Protokoll der Sitzung vom 21.11.2007

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Thomas Hölck. Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da liegt sie nun, die lang erwartete Änderung der Landesbauordnung. Nachdem der Innenminister bereits Ende März in einer Pressemitteilung die Eckpunkte des Gesetzentwurfs vorgestellt hat, wird das Gesetz nun Ende November ins Parlament eingebracht. Herr Minister, wir sind zwar ganz weit oben, aber nicht die Ersten und Schnellsten, denn Hessen hat bereits vor fünf Jahren das Bauordnungsrecht erheblich entschlackt. Und ich möchte daran erinnern, dass die FDP-Fraktion bereits in der vorvorletzten Legislaturperiode einen umfassenden Vorschlag zur Änderung des Baurechts gemacht hat, von dem wir dankenswerterweise vieles in dem vorliegenden Gesetzentwurf jetzt wiederfinden.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

In Schleswig-Holstein mahlen die Mühlen offensichtlich etwas langsamer.

Der Gesetzentwurf streicht einige Vorschriften, dafür fallen wieder andere etwas breiter aus. Aber, sei es drum; mit dem vorgelegten Gesetzentwurf geht die Landesregierung einen Schritt in die richtige Richtung zur Deregulierung der Bauvorschriften.

So begrüßen wir die neuen Regelungen zur Genehmigungsfreistellung in § 68, der den alten § 74 Landesbauordnung ersetzt. Neu bei dieser Vorschrift ist, dass bestimmte Bauvorhaben künftig keiner Genehmigung durch die Baubehörde bedürfen. Vielmehr hat ein Bauherr die erforderlichen Unterlagen bei der Gemeinde einzureichen, kann aber grundsätzlich nach einem Monat mit dem Bau beginnen, wenn die Gemeinde dem Vorhaben nicht widerspricht.

Ich möchte daran erinnern, dass insbesondere die Architekten - früher jedenfalls - erhebliche Bauchschmerzen hatten, ihren Teil der Verantwortung für ein ordnungsgemäßes Bauvorhaben und Bauverfahren zu übernehmen, und sich darauf berufen wollten, dass durch Genehmigungsbehörden im Zweifel eine bessere Absicherung entsteht. Ich denke aber, mit dieser Regelung können Architekten und Ingenieure ihrer Verantwortung neu und besser gerecht werden.

Ebenso ist es zu begrüßen, dass künftig mehr Vorhaben verfahrensfrei gestellt werden. Dabei heißt verfahrensfrei, dass ein Bauherr, der ein Vorhaben bei der Gemeinde angezeigt hat, sofort mit dem Bau loslegen kann, wenn gesichert ist, dass Vorschriften wie die örtliche Gestaltungssatzung oder Denkmalschutzbestimmungen eingehalten werden. So fallen beispielsweise Solarenergieanlagen und Sonnenkollektoren an Dach- und Außenwandflächen grundsätzlich unter diese Bestimmung. Das ist im Hinblick auf den Klimaschutz, den wir alle vorantreiben wollen, eine äußerst begrüßenswerte Maßnahme.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Einige Vorschriften wurden ganz gestrichen, so wie die Ermessensregelung, wonach Stellplätze, Standplätze für Abfall- und Wertstoffbehälter, Garagen oder Schuppen in Vorgärten zugelassen werden können. Ich denke, das wird auch zur Befriedung vieler Nachbarschaftsstreitigkeiten beitragen. Das sind übrigens alles Vorschläge - ich sagte es -, die die FDP-Fraktion schon vor mehr als zehn Jahren eingebracht hatte. Ebenso finden sich Vorschriften über den Betrieb von Gemeinschaftsanlagen wie Mietergärten, Kleinkinderspielplätze oder Fahrradabstellanlagen in der neuen Landesbauordnung nicht mehr. Das begrüßen wir sehr. Herr Kollege Wengler, ich möchte Ihre Anmerkung zur Verpflichtung, Kleinkinderspielplätze bei mehr als drei Wohneinheiten einzurichten, aufgreifen, indem ich etwas persifliere. Wir müssen wirklich darüber nachdenken, ob es Sinn macht, dass wir bei Seniorenwohnanlagen Kleinkinderspielplätze vorschreiben.

