Protokoll der Sitzung vom 12.10.2007

(Beifall bei der SPD)

Erfreulich ist, dass Initiativen, die den Mittelstand in Schleswig-Holstein stärken sollen, gemeinsam von allen Fraktionen dieses Hauses getragen wurden. Ich denke dabei beispielsweise an das Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz sowie zuletzt an die Erweiterung des Tariftreuegesetzes.

(Johannes Callsen)

(Beifall beim SSW)

Umso erstaunter war ich über die Presseerklärung der CDU zu diesem Tagesordnungspunkt. Der von mir sehr geschätzte Kollege Callsen führt dort Folgendes aus, wodurch es übrigens keine neue Krise gibt:

„Die CDU-geführte Landesregierung hat bereits zahlreiche positive Weichenstellungen für den Mittelstand vorgenommen. Die Große Anfrage zu den Perspektiven des Mittelstands in Schleswig-Holstein verdeutlicht, dass die CDU hier richtige Schwerpunkte setzt. Die Betriebe haben wieder Vertrauen in die Landespolitik und spüren wirtschaftsfreundlichere Rahmenbedingungen.“

Um es klar und deutlich zu sagen: Ich habe Verständnis für parteipolitische Aussagen, aber die mittelständischen Unternehmen sind nicht nur oder erst jetzt von der CDU und von der amtierenden Landesregierung entdeckt worden. Das ist in diesem Haus wohl unstrittig. Die SPD-geführte Vorgängerregierung hatte die kleinen und mittleren Unternehmen in den Mittelpunkt ihrer Wirtschaftspolitik gerückt.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Kollege Kubicki, wer an seiner Lebensbiografie mit dem Titel „Mein Leben in der Opposition“ schreibt, der sollte hier jetzt nicht etwas anderes sagen. Die SPD-geführte Vorgängerregierung hat ganz konkrete und gezielte Förderprogramme für die KMU aufgelegt. Die Kollegen Hamerich und Jasper sollten zum Mittelstand vielleicht auch zuhören! Damit wurde ein Instrumentarium an Förderhilfen aufgebaut, das den Erwartungen und Erfordernissen der mittelständischen Wirtschaft hervorragend entsprach und auch heute noch entspricht. Die Verlautbarungen der Verbände spiegeln nicht immer das Engagement und den tatsächlichen Erfolg der Maßnahmen wider. Das sind langjährige leidvolle Erfahrungen aus einer regierungstragenden Fraktion heraus.

Es waren im Wesentlichen die Vorschläge und Konzepte von Wirtschaftsminister Bernd Rohwer, die sich darauf bezogen, die Finanzierung und Kreditvergabe an die KMU weiter zu sichern, den Unternehmen Steuererleichterungen zu verschaffen und die Lohnnebenkosten zu senken, flexiblere Beschäftigungsmöglichkeiten zu ermöglichen und schließlich Verwaltung zu verschlanken und überbordende Bürokratie abzubauen. Ich gebe das Lob gern zurück und sage ganz deutlich: Herr Minister Austermann, es ist gut und richtig, dass diese

Schwerpunkte von Ihnen fortgesetzt und ausgebaut werden, weil das aufgrund der von mir gemachten Aussage für unser Land und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer sowie für die Anzahl an Ausbildungsplätzen von ganz besonderer Bedeutung ist.

Es geht nun darum, die mittelständische Wirtschaft weiter zu stärken. Deshalb kommt es ganz entschieden darauf an, dass die Kreditversorgung des Mittelstands gesichert ist. Am 1. Januar 2007 ist die Basel-II-Vereinbarung in Kraft getreten. Private Banken und Sparkassen müssen jetzt mehr Eigenkapital zur Absicherung von Krediten bereitstellen. Deshalb steigt für sie das Kreditrisiko. Die Folgen sind höhere Zinsen und eine vorsichtigere Kreditvergabe.

Grundsätzlich Erfreuliches zeigt die Unternehmensbefragung 2007, die die KfW-Bankengruppe und Unternehmensverbände am Mittwoch dieser Woche veröffentlicht haben: Die Unternehmensfinanzierung ist im Aufwind und erstmals profitieren auch kleine Unternehmen.

Dennoch, kleinere Unternehmen haben weiterhin Probleme, sich an die veränderten Rahmenbedingungen des Finanzmarkts anzupassen. Kleinere Unternehmen beurteilen die Beratungsqualität durch die Kreditgeber schlechter.

Die Verbesserung der Eigenkapitalquote ist nach wie vor eine Herausforderung für die kleinen und mittleren Betriebe. Sie sollten weiterhin alles daran setzen, ihr Eigenkapital zu erhöhen - zumal die gute konjunkturelle Lage nicht dauerhaft anhalten wird, wie wir wissen. Die Banken und Sparkassen sollten den Ratingprozess und die Ratingkriterien bei ihren Beratungen intensiver in den Fokus rücken.

