Protokoll der Sitzung vom 21.11.2007

Ich nenne zum Beispiel den bedarfsgerechten Ausbau und die Weiterentwicklung maritimer Leit- und Sicherungssysteme mit Blick auf die Schiffssicherheit in der Ostsee und den rasant gestiegenen Schiffsverkehr, insbesondere auch die steigende Zahl der Öltanker. Dazu gehören auch die Einrichtung von Verkehrstrennungsgebieten, die Einführung der Lotsenpflicht für bestimmte Fahrtwege und die Ausweisung eines Netzes von Nothäfen und Liegeplätzen.

Ein hohes Maß an Schiffssicherheit ist ebenso wichtig, wie die Sicherheit des Personals gewährleistet sein muss. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Ostseeparlamentarierkonferenz unterstützen diese Forderungen. Wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag müssen unsere Forderungen deutlich machen und fordern deshalb unsere Regierung auf, sich beim Ostseerat für die Einsetzung einer Task-Force „Meerespolitik“ starkzumachen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

In dieser Task-Force „Meerespolitik“ müssen die Aktivitäten der vielfältigen Akteure gebündelt werden, um ein Arbeitsprogramm zu einer maritimen Modellregion zu entwickeln. Vorschläge mit modellhaftem Charakter könnten zum Beispiel die Einrichtung einer europäischen Küstenwache, Initiativen wie European Clean Ship und European Clean Port, die Anwendung innovativer Navigationstechniken, ein ostseeweiter Masterplan „Maritime Technologien“ oder ein grenzüberschreitendes integriertes Küstenzonenmanagement sein.

Immer wieder wird in der Diskussion auch auf die Munitionsablagerungen in der Ostsee hingewiesen, insbesondere in Bezug auf die geplante Gaspipeline.

Frau Kollegin, die Zeit!

Stellen doch diese Munitionsreste ein erhebliches Risiko für Mensch, Tier und Umwelt dar. Mit dieser Problematik und möglicher Entsorgung sollte sich die Task-Force „Meerespolitik“ ebenfalls befassen. Die Zusammenarbeit der Landesregierung mit unserer Bundesregierung, um unsere Forderungen weiter voranzutreiben, ist ein weiterer Schritt für die Menschen in der Ostseeregion. Diese Aufgaben erfordern gemeinsames Handeln, damit die Ostsee wirklich zu einer wahren Modellregion werden kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Astrid Höfs. Das Wort für die FDP im Landtag hat Herr Abgeordneter Dr. Eckehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die 16. Ostseeparlamentarierkonferenz in Berlin - eine in inzwischen einer langen Reihe - war nach meiner Einschätzung wirklich ein Erfolg. Dazu hat der Bundestag mit seinem Einsatz beigetragen, aber auch die Präsenz der Bundesregierung. Dass zwei Bundesminister zu den Delegierten gesprochen haben, hat unseren Gästen aus der Ostseeregion gezeigt, dass - anders, als es ein früherer Eindruck aus dem Ostseeraum nahegelegt hat - das deutsche Interesse an dieser Region vorhanden ist und man die Zusammenarbeit in der Ostseeregion als Aufgabe und als Thema ernst nimmt.

Zugleich ist, anders als bei früheren Konferenzen was ich sehr erfreulich finde -, da politischer Klartext gesprochen worden, wo es nötig war. Ich denke gerade an die Frage der Nichteinhaltung von Fischfangquoten und insbesondere an die eine oder andere Äußerung aus Mitteleuropa, speziell einer polnischen Kollegin. Sie hat einfach gesagt: So what, unsere Fischer brauchen das für ihre wirtschaftliche Existenzsicherung, und deshalb hält man sich einfach nicht an das, was vereinbart worden ist. - Da hat es doch eine sehr klare Ansage in der Reaktion auf solche Äußerungen gegeben. Ich glaube, das tut einem solchen Gremium auch nur gut.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Thema, das uns in der Zukunft weiter beschäftigen wird, wird die Frage sein, wie wir in solchen

(Astrid Höfs)

Institutionen wie der Ostseeparlamentarierkonferenz auf die innen- und außenpolitische Entwicklung in Russland reagieren. Das wird ein Thema werden. Wir haben auch in Berlin gesehen, dass sich die Vertreter der russischen Delegation nicht mehr in Politikkonzepte der EU einbeziehen lassen wollen. Die Reaktion ist deutlich. Das sind auch Erfahrungen aus den Vorverhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen. Klar ist, dass man sich nicht mehr an Werte und Normen binden lassen will, die für die Europäische Union konstitutiv sind, sondern dass man Politik nach eigenen Regeln definiert.

Das wird auch an der innenpolitischen Entwicklung der letzten zwei Jahre deutlich. Ich denke an die Einrichtung einer Gesellschaftskammer für Vereine und Organisationen, wobei in den Statuten in Artikel 1 unter dem Hauptaufgabenpunkt 1 die Heranziehung der Bürger und gesellschaftlichen Vereinigungen zur Realisierung der Staatspolitik genannt wird.

Das korrespondiert mit einem neuen Vereinsgesetz, das den Nichtregierungsorganisationen in Russland die Verpflichtung auferlegt, jedes Jahr Mitte April einer staatlichen Registrierbehörde umfangreiche Tätigkeitsberichte, Finanzberichte und Angaben über die Zusammensetzung der Gremien vorzulegen. Das heißt, die Entwicklung in diesem Land läuft in zunehmendem Maße in eine andere Richtung und entspricht daher nicht den politischen Vorstellungen der EU hinsichtlich eines demokratischen Verfassungsstaates.