Allerdings zeigt es auch, welche Regelungswut der Gesetzgeber in der Vergangenheit an den Tag gelegt hat. Es ist manchmal nicht zu glauben, was so alles in einer Bauordnung geregelt wurde. Aber auch in dem jetzigen Entwurf bestehen durchaus Möglichkeiten zur Entbürokratisierung.

(Thomas Hölck)

So sind Werbetafeln in Gewerbe- und Industriegebieten künftig verfahrensfrei. Werbetafeln, wie sie beispielsweise Landwirte in der Vergangenheit für eine bestimmte Milcherzeugungsfirma aufgestellt haben, sind nach dem Gesetzentwurf hingegen unzulässig. Das wird noch zu besprechen sein.

Im Übrigen muss nicht alles durch gesetzlichen Zwang geregelt sein, was sinnvoll ist. Damit komme ich wieder auf die Diskussion um die Rauchwarnmelder, mit denen jede Wohnung auch nach diesem Gesetzentwurf bis 1. Januar 2009 ausgerüstet werden muss, zurück. Ganz zu schweigen von dem Aufwand, den eine tatsächliche Kontrolle dieser Vorschrift auslösen würde, erinnere ich an die Haftungsregelung, die nach wie vor ungeklärt ist. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Diskussion mit dem fachkundigen Vorgänger des Noch-Innenministers, Ralf Stegner, Herrn Buß, der eine derartige Regelung ebenso wie wir für unzureichend erachtet und abgelehnt hat.

Ärger könnte es auch mit den Tierschutzverbänden geben, denn auch die Vorschrift, dass Stallungen eine artgerechte und gesunde Tierhaltung sicherstellen sollen, ist in der neuen Landesbauordnung nicht mehr enthalten.

Insgesamt wird es eine umfassende und genaue Erörterung im Ausschuss darüber geben müssen, welche weiteren Möglichkeiten zur Entschlackung in der Landesbauordnung noch auszumachen sind. Herr Innenminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden diese Diskussion konstruktiv begleiten.

Natürlich kann die Streichung der einen oder anderen Vorschrift, die damit auch ein Stück des festen rechtlichen Rahmens lockert, zu Rechtsstreitigkeiten führen - das lässt mich als Anwalt aber natürlich unbesorgt. Wir halten die Richtung des von der Landesregierung eingeschlagenen Weges insgesamt für zielführend.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Kubicki. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Wohnungsbau gehört zu den Langzeitinvestitionen. Das, was wir heute bauen, das be

wohnen und bewirtschaften wir mit allen Konsequenzen für Nutzzeiträume von fünfzig oder auch hundert Jahren. Man kann im Nachhinein nicht die Statik ändern, an den Baukörperöffnungen oder an der Ausrichtung des Gebäudes kann man nur begrenzt etwas ändern. Daher hat der gesetzliche Rahmen für das Bauen eine große Bedeutung.

Für viele Bürger ist die Errichtung eines Eigenheimes die einzige selbst verantwortete Baumaßnahme, die daneben auch die größte Kreditaufnahme der Familie bedeutet mit einer sich oft über Jahrzehnte hinziehenden Abzahlung. Die Bürger haben ein Recht, darauf zu vertrauen, dass mit der Erlangung der Baugenehmigung der Staat mit seinem Rechtsrahmen dafür gesorgt hat, dass alles sicher ist, dass Brandschutz, Statik, Dämmung, Ver- und Entsorgung und vieles mehr geregelt sind. Die Mindestanforderungen an bauliche Sorgfalt sollen erfüllt sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ändern soll sich die Landesbauordnung, von vielen auch liebevoll LBO genannt, ein Gesetzeswerk auf 290 Seiten mit 86 Paragraphen und amtlicher Kommentierung - jetzt, nach der Kürzung. Die Synopse ,,Landesbauordnung (alt) Landesbauordnung (neu) " umfasst 340 Seiten. Ich werde daher hier im Rahmen der ersten Lesung im Landtag nur einige Aspekte erwähnen.

