Protokoll der Sitzung vom 12.10.2007

Meine Damen und Herren, das sind die Rahmenbedingungen, über die wir reden. Wir wollen mit diesem Antrag rechtzeitig auf sie aufmerksam machen und eine Diskussion einleiten.

(Minister Dietrich Austermann)

Natürlich kann ein solcher Antrag nicht alle Maßnahmen, die ab 2008 erfolgen sollen in ihrer Konkretheit enthalten. Ich darf Ihnen erfreulicherweise mitteilen, dass gestern im Bundestag ein Antrag der Grünen mit nahezu der gleichlautenden Zielrichtung behandelt wurde. Dieser Antrag ist noch umfangreicher und von daher bedeutet das, dass wir auf Bundesebene und Landesebene die gleichen Punkte diskutieren können.

Erwähnen möchte ich auch, dass wir nicht über einen europäischen Forschungsraum diskutieren können, ohne nicht auch gleichzeitig den europäischen Hochschulraum ins Auge zu nehmen. Von daher glaube ich, dass das Hochschulgesetz in einigen Jahren von der Opposition wesentlich anders beurteilt wird, als es zurzeit von ihr getan wird.

Lange Rede, kurzer Sinn, meine Damen und Herren: Wir wollen auf diese Problematik aufmerksam machen. Es muss früh damit angefangen werden, darüber zu diskutieren. Das wollen wir im Europaausschuss und im Bildungsausschuss tun. Deshalb bitte ich um Überweisung.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Niclas Herbst und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Rolf Fischer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Niclas Herbst hat die Rahmenbedingungen benannt, hat im Grunde die Dinge gesagt, die wir mit dem Antrag anstoßen wollen. Wir wollen in die Diskussion hineinkommen. Lassen Sie mich mich deshalb auf wenige Punkte beschränken.

Mehrere Hunderttausend Wissenschaftler in Europa fehlen. Um erfolgreich am weltweit existierenden Wettbewerb von Technologie und Wissenschaft teilnehmen zu können, müssen wir Nachwuchsschulung betreiben. Wenn wir die immer wieder geforderte Entwicklung hin zur europäischen Wissensgesellschaft umsetzen wollen, brauchen wir eine neue Dynamik.

Wir wollen nicht nur einen ökonomischen Binnenmarkt, wir wollen auch einen neuen Binnenmarkt für Forschung und Wissenschaft in Europa mit dem Ziel, auch regionale Forschungsprogramme und Strategien zu initiieren und zu fördern.

Noch immer gilt aber europaweit: Forscher stoßen auf bürokratische Hindernisse, die ihrer beruflichen Entwicklung im Weg stehen. Unternehmen finden

es schwierig, Partnerschaften übrigens auch grenzüberschreitend - mit Hochschulen aufzubauen. Die europäische, die nationale und damit auch die regionale Forschungsfinanzierung sind noch besser zu koordinieren und abzustimmen.

Schleswig-Holstein ist aber Teil des europäischen Forschungsraumes und deshalb werden wir auch neue Wege aufzeigen, die wir auf der Grundlage dieses Grünbuches entwickeln können.

Ich möchte mich an dieser Stelle auf einen Punkt beschränken. Es gibt zurzeit 41 Partnerschaften schleswig-holsteinischer Universitäten mit Hochschulen in Europa, Asien und den USA. Diese Partnerschaften im Sinn einer kontinuierlichen und abgestimmten Wissenschaftsinitiative zu gestalten und eventuell mit europäischen Mitteln zu fördern, das wäre eine Chance, unseren regionalen Forschungsrahmen stärker international und europäisch zu öffnen. Vorstellbar wäre, die Universitäten unserer Partnerregionen in Dänemark, Polen, Schweden und Russland in ein solches Konzept einzubinden.

Im übrigen unterstützt das Grünbuch diese wissenschaftliche Zusammenarbeit und schafft auch über das 7. Forschungsrahmenprogramm Anreize, solche übernationalen Wissenschaftskooperationen auf den Weg zu bringen. Das gilt insbesondere auch für die Spitzenforschung. Basis für eine solche Zusammenarbeit wäre daher auch unser Exellenz-ClusterProjekt „Future Ocean“, das wir noch stärker auf der europäischen Ebene einbringen sollten.

Mit dem vorliegenden Antrag gehen wir also wichtige Schritte im Auf- und Ausbau des europäischen Forschungsraumes. Schleswig-Holstein wird und will seine Chancen nutzen und wir sollten nach der Abschlussdebatte, der Diskussion im Bildungsausschuss und im Europaausschuss, eng kooperieren und sehen, dass wir uns vielleicht in einiger Zeit, wenn auf europäischer Ebene der Konsultationsprozess abgeschlossen ist und wir in den Ausschüssen die Debatten geführt haben, zu diesem Thema noch einmal zusammenfinden, sodass wir sagen können, welche Konsequenzen aus dem Anstoß, den dieser Antrag geben soll, für uns erwachsen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und schenke Ihnen 1:15 Min Redezeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Rolf Fischer. - Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug.

(Niclas Herbst)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Vorankommen des europäischen Forschungsraumes ist ein wichtiges Thema, mit dem wir uns in der Tat im Ausschuss etwas vertiefend werden befassen müssen. Ich möchte hier nur zwei Anmerkungen machen, um auch einmal auf kritische Entwicklungen und Verhältnisse hinzuweisen.

Zum einen die Lissabon-Strategie, das Ziel, bis zum Jahr 2010 einen Anteil von 3 % des Bruttoinlandsproduktes in den EU-Ländern für Forschung und Entwicklung auszugeben: In der Tat sind wir weit weg von diesem Ziel. In Deutschland haben wir zur Zeit etwa 2,5 % erreicht. Das verteilt sich zu etwa einem Drittel auf staatliche Geldgeber, Bund und Länder, und zu zwei Drittel auf Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen der Wirtschaft. Wenn man allein den staatlichen Anteil auf einen Level erhöhen wollte, der erforderlich wäre, um das 3-%-Ziel zu erreichen, müssten Bund und Länder jährlich 5 Milliarden € mehr in Forschung und Entwicklung investieren.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Damit habe ich nur eine Zahl genannt, die auch deutlich macht, wie weit wir in der Tat von dem selbst gesetzten Ziel entfernt sind.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zum anderen der Bologna-Prozess, also die Einführung der neuen Studienstrukturen Bachelor und Master: Wenn man dies noch zu einem Erfolg führen will - es ist fast schon fünf Minuten vor zwölf in dieser Sache -, dann darf man die Fehlentwicklungen, die wir hier überall beobachten können, einfach nicht übersehen. Man muss da konsequent gegensteuern. Die Einführung dieser neuen Studienstrukturen krankt in Deutschland an einer schematischen, bürokratischen, konzeptionell vermurksten Form der Implementierung dieses Bologna-Prozesses. Es ist Planwirtschaft pur, die Akkreditierungsprozeduren sind monströs teuer; es entsteht damit eine neue Hochschulbürokratie und es verschluckt enorm viel Geld. Genauso schlimm ist: Statt wirklich einen gemeinsamen Hochschulraum einzuführen, entstehen vielfach an den Hochschulen - gerade in Deutschland - eingezäunte Kleingärten, wo sich Hochschulen voneinander abschotten.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Das heißt, es werden neue Mobilitätshürden aufgebaut, weil Bachelor-/Master-Konzepte nicht miteinander kompatibel sind.

Wir haben vor Kurzem im Bildungsausschuss, in der vorletzten Sitzung, erfahren, dass beispielsweise die Universität Flensburg ihr Lehrerbildungsmodell, das sie vor zwei Jahren angeleiert hat, praktisch in die Tonne werfen kann, und dass ab 2009 ein neues Bachelor-/Master-Konzept entwickelt werden soll. Die Lösungsansätze, die die beiden zuständigen Minister, Herr Austermann und Frau Erdsiek-Rave, angedeutet und dem Ausschuss vorgestellt haben, sind schon kurios, nämlich dass der Mastergrad erst dann verliehen wird, nachdem sich jemand, der an der Universität studiert hat, eine bestimmte Zeitlang im Vorbereitungsdienst fehlende Creditpunkte geangelt hat. Das ist ungefähr so, als ob Sie einem angehenden Mediziner, einem Arzt, seine Approbationsurkunde erst dann verleihen, wenn er schon ein Jahr lang im Krankenhaus als Assistenzarzt gearbeitet hat. Vieles ist einfach so schief und unstimmig, dass man nur staunen kann.

