, dass ein Tariflohn gezahlt werden soll. Das heißt, ich komme möglicherweise in die Situation, den günstigsten Anbieter zu nehmen. Ich habe einen Anbieter, von dem ich aber meine, dass er sittenwidrige Löhne zahlt. Und dieser Situation stehe ich gleichzeitig als Arbeitsminister gegenüber. Mit dieser Situation komme ich politisch nicht klar. Deswegen möchte ich, dass wir dafür eine klare Regelung bekommen.

(Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich sage auch - da mögen wir uns wieder unterscheiden -: Ich halte gesetzliche Mindestlöhne in Form eines Auffangmindestlohns als letzte Verteidigungslinie für erforderlich. Sonst gehen wir in der Lohnkostenspirale nach unten.

Allerdings gilt es, herauszufinden, welches die akzeptable Einkommensuntergrenze ist. Darüber ist politisch zu diskutieren. Darüber gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Aber über das Prinzip sollten wir uns einig sein.

In Großbritannien gibt es ja eine Kommission. Die dort zu beobachtende Entwicklung ist durchaus gelungen. Dort gibt es nur 2 % der Beschäftigten, die Mindestlohn beziehen. Damit hat man die richtige Höhe offensichtlich gefunden. Man hat die Grenze aber so gezogen, bei der Menschen nicht in die Situation kommen, in die sie bei uns im Moment kommen können. Das ist nicht erträglich.

Ich habe sehr viel Sympathie für das Modell der Low-Pay-Commission. Darin werden auch wieder die Tarifpartner beteiligt sein. Aber ich habe großes Misstrauen dagegen, dass die Politik meint, bessere Erkenntnisse zu haben als die Tarifpartner. Wenn ich eine Kommission finde, in der Tarifpartner und auch andere Beteiligte sitzen, die den entsprechenden Sachverstand haben, und dort etwas erarbeiten, was vom Parlament übernommen werden kann, dann kann das der richtige Weg sein.

Zusammenfassend sage ich: Tariflich vereinbarte Mindestlöhne, die Ausweitung des Entsendegesetzes und ein gesetzlicher Auffangmindestlohn wären ein wirksamer Schutz vor Dumpinglöhnen.

Lassen Sie mich schließen und in Richtung aller Fraktionen sagen - da wird das ja ganz breit diskutiert -: Bekanntlich ist nichts mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Die Zeit für diese Mindestlöhne ist gekommen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/1565 als zeitlich ersten Überweisungsantrag zur Federführung an den Wirtschaftsausschuss und zur Mitberatung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Einstimmig so beschlossen!

(Minister Uwe Döring)

Ich wünsche allen einen schönen Abend. Wir sehen uns morgen früh um 10 Uhr wieder.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 18:24 Uhr

(Präsident Martin Kayenburg)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst