Durch die allgemeine Finanznot zur Suche nach etwaigen Einsparmöglichkeiten gezwungen, entdecken deshalb immer mehr Sozialhilfeträger den Bereich der Bestattungskosten als Möglichkeit der Kostenminderung.
Da gleichzeitig die Zahl derjenigen Menschen rapide zunimmt, die zur Übernahme der Kosten für die Bestattung eines verstorbenen Angehörigen nicht in der Lage sind, erreicht das Problem der sogenannten Sozialbestattung eine bislang nicht gekannte Dimension. Wenn aber Fälle bekannt werden, dass Urnen über Monate hinweg in Krematorien oder der Gerichtsmedizin unbestattet verwahrt oder die Toten in Kühlhäusern über die in § 16 des Bestattungsgesetzes festgeschriebenen Fristen aufbewahrt werden, bis eine Entscheidung über die Kostenübernahme gefallen ist, dann kann von einer postmortalen Menschenwürde nicht mehr die Rede sein. Das geht mittlerweile in einigen Kommunen so weit, dass Bestattungsunternehmen die Durchführung von Sozialbestattungen ablehnen, da sie die Erfahrung machen müssen, dass die zuständigen Sozialämter die Kosten später doch nicht erstatten.
Der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegte Berichtsantrag nimmt mit seinen konkreten Forderungen in zwei Bereichen das Ergebnis des Berichtes bereits vorweg, ohne die Ergebnisse abzuwarten. Insofern wäre es sinnvoller, einen Schritt nach dem anderen zu machen, bevor entsprechende Initiativen oder Gesetzesänderungen vorgenommen werden sollen.
Ein Beispiel ist die Forderung der Grünen, die für die eigene Bestattungsvorsorge vorgesehenen Vermögens- und Einkommensanteile nicht anzurechnen.
Bereits im Februar hat das OLG Schleswig entschieden, dass der dem Bedürftigen zustehende Betrag aus einer Sterbegeldversicherung als Schonvermögen anzusehen ist, wenn dieses Geld für eine angemessene Bestattung bestimmt ist. Insoweit ist keine Bundesratsinitiative, sondern eine einheitliche Rechtsanwendung durch die Sozialhilfeträger notwendig. Aus diesem Grund sollte zunächst einmal ein Bericht über die tatsächliche Durchführung von Sozialbestattungen in Schleswig-Holstein abgewartet werden.
Abschließend kann ich ein Beispiel aus eigener Erfahrung anführen: Ein ehemaliger Kollege von mir - alleinstehend und ohne Verwandte - hatte ein gewisses Vermögen in fünfstelliger Höhe. Er verstarb und dann hat der Staat, der als Erbe eintrat, eine Beerdigung in Niedersachsen angestrebt, um von dem Vermögen möglichst viel für die eigene Gemeindekasse abzuzweigen. Das ist meiner Meinung nach sehr beschämend. Es ist mir mithilfe vieler
Kollegen gelungen, die Kommune dazu zu bringen, dass unser Kollege letztlich doch in seinem Umfeld bestattet werden konnte.
Ich danke Herrn Abgeordneten Hildebrandt und erteile für den SSW dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für viele Menschen ist die Vorsorge einer würdevollen und angemessenen Bestattung eine Herzensangelegenheit. Ich gebe zu: Für mich und meine Generation scheint das befremdlich, aber dennoch respektiere ich die Bemühungen um eine individuelle Bestattung.
Die von der damaligen rot-grünen Bundesregierung verabschiedeten Hartz-Gesetze respektieren genau das nicht. Denn bis auf ein winziges Schonvermögen müssen Arbeitslose alle privat geleisteten Vorsorgemaßnahmen auflösen - also Riester-Rente, Lebensversicherung und so weiter -, bevor sie Anspruch auf Hartz IV erlangen.
Durch die Abschaffung des Sterbegeldes - übrigens genau ein Jahr vor dem Inkrafttreten der Hartz-Gesetze - müssen die Kosten der Bestattung zukünftig selbst erbracht werden. Aus diesem Grunde haben viele Menschen zum Beispiel eine Sterbeversicherung abgeschlossen. Genau diese Versicherung geriet in den Blick der Sozialkassen.