Erst kürzlich hat beispielsweise der AstA der Universität Kiel davor gewarnt, dass es in dem bevorstehenden Wintersemester wegen der jetzt im großen Stil anstehenden Einführung der neuen Bachelor-/Master-Studiengänge zu einem regelrechten Chaos in der Organisation der Studiengänge kommen könnte. In der letzten Woche waren zwei Vertreter, der Vertreter der Jusos und die Vertreterin der grünen Hochschulgruppe, noch bei mir und haben mit konkreten Einzelbeispielen beschrieben, wie schwierig jetzt unmittelbar vor Beginn des Wintersemesters die Situation an der Uni ist, weil in der Frage der Beratung der Studenten in den Fächern und Instituten vielfach totale Ratlosigkeit vorherrscht.

Hier gilt es wirklich, ein ganzes Bündel von Problemen in den Griff zu bekommen, sonst steht uns hier - ich sage das noch einmal - das größte hochschulpolitische Desaster der deutschen Nachkriegsgeschichte bevor. Wir sollten als Parlament alles tun, was wir können, um eine solche Entwicklung zu verhindern. Ich denke, alles Weitere zu diesem Thema sollten wir dann im Ausschuss beraten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird oft geklagt, die deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wanderten in Scharen in die USA aus, weil hier als Nachwuchstalent nur Stellen für fünf Jahre zu bekommen wären. Nun schreibt das „Managermagazin“, es gebe eine Trendwende. 85 % der in die USA ausgewanderten Fachleute in der Wissenschaft würden wieder nach Deutschland zurückkommen und es gäbe auch wieder attraktive Stellen. Mal sehen, ob das Magazin Recht hat.

Auch wenn die eben von Herrn Dr. Klug beschriebenen Defizite bestehen, dass wir viel zu wenig Geld für den wissenschaftlichen Nachwuchs ausgeben, müssen wir immerhin doch festhalten: Deutschland hat unter den EU-Staaten die meisten Patentanmeldungen, wir stehen da direkt hinter den USA und wir haben auch zum europäischen Forschungsraum etwas beizutragen.

Ich habe mir einmal das Grünbuch etwas näher angeschaut, auf das sich die Koalitionsfraktionen mit ihrem allgemeinen Antrag beziehen. Ein Ziel davon hätte ich gern in unserem Antrag wiedergefunden. Das Grünbuch schreibt, dass neben den angestrebten wissenschaftlichen Spitzenleistungen die europäische Forschung den Fortschritt und die Verbreitung des Wissens unterstützen und Strategien für die nachhaltige Entwicklung in den Bereichen untermauern soll, wichtige Anliegen, die die Allgemeinheit betreffen wie Gesundheit, Energie- und Klimawandel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier wird also ein richtiger Forschungsinhalt festgelegt. Das ist für Europa neu und das finde ich gut.

Es wird außerdem auch etwas über das Thema Demokratie und Forschung gesagt. Es soll nämlich nach neuen Möglichkeiten gesucht werden, wie die breite Öffentlichkeit bei der Festlegung, Durchführung und Bewertung von Forschungsplänen eingebunden und ein sehr verantwortungsvoller wissenschaftlicher und technologischer Fortschrift gefördert werden kann. Denn Sie wissen, dass oft wichtige, milliardenschwere Entscheidungen hinter geschlossenen Türen gefällt werden. Ich finde, es ist sehr löblich, dass die EU zumindest hier umdenkt.

Es wird außerdem festgehalten, dass der Anteil von Frauen in der Forschung erhöht werden muss und dass konkrete Maßnahmen zu unterstützen sind. Das ist in Ihrem Antrag auch wiederzufinden. Das unterstützen wir ausdrücklich.

Aber wir geben auch zu bedenken, dass manches, was hier angedacht wird, durchaus nicht ohne Weiteres auf ungeteilte Gegenliebe stößt. Es steht nämlich in dem Grünbuch, dass die Forscher ihre Forschungsetats, die sie zum Beispiel hier bekommen, mit denen sie auch Nachwuchsforscher beschäftigen und mit denen ganze Institute ausgestattet werden, international mitnehmen. Man stelle sich vor, unsere Spitzenmediziner an der Medizinischen Fakultät würden die Entzündungsforschung mal eben Huckepack in ein anderes Land Europas mitnehmen. Ich glaube, das würde hier auf geteilte Zustimmung stoßen. Insofern finde ich diesen Punkt des Grünbuchs durchaus überdenkenswert.

