Im Vergleich zu Kindern aus einem Elternhaus mit hohem sozialen Status rauchen sie häufiger, ernähren sich ungesünder, sind im Alter von 11 bis 14 Jahren viermal so häufig übergewichtig, haben mehr psychische Probleme, sehen dreimal so viel fern, betreiben doppelt so häufig keinen Sport, putzen sich weniger häufig täglich die Zähne, haben doppelt so häufig Gewalterfahrungen und werden seltener zu den U1- bis U9-Früherkennungsuntersuchungen gebracht.
Angesichts dieser Daten frage ich mich natürlich, ob wir genug für diese Kinder tun. Vor allem stellt sich die Frage, wie ihre Eltern stärker in den Fokus der Gesundheitspolitik gerückt werden können.
Ich finde, gerade die Erkenntnisse im Bereich Passivrauchen zeigen, dass Prävention für Kinder und Jugendliche künftig viel stärker auch Prävention für Eltern heißen muss. Denn dass Eltern mit einem niedrigen sozialen Status dreieinhalb mal so häufig ihre Kinder in der Familienwohnung zuräuchern wie Eltern mit hohem Status, zeigt plastisch, dass gerade bei bildungsferneren Schichten die bisherige Aufklärungsarbeit völlig versagt.
Es ist ganz offensichtlich, dass bisherige Präventionsbemühungen nicht ausreichend auf besondere Zielgruppen eingegangen sind. Das gilt ebenso für die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe der Eltern. Auch hier brauchen wir besondere Bemühungen. Denn Migration und niedriger sozialer Status sind nicht gleichzustellen. Das zeigt sich schon daran, dass gerade Migrationsfamilien vorbildlich sind, wenn es um das Passivrauchen geht.
Trotzdem gehen sie zum Beispiel weniger zum Zahnarzt und zu anderen Vorsorgeuntersuchungen. Hier muss viel stärker auf muttersprachliche Präventionsangebote und auf lokale Netzwerke für Eltern, besonders für Mütter, gesetzt werden. Entsprechende Projekte laufen jetzt in Kiel, Lübeck und Neumünster an. Dieses Angebot muss es aber überall dort geben, wo Migranten wohnen. Und wir brauchen hierfür vor allem eine verlässliche Finanzierung.
Dass das Land diese Probleme einzelner Gruppen erkannt hat, zeigen auch der „Knotenpunkt Gesundheitsförderung für sozial Benachteiligte“ bei der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung und die Einrichtung eines entsprechenden Landesarbeitskreises. Auf konkrete Projekte und Maßnahmen kann sie allerdings noch nicht verweisen.
Ich muss sagen, dass ich eine gewisse Skepsis hege. Denn die Landesregierung setzt vor allem auf den „Setting-Ansatz“ - das ist gut so -, der das gesamte Lebensumfeld der Betroffenen berücksichtigt und nicht allein direkte Aufklärungsarbeit berücksichtigt. Dies ist aber eine Aufgabe, die die Kreise und vor allem die Städte verinnerlichen müssen, denn dabei geht es nicht nur um unmittelbare Gesundheitspolitik, sondern auch um lokale Sozialpolitik, lokale Verkehrspolitik oder auch um lokale Baupolitik. Die bisherige kommunale Gesundheitspolitik macht mich aber nicht unbedingt hoffnungsfroh, dass die unerträgliche Benachteiligung dieser Kinder zügig gemindert, geschweige denn, beseitigt wird.
Wir haben seit über fünfeinhalb Jahren ein Gesundheitsdienstgesetz, das genau diese Entwicklung einer präventiv ausgerichteten kommunalen Gesundheitspolitik fördern will. Mein Eindruck ist aber, dass sich das Ideal des Gesundheitsdienstgesetzes an der harten kommunalen Wirklichkeit bricht. Als das Gesetz 2001 beschlossen wurde, hat die Landesregierung eine verbindliche Regelung vermieden, weil ansonsten finanzielle Forderungen der Kreise und kreisfreien Städte mit Berufung auf das Konnexitätsprinzip zu erwarten gewesen wären.
Hieran krankt eine der wesentlichen Säulen einer präventiv ausgerichteten Gesundheitspolitik in Schleswig-Holstein. Über eine grundlegende Berichterstattung sind nur wenige Regionen hinausgekommen. Die im Bericht angesprochene kommunale Gesundheitsplanung anhand der Berichterstattung und die Erstellung von Gesundheitsprofilen in den Regionen zum Beispiel für einzelne Sozialräume finden so gut wie nicht statt.
