Wir setzen uns für ein bundeseinheitliches Gesetz ein, das alle Bereiche der öffentlichen Auftragsvergabe umfasst. In Schleswig-Holstein haben wir die Tariftreue ausgeweitet und den ÖPNV mit aufgenommen sowie die Geltungsdauer des Tariftreuegesetzes bis 2010 verlängert.
Drittens: Mindestlohn. Die Tarifparteien vereinbaren Mindeststandards, die für alle in Deutschland arbeitenden in- und ausländischen Firmen gelten und als allgemein verbindlich für die jeweilige Branche festgeschrieben werden. In Bereichen, in denen es keine Tarifstrukturen gibt, ist ein Mindestlohn einzuführen.
Die Diskussion um einen allgemein verbindlichen Mindestlohn steht auch auf Bundesebene auf der Tagesordnung. Ein Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz ist eingebracht. Darin wird eine Kommission zur Festlegung des Mindestlohns gefordert. Wir wollen den Gesetzentwurf ergänzen und fordern einen Betrag von derzeit mindestens 7,50 € - so wie ihn auch die Gewerkschaften fordern - als Grundlage in dem Mindestlohngesetz.
Mit dem Ziel, durch einen Mindestlohn die private Nachfrage zu stärken, damit das Wirtschaftswachstum zu befördern und die Armutsentwicklung in unserer Gesellschaft zu bekämpfen, wird deutlich: Der gesetzliche Mindestlohn ist als ein politischer Lohn anzusehen und auch so zu regulieren. Ein Mindestlohn ist aktive Armutsbekämpfung.
Kollege Hentschel, wir helfen gern: Wir möchten diesen Themenkomplex an den Sozial- und in den Wirtschaftsausschuss überweisen. Das wäre dann die hilfsweise Abstimmung.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir helfen auch gern: Wenn sich der Kollege Hentschel immer auf große Wirtschaftswissenschaftler beruft, sollte er sich einfach einmal mit einer wirtschaftswissenschaftlichen Analyse der Wirkungsweise ideologiefrei auseinandersetzen.
Kollege Hentschel, je älter ich werde, desto vorsichtiger werde ich, wenn ich Formulierungen höre wie: In 13 von 25 Ländern der EU haben wir einen Mindestlohn und das funktioniert ganz prima. Das ist richtig.
Ich habe mir diese Studie, auf die Sie sich unter anderem berufen haben, angeguckt. Ich habe mir auch die Höhe der Mindestlöhne angeschaut, die eine sehr breite Spreizung haben. An Ihrer Stelle würde ich mir dazu einmal anschauen, welche Arbeitsmarktregelungen, welche Arbeitsplatzschutzregelungen genau diese Länder haben und ob nicht möglicherweise in diesen Ländern ein Mindestlohn das ersetzt, was wir hier an anderer Stelle haben. So ganz einfach abstrakt, aufgrund der Arbeitsmarktregelungen, die andere Länder haben, das eins zu eins übertragen zu wollen, funktioniert nicht.
Ein Zweites, was hoch interessant ist: Sie sprechen die Kaufkrafttheorie an, also ein gesetzlicher Mindestlohn erhöht das Einkommen und führt somit automatisch zu mehr Konsumausgaben, weil wir eine höhere Konsumquote haben, die Bezieher von niedrigen Einkommen. Wegen der Erhöhung der Quote, die dann mindestens 4 Milliarden € ausmacht, kommen ungefähr 3,95 Milliarden € an, weil die Sparquote gegen null tendiert. - Lieber Kollege Hentschel, das setzt voraus - und genau an der Stelle fängt dann die Analyse an -, dass Sie mit staatlich festgelegten Mindestlöhnen nicht einen einzigen Arbeitsplatz verlieren. Genau das bezweifeln wir.
Die Befürworter von Mindestlöhnen teilen sich in zwei Gruppen. Die einen wollen ihren Marktanteil vor preiswerter Konkurrenz schützen. Die anderen wollen Menschen helfen, die mit ihrer Erwerbsarbeit nur sehr niedrige Einkommen erzielen. Ich glaube, Herr Hentschel, Sie zählen zur zweiten Gruppe - gar keine Frage. Wenn aber der Staat Mindestlöhne festsetzt, können beide Gruppen ihre Ziele nur zum Teil erreichen. Aus unserer Sicht ist oder kann aber für unsere Gesellschaft in beiden Fällen der Preis sehr hoch sein. Bei der Wettbewerbsbeschränkung wird die Versorgung der Menschen mit Waren und Dienstleistungen der betroffenen Branchen eingeschränkt. Die Gesellschaft muss
für weniger mehr zahlen. Besonders betroffen davon sind dann selbstverständlich die Menschen mit niedrigerem Einkommen. Das zeigt schon, warum Mindestlöhne zumindest ein zweifelhaftes Mittel sind, um Menschen mit niedrigeren Einkommen tatsächlich zu helfen.
Je mehr Branchen Mindestlöhnen unterworfen werden, desto stärker steigen natürlich auch die Lebenshaltungskosten, weil die Unternehmen selbstverständlich versuchen werden, die höheren Arbeitskosten zu überwälzen - zu überwälzen heißt, mit höheren Preisen durchzusetzen. Höhere Preise aber - das haben wir gerade beim vorangegangenen Tagesordnungspunkt debattiert - treffen vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen.
Ich halte Mindestlöhne für ungeeignet, um Menschen mit niedrigen Einkommen treffsicher zu helfen, weil Löhne eben nicht nur Einkommen sind, sondern gleichzeitig auch Kosten bedeuten. Mindestlöhne erhöhen die Arbeitskosten und deshalb werden möglicherweise weniger mindestlohnpflichtige Arbeitsplätze angeboten. Genau dann funktioniert die zweite kaldorianische Verteilungsgleichung, auf die Sie sich implizit berufen, nicht mehr.
Mindestlöhne helfen nur denen, die einen mindestlohnpflichtigen Arbeitsplatz bekommen oder einen solchen behalten können. Alle diejenigen, die wegen des Mindestlohns ihren Arbeitsplatz verlieren oder erst gar keinen bekommen, werden durch den Mindestlohn geschädigt. Sie haben die Entwicklung der Arbeitsmarkreform angesprochen. Norbert Blüm würde Ihnen widersprechen. Denn er findet nach wie vor, dass die Einführung der Pflegeversicherung die größte soziale Wohltat im letzten Jahrhundert war.
Zum ersten Mal seit fast 40 Jahren sinkt in Deutschland die Sockelarbeitslosigkeit. Und nun gebe ich Ihnen recht, Herr Hentschel: Vieles ist auf die Reformen der Agenda 2010 und hauptsächlich auf das Arbeitslosengeld II zurückzuführen. Denn in weiten Teilen - und das ist das Spannende daran - wirkt diese Reform wie ein sinnvoller Kombilohn oder ein Bürgergeld: Viele Menschen finden wieder Arbeit, aber weil ihr Einkommen nicht auskömmlich ist, ergänzt der Staat diese Einkommen um das Arbeitslosengeld II. Und genau dies halte ich für den richtigen Weg: Ich halte nicht den Mindestlohn für den richtigen Weg, sondern vielmehr die Sicherung eines Mindesteinkommens, Menschen mit niedrigen Einkommen zu helfen.
Aus unserer Sicht gibt es viele Probleme; Sie haben sie angesprochen. Mindestlöhne würden diese allerdings kaum lösen.
Ich komme nun zu der von Ihnen geforderten Ausweitung des Entsendegesetzes. Hierzu sage ich Ihnen: Jede Aufnahme einer Branche in das Entsendegesetz muss einzeln geprüft werden. - Ich freue mich auf die Auseinandersetzung insbesondere mit Ihnen, Herr Hentschel, in den Ausschussberatungen und wir werden der Ausschussüberweisung zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nun schon fast eineinhalb Jahre her, dass sich der Deutsche Gewerkschaftsbund auf seinem Bundeskongress für einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen hat. Die Diskussion ist jetzt endlich auch bei uns angekommen. Auch bei uns kann man nämlich nicht mehr länger die Augen verschließen: Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung arbeitet inzwischen jeder dritte Vollzeitbeschäftigte im Niedriglohnbereich. Das heißt, die entsprechenden Löhne liegen 75 % unter dem durchschnittlichen Bruttolohn. Damit kann keine Familie ernährt, keine Sicherheit aufgebaut und auch kein Leben in Würde gestaltet werden.
Die Angst vor Arbeitslosigkeit, vor sozialer Deklassierung und Ausgrenzung ist auch in SchleswigHolstein inzwischen so stark, dass immer mehr Männer und Frauen lieber zu Hungerlöhnen arbeiten als gar nicht. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung belegt in seiner aktuellen Studie, dass die Lohnkosten pro Stunde in der deutschen Dienstleistungsbranche bei nur 24,47 € liegen. Damit rangiert Deutschland auf Platz 10 im EU-Vergleich. Selbst Großbritannien ist vorbeigezogen.
Zudem ist die Spreizung ungewöhnlich hoch. In keinem anderen europäischen Land klafft die Schere bei den Verdiensten zwischen den Branchen so weit auf wie in Deutschland. Die Differenz bei den Lohnkosten zwischen dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungsbereich liegt bei 20 %. Wir sind mitten auf dem Weg zu einer Zweiteilung der Beschäftigten: die Gutverdiener in den wachsenden
Wer sich für den vermeintlich falschen Beruf entschieden hat - womöglich noch in einem sogenannten Frauenberuf -, kann sich noch so anstrengen, aber es reicht nicht für ein auskömmliches Leben. Das ist ein schlimmer Zustand, der deutsche Arbeitnehmer übrigens genauso betrifft wie die oft zitierten osteuropäischen Arbeitsmigranten.