Verständlich ist, dass sich das Grünbuch auch insbesondere um die soziale Sicherung der Nachwuchsforscher Gedanken macht und hier noch Defizite sieht. Es lohnt sich leider im Augenblick oft noch nicht, wenn Wissenschaftler in verschiedenen Staaten forschen und lehren oder ihre Doktorarbeit machen, weil sie die Ansprüche, die sie dort für ihren späteren Ruhestand sozial erwerben, nicht immer ohne Weiteres mitnehmen können.

Ganz zentral beziehe ich mich aber auf das Thema Schnittstelle zwischen europäischem und außereuropäischem Forschungsraum. Hierzu ist dankenswerterweise in dem Grünbuch auch ausgeführt, dass er sehr wichtig ist. Die Zusammenarbeit mit unseren direkten Nachbarn, die noch nicht in der EU sind, aber insbesondere auch mit Entwicklungsländern.

Da komme ich auf etwas zu sprechen, was ich Ihnen nur empfehlen kann: Gucken Sie sich das genau an. Unser Bundesinnenminister hat jetzt wieder neue Richtlinien herausgegeben, die auch die Thematik der Nachwuchsforscher und der Studierenden betreffen. Da kann ich nur sagen: Die Grenzen müssen sich dem internationalen Forschungsaustausch öffnen; das Gegenteil ist der Fall. Wer als Promovierender aus einem außereuropäischen Land seine Promotion machen will oder einen Teil seiner Promotion hier, weil er zum Beispiel in besonderen Dokumenten oder an besonderen Instituten forschen will, der schafft es praktisch nicht, nach Deutschland zu kommen. Die Hürden sind dermaßen hoch, da ist noch viel zu tun, da müssen wir vor unserer eigenen Haustür kehren. Das ist sicher auch für andere europäische Länder ein Thema, aber besonders für uns.

Wenn wir uns auch mit diesem Thema im Fachausschuss beschäftigen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Hier muss ein Signal ausgesendet werden, dass wir nicht nur auf das Grünbuch vertrauen und

allgemeine Anträge verabschieden, sondern dass wir auch konkret etwas tun.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Frau Abgeordneter Birk. - Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Idee des europäischen Forschungsraums geht auf die Zeit von vor 30 Jahren zurück. In den 70erJahren prägte ihn der damalige Forschungskommissar Ralf Dahrendorf mit dem Ziel, die Vernetzung der Maßnahmen zwischen Mitgliedstaaten und Europäischer Kommission im Bereich Forschung und Entwicklung voranzubringen. Der Europäische Forschungsraum soll mit anderen Worten einen Binnenmarkt für die Forschung schaffen, um die gesamteuropäische Zusammenarbeit und Koordination von nationalen Forschungsaktivitäten zu stärken.

Ein weiterer Meilenstein zur Umsetzung dieser Vision war die sogenannte Lissabon-Strategie. Kernpunkt dieser Strategie - Sie wissen es, liebe Kolleginnen und Kollegen - ist die Absichtserklärung, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3 % des Bruttoinlandsproduktes steigen sollen. Neben den Ausgaben für Forschung und Entwicklung ist das Personal in diesen Bereichen der wichtigste Indikator für den Input von Forschung und Entwicklung, der in einem Land oder einem Sektor der Forschungslandschaft geleistet wird. Eine Steigerung der Mittel für Forschung und Entwicklung bedingt auch eine Steigerung der in diesem Bereich tätigen, hoch qualifizierten Personen.

Ich hebe diese beiden Punkte hervor - die Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung und die effizientere Nutzung des vorhandenen Begabungspotenzials -, weil sie fast schon ein Symbol dafür sind, dass die Idee eines europäischen Forschungsraums erst dann Wirklichkeit wird, wenn mehr Geld und mehr Ressourcen in diesen Sektor hineinfließen. Da reicht es eben nicht, dass Bund und Länder im Dezember 2006 in einer gemeinsamen Vereinbarung das Ziel, 3 % des Bruttoinlandsproduktes in Forschung und Entwicklung zu investieren, noch einmal bestätigen.

Konkret bedeutet dies aus Sicht des SSW, dass an dem Fundament für einen europäischen For