(Konrad Nabel [SPD]: Schade!)

Was mir am Rande auffiel: Wie alle Gesetze ist auch die LBO ohne Geschlechtsdiskriminierung formuliert: „Durchgegendert“, um das auf Neudeutsch auszudrücken, findet sich in dem Gesetzt neben dem Bauherren auch die Bauherrin. Baufrauen kommen nicht vor. Ist das nun dämlich oder herrlich?

Während früher das Ordnungsrecht und die Bauaufsicht im Mittelpunkt standen, sind heute erleichterte Verfahren ohne Prüfung durch die Behörde angesagt. Ich kann mich noch erinnern, als ich zusammen mit meinem Nachbarn sein Haus gebaut habe, da kam die Bauaufsicht tatsächlich - wir waren beim Mauern - und hat das Fugenbild im Kellermauerwerk kontrolliert. Heute sind wir davon glücklicherweise ein Stück entfernt. Im Übrigen hat er uns damals aber sehr gelobt.

Das haben wir bereits in der letzten rot-grünen Regierungsphase umfänglich erreicht und setzen dies mit dieser Novelle fort. Die Frage der Haftung bei Abweichungen muss dann aber auch sehr sorgfältig betrachtet werden. Der Bauherr, die Bauherrin - das

(Wolfgang Kubicki)

ist in der Regel das schwächste Glied in der Kette müssen geschützt werden. Herr Wengler, insofern denke ich, auch Ihre Hinweise hinsichtlich einer Haftpflichtversicherungsnotwendigkeit für Bauverantwortliche ist richtig. Dem kann ich folgen. Denn das ist ja die Kehrseite der Eigenverantwortung, dass wir vom Bauordnungsrecht mehr in die private Haftpflicht kommen.

Nun zur Novelle der LBO im Einzelnen: Wir brauchen neben einer konsequenten solaren Bauleitplanung auch baurechtlich im Bereich der Ein- und Mehrfamilienhäuser, aber auch in anderen Bereichen die Möglichkeit zu einer kompakten Pultdachbauweise. Dabei werden zwei Ziele verfolgt. Beim Satteldach ist zwangsläufig immer nur eine Dachhälfte der Sonne zugeneigt. Das wollen wir ändern, indem auch im eingeschossigen Wohnungsbau das Pultdach ermöglicht wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der galoppierende Ölpreis und die Bedrohung des Klimas durch fossile Energieträger unterstreichen die Notwendigkeit, im Hausbereich noch stärker eine Energieeigenversorgung zu fördern. Dabei geht es um Solarthermie. Ein Pultdach kann von vorneherein mit einem optimalen Anstellwinkel gebaut werden. Den Kollektoren können dann bei Indachmontage ein Teil oder bei großdimensionierten Anlagen sogar die komplette Dacheindeckung gutgeschrieben werden. Dabei geht es auch um Sonnenstrom, also Fotovoltaik, kurz PV genannt - auch wenn die deutsche Rechtschreibung jetzt zum F übergegangen ist, liebe Stenografen. In der PV zeigt sich, dass durch neue Verfahren eine deutliche Kostendegression zu erwarten ist.

Ein Referent auf meiner Veranstaltung zum Erneuerbaren-Energien-Gesetz in der letzten Woche hat das technisch und wirtschaftlich erläutert. Das war sehr beeindruckend. Die Branche erwartet ein Preisniveau in der Sonnenstromerzeugung von deutlich unter 20 ct. Das ist so viel, wie die normalen Stromkunden heute als Bezugspreis bezahlen müssen.