Der SSW hat sich immer für starke Tarife eingesetzt. Das wird allenthalben anerkannt. Es ist kein Zufall, dass bei uns im Büro zurzeit die Telefone heißlaufen: Gewerkschaften und Parteien aus dem ganzen Bundesgebiet wollen wissen, wie Schleswig-Holstein das Tariftreuegesetz hinbekommen hat. In Hessen wird man in Kürze ein ähnliches Gesetz verabschieden. Das zeigt den Weg auf: Tariftreue der öffentlichen Hand unterstützt die Arbeit der Tarifparteien. Letztlich haben die Tarifparteien das Wort. Und es ist auch gut so, wenn wir die Tarifautonomie hoch halten.
Die Festlegung der untersten Entgelte durch Tarifverträge muss an erster Stelle stehen, um Beschäftigte vor Lohndumping zu schützen. Die Ausweitung des Arbeitnehmerentsendegesetzes ermöglicht es, für alle in Deutschland arbeitenden in- und ausländischen Beschäftigten Mindeststandards zu vereinbaren. Per Allgemeinverbindlichkeitserklärung werden die Mindeststandards für die ganze Branche festgeschrieben. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben Mindestlöhne vereinbart, die sich in der betrieblichen Wirklichkeit bewähren. Allerdings war das Arbeitnehmerentsendegesetz immer nur eine Hilfskrücke. Was wir brauchen, ist eine Regelung, die alle Branchen umfasst und die sich am Bedarf aller Beschäftigten orientiert. Deshalb ist das Arbeitnehmerentsendegesetz nur eine Notlösung, aber keine dauerhafte Lösung des Problems.
Das, was in der Baubranche gilt, sollte auch für andere Branchen vor allem im Dienstleistungsbereich endlich greifen. Ich denke, ich muss hier niemanden daran erinnern, was niedrige Löhne im Alter anrichten, nämlich sehr geringe Alterseinkommen. Nach der Ausbeutung als unterbezahlter Vollzeitmalocher folgt die Altersarmut. Es muss schleunigst ein Mindestlohn her, der in einer Kommission festgelegt wird. Diese Kommission muss mit Kompetenzen ausgestattet werden, damit der Mindestlohn kein Papiertiger wird.
Bis dahin sollten wir genau überlegen, wie die Entscheidungen von Parlament und Landesregierung Auswirkungen auf den Lohnsektor haben. Die öffentliche Hand ist in der Verantwortung. Wir müs
sen uns bei jeder Privatisierung wieder neu fragen, ob wir nicht die Mindeststandards in den betroffenen Bereichen hinterrücks kaputt machen.
Die Post macht es derzeit vor. Es liegt auf der Hand, dass beim Fall des Briefmonopols Tausende von Beschäftigten von der Post rausgeschmissen werden, um kurz darauf zu einem Bruchteil ihres Lohnes von privaten Firmen wieder eingestellt zu werden. Wir dürfen nicht länger so tun, als ob die Marktwirtschaft das schon regeln würde. Wir brauchen Mindeststandards, auf die sich die Beschäftigten verlassen können. Wir brauchen einen Mindestlohn und wir brauchen vor allen Dingen auch eine Regierung und politische Parteien, die den Mut haben, der Privatisierungsorgie zu widerstehen.
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Justiz, Arbeit und Europa, Herrn Uwe Döring, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Mindestlohn bewegt alle. Wir haben es heute auch hier gesehen. Die aktuelle Diskussion ist, wie sie ist. Wir haben gesehen, dass es auch zwischen den regierungstragenden Fraktionen, also zwischen SPD und CDU, Unterschiede gibt. Die Frage wird allerdings in Berlin und nicht in Kiel entschieden. Insofern möchte ich Ihnen sagen, dass es keine Beschlusslage seitens der Landesregierung gibt, sodass ich hier nicht für die Landesregierung, sondern als Arbeitsminister spreche.
Folgende Grundsätze waren und sind mir wichtig: Wir haben bereits Mindestlöhne und wir werden auch in Zukunft ohne Mindestlöhne nicht auskommen. Wir haben festzustellen, dass die Beschäftigung im Niedriglohnbereich stark zugenommen hat. Es wurden nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, Herr Garg, sondern man hat auch versucht, Marktanteile hinzuzugewinnen, indem man die Löhne gedrückt hat, um im Wettbewerb niedrigere Preise zu erzielen. Das ist im Prinzip im Wettbewerb in Ordnung, aber es gibt irgendwo eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf.