Erstens möchte ich auf die Förderpolitik des Landes eingehen. Es sind immerhin 26 Millionen € geflossen. Meine Überzeugung ist und war auch immer, dass wir bei der Vergabe von Fördermitteln darauf
achten sollten, dass wir uns in einem Hochpreisstandort, wie Deutschland einer ist, darauf konzentrieren, Fördermittel dann zu leisten, wenn es sich um Standorte, um Unternehmen handelt, die an dem Standort auch Forschung und Entwicklung betreiben.
Forschungs- und Entwicklungsstandorte hängen am Know-how der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und können nicht einfach verlagert werden. Standorte, die allein auf Produktion und Logistik beschränkt sind, können dagegen in einer globalen Wirtschaft leicht nach China oder nach Aachen verlagert werden. Bekannt ist, dass die meisten neuen Arbeitsplätze - man sagt, über 80 % - nicht in den großen Betrieben entstehen, sondern in vielen kleinen Unternehmen.
Von daher ist aus meiner Sicht nicht die Frage: „Klein oder groß?“ zu stellen, sondern wir müssen sehr genau gucken, ob wir dort, wo wir etwas fördern, neue Entwicklungen fördern, oder ob wir nur versuchen, einen Standort nach Schleswig-Holstein zu ziehen. Wenn wir einen Standort nach Schleswig-Holstein ziehen, wird er immer labil sein. Diese Überlegungen sind sehr wichtig. Zurzeit sind wir nämlich dabei, in der Förderpolitik des Landes neue Weichen zu stellen. Dieser Punkt ist entscheidend. Subventionen an die private Wirtschaft dürfen nicht flächenmäßig verteilt werden. Subventionen sind auch nicht besser, wenn sie an große Unternehmen statt an viele kleine Unternehmen gehen. Subventionen müssen berechtigt sein. Sie können aus meiner Sicht nur dann berechtigt sein, wenn sie in die Richtung gehen, in der es sich um neue Technologien, um neue Entwicklungen geht. Dort werden die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen. Auch dort gehen Betriebe pleite. Aber wir haben die große Chance, dass aus fünf, zehn, 20 Arbeitsplätzen hinterher 100, 200 und 300 Arbeitsplätze entstehen. Diese Chance müssen wir nutzen. Dies müssen wir fördern.
Es gibt eine zweite Konsequenz, auf die ich eingehen will. Die Logistik von Motorola geht nicht nach China. Die Logistik von Motorola, der Konzern Cinram, liegt in Alsdorf bei Aachen. Es handelt sich um alles andere als ein soziales Musterunternehmen. Cinram hat eine Belegschaft von 1.400 Arbeitnehmern, davon 700 Leiharbeitnehmer. Im Internet sind auf einem Diskussionsforum zu Cinram Beiträge von Arbeitnehmern gesammelt, die über schlechte Arbeitsbedingungen und Stunden
löhne von 5 € pro Stunde berichten. Bei den Festangestellten gelten die neuen IG BCE-Tarifverträge und ein Haustarifvertrag. Mitarbeiter bekommen danach 1.325 € brutto bei einer 40-Stundenwoche, das heißt einen Stundenlohn von 7,88 €, und das mitten im industriellen Kernland Nordrhein-Westfalen. Das ist im industriellen Bereich ein Dumping-Lohn.
In der jüngsten Vergangenheit gab es mehrere Entlassungswellen, häufig wurden die entlassenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über Leiharbeitsfirmen auf ihren alten Arbeitsplätzen wieder eingestellt. Teilweise müssen die Mitarbeiter über eine Rufbereitschaft verfügbar sein. Diese Arbeitsplätze sind Logistikarbeitsplätze. Sie sind nicht nach China verlagerbar, weil sie die Logistik hier in Europa organisieren, und weil sie standortbezogen sind.
Wenn also in Flensburg qualifizierte und tariflich bezahlte Arbeitsplätze an einen Betrieb wie Cinram verloren gehen, der billiger ist, weil er schlechtere Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne bietet, dann sind auch der Standort und die Qualität der Rahmenbedingungen am Standort Deutschland infrage zu stellen. Ich glaube, dass wir damit auf die Debatte zurückkommen können, die wir geführt haben. Wir brauchen verbindliche branchenbezogene Mindestlohnregelungen, wir brauchen Flächentarifverträge, die für allgemeingültig erklärt werden und die in Aachen wie in Flensburg gelten. Und das geht auch in die Richtung der großen Fraktion im Haus, die sich dem häufig verweigert. Wir müssen gerade in diesen Bereichen Konsequenzen ziehen. Wenn die Gewerkschaften es nicht schaffen, diese Dinge durchzusetzen, können wir uns nicht darüber freuen, sondern wir müssen sagen, dass die Gewerkschaften eine wichtige Aufgabe haben. Ich glaube, dass einige in diesem Raum bei diesen Punkten vielleicht umdenken müssen.
Meine Damen und Herren, wir können nur hoffen, dass die konjunkturelle Entwicklung dazu beiträgt, dass die Beschäftigten von Motorola neue Arbeit in der Flensburger Region finden. Es ist wichtig, dass der Interessensausgleich beziehungsweise der Sozialplan so verhandelt wird, dass Übergänge in neue Beschäftigungen und Qualifizierung unterstützt werden. Ich bin sicher, dass der Betriebsrat, die Gewerkschaft und auch das Arbeitsministerium ihr Möglichstes dazu tun werden, dass das erreicht wird. Ich begrüße, dass die Landesregierung sich jetzt engagiert einmischt und das an Unterstützung leistet, was sie kann. Ich halte das auch für selbstverständlich.
Ich erwarte auch, dass die Landesregierung schlüssige Konzepte für den Norden Schleswig-Holsteins vorlegt, die den Norden und die Region Flensburg in dieser Situation wirksam unterstützen können. Ich wünsche zum Schluss in dieser Situation den Betroffenen, den Menschen, die dort arbeiten, alles Gute für die Zukunft.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Region um Flensburg hat in den letzten Jahren in Sachen Motorola schon mehrfach schwarze Tage erlebt. Was wir in den letzten Wochen und Monatenerlebt haben, ist aber leider etwas ganz anderes: Das ist eine Katastrophe. Denn nach der Schließung der Produktion verlegt Motorola nun auch seine Logistikabteilung mit fast 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Aachen. Dabei ist es ein Hohn zu sagen, dass die betroffenen Motorola-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter nach Aachen mitgehen könnten, denn es ist bekannt geworden, dass sie dort auch nur für einen sehr begrenzten Zeitraum Arbeit hätten finden können. Zudem scheint es eine Frage der Zeit zu sein, bis auch die letzten 200 Arbeitsplätze in Flensburg wegfallen werden. Auch 300 Arbeitsplätze bei den Zulieferbetrieben sind in großer Gefahr. So also sieht das traurige Ende eines Jobmärchens aus, das einmal mit der Aussicht auf fast 3.000 neue, moderne - allerdings stark subventionierte - Arbeitsplätze begann.
Um das aber noch einmal deutlich zu machen: Auch der SSW steht dazu, dass die Entscheidung Anfang der 90er-Jahre Motorola in Flensburg aufzubauen, eine richtige Entscheidung war.
Wir alle wissen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Motorola über die Jahre alles gegeben haben, um ihre Arbeitsplätze in Flensburg zu erhalten. Zurück bleibt viel Bitterkeit und eine große Wut den Entscheidungen einer unsichtbaren Konzernzentrale in den USA gegenüber, die sich nicht einmal von einem Besuch des Ministerpräsidenten
und des Wirtschaftsministers von ihrer Entscheidung hat abbringen lassen. Wenn sogar ein so nüchterner und sachlicher Mensch wie der Flensburger Oberbürgermeister Tscheuschner sich von der Konzernleitung verkauft und verraten fühlt, dann sagt das viel über das Geschäftsgebaren des MotorolaKonzerns aus.
Zusagen, die noch im Frühjahr gegeben wurden, sind im Spätsommer schon nichts mehr wert. Ganz aktuell beschwert sich der Betriebsrat darüber, dass die Unternehmensleitung bis zur endgültigen Stilllegung versucht, die Löhne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den Wegfall verschiedener Schichten nach unten zu drücken. So kann man mit Menschen wirklich nicht umgehen!
Wir können daher nur an die Konzernleitung in Deutschland appellieren, zur Vernunft zu kommen und die Abwicklung des Standortes Flensburg anständig und auch im Sinne der Motorola-Beschäftigten durchzuführen. Ich denke, das ist das Mindeste, was sie tun kann.
Es ist schon viel darüber gesprochen worden, welche negativen Folgen dieser Abbau von Arbeitsplätzen für den nördlichen Landesteil haben wird. Aus Sicht des SSW ist dies aber nicht nur ein Problem des Nordens. Der Fall Motorola hat vielmehr für ganz Schleswig-Holstein eine Signalwirkung. Denn ein besseres Beispiel als Motorola für die Schattenseiten der Globalisierung lässt sich zurzeit leider kaum finden.
Keine Region Schleswig-Holsteins kann ihre wirtschaftliche und soziale Zukunft auf jene internationalen Konzerne bauen, die allein den Vorgaben der internationalen Finanzinvestoren folgen. In diesem Wanderzirkus der Globalisierung, bei dem Produktionsstätten fortwährend an kostengünstigere Standorte verlagert werden, kann Schleswig-Holstein niemals mithalten.
Es ist müßig, heute darüber zu urteilen, ob die Landesregierung schneller und besser hätte handeln müssen, um die Schließung von Motorola zu verhindern. Wir glauben ihr sogar, wenn sie sagt, dass sie ihr Bestes getan hat. Am Ende hätten wahrscheinlich weder Argumente noch finanzielle Angebote geholfen, weil Motorola bereits seine Entscheidung getroffen hatte. Das soll heißen, es ist nicht nachvollziehbar, wieso die Landesregierung glauben konnte, mit einem Flug nach Amerika in letzter Minute noch etwas retten zu können.
Es wäre auch gut, im Ausschuss noch einmal nachzufragen, ob denn die Landesregierung, die dem Motorola-Konzern den Vorschlag unterbreitete, die Distribution in einen anderen Betrieb zu verlagern, das auch mit dem Betriebsrat besprochen hatte. Das sind Einzelfragen, die man im Ausschuss klären kann und die auch dazu dienen sollen zu sehen, was man künftig vermeiden sollte. Denn der Fall Motorola muss unbedingt Konsequenzen für die Wirtschaftsförderung und für die Wirtschaftspolitik des Landes haben.
Wir meinen, dass sich die Wirtschaftspolitik in Zukunft darauf konzentrieren muss, die Gründung, den Ausbau und die Ansiedlung kleinerer und mittlerer Unternehmen zu fördern, denn nur diese Unternehmen sind in der Region verwurzelt. Wir wissen aus den Erfahrungen der letzten Jahre, dass gerade solche innovative Firmen neue Arbeitsplätze schaffen können. Natürlich muss es in SchleswigHolstein auch weiterhin internationale Unternehmen geben - da gebe ich dem Minister vollkommen recht. Aber die öffentliche Förderung der Ansiedlung global agierender Konzerne muss künftig viel kritischer betrachtet werden. Wir sollten also jetzt nach vorne schauen.
Aus Sicht des SSW geht es aber zu allererst darum, dass den Beschäftigen von Motorola und ihren Familien sofort geholfen wird. Die gestern bekannt gewordenen Zusagen der Bundesagentur, für die Motorola-Beschäftigen weitere Gelder zur Verfügung zu stellen, sind ein erster positiver Schritt, weil damit Transfergeld für bis zu zwölf Monate gesichert ist. Weiterhin fordert der SSW von der Landesregierung einen Aktionsplan zur Förderung des Dänisch-Unterrichts und fachspezifischer Sprachkurse, denn mit der Förderung gezielter Sprachkurse kann die Landesregierung mit verhältnismäßig geringen Mitteln den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Motorola kurzfristig neue berufliche Perspektiven eröffnen. Gesagt wurde schon von der Kollegin Franzen, dass die Kommunen nördlich der Grenze schon ihre Hilfe dabei angeboten haben.
Allerdings dürfen wir uns in der Frage der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung des nördlichen Landesteils nicht nur auf den dänischen Arbeitsmarkt verlassen. Das hat der SSW immer wieder hervorgehoben. Denn jeder Boom - auch der bei
unseren nördlichen Nachbarn - hat einmal ein Ende. Wir müssen also die Wirtschaft auf beiden Seiten der Grenze stärken. Dazu gehört eindeutig auch die Stärkung Flensburgs als Hochschulstandort. Vor diesem Hintergrund begrüßt der SSW ausdrücklich, dass sich der Wirtschafts- und Wissenschaftsminister nun doch dafür ausgesprochen hat, das biat - das Bildungsinstitut Arbeit und Technik - in Flensburg zu belassen. Das war eine gute Entscheidung für die Region. Alles andere wäre zum jetzigen Zeitpunkt auch kontraproduktiv gewesen.
Wir wissen alle, dass gerade in der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft ein großes wirtschaftliches Potenzial für die Entwicklung neuer Unternehmen und Produktideen liegt. Wie sagte es der Danfoss-Chef Jørgen Mads Clausen noch so schön? Es macht keinen Sinn, dass zum Beispiel Danfoss als Oase in der Wüste liegt. Damit begründete er den Wirtschaftsentwicklungsplan für Sønderjylland, der im Bereich der Neugründungen von kleinen und mittleren innovativen Unternehmen neue Wege geht.
Diese Zielsetzung müssen wir in Zusammenarbeit mit unserem nördlichen Nachbarn weiter entwickeln und fördern. Damit kein Missverständnis auftritt: Belegt ist auch, dass solche Unternehmen weitere Mitarbeiter einstellen. Das heißt, es ist nicht so, dass nur hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt werden. Solche Unternehmen führen wirklich zu mehr Wirtschaftsentwicklung in der Region. Das hat man anhand von unterschiedlichen Studien belegen können.
Natürlich ist seitens der Landesregierung hier schon einiges passiert. Dennoch ist klar, dass zum Beispiel das Cluster Mobile Telekommunikation ohne Motorola in Flensburg kaum große Zukunftschancen hat. Es müssen also neue Ideen entwickelt werden. Das geht nur mit starken und leistungsfähigen Hochschulen.
Die Motorola-Konzernleitung hat auch die Verkehrsferne des Flensburger Werks als Begründung für die Schließung hervorgehoben. Das heißt, auch die Infrastruktur muss weiter verbessert werden. Hier hat sich die Landesregierung vieles vorgenommen. Unsere Unterstützung hat sie. Ich will jetzt nicht auf weitere Einzelheiten eingehen. Ich will aber noch einmal deutlich machen, dass der Ausbau der A 20 und die westliche Elbquerung ebenso wie
die grenzüberschreitenden Schienenverkehre viel wichtiger sind als der Bau einer Fehmarnbelt-Querung.
Das musste noch einmal gesagt werden. Das Beispiel Motorola belegt gerade, wie wichtig es ist, in unserem Land die Nord-Süd-Achsen zu fördern. Lieber Wirtschaftsminister, nur Mut. Unsere Unterstützung haben Sie!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Zunächst stelle ich fest, dass der Berichtsantrag, Drucksache 16/1559, durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.
Es ist beantragt worden, den mündlichen Bericht der Landesregierung zur abschließenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.