Protokoll der Sitzung vom 12.10.2007

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der gegenwärtige Aufschwung in Deutschland und in Schleswig-Holstein wurde ausgelöst durch den lang andauernden Aufschwung der Weltwirtschaft, und zwar mit einer langen Verzögerung. Die Förderpolitik des Bundes und der Länder hat am Aufschwung kaum einen Anteil, denn die Förderpolitik hat sich ja seit dem Beginn des Aufschwunges 2005 nicht verändert. Mit einzelbetrieblicher Förderung

(Wolfgang Kubicki)

wurde noch nirgendwo auf der Welt ein Aufschwung herbeisubventioniert noch eine Wachstumsschwäche beseitigt, im Gegenteil: Möglicherweise ist die Förder- und Subventionspolitik von Bund und Ländern sogar mitverantwortlich dafür, dass es so lange gedauert hat, bis der Boom der Weltwirtschaft auch den Warenexportweltmeister erreicht hat.

(Beifall bei der FDP)

Wenn wir uns einmal den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen angucken, dann sagen uns heute alle, auch die damals Verantwortlichen in NordrheinWestfalen - denken Sie nur an Sozialdemokraten wie Herrn Rau, der bedauerlicherweise verstorben ist, oder Herrn Steinbrück -: Wenn wir den Strukturwandel stärker in Anspruch genommen und die Kohle nicht weiter so hoch subventioniert hätten, wie wir es getan haben, wäre Nordrhein-Westfalen heute weiter, als es gegenwärtig ist.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus all diesen Gründen halten wir einzelbetriebliche Förderung für kein sinnvolles Instrument der Wirtschaftspolitik und haben dies auch in unseren Änderungsanträgen zum Haushalt untermauert.

Vielleicht eine kleine Begebenheit am Rande: Während eines Golfspiels bin ich von jemandem aus Nordrhein-Westfalen darauf angesprochen worden, dass er es für einen ausgemacht guten PR-Gag hält, dass in Schleswig-Holstein die Verbesserung des Plops einer Flasche mit 1,6 Millionen € subventioniert wurde. Er hat das so gesagt: Das sei ein wunderbarer PR-Gag, aber dass das sinnvolle Wirtschaftspolitik sei, könne er mit Sicherheit nicht so im Raum stehen lassen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Der kennt das Bier nicht!)

- In seinem Golfklub wird Flensburger Pils getrunken, Herr Landtagspräsident. Das hat er ausdrücklich gesagt. Aber dass die Verbesserung des Plops eine Innovationsleistung sei, die man mit 1,6 Millionen € beglücken müsse, sei mehr PR als dass es tatsächlich Investitionspolitik sei.

Viel besser als mit Subventionen könnte dem Mittelstand geholfen werden, wenn der Staat weniger regeln würde. In der letzten Sitzung des Finanzausschusses beispielsweise stellte der Finanzminister klar, dass die derzeit zwischen Bund und Ländern diskutierten Pläne zur Reform der Erbschaftsteuer unser Steuerrecht noch komplizierter machten. Ich empfehle wirklich allen einmal, mit Steuerberatern

und Wirtschaftsprüfern zu reden, wie unsere mittelständischen Unternehmen darunter leiden, darüber, dass sie Probleme bei der Anwendung des Steuerrechts haben, und darüber, wie teuer das wird, wenn sie die entsprechenden Berater bezahlen müssen, um überhaupt durch die Gesetzesmaterie durchdringen zu können.

(Beifall bei der FDP)

Mittelstandsfreundlich, Kollege Schröder, ist das nicht. Das muss man den Sozialdemokraten sagen, weil die diese Vorstellungen im Bund entwickelt haben. Eine altersbedingte Unternehmensübergabe wird nicht einfacher, wenn die Übernehmenden in ihrer unternehmerischen Gestaltungsfähigkeit für die folgenden zehn Jahre von Staats wegen eingeschränkt werden. Fällt die Wirtschaft in dieser Zeit in eine Rezession, gibt es für viele Unternehmen manchmal keine Alternative dazu, Arbeitsplätze abzubauen, um das Unternehmen erhalten zu können. Wenn sie das tun, werden sie zusätzlich zu ihrer wirtschaftlichen Situation mit einer Erbschaftsteuerforderung belastet, die dann auch noch regelmäßig aus dem Betriebsvermögen bedient werden muss.

Das heißt, die Kopplung der Erbschaftsteuerreduzierung an die Beschäftigtenzahl über einen Zeitraum von zehn Jahren macht die Betriebe handlungsunfähig. Diese Erwartung allein wird von vornherein die Neigung von Mittelständlern senken, in guten Zeiten neue Arbeitsplätze aufzubauen, wenn eine Unternehmensübergabe bevorsteht. Und wir befinden uns in einer Phase, in der viele Unternehmensübergaben an den Markt kommen.

Folglich würde der Staat mit seiner Absicht, bestehende Arbeitsplätze zu sichern, dafür sorgen, dass es weniger Arbeitsplätze gibt. Das wäre ein klassischer Fall fehlgeleiteter Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Leistungen der Menschen im Mittelstand, der Unternehmer und der Beschäftigten, sind die Grundlage des Wohlstands unserer Gesellschaft. Je dynamischer sich der Mittelstand entwickeln kann, desto besser geht es uns und desto mehr gibt es zu verteilen. Deshalb sollten wir dafür arbeiten, die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen des Mittelstandes zu lockern, damit unser Mittelstand dynamischer agieren kann. Lassen wir die Menschen doch einfach arbeiten, ohne dass wir sie dauernd mit neuen Gesetzesvorhaben, mit neuen Richtlinien, mit neuen Erlassen beglücken.

(Beifall bei der FDP)

(Wolfgang Kubicki)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Kubicki und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir kommt es manchmal so ein bisschen vor wie in der Europapolitik, nämlich dass alle Fraktionen hier im Haus den Mittelstand in der Wirtschaft bedeutend finden. Wir unterscheiden uns natürlich in einigen Details. Aber auch meine Fraktion sagt: Das ist ein großer Vorteil unserer Wirtschaftsstruktur. Wir hatten ja auch schon andere Phasen, Herr Minister Austermann, in denen es auf Bundesebene bergab ging - zum Beispiel, weil die Kfz-Industrie schlecht lief - und sich unsere Struktur als stabiler erwies als die Bundesstruktur.

Der Mittelstand ist und bleibt das wirtschaftliche Rückgrat von Schleswig-Holstein. Diese hohe Bewertung bezieht sich auf die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Der Mittelstand stellt in Schleswig-Holstein 77 % davon zur Verfügung. Bei der Zahl der Ausbildungsplätze liegt die Mittelstandsquote sogar bei 83 %. Dabei wird die EU-Definition der KMUs angewendet, als Unternehmen bis 249 Beschäftigte und jährlicher Umsatz bis zu 50 Millionen €. Im westdeutschen Durchschnitt arbeitet circa ein Drittel der Beschäftigten in großen Betrieben, in Schleswig-Holstein sind das nur 23 %. Das zeigt den Unterschied, aber auch die Bedeutung der mittleren und kleinen Betriebe bei uns im Land.

Die inhaltliche Wertschätzung des Mittelstandes liegt bei dem konkreten Unternehmertum mit der Einheit von Verantwortung, Risiko, Eigentum und Haftung. Oft haben wir es bei familiär geführten Unternehmen mit besonderen Beziehungen zu den Beschäftigten zu tun. Das darf man auch nicht vergessen.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Ich habe mit so manchem Unternehmer, der in Schwierigkeiten geriet, gesprochen und weiß, wie diesen Menschen die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern - sie sagen „meine Mitarbeiter“ - am Herzen liegt. Das sagt ein Heuschreckenunternehmen nicht.

Die Antworten der Landesregierung beschreiben eine aktuelle gute Stimmung bei kleinen und mittle

ren Unternehmen. Belegt wird das durch den Konjunkturklimaindex der IHK Schleswig-Holstein. Aus grüner Sicht gibt es bei Verbesserungen der Perspektiven des Mittelstandes sechs zentrale Handlungsfelder. Es geht zunächst um eine bessere Kreditversorgung zu mittelstandsfreundlichen Konditionen. Es geht um Steuererleichterungen. Hinzu kommen der Abbau von Lohnnebenkosten, flexible Arbeitsmärkte und der Abbau bürokratischer Hemmnisse.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Besonders wichtig für uns Grüne ist eine Innovationsförderung, die ressourcensparendes und energieverbrauchsoptimiertes Wirtschaften unterstützt.

Die ausreichende Kreditversorgung für die KMUs ist und bleibt ein echtes Problem. Es kann nicht alles mit Basel II erklärt werden. Sosehr die Ratings den kleinen Unternehmer nerven können - es ist ein sinnvolles Instrument, auch um dem Unternehmer den Spiegel vorzuhalten: So ist deine Situation; da musst du etwas tun, um dich zu verbessern.

Die gesamte Kreditwirtschaft befindet sich zurzeit im Umbruch. Auch die Kreditwirtschaft ist durch Börsenentwicklungen, Zusammenschlüsse und die aktuelle Immobilien- und Finanzkrise gebeutelt und agiert vorsichtiger. Umso wichtiger ist es, dass die Sparkassen den Mittelstand vor Ort unterstützen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher werden wir weiterhin unsere Politik der Stärkung und der Unterstützung der Sparkassen in Schleswig-Holstein fortsetzen.

Die vielfältigen Existenzgründer und Mittelstandsprogramme des Landes sind weiter optimiert worden. Das muss anerkannt werden. Bei unseren Betriebsbesuchen im Land wird die Förderlandschaft in Schleswig-Holstein gerade für innovative Betriebe immer gelobt. Allerdings hat der Kollege Kubicki bei der Förderpolitik den Finger schon in die Wunde gelegt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Auf den Ver- schluss!)

