Protokoll der Sitzung vom 14.09.2007

Es geht hier um die Frage, wie wir mit Kindern und Jugendlichen umgehen, die mit so geringen

Deutschkenntnissen in unser Bildungssystem kommen, dass sie dem Unterricht nicht mehr folgen können. Das ist zum einen natürlich ein Problem von Kindern aus nicht deutschen Familien, bei denen zu Hause nicht deutsch gesprochen wird. Es ist aber ebenso ein Problem von Kindern aus deutschen Familien, deren Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, die deutsche Sprache an sie weiterzugeben, weil sie selbst häufig diese Sprache nur sehr unvollkommen beherrschen. Es wäre natürlich am besten, wenn Eltern und Kinder in diesem Fall gemeinsam angesprochen werden könnten. In Hamburg gibt es zum Beispiel das Projekt „Family Literacy“, in dem die kleineren Kinder gleichzeitig mit ihren Müttern an den Sprachdefiziten arbeiten.

Der Bericht der Landesregierung stellt die verschiedenen Instrumente der Sprachförderung im vorschulischen Bereich und an den Schulen dar. Wir haben im neuen Schulgesetz die Teilnahme an Maßnahmen der Sprachintensivförderung - die wir mit dem Kürzel SPRINT bezeichnen - verpflichtend gemacht, wenn festgestellt wird, dass ein Kind sprachliche Defizite aufweist. Die Feststellungsmethodik wurde in der letzten Zeit erheblich verbessert.

In dieser 16. Legislaturperiode wird das Land insgesamt 27 Millionen € für die schulische Sprachförderung bereitstellen, ab 2008 sind das pro Haushaltsjahr jeweils 6 Millionen €.

Jedes zehnte eingeschulte Kind wird heute nach SPRINT-Maßnahmen gefördert. Die Tendenz ist steigend. Die Streuung ist regional hoch, korrespondiert aber nur teilweise mit dem Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund. Knapp zwei Drittel aller eingeschulten jungen Migranten nehmen heute an SPRINT-Programmen teil. In Kiel sind es fast 90 %, im Kreis Steinburg ist es nur ein Drittel der Schüler.

Nach den Tabellen, die dem Bericht beigefügt sind, verfestigen sich besonders hohe Bedarfe nicht. Als Beispiel nahmen im Schuljahr 2005/2006 in Lübeck 17 % der eingeschulten Kinder an SPRINT teil, im Folgejahr waren es nur noch 9 %. Die Durchführung dieser Maßnahmen - das betrachten wir als ausgesprochen positiv - verlagert sich immer mehr weg von der Schule hinein in die Kindertagesstätte, setzt also durchaus früher an und entwickelt sich auch weg von den Lehrkräften deutlich hin zu den Erzieherinnen und Erziehern. Die Trägerstruktur ist dabei uneinheitlich. Meistens führen die Schulämter diese Maßnahmen durch, in drei Kreisen dominieren die Volkshochschulen. Ich finde es beruhigend, dass die Mittel zum größten Teil - nämlich zu 93,4 % - für Personalkosten aus

(Heike Franzen)

gegeben werden und nur ein kleiner Teil - 2,3 % für die Beförderungskosten, die anstehen.

Die Sprachförderung für Kinder mit einer anderen Muttersprache - dazu gehören auch viele Spätaussiedler - ist eine Kernaufgabe der Schulen im Rahmen des Förderkonzeptes. In den meisten Kreisen Schleswig-Holsteins existieren inzwischen Zentren für Deutsch als Zweitsprache.

Ich möchte mich zum Schluss bei Ihnen, Frau Ministerin, für diesen Bericht bedanken, der uns sehr viele Informationen gegeben hat und den wir in der Form weiterführen und zu einem ständigen Instrument machen sollten, das zeigt, wie es um die Sprachförderung in unserem Land bestellt ist.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Höppner. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der in dieser Wahlperiode eingeleitete Ausbau der vorschulischen Sprachförderung wird von uns Liberalen - von der FDP-Fraktion - ausdrücklich begrüßt. Die Landesregierung plant, in diesem Bereich bis zum Jahr 2010 insgesamt 27 Millionen € zu investieren, und zwar in steigenden Raten.

Umso wichtiger ist es, dass die eingeleiteten Maßnahmen auch einer Erfolgskontrolle unterzogen werden. Hier möchte ich anmerken, dass es beispielsweise so etwas wie eine wissenschaftliche Begleitung der in Angriff genommenen Programme nicht gibt. Was die Evaluierung der begonnenen Maßnahmen und Aktivitäten angeht, sollte in diesem Bereich noch nachgebessert werden.

Die neu eingeführten Maßnahmen unterteilen sich in den Bereich der allgemeinen Sprachförderung und in spezielle Angebote, die sich an Kinder mit Sprachstörungen richten. Der vorliegende Bericht legt für den ersten Bereich SPRINT, die allgemeine Sprachförderung, sehr umfangreiches Datenmaterial vor. Für den sprachheilpädagogischen Sektor ist die Information dagegen nur sehr allgemein gehalten und vergleichsweise spärlich. Es wäre zum Beispiel wichtig zu erfahren, wie sich die Maßnahmen und die Verwendung der bereitgestellten Mittel auf die Bereiche Fortbildung, Kleingruppenarbeit durch Erzieherinnen und Erzieher sowie gezielte Förderung durch ausgebildete Sprachheilpädagogen aufteilt.

Bei SPRINT, also bei der allgemeinen sprachlichen Frühförderung, stammen zwei Drittel der geförderten Kinder - das erfahren wir aus dem Bericht - aus Familien mit Migrationshintergrund. Immerhin ein Drittel stammt aus deutschen Familien. Regional ist die Situation dabei zum Teil sehr unterschiedlich. Die Stadt Flensburg erreicht bei SPRINT mit mehr als 18 % einen doppelt so hohen Anteil der jeweiligen Altersgruppe wie zum Beispiel die Stadt Lübeck. Der Landesdurchschnitt liegt, wie schon gesagt worden ist, bei 9,8 %.

Warum gibt es regional selbst zwischen den kreisfreien Städten so große Unterschiede? Das wird aus dem Bericht nicht ersichtlich und dieser Frage sollte man vielleicht auch noch einmal intensiver nachgehen.

Der zweite Themenkomplex, den der Bericht der Landesregierung anspricht, betrifft die schulische Sprachförderung. Hier sieht die FDP nach wie vor die Notwendigkeit, nicht anstelle, sondern neben den integrativen Förderangeboten auch ein regionales Netzwerk stationärer Sprachintensivförderung zu schaffen.

(Beifall des Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP])

Ein entsprechender Antrag der FDP-Fraktion wurde von den Regierungsparteien jedoch abgelehnt. Wir halten es für unabdingbar, dass nach dem Muster des Dithmarscher Modells „LautStark“ regionale Förderangebote eingerichtet werden, und zwar insbesondere deshalb, weil die Landesregierung nun die landesweite Schließung von Sprachheilgrundschulen und Sprachheilklassen weiter vorantreibt.

Das Beispiel der Dithmarscher Konzeption beruht gerade auf der Einsicht, dass man nicht allen Kindern mit Sprachstörungen durch integrative Beschulung mit zwei extra Förderstunden pro Woche hinreichend helfen kann. Es bleibt ein unabweisbarer Bedarf für intensive Förderung über die ganze Schulwoche hinweg, wie es in dem in Meldorf eingerichteten Angebot erfolgt - und zwar komplett abgedeckt durch qualifizierte Sprachheilpädagogen, ergänzt durch ein Hort-Angebot mit ergänzender Förderung und flexibel ausgerichtet auf einen Förderzeitraum, der ein, zwei oder bei Bedarf auch drei Schuljahre umfasst.

(Beifall bei der FDP)

Die Ministerin hat zwar angekündigt, dass in weiteren Kreisen geprüft wird, solche Angebote einzuführen - das ist immerhin ein positives Signal -; aber die FDP bleibt dabei: Ein landesweites Netzwerk für schulische Sprachintensivförderung dieser

(Dr. Henning Höppner)

Art gibt es derzeit nicht. Es bleibt ein politisches Desiderat und wir setzen uns entschieden dafür ein, dass es nicht nur in einzelnen Kreisen und an einzelnen Standorten solche Fördermöglichkeiten gibt, sondern flächendeckend und landesweit.

(Beifall bei der FDP)

Ich denke, da sind wir auch mit der CDU einer Meinung. Das ist eine unabdingbare Ergänzung des schulischen Sprachförderangebots, denn allein mit der Schiene integrativer Förderung kann man nicht allen Kindern in ausreichender Weise helfen, ihre sprachlichen Handicaps zu überwinden.

Ich danke sehr herzlich für die Aufmerksamkeit und rege an, dass wir den Bericht in den Bildungsausschuss überweisen und uns vielleicht dort darauf verständigen, eine Anhörung zu diesem Bericht durchzuführen, weil ich denke, dass es auch gerade im Prozess der Ausgestaltung der eingeleiteten Maßnahmen wichtig ist, mit den betroffenen Verbänden in einen Dialog über die weitere Entwicklung dieser Sprachförderkonzeption einzutreten.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor den letzten Landtagswahlen hatten die Grünen auf ein umfassendes, landesweites Sprachförderungskonzept vor und in der Grundschule gedrängt und die Landesregierung hatte hierzu erste Finanzierungsmittel bewilligt. Ziel war, dass deutschsprachige Kinder mit Sprachproblemen und Sprachstörungen und Kinder mit Migrationshintergrund erreicht werden, um möglichst schon frühzeitig vor Schulbeginn Sprachdefizite zu beseitigen. Die grüne Saat geht auf. Das kann man hier schon sagen.

(Zuruf von Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

- Doch, Frau Erdsiek-Rave. Wir mussten Sie damals ziemlich drängeln, das war nicht von Anfang an Ihr Lieblingskind.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Henning Höpp- ner [SPD])

Doch irgendwann sprießt die Saat grün und wird reif. Ich sage einmal - um im Bild zu bleiben -, wir

haben jetzt den Frühsommer erreicht. Wir können noch nicht alles ernten - darauf hat die Ministerin hingewiesen -, weil sich die Wirkung vor allem mittel- und langfristig zeigen wird, aber es ist schon deutlich etwas zu sehen. Deshalb möchte ich den Bericht auch ausdrücklich loben, weil er ein sehr differenziertes Bild dessen abgibt, was die Landesregierung in den letzten Jahren auf den Weg gebracht hat. Sie hat dazu auch nicht wenig Geld in die Hand genommen.

Es ist gut, dass es erste wissenschaftliche Begleitansätze gibt, so möchte ich einmal die Kooperation mit Flensburg, mit der Hochschule in Flensburg, bezeichnen. Richtig ist aber sicher auch, dass hier noch mehr getan werden kann.

Ich habe mich auch gefragt, warum beispielsweise in meiner Heimatstadt in Lübeck - so macht es nach dem Bericht jedenfalls den Anschein; vielleicht habe ich da auch etwas missverstanden - die Sprachförderung erst in der Schule ansetzt, während sie in anderen Orten oft schon viel früher, in den Kindertagesstätten, ansetzt.

Es gibt aber keinen Grund, sich beruhigt zurückzulehnen, denn alle Kinder sollten schon wirklich lange vor der Schulzeit erreicht werden. Diesem Ziel sind wir noch fern. SPRINT setzt erst wenige Monate vor der Schulzeit ein. Kinder, die keine Kindertagesstätte besucht haben, werden erst zu spät erreicht. Deshalb hat sich meine Fraktion auch dafür starkgemacht, dass man die Schuleingangsuntersuchung noch ein paar Monate weiter nach vorn verlegt, sodass man mehr Zeit für die Förderung hat.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Außerdem entnehme ich dem Bericht, dass auch die Prüfung der sprachlichen Förderung bei den Schuleingangsuntersuchungen mancherorts noch verbessert werden kann. Vor allem ist es aber wichtig, die Eltern einzubeziehen. Hier werden an einigen Stellen bei Kindern mit Migrationshintergrund schon die ersten Kurse angeboten, die sich vor allem an die Mütter richten. Ich denke, das ist etwas, was landesweit Schule machen sollte. In manchen Fällen wird es einer ganzen Menge Motivationsarbeit bedürfen, um sowohl bei den deutschen Kindern als auch bei den Kindern mit Migrationshintergrund die Eltern wirklich anzusprechen.

Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen wollen und sollen, müssen aber auch ihre Muttersprache gut beherrschen. Hierfür gibt es in diesem Konzept - wenn ich das richtig verstanden habe - keinen Raum, weder in der Schule noch in der Kita. Ich

(Dr. Ekkehard Klug)

weiß, dass sich in Lübeck ein Kindergarten der Diakonie seit Jahren ganz vorbildlich und erfolgreich um ein internationales Sprachkonzept bemüht. Ich frage mich: Warum kann das nicht mehr Schule machen? - Liegt das daran, dass Pädagoginnen und Pädagogen mit Migrationshintergrund bei der Konzepterstellung und in der Lernpraxis immer noch eine nur marginale Rolle spielen? Wir fordern an dieser Stelle - nicht zum ersten Mal, Frau Erdsiek-Rave, aber umso nachdrücklicher -, dass Pädagoginnen und Pädagogen in Kindertagesstätten und Schulen auf gleicher Höhe und in regulären Arbeitsverhältnissen an den Konzepten für Kinder mit Migrationshintergründen beteiligt werden. Ich denke, dann wird das Konzept noch einmal einen deutlichen Aufschwung bekommen und es wird leichter sein, die Eltern mit Migrationshintergrund für die Teilnahme zu gewinnen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf eine differenzierte Debatte im Ausschuss. Ich finde die Anregung von Herrn Dr. Klug sehr gut und spreche mich auch für eine mündliche Anhörung aus. Sie sprachen von einem Gespräch; das führt man am besten, wenn man gemeinsam an einem Tisch sitzt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich danke Frau Abgeordneter Birk. - Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frühzeitige Sprachförderung gehört zu den probaten Mitteln, um Chancengleichheit und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verwirklichen. Was sich fast wie eine Binsenwahrheit anhört, gehört aber erst seit rund zehn Jahren zu den Kernaufgaben der Landespolitik. Denn erst seit 1996 fördert das Land die Qualifizierung des pädagogischen Personals von Kindertageseinrichtungen auf dem Gebiet der allgemeinen Sprachförderung. Und erst im Jahr 2006 finden sich für die vorschulische Sprachförderung 3 Millionen € im Haushalt des Landes wieder. Insgesamt möchte die Große Koalition in dieser Legislaturperiode - die Ministerin sprach es an - 27 Millionen € für den Bereich der Sprachförderung zur Verfügung stellen.

Wer noch die Debatten hier im Haus zum neuen Kindertagesstättengesetz im Ohr hat, wird wissen, dass diese Mittel trotz des positiven Signals noch

nicht die Garantie für eine nachhaltige Sprachförderpolitik sind. Damit - das möchte ich auch hervorheben - möchte ich aber überhaupt nicht kleinreden, was jetzt schon geleistet wird.