Mit der Frage, inwieweit die Sterbeversicherung ebenfalls heranzuziehen sei, beschäftigte sich im letzten Jahr das Oberlandesgericht Schleswig. Wie auch die Vorinstanz kamen die Schleswiger Richter zu dem Schluss, dass die private Vorsorge für den Todesfall dem Schonvermögen anzurechnen sei. Die Mittel, die dem Betroffenen aus seiner Sterbegeldversicherung im Falle einer Vertragsbeendigung zustünden, unterlägen nicht dem sozialhilferechtlich geforderten Vermögenseinsatz. Das sei eine unzumutbare Härte, die der Gesetzgeber zwar nicht explizit genannt, aber durchaus gemeint habe. Schließlich erwachse das Recht, bereits zu Lebzeiten über die eigene Bestattung zu bestimmen, aus Artikel 2 des Grundgesetzes, wonach das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert sei. Die örtlichen Träger der Sozialhilfe halten sich daran, wie aus der Antwort der Kleinen Anfrage der
Was uns hier beschäftigt, ist einmal mehr die ganze Widersinnigkeit der Hartz-Gesetze: Obwohl die Bundesregierung die private Vorsorge als einen unverzichtbaren Standbein der Alterssicherung propagiert, muss genau diese Vorsorge dran glauben, wenn es um Hartz IV geht. Wer also im Alter von Anfang oder Mitte 50 Hartz-IV-Empfänger wird, muss eventuell umziehen, seine Versicherungen kündigen und wird trotzdem bis zum Lebensende am Existenzminimum leben müssen, weil er kaum Aussichten auf einen Job hat. Dass er dann auch noch um eine anständige Bestattung fürchten muss, ist der Entwürdigung letzter Akt.
Da die Hartz-Gesetze in absehbarer Zukunft weiterhin Bestand haben werden - und ich fürchte, die inzwischen unübersichtliche Zahl von Nachbesserungen sichert diesem schlechten Gesetz geradezu das Überleben -, plädiere ich für eine pragmatische Lösung, wie sie im Saarland gefunden wurde. Dort wird aufgrund einer Übereinkunft der zuständigen Sozialhilfeträger im Falle einer unwiderruflichen Zweckbindung der Bestattungsvorsorge eine Verdoppelung des Schonvermögens von 2.600 € auf 5.200 € beziehungsweise bei Ehepaaren auf 8.414 € anerkannt.
Darüber hinaus gibt es verbindliche Checklisten, die die als angemessen und ortsüblich anerkannten Leistungen einer Bestattung aufführen. Damit liegen die Standards fest. Hessen überlegt ein ähnliches Verfahren. Ich plädiere deshalb dafür, dass sich Schleswig-Holstein einem solchen Verfahren anschließt. Das ist unbürokratisch, geht schnell und hilft den Betroffenen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms und erteile für die Landesregierung Frau Ministerin Dr. Gitta Trauernicht das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegen zwei Anträge vor, die sich mit dem Thema Sozialbestattungen und der Menschenwürde über den Tod hinaus befassen.
Wir haben es hier nicht nur mit einer finanziellen oder ordnungsbehördlichen Frage zu tun. Denn wie eine Gesellschaft mit ihren Verstorbenen umgeht,
wirft ein Schlaglicht auf ganz grundsätzliche Aspekte unseres Zusammenlebens. Überreste von Grabanlagen und Grabbeigaben gehören zu den ältesten Zeugnissen menschlicher Kultur. Sie dokumentieren nicht nur das spezifisch menschliche Bewusstsein unserer eigenen Sterblichkeit. Vielmehr zeigt sich in ihnen auch, dass die Menschen von jeher ein Konzept von der über den Tod hinaus zu bewahrenden Würde der Verstorbenen und eine Intuition für den ihnen zukommenden Respekt gehabt haben.
Die uns vorliegenden Anträge befassen sich mit drei Aspekten aus diesem vielschichtigen Bereich, nämlich zum Ersten mit dem Vermögenseinsatz bei Sozialhilfebedürftigkeit, zum Zweiten mit den sogenannten Sozialbestattungen und schließlich zum Dritten mit der Art und Weise, in der ordnungsbehördliche Bestattungen ausgeführt werden.
Zum ersten Punkt, dem Vermögenseinsatz. Vor allem viele alte Menschen haben sehr konkrete Vorstellungen von ihrer Beisetzung und es ist für sie wichtig und beruhigend zu wissen, dass ihre Wünsche in Bezug auf eine würdevolle Bestattung nach ihrem Tod auch beachtet und ausgeführt werden. Viele Menschen treffen hierfür finanzielle Vorsorge.