Staatliche Maßnahmen der Mittelstandsförderung bekommen nach allem künftig noch mehr Bedeutung, wobei es dabei bleibt: Die Kreditversorgung des Mittelstandes ist die volkswirtschaftliche Aufgabe der Banken und Sparkassen im Land. Das Land unterstützt die Aktivitäten der Kreditwirtschaft und passt seine Förderinstrumente den veränderten Bedingungen an. Das ist ein Stück konkrete Wirtschafts- und Mittelstandsförderung. Dazu gehört auch die Nutzung relativ neuer Förderinstrumente, beispielsweise die Bereitstellung von Beteiligungskapital.

Die Förderinstitute des Landes haben mit neuen Produkten auf die veränderten Anforderungen und Rahmenbedingungen bei der Kreditversorgung des Mittelstandes reagiert. Keine spektakulären Strohfeuer, sondern kontinuierliche und verlässliche Förderung, die sich an der Praxis der KMU orientiert

(Bernd Schröder)

und konkret darauf gerichtet ist, die Wettbewerbskraft dieser Unternehmen zu stärken, ihnen den Markteintritt zu erleichtern und sie vor Wettbewerbsverzerrungen zu schützen.

Dies gilt insbesondere für Produkte und Dienstleistungen in den Zukunftsfeldern wie Life Science, neue Medien, Informations- und Kommunikationstechniken und Elektronik, neuen Energien, Lebensmittelverarbeitung und Gesundheitswirtschaft. Unternehmen dieser Branchen sind in Schleswig-Holstein stark vertreten, sie gelten als ausgesprochen wettbewerbstark und sie sind natürlich allesamt kleine oder mittelständische Unternehmen.

Es muss darum gehen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen sich der Mittelstand in Schleswig-Holstein weiterentwickeln kann, und es muss darum gehen, die mittelständischen Unternehmen vor Wettbewerbsverzerrungen zu schützen. Deshalb haben wir das Tariftreuegesetz ausgeweitet und deshalb setzen wir uns auch für Mindestlöhne ein.

(Beifall bei SPD und SSW)

Beim Abbau bürokratischer Hürden ist schon einiges geleistet worden, es reicht bei Weitem aber noch nicht. Bei Forschung, Entwicklung und Innovation ist auffällig, dass Schleswig-Holstein in diesem Bereich weit unterproportional beteiligt ist. Hier gibt es Handlungsbedarf.

Zur Gewährleistung der Effizienz der eingesetzten Landesmittel brauchen wir eine ständige transparente Evaluation der Förderinstrumente und einzelbetrieblichen Förderungen.

Der künftige Bedarf an Fachkräften kann nur durch rechtzeitige Ausbildung junger Menschen und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gedeckt werden. Wir werden das beim Tagesordnungspunkt demografische Entwicklung weiter vertiefen. Die Verantwortung dafür liegt bei der Wirtschaft.

Die Kooperation im „Bündnis für Ausbildung“ - ich habe es gesagt - hat sich bewährt und ist fortzusetzen.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein wichtiges Thema. Es ist gesellschaftspolitisch ein Gewinn, wenn die Fähigkeiten von Frauen und Männern in allen Bereichen gleichermaßen zum Tragen kommen.

Wir sollten die europäische Öffnung weniger als Risiko, sondern mehr als Chance begreifen. Ob deutsch-dänischer Austausch oder Integration von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Un

ternehmen aus den neuen EU-Mitgliedsländern: Wir sollten vor allem auf die Chancen schauen, die sich für Unternehmen in Schleswig-Holstein ergeben. Es gibt neue Blickwinkel und der Markt wird geöffnet. Hier können wir viel von Großunternehmen lernen, wie Lufthansa, Deutsche Bank oder Ford: je vielfältiger, desto anpassungsfähiger.

Ich sagte eingangs, dass der Mittelstand der Motor der schleswig-holsteinischen Wirtschaft ist. Wir werden und müssen verantwortungsvoll alles dafür tun, damit dieser Motor nicht anfängt zu stottern. Im Gegenteil: Im Interesse des Landes, im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im Interesse derjenigen, die Ausbildungsplätze suchen, muss dieser Motor, muss der Mittelstand elastisch, dynamisch und kraftvoll gehalten werden.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Bernd Schröder und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Neugebauer, ich will und kann und muss das Land gar nicht schlechtreden. Es ist, wie es ist, und die Menschen dieses Landes wissen, wie es um die Situation bestellt ist.

In Deutschland und in Schleswig-Holstein ist und bleibt der Mittelstand das Rückrat der Wirtschaft. Alle betonen das immer wieder in ihren Reden. Es ist nicht müßig zu wiederholen, dass nahezu alle Unternehmen in Deutschland dem Mittelstand angehören und dass mehr als drei Viertel aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse und fast 80 % aller Auszubildenden dort organisiert werden. Mehr als die Hälfte der deutschen Wirtschaftsleistung wird im Mittelstand erwirtschaftet.

Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesregierung, dass sie dies und vieles mehr in einer umfangreichen Datensammlung erneut belegt haben. Bei allen diesen Messzahlen ist der Mittelstand in Schleswig-Holstein noch stärker vertreten, weil der Anteil der Großunternehmen hier noch kleiner ist als in Deutschland insgesamt. Das mögen sich auch alle diejenigen noch einmal vergegenwärtigen, Kollege Neugebauer, die wähnen, unsere Gesellschaft befände sich im Würgegriff inter

(Bernd Schröder)

nationaler oder nationaler Großkonzerne. Diese Annahme ist schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Wirtschaftspolitik folgt daraus selbstverständlich: Wenn die Politik die wirtschaftliche Entwicklung unterstützen und fördern will, dann muss sie die Bedingungen für den Mittelstand verbessern. Deshalb zieht sich das Bekenntnis, Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein sei Mittelstandspolitik, seit Jahrzehnten durch alle wirtschaftspolitischen Debattenbeiträge aller Parteien. Aber ebenso selbstverständlich folgern die Vertreter verschiedener politischer Richtungen daraus völlig Unterschiedliches.

Wir Liberale vertrauen stärker als die meisten anderen auf die Leistungsfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit mittelständischer Unternehmen. Deshalb stehen für uns im Mittelpunkt einer sinnvollen Wirtschaftspolitik günstige Rahmenbedingungen für den Mittelstand: sicheres privates Eigentum, weitreichende Vertragsfreiheit, wenig belastende Bürokratie.

Herr Kollege Schröder, wenn Sie davon reden, man müsse den Bürokratieabbau vorantreiben, stellt sich für uns die Frage, wer die Bürokratie in der Vergangenheit aufgebaut hat. Das waren doch nicht die Unternehmen selbst, sondern das waren die, die heute sagen: Wir müssen zum Abbau beitragen.

Dazu gehört ein leistungsfähiges Bildungswesen, dazu gehört eine gut ausgebaute Infrastruktur und eine effiziente Organisation der sozialen Sicherung. Das sind die wesentlichen Pfeiler einer förderlichen Wirtschaftspolitik für den Mittelstand.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dagegen ist die einzelbetriebliche Förderung für uns kein zentrales Element erfolgreicher Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die klassische Subvention, bei der der Staat Geld an Unternehmen verschenkt, wirkt meist schädlich. Denn erst muss der Staat das Geld anderen wegnehmen, anschließend verschenkt der Staat das Geld entweder an Unternehmen, die auch ohne die Subvention bestehen könnten, oder an Unternehmen, die ohne Subvention untergingen. In beiden Fällen werden knappe Mittel verschwendet. So zwingt der Staat diejenigen, denen er das Geld für die Subvention wegnimmt, Güter und Dienstleistungen zu bezahlen, die sie gar nicht kaufen wollten. Diese Kos

ten der Subventionen überwiegen meist deren Nutzen, werden aber meist geflissentlich verschwiegen.

Selbstverständlich fallen Subventionszahlern und -empfängern immer Erklärungen ein, warum die Subvention in dem gerade betrachteten Fall unschädlich wäre. Manchmal sind diese Erklärungen sogar stichhaltig. Aber in den meisten Fällen eben nicht. Denn fast alle Subventionen schmälern die Menge der Waren und Dienstleistungen, die eine Gesellschaft herstellt. Dann geht es vielen Menschen schlechter, als es ihnen ohne die Subventionen ginge.

Auch die Zahlen sprechen gegen die einzelbetriebliche Förderung: So hat das Land 2006 gut 240 Millionen € dafür ausgegeben. Damit sollen nach Angaben der Landesregierung fast 800 Millionen € Investitionen ausgelöst und über 23.000 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen worden sein. Dies bedeutete, dass 1 € Landessubvention fast 3 € betriebliche Investitionen auslösen würde. Das ist unrealistisch. Um die förderliche Wirkung der Subventionen zu ermitteln, muss verglichen werden, wie viel ohne Förderung investiert worden wäre.

Wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass der Großteil der betrieblichen Investitionen auch ohne Subventionen getätigt würden selbstverständlich nicht unbedingt in den Unternehmen, die subventioniert werden. Gehen wir einmal davon aus, dass die Subventionen die Investitionen wenigstens um den Subventionsbetrag steigern, dann hätte die einzelbetriebliche Förderung mit gut 240 Millionen € einen Anteil von etwa 2 % an den über 11 Milliarden € Investitionen in SchleswigHolstein gehabt. Da sich die einzelbetriebliche Förderung ungefähr auf dem Niveau der Vorjahre bewegte - Kollege Schröder hat ja darauf hingewiesen, dass sich da kaum etwas verändert hat -, kann sie zu einer höheren Investitionsdynamik kaum etwas beigetragen haben.

Wer sich also hier hinstellt und behauptet, der gegenwärtige Aufschwung in Schleswig-Holstein beweise den Erfolg der hiesigen Förderpolitik, liegt meines Erachtens völlig falsch.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)