Der Zwang zum Satteldach im eingeschossigen Wohnungsbau führt oft auch zu einem unschönen Erscheinungsbild. Wir wollen also Klimaschutz, Kosten und Ästhetik miteinander versöhnen.

Barrierefreiheit: Da wollen wir die Frage stellen, ob das nicht für jegliche Gebäude möglich ist. In einer Gesellschaft, die immer älter wird, hat das auch etwas mit Zukunftsfähigkeit zu tun. Einiges im Gesetzentwurf ist gut gelöst, andere Punkte sind offen. So hält sich Schleswig-Holstein zum Punkt der

Selbstrettung im Hinblick auf barrierefreie Selbstrettung im Brandfall vornehm zurück. Dies wollen wir ändern, ebenso wie Sensorik. Wir brauchen eine das sogenannte Zwei-Sinne-Prinzip erfüllende Sensorik, also farbliche Markierung und Lautsignal, sodass hörbehinderte und sehbehinderte Menschen zwei Signale empfangen können. Dabei geht es immer darum, Ansagen mit Anzeigen verpflichtend zu verbinden. Es geht um Kontraste und Orientierungshilfen im Raum. Das ist aus unserer Sicht im Gesetzentwurf ungelöst, aber lösbar.

Herr Präsident, zum Thema Rauchmelder noch eine letzte Bemerkung.

(Zurufe: Frau!)

- Oh, Frau Präsidentin, Entschuldigung.

Zum Thema Rauchmelder, weil die beiden Kollegen Hölck und Wengler darauf zu sprechen kamen: Aus unserer Sicht sollte man da Haftung und Verantwortung nicht mehr dem Wohnungseigentümer anlasten, sondern dem Wohnungsnutzer. Dann haben wir die Rauchmelder erhalten, aber die Friktion in der Verantwortlichkeit, die es da gegeben hat, wäre damit produktiv gelöst.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wasseruhren sollen - so wie ich das verstanden habe - nicht mehr zwingend pro Wohneinheit vorgeschrieben sein. Das halte ich allerdings unter ressourcensparenden Gesichtspunkten für eine Verschlechterung und nicht für eine Verschlankung des Gesetzes.

So haben wir eine ganze Menge zu diskutieren. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Thomas Rother [SPD])

Ich danke Herrn Abgeordneten Matthiessen. - Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Maßgebliche Grundlage der Novellierung der Landesbauordnung ist die Musterbauordnung, die von den Bundesministern der Länder 2002 verabschiedet wurde, um die Bauordnung bundesweit anzugleichen und um Verfahren zu deregulieren, zu

(Detlef Matthiessen)

beschleunigen und zu vereinfachen. Das ist der Rahmen dieses Gesetzentwurfs der Landesregierung. Darin ist auch enthalten, dass wir nicht freischwebend etwas beschließen, sondern uns so oder so auch an diese Musterbauordnung zu halten haben.

Inhaltlich gesehen wird dadurch aber schon erreicht, dass die Bauordnung besser zu lesen sein wird. Einige Sachen werden auch für die Bauherren - oder für die Baufrauen, wie der Kollege Matthiessen vorhin sagte - einfacher zu handhaben sein. Das soll heißen, dass künftig zum Beispiel auf Baugenehmigungen verzichtet werden kann, zum Beispiel wenn das Gebäude nicht höher als sieben Meter ist. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein gültiger B-Plan und die Einhaltung der dort festgeschriebenen Vorgaben. Der Bauherr ist somit nur verpflichtet, seiner Gemeinde sein Bauvorhaben mitzuteilen. Die Gemeinde hat dann vier Wochen Zeit, um Widerspruch einzulegen. Sofern davon nicht Gebrauch gemacht wird, kann der Bauherr mit seinem Bauvorhaben beginnen.