- Da hat er völlig recht gehabt. Ich habe auch noch etwas zu dem Plop-Verschluss aufgeschrieben.

Wichtig ist die Zusammenarbeit mit den Hausbanken der Unternehmen. Die haben in der Regel keinen Anreiz, Förderprogramme für die KMUs zu erarbeiten und beratend mitzuhelfen, wenn sie daran nichts verdienen und Kredite nur durchlaufen.

Die Innovationsbank des Landes übernimmt bei kleineren Kreditbedarfen die Funktion der Haus

bank. Das ist gut so. Neben der IB leisten die Bürgschaftsbanken und die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften eine gute Arbeit für den Mittelstand. Ich nenne beispielhaft das Instrument BoB, Bürgschaft ohne Bank, wo nach einer Vorprüfung durch eine Bürgschaftsbank ein potenzieller Kreditnehmer mit der erhaltenen Bürgschaftszusage an seine Hausbank herantritt und dadurch bessere Karten hat. Ich habe selber einige junge Unternehmen dabei begleitet und weiß, dass das häufig ein schwieriges Geschäft ist. Sie haben gute Ideen. Das aber in Existenz und stabiles Wirtschaften umzusetzen, ist ihnen häufig nicht in die Wiege gelegt.

Das großen Interesse der grünen Landtagsfraktion gilt vor allen Dingen der Senkung der Lohnnebenkosten. Die kleinen und mittleren Unternehmen haben einen deutlich höheren Personalkostenanteil als Großbetriebe. Deshalb werden sie von der Senkung der Lohnnebenkosten am meisten profitieren. Der Produktionsfaktor Arbeit muss bei den Kosten für die sozialen Sicherungssysteme drastisch entlastet werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Lohnnebenkosten von 40 % gleichen einer Strafsteuer für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, einer Strafsteuer auf Beschäftigung. Auch wenn die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgesenkt wurden, muss doch zur Kenntnis genommen werden, dass die Beiträge zur Rentenversicherung wie zur Krankenversicherung gestiegen sind. Mehrwertund Ökosteuer sind zur Gegensteuerung von Sozialabgaben geeignet. Sie sind dazu noch außenhandelsneutral. Wir Grünen haben in aller Stille mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen können, dass die Ökosteuern von der Großen Koalition nicht abgeschafft wurden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bedenkt man, dass sich die Bundeskanzlerin bei der Einführung der Ökosteuer mit einem Tankstellenschlauch um den Hals hat fotografieren lassen, als würde sie aufgehängt werden - solche Plakate hat es damals gegeben -, hätte die Große Koalition auf Initiative der CDU sofort radikal alle Ökosteuern abschaffen müssen. Sie sind aber nicht um einen Cent abgesenkt worden.

Einen Abbau von bürokratischen Belastungen für den Mittelstand kann ich nur unterstützen. Wir brauchen transparente, effektive und zügige Genehmigungsund Zulassungsverfahren, ohne dass Sorgfalt, Sicherheit und Umweltschutz auf der Strecke bleiben. Auch die Befreiung von statistischen Berichtspflichten ist ein Dauerthema, bei

dem es echte Forschritte geben muss. Die grundsätzliche Verlagerung von diesbezüglichen Aufgaben, die ansiedlungs- und genehmigungsrelevant sind, auf die untere kommunale Ebene ist nicht immer produktiv. Sprechen Sie einmal mit den Antragstellern. Diese sind hochzufrieden, wenn zum Beispiel Antragsverfahren von den staatlichen Umweltämtern zentral begleitet werden.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es sollte nicht so sein, wie es Herr Hentschel neulich dargestellt hat, dass ein Unternehmer im Bereich der Wirtschaftsförderung zu zwölf Bürgermeistern geführt wird, mit denen er sich dann im Einzelnen auseinandersetzen soll.

Ich komme noch einmal auf die Förderung zurück. Herr Kubicki hat schon darauf hingewiesen, dass eine einzelbetriebliche Förderung keinen Sinn macht. Ich kann es mir nicht verkneifen, an dieser Stelle noch einen Punkt anzusprechen. Ich beziehe mich hier auf den berühmten Plop. Da fördert der Wirtschaftsminister Austermann die Entwicklung eines neuen Bügelflaschenverschlusses für die bekannte Bierflasche der Flensburger Brauerei mit 1,5 Millionen € aus dem Programm „Betriebliche Innovationen“. So ist es einer Pressemitteilung zu entnehmen. Dieses Thema ist in der Presse dann vielfach diskutiert worden. Es geht um einen neuen Bügelverschluss mit optimierten Eigenschaften hinsichtlich Funktionalität, Lebensdauer und Qualität. Die Fachhochschule Flensburg ist bei diesem Projekt eingebunden. Es wird gesagt, wir hätten es hier mit einer innovativen, praxisorientierten Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft zu tun.