Die KiGGS trägt zwar einen weiteren Baustein zu einer besonderen Datenlage bei, aber eben auch nicht mehr. Wir haben zwar die Daten, aber gerade auf kommunaler Ebene haben wir es bisher nicht geschafft, daraus Handlungen folgen zu lassen. Es wird deshalb vom Engagement der Landesregierung abhängen, ob die Kommunen ihre Präventionsaktivitäten wirklich so ausweiten können und wollen, dass sie diesen Erkenntnissen auch die richtigen und notwendigen Taten folgen lassen. Ansonsten werden wir weiterhin eine Reihe interessanter Modellprojekte sehen, die nur einen Teil der Betroffenen erreichen und finanziell auf tönernen Füßen stehen. Das wäre angesichts dieses Berichtes wirklich zu wenig.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/1517, dem Sozialausschuss, mitberatend dem Bildungsausschuss und dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der „Spiegel“ berichtete letzte Woche, wie unser Nachbar Frankreich seine Kinder zu Feinschmeckern erzieht. Schon im Kindergarten werden Drei-GängeMenüs serviert. Lachs und Jakobsmuscheln statt stundenlang warm gehaltener Hähnchen-Nuggets und Fertigpizza. Das ist der Unterschied zwischen Schulessen in Frankreich und Deutschland. Das zeigt auch, wie viel Wertschätzung ein Land seinen Kindern entgegenbringen kann.
In Deutschland ist es eher die Ausnahme, dass es in Schulen eine warme Mahlzeit gibt. Viel zu viele Jugendliche stürmen stattdessen die Frittenbude, den Süßigkeiten-Kiosk oder einen Schnellimbiss.
Aus dem nationalen Kindergesundheitsbericht des Robert-Koch-Institutes haben wir gerade erfahren, dass 22 % aller untersuchten Kinder und Jugendlichen kein normales Essverhalten haben. Jedes fünfte Kind ernährt sich in Deutschland falsch. Eine unausgewogene Ernährung gefährdet die körperliche und geistige Entwicklung. Sie macht krank.
Die Landesregierung hat dieses Problem schon 2001 erkannt und das Netzwerk Ernährung gegründet. Es gibt viele gute Projekte, die auch alle im Internet dargestellt sind, beispielsweise Fit Kids und Opti-Kids. Was fehlt, sind verbindliche Standards. So bleibt es dem Zufall überlassen, ob ein Kind in der Kindertagesstätte seine Milchschnitte auspackt oder ein gesundes Frühstück erhält.
In der Schule ist die Situation noch krasser. Zu viele Kinder, besonders aus armen Familien, gehen morgens ohne Frühstück zur Schule. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass in manchen Stadtteilen jedes zweite Kind ohne Frühstück in die Schule kommt. Und immer mehr Kinder nehmen auch keine regelmäßigen warmen Mittagsmahlzeiten mehr ein. Wie sollen diese Kinder gut durch den Tag kommen? Schlecht ernährt lernt es sich schlecht. Es heißt zwar im Volksmund: „Ein voller Bauch studiert nicht gern.“ Das heißt im Umkehrschluss aber doch nicht, dass Kinder mit knurrendem Magen besonders fleißig lernen. Wir werden die Bildung in den Schulen nicht verbessern, wenn wir nicht dazu beitragen, dass Kinder so ernährt sind, dass sie dem Unterricht konzentriert folgen können.
gen. Erstens. Kindertagesstätten und Schulen müssen gesunde Mahlzeiten anbieten. Im Auftrag des Bundesverbraucherschutzministeriums - CDU entwickelt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung derzeit „Qualitätsstandards für die Schulverpflegung“. Ich erwarte, dass wir diese in Berlin erarbeiteten Standards anschließend auch für die Schulen in Schleswig-Holstein übernehmen.
Zweitens. Wir fordern, dass es allen Kindern ermöglicht wird, an den angebotenen Mahlzeiten teilzunehmen. Dazu sollen Land und Kommunen gern mithilfe von privaten Sponsoren - einen Fonds anlegen, der das Mittagessen für Kinder aus armen Familien in Kindertagesstätten und Schulen bezuschusst.
Der Kinderschutzbund hat uns kürzlich erneut die steigende Armut vor Augen geführt. Allein in Lübeck leben circa 8.000 Kinder unter 15 Jahren von Hartz IV. Das sind schockierende 30 %. Ihre Familien erhalten 2,55 € als Tagessatz für die Ernährung. Vergleichen Sie das einmal mit dem, was Sie für ein Schulessen bezahlen müssen. Das sind oft 2,50 €. Wie soll das gehen? Hinzu kommt, dass - so hat es gerade das Forschungsinstitut für Ernährung festgestellt - ein Kind von 2,55 € insgesamt nicht ausreichend und gesund ernährt werden kann.
Deshalb schlagen wir vor, dass das Mittagessen in Kindertagesstätten und Schulen für Bedürftige auf 1 € heruntersubventioniert wird. Wir orientieren uns dabei an anderen Bundesländern. RheinlandPfalz subventioniert das Schulessen für einige Kinder bereits. Nordrhein-Westfalen plant Ähnliches und setzt sich darüber hinaus - man höre und staune - im Bundesrat dafür ein, dass die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder erhöht werden.
Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt ein Beispiel aus Flensburg. Der Verein Adelby, der unter anderem Kindertagesstätten betreibt, gibt an, dass rund 10 % der Eltern die Mahlzeiten nicht mehr bezahlen können.
Wenn jedes fünfte Kind falsch ernährt ist, wenn 30 % aller Kinder in Kiel und Lübeck - das sind die Zahlen aus Kiel und Lübeck - in Armut leben, dann müssen wir gemeinsam handeln. Wir haben kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Handlungsdefizit.
Ich beantrage, beide Anträge als eigenständige Anträge zu behandeln. Für unseren Antrag beantrage ich Ausschussüberweisung. Weil Ihr Antrag ein Änderungsantrag ist, sage ich im vorhinein: Nach
dem wir eben über den Gesundheitsbericht diskutiert und gemeinsam die Probleme festgestellt haben - Herr Kalinka hat eben deutlich gemacht, der Bericht ist eine sozialpolitische Mahnung -,
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gute Entwicklung von Kindern in unserer Gesellschaft sollte uns allen eine Herzensangelegenheit sein. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und die Kenntnisse um Gesundheit sind wichtige Voraussetzungen, damit sich Kinder optimal entwickeln können. Der Ausspruch des römischen Dichters Juvenal: „Mens sana in corpore sano - Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“, ist nach wie vor gültig und richtig. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren extrem schnell verändert. Viele Dinge haben Maschinen für uns übernommen. Wo man früher gelaufen ist oder mit dem Fahrrad fuhr, nehmen wir heute das Auto. Ähnliches gilt für den Bereich der Ernährung. Früher gab es keine Fertigprodukte und heute sind sie aus keinem Supermarkt mehr wegzudenken. Und alles ist so bequem, schnell und einfach.
In vielen Familien ist damit das Wissen um die Zubereitung von frischen Mahlzeiten schlicht verloren gegangen und somit werden auch Kinder zunehmend weniger mit frischen Produkten in den Familien vertraut gemacht. Die Folgen dieser Entwicklung sind in mehreren Studien nachzulesen wir haben es gerade gehört. Die Zahl der dicken Kinder und Erwachsenen nimmt zu, ebenso die damit verbundenen Folgeerkrankungen. Auch Essstörungen wie Magersucht - insbesondere bei den Mädchen - stehen sicherlich in Verbindung mit der Unwissenheit über ein normales Essverhalten. Umso wichtiger ist es, jungen Familien und ihren Kindern den Umgang mit einer ausgewogenen Ernäh
Wir wollen mit unserem Berichtsantrag zur Dezember-Tagung von der Landesregierung wissen, wie die Themen Gesundheit, Ernährung und Bewegung in Kindertagesstätten und Schulen umgesetzt und weiterentwickelt werden. Was wir nicht wollen, ist die Verstaatlichung der Ernährung unserer Kinder, wie sie in dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchschimmert.
(Beifall beim SSW - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaub- lich! Das macht die SPD mit!)
Die erste Verantwortung für die Erziehung und auch die Ernährung von Kindern liegt nicht beim Staat, sondern immer noch bei den Eltern und wir sind auch nicht bereit, die Eltern aus dieser Verantwortung für ihre Kinder zu entlassen.
Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie fordern verbindliche Qualitätsstandards für Mittagsmahlzeiten, Leitlinien für ein gesundes Frühstück in Kindertagesstätten, den Verbot des Verkaufs von stark zucker-, fett- und salzhaltigen Lebensmitteln durch Erlass, den es im Übrigen bereits seit vielen Jahren gibt, ein klares Schwergewicht auf gesunde, vollwertige, frische, regionale und fair gehandelte Produkte. Hinzu kommt die Forderung nach qualifiziertem hauswirtschaftlichen Personal, um die Qualität der Mahlzeiten sicherstellen zu können. Diese Mahlzeiten mit diesem Anspruch sollen durchschnittlich nicht teurer als 2,50 € sein und für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen nicht mehr als 1,00 € kosten. Ich frage Sie ernsthaft: Wer soll das leisten?
Ich will Ihnen gern einmal ein Beispiel nennen. Die Truppenküchen unserer Bundeswehr legen einen Satz für die Herstellung einer Mittagsmahlzeit von 2,67 € zugrunde. Diese Truppenküchen dürfen nur ohne Gewinneinnahme arbeiten. In diesen 2,67 € sind keine Personal-, Energie- oder sonstige Zusatzkosten zum Betreiben einer Küche enthalten. Das ist nur möglich, weil in entsprechend großen Mengen gekocht wird. Aber auch dafür haben Sie eine Lösung: Den Rest sollen das Land und die Kommunen finanzieren, ebenso wie den Ausbau von Schulkantinen und Werkstatträumen der Ernährungs- und