Wenn nun Sozialhilfebedürftigkeit älterer Menschen eintritt - zum Beispiel durch den Umzug in ein Pflegeheim -, muss bis auf einen Freibetrag von 2.600 € zunächst das gesamte verwertbare Vermögen eingesetzt werden. Es stellt sich allerdings die Frage, was darüber hinaus mit den speziell für die Bestattung zurückgelegten Beträgen geschieht. Denn auch eine schlichte Bestattung ist für 2.600 € kaum zu haben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass eine angemessene Bestattungsvorsorge grundsätzlich als Schonvermögen zu belassen ist. Gleichwohl verfährt die Praxis in diesen Fällen uneinheitlich beziehungsweise anders. Deswegen sollte gesetzlich klargestellt werden, dass eine angemessene Bestattungsvorsorge stets als Schonvermögen zu behandeln ist. Wir haben darum bereits im Spätherbst 2005 im Bundesrat eine Initiative unterstützt, die genau dies gewährleisten soll. Der Gesetzentwurf ist dem Bundestag im Dezember 2005 zugeleitet worden, der sich seit dieser Zeit mit dieser Frage beschäftigt. Um eine Entscheidung zu diesem Thema zu befördern, werde ich die zuständige Berichterstatterin anschreiben und darauf drängen, diese Vorhaben voranzubringen.
Nun zum zweiten Aspekt, der Ausführung von Sozialbestattungen. Das Sozialhilferecht sieht vor, dass die Allgemeinheit die Kosten für eine ortsübliche einfache, aber würdevolle Bestattung übernimmt, wenn die Verpflichteten, also vor allem die Angehörigen oder die Erben, diese Kosten nicht tragen können. Dabei muss der Sozialhilfeträger angemessene Wünsche etwa hinsichtlich der religiösen Gestaltung der Trauerfeier berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist bisweilen fraglich, welche Aufwendungen angemessen und daher vom Sozialhilfeträger zu finanzieren sind. Darüber hinaus nimmt die Ermittlung, ob zahlungsfähige und zahlungswillige Erben vorhanden sind, Zeit in Anspruch, während der die Bestattung in Einzelfällen hinausgeschoben wird. Beide Punkte werden in der Öffentlichkeit teilweise kritisiert; wir nehmen diese Kritik sehr ernst.
Sozialbestattungen müssen durch die zuständigen Sozialhilfeträger vor Ort in angemessener Weise ausgeführt werden. Ihre Durchführung - und das wird unsere Bestandsaufnahme und Analysen, aber auch unsere Handlungsmöglichkeiten durchaus erschweren - gehört zu den weisungsfreien Selbstverwaltungsaufgaben der Kreise und kreisfreien Städte.
Das Sozialministerium wird in den Arbeitsgemeinschaften der Sozialamtsleiterinnen und -leiter anregen, darüber zu beraten, ob nicht einheitliche Verfahrensweisen - Stichworts: Standards - sinnvoll sind und eingeführt werden können.
Ich komme zum dritten Punkt, den sogenannten ordnungsbehördlichen Bestattungen. Sind keine Angehörigen vorhanden, die die Beerdigung veranlassen, wird der Verstorbene durch das Ordnungsamt bestattet. Auch in diesen Fällen ist die Behörde verpflichtet, bei der Beisetzung die Würde und auch die Wünsche des Verstorbenen zu beachten. Ob dies in allen Fällen gewährleistet ist, steht möglicherweise auf einem anderen Blatt. Es gibt in letzter Zeit Berichte über konkrete Einzelfälle, die dies fraglich erscheinen lassen.
Insofern begrüße ich den Berichtsantrag der Koalitionsfraktionen, der auch in dieser Frage auf Aufklärung drängt. Sobald sich herausstellt, dass die bestehenden Gesetze - möglicherweise auch beste
hende Landesgesetze - Lücken aufweisen, werden wir uns dafür einsetzen, dass diese in geeigneter Weise geschlossen werden.
Ich danke der Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.
Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 16/1697 (neu) und 16/1711 dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
(Jutta Schümann [SPD]: Frau Präsidentin, dem Berichtsantrag sollten wir heute zustim- men und der Bericht sollte dann im Februar gegeben werden! Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte an den Sozialausschuss überwiesen werden! In die- sem Sinne müssten wir vielleicht abstim- men!)
Ich stelle jetzt also den Berichtsantrag Drucksache 16/1711 zur Abstimmung. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Der Antrag Drucksache 16/1697 (neu) der Grünen wir wiederholen die Abstimmung insofern - soll dem Sozialausschuss überwiesen werden. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist ebenfalls so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die Tagung an diesem Punkt zu unterbrechen. Wir treffen uns morgen um 10 Uhr am gleichen Ort wieder.
Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst