Politisch relevant ist die Bildung von Regionalbeiräten zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern auf der einen Seite und den Behindertenverbänden auf der anderen. Diese Beiräte können die finanziellen Voraussetzungen schaffen, damit Wünsche der Menschen mit Behinderung bezüglich der Gestaltung ihres Lebensabends möglichst umgehend umgesetzt werden.
Da wir derzeit die Form und die Kompetenz der schleswig-holsteinischen Landkreise noch nicht kennen, empfiehlt es sich, die Berufung der Beiräte auf die Zeit nach der Entscheidung über eine Kreisreform zu verschieben. Aber vielleicht erübrigt sich das durch andere Art und Weise.
Das bedeutet aber keineswegs, dass damit die Gründung der Beiräte auf den Sankt-NimmerleinsTag verschoben werden darf. Wer es mit der Teilhabe von Menschen mit Behinderung ernst meint, muss auch die entsprechenden Begleitstrukturen schaffen. Da ist es ganz wichtig, dass diese Beiräte auch auf kommunaler Ebene für ein völlig anderes Bewusstsein sorgen. Denn es gibt durchaus auch einige Verwaltungen, die in diesem Bereich gerade in der Betreuung der behinderten Menschen nicht gerade das Gelbe vom Ei sind. In einer dieser kommunalen Einheiten, nämlich im Kreis Nordfriesland, lebe ich derzeit.
Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/1461, dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Hauptschüler und Migrant - und welche Chancen hast du dann?“, so lautete die Überschrift einer Reportage, die kürzlich im „Hamburger Abendblatt“ zu lesen war. Einmal mehr wurden hier die Sprachprobleme als eine der größten Hürden nicht nur auf dem Bildungsweg, sondern bezüglich der Teilhabe an der Gesellschaft insgesamt ausgemacht.
Die Bedingungen bei uns in Schleswig-Holstein unterscheiden sich natürlich von denen in Hamburg in vielfältiger Weise. Aber sie unterscheiden sich nicht in den Herausforderungen, vor denen wir stehen.
Ein Viertel aller Kinder, die in den nächsten Jahren eingeschult werden, werden einen Migrationshintergrund haben.
Der zweite Befund ist: Die Hälfte aller 15-Jährigen mit Migrationshintergrund - das wissen wir aus der letzten PISA-Untersuchung - hat bisher in Schleswig-Holstein eine Hauptschule besucht, nur 15 % ein Gymnasium. Ich glaube nicht, dass dies darauf zurückzuführen wäre, dass Migrantenkinder weniger begabt wären.
Diese Schieflage findet sich in jedem anderen Befund, als Ergebnis jeder anderen Untersuchung, auch in Vergleichsarbeiten, die wir durchführen. Die Schieflage geht in erster Linie auf mangelnde Sprachkenntnisse zurück. Die Sprachförderung ist deshalb eine ganz zentrale Stellschraube für Verbesserungen im Bildungssystem und insgesamt für die Lösung sozialer Probleme in der Zukunft, aber auch in der Gegenwart unserer Gesellschaft.
Der beantragte Bericht - das kann ich hier in fünf Minuten wirklich nur in aller Kürze darstellen zeigt auf, wie wir uns diesen Herausforderungen in Schleswig-Holstein stellen. In dem Bericht geht es um alle Aspekte der Sprachförderung bis hin zu Sprachheilmaßnahmen. Der Stellenwert dieses Themas wird auch daran deutlich, dass wir in dieser Legislaturperiode trotz knapper Ressourcen insgesamt erhebliche zusätzliche Aufwendungen machen. Es sind insgesamt 27 Millionen €.
Das integrative Sprachförderkonzept ist seit seiner Einführung im Jahr 2005 bundesweit beachtet worden.
Ich sage das nicht, um mir auf die Schulter zu klopfen, sondern weil ich glaube, dass wir wirklich ein gutes, integratives Konzept erarbeitet haben und umsetzen. Es setzt darauf, alle Beteiligten zu vernetzen. Das geschieht auf dem Bildungsweg eines Kindes auf allen Gebieten, die wir eng miteinander verschränkt haben, in der Kindertagesstätte, in den SPRINT-Kursen vor der Einschulung und im schulischen Kontext.
Erstens. Zu den Kindertagesstätten. Bereits seit elf Jahren gibt es dort die allgemeine Sprachförderung. Bis 2010 soll jede Kita eine Kraft für diese Aufgaben qualifiziert haben. 6.000 Erzieherinnen sind bereits qualifiziert worden. Jedes Kind wird beim Eintritt in den Kindergarten auf seinen
Zweitens. Beim vorgezogenen Einschulungsgespräch im Herbst des jeweiligen Vorjahres überprüfen wir den Sprachstand jedes Kindes, ebenso am Ende vor dem Schuleintritt, um zu sehen, ob die Sprachfördermaßnahmen Erfolg hatten. Zuletzt wurde bei jedem zehnten Kind auffälliger sprachlicher Förderbedarf festgestellt. Zwei Drittel dieser Kinder stammen aus Migrantenfamilien. Ich könnte es auch umdrehen und sagen: Ein Drittel stammt aus Familien mit normalem deutschen Hintergrund. Es handelt sich in der Regel um Kinder, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht altersgemäß sprechen. Ich will das hier nicht weiter erörtern.
Einen zusätzlichen Beitrag zur Integration der Migrantenkinder wollen wir dadurch leisten, dass wir jetzt Schritt für Schritt die Frauen mit Migrationshintergrund an der Sprachförderung ihrer Kinder beteiligen, sie mit heranführen, denn der Erfolg dieser Maßnahmen hängt maßgeblich von der Unterstützung durch die Familie, insbesondere durch die Mütter, ab. Auch hier ist die Einbeziehung und die Verantwortung der Eltern gefragt.
Drittens. Zu den Schulen. Bei Bedarf und für die Schüler, die dann erst aus dem Ausland neu hinzukommen, wird die Sprachförderung auch während der Schulzeit fortgesetzt. Wir haben 220 Planstellen für Lehrkräfte, die sich auf den Bereich Deutsch als Zweitsprache spezialisiert haben, und bündeln diese Arbeit in einzelnen Schulen in Form von DaZ-Zentren. Rund 50 solcher Zentren gibt es in Schleswig-Holstein. Weitere werden folgen.
Im schulischen Kontext nehmen die Förderzentren eine besondere Stellung ein. Dort haben wir Lehrkräfte mit großen Know-how in dieser Frage. Wir nutzen sie zudem zur Fortbildung und Beratung der Kräfte, die in den Kitas eingesetzt werden. Es ist also normal geworden, dass SprachheillehrkräfteSpezialistinnen aus den Schulen in die Kitas hineinkommen und sie unterstützen.
Ich wollte jetzt eigentlich noch etwas zur Sprachheilförderung sagen. Das spare ich mir hier, weil es an anderer Stelle ausführlich diskutiert worden ist. Wir werden in Zukunft - also nur einen Satz dazu - für alle Kreise und kreisfreien Städte über teilstationäre Intensivsprachmaßnahmen beraten, sind dabei, sie zu entwickeln. Der Kreis Dithmarschen ist Vorreiter. Weitere Kreise werden folgen.
len der Bildungspolitik, die auf der einen Seite teuer sind, die vielleicht auch unspektakulär sind und die in ihren Auswirkungen nicht immer sofort, sondern erst längerfristig wirksam werden. Das heißt auf der anderen Seite: Ihr Stellenwert ist absolut zentral. Auf den Anfang kommt es an. Wir versuchen, dem in der Kombination aller Maßnahmen, die dargestellt sind, nachzukommen.
Ich danke der Frau Ministerin für den Bericht und eröffne die Aussprache. - Das Wort für die CDUFraktion hat die Frau Abgeordnete Heike Franzen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Entwicklung von Kindern spielt die Sprache eine zentrale Rolle. Sie ist die Grundlage für die Kommunikation von Kindern mit ihrem Umfeld. Über die Sprache erschließen sie sich ihre Umwelt. Von der Beherrschung der Sprache hängen die Bildungschancen von Kindern und die gesellschaftliche Teilhabe wesentlich ab. Darum muss uns allen daran gelegen sein, dass Kinder so früh wie möglich die deutsche Sprache erlernen. Dabei haben Kindertagesstätten und Schulen eine hohe Verantwortung für die Sprachförderung. Je besser sie gelingt, umso größer sind die Bildungschancen jedes einzelnen Kindes.
Im Bereich der Kindertagesstätten gibt es bereits ein gut ausgebautes Förderkonzept, das auf drei Handlungsfeldern aufbaut: eine allgemeine sowie spezielle Sprachförderung in Kleingruppen, die sich sowohl an deutschsprachig aufwachsende Kinder als auch an Kinder mit Migrationshintergrund wendet, die Unterstützung durch die Förderzentren, die Sprachheilförderung für die Kinder leisten, die von einer Sprachstörung betroffen sind, die Fachkräfte und Eltern beraten und bei der Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher für die SPRINT-Maßnahmen mitwirken, und schließlich die SPRINT-Maßnahmen selbst, die im letzten halben Jahr vor der Einschulung die Kinder gezielt fördern und für die Kinder verpflichtend sind. Eine langjährige Forderung meiner Fraktion, die damit umgesetzt wurde.
Damit diese Maßnahmen greifen können, müssen insbesondere die Erzieherinnen und Erzieher dafür ausgebildet sein. Dem Bericht ist zu entnehmen, dass sich bis zum Mai 2006 - Frau Ministerin, Sie haben es gerade gesagt - rund 6.000 der 12.300 Fachkräfte, also rund die Hälfte der Erzieherinnen und Erzieher in unseren Kindertagesstätten, für die
Sprachförderung fortgebildet haben und dass die Fachschulausbildung für künftige Erzieherinnen und Erzieher um ein spezielles Modul zur Sprachförderung erweitert wurde. Auch die Lehrkräfte an den Fachschulen sind dafür entsprechend fortgebildet worden.
Für die vorschulische Sprachförderung werden in dieser Legislaturperiode zusätzliche Mittel in Höhe von 27 Millionen € bereitgestellt. Ich finde, das macht deutlich, dass wir mit der Sprachförderung im vorschulischen Bereich durchaus gut aufgestellt sind. Das ist auch notwendig, denn der Bericht der Landesregierung zeigt auch auf, dass die vorschulische Sprachförderung in Schleswig-Holstein in der Zukunft noch weiter an Bedeutung zunehmen wird, da sich der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund unter sechs Jahren derzeit auf 22,5 % beläuft. Diese Kinder befinden sich teilweise bereits in den Kindertagesstätten und werden in absehbarer Zeit in das Schulsystem hineinwachsen. Auch hier hat die Landesregierung den Handlungsbedarf erkannt und hält entsprechende Fördermaßnahmen wie „Deutsch als Zweitsprache“ in 43 der sogenannten DaZ-Zentren in 11 der 15 Kreise und kreisfreien Städte vor, die sich ständig weiterentwickeln.
Die sprachheilpädagogische Förderung hat im vorschulischen und im schulischen Bereich eine besondere Bedeutung. Je früher Sprachstörungen bei Kindern entdeckt und gefördert werden können, umso größer ist auch der Erfolg der Förderung. Hierbei handelt es sich nicht um Kinder, die über unzureichende Deutschkenntnisse verfügen, sondern um Kinder, bei denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt und die dementsprechend gefördert werden müssen.
Das Schulgesetz sieht daher auch hier drei Bereiche für die Arbeit der Förderzentren vor: die Prävention, also die Förderung bereits im vorschulischen Bereich, in dem in diesem Jahr 5.328 Kinder in Kindertagesstätten sprachheilpädagogisch gefördert werden, was nachweislich den Förderbedarf in der Grundschule deutlich reduziert hat, die Integration, also die sonderpädagogische Förderung in der Regelschule, und die Förderung im Förderzentrum selbst für Kinder, deren Förderbedarf so ausgeprägt ist, dass sie nicht integrativ gefördert werden können. Wir halten dieses Prinzip nach wie vor für richtig. Jedes Kind muss die Förderung erhalten können, die notwendig ist.
Da zukünftig lediglich die Internatsschule in Wentorf noch Kinder am Förderzentrum aufnehmen wird, müssen andere Wege gefunden werden, um Kindern mit schweren Sprachstörungen wohnortnah eine entsprechende Förderung anbieten zu
können. Es handelt sich hier schließlich um Kinder im Grundschulalter, für die eine Unterbringung in der Internatsschule durchaus schwierig sein kann.
Die Aussagen der Ministerin im letzten Bildungsausschuss, dass in den Kreisen teilstationäre Angebote wie beispielsweise „LautStark“ in Dithmarschen aufgebaut werden sollen, finden sich zwar noch nicht im Bericht wieder, werden aber von der CDU-Fraktion ausdrücklich begrüßt. Wir erwarten, dass sich diese Angebote in möglichst vielen Kreisen mithilfe des Ministeriums etablieren. Wie bereits in der Ausschusssitzung rege ich auch hier an, einen Bericht über die Wirksamkeit aller Maßnahmen zu erstellen.
Die Ministerin hat schon zugesagt, dem Bildungsausschuss einen solchen Bericht vorzulegen. Ich bin davon überzeugt, dass wir hier zu positiven Ergebnissen kommen werden.
Da der heute vorliegende Bericht bereits im Bildungsausschuss behandelt worden ist, beantrage ich für die CDU-Fraktion, den Bericht heute abschließend zur Kenntnis zu nehmen, was nicht heißt, dass wir nicht weitere Schlüsse aus dem Bericht für unsere Handlungsfelder ziehen wollen.
Ich danke der Frau Abgeordneten Heike Franzen. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Henning Höppner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den Ergebnissen der PISA-Studie 2003 liegt die Lesekompetenz der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler in Deutschland zu rund 25 % lediglich auf der Kompetenzstufe 1 oder noch darunter. Mit dem langfristigen Resultat dieses Befundes können wir uns zurzeit in einer kleinen Ausstellung im ersten Stock unseres Hauses auseinandersetzen. In Deutschland leben rund 4 Millionen erwachsene Menschen, die die elementaren Kulturtechniken des Lesens und des Schreibens nicht beherrschen.
Das ist nicht ausschließlich, aber doch in hohem Maße ein soziales Problem. Ich will heute nicht über schwere Fälle von Legasthenie sprechen. Wir wissen, dass dieses Phänomen nicht schichtenspezifisch ist.