Diese Entwicklung wird in absehbarer Zeit die EUMitglieder in Bezug auf die eine oder andere Frage dazu zwingen, Stellung zu beziehen. Wenn sie das nicht tun, werden sie sich dem Vorwurf der Leisetreterei aussetzen und dann wird das Motto nicht zu Unrecht „Schweigen für Erdgas“ lauten.

Allerdings haben die Westeuropäer auch ein Interesse daran, eine vernünftige Form der Zusammenarbeit mit diesem Russland weiterhin zu unterhalten, das sich in eine solch unerfreuliche Richtung entwickelt. Probleme, die sich daraus für die Kooperation in gemeinsamen Institutionen wie der Ostseeparlamentarierkonferenz ergeben, müssen die EU-Mitglieder meiner Meinung nach in absehbarer Zeit untereinander ausdiskutieren, um in ihrem Verhältnis zu Russland eine vernünftige politische Balance zu finden.

(Beifall bei FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Unsere Meere bieten die Grundlage für Artenvielfalt, Klimaschutz, Wohlstand und Lebensqualität. Aber die Ostsee ist alles andere als gesund. Es bedarf dringend gemeinsamer Anstrengungen und Lösungen, zumal sich die wirtschaftliche Entwicklung und Natur- und Meeresschutz gegenseitig bedingen.

Das Ökosystem Meer verfügt über einen schutzwürdigen Eigenwert und ist keine bloße Wirtschaftsressource; daher hat die Resolution der 16. Ostseeparlamentarierkonferenz diese Themen zu Recht aufgenommen.

Gerade im Ostseeraum beeinträchtigt der ausgesprochen schlechte Umweltzustand bereits heute die wirtschaftliche Nutzung. Aktuell sehen wir dies an den großen Problemen mit Altmunition in der Ostsee, die - wir alle konnten es in der Presse lesen - unsere Speisefische hochgradig mit Arsen verseuchen kann. Es kann sich allerdings auch krebserregendes TNT in der Nahrungskette anreichern. Deshalb unterstützt unsere Fraktion die Forderung der Naturschutzverbände, die Bergung und umweltfreundliche Entsorgung von Altmunition in der Nord- und Ostsee und insbesondere hier vor unserer Haustür an der Kieler Außenförde voranzubringen.

Hier zeigt sich ganz konkret, wie eng Umweltschutz und wirtschaftlicher Nutzen zusammenhängen: Immerhin sind es unter anderem drei schleswig-holsteinische Unternehmen, die neue Methoden zur Sicherung, Hebung und schadfreien Beseitigung von Munition im Meer entwickelt haben.

Zurück zum Umweltzustand der Ostsee! Die Schweden raten schwangeren Frauen aufgrund der Dioxinbelastung davon ab, Ostseefisch zu essen. Die Netze der Fischer sind immer häufiger leer und selbst streng geschützte Arten wie der OstseeSchweinswal sind vom Aussterben bedroht. Seehunde und Seeadler sind an der Ostsee zwei- bis fünfmal höher mit bestimmten Pestiziden belastet als in der Nordsee und der Tourismus wird durch weit verbreitete Algenplagen beeinträchtigt. All dies zeigt: Gerade für das seichte Binnenmeer Ost

(Dr. Ekkehard Klug)

see mit nur geringem Wasseraustausch in den Atlantik muss schnell und entschieden gehandelt werden.

Insofern sehen wir in den internationalen Bemühungen wie im Grünbuch Europäische Meerespolitik zwar einen Anfang, aber der Meeresschutz kommt immer noch zu kurz. Die Resolution der Ostseeparlamentarierkonferenz ist ein Schritt hin zu einem wirksamen Ostseeschutz, zumal Energiefragen und Klimawandel vorrangig behandelt werden.

Erfreulich ist, dass im gemeinsamen Antrag aller Fraktionen der Einsatz von Lotsen und die „Clean Ship“- und „Clean Port“-Projekte als vordringlich angesehen werden. Schließlich trägt die Schifffahrt ganz erheblich zur Verschmutzung der Ostsee bei.

Zwar hat das Schiff das Potenzial zum ökologisch verträglichsten Verkehrsmittel, aber der Anteil der Seeschifffahrt an den weltweiten CO2-Emissionen ist immens und ansteigend. Der Seeverkehr soll bis zum Jahr 2020 um 60 % zunehmen und dies gilt damit auch für den Ausstoß an Schadstoffen.

Wir leisten uns auf See echte Dreckschleudern. Unsere Schiffe fahren mit Kraftstoffen, die an Land als Sondermüll entsorgt werden müssten. Wir brauchen alternative Kraftstoffe und alternative Antriebe wie windbetriebene Motoren. Als Beispiele nenne ich Seasails oder den Bau eines Schiffs mit Flettner-Rotoren hier ganz in der Nähe auf der Lindenau-Werft. Mit einem „European Clean Ship“ mit wenig Schadstoffen und hoher Energieeffizienz kann die Europäische Union internationale Vorreiterin werden. Aus unserer Sicht sollte sich die EU auch dieser Aufgabe stellen. In dem Sinne fordern wir die Landesregierung auf, ihr Engagement für energiesparende und effiziente Technologie wie alternative Antriebssysteme für die Schifffahrt durch die Förderung entsprechender Projekte im Forschungsrahmenprogramm zu verstärken und gemeinsame Standards für ein ökologisches und effizientes „European Clean Ship“ festzulegen. Wir sollten nicht vergessen, dass im Forschungsrahmenprogramm der EU immer noch 80 % der Forschungsmittel im Energiesektor für Atomtechnik ausgegeben werden. Das ist vor dem Hintergrund der Tatsache, dass solch große Aufgaben vor uns liegen, ein Unding. Es wird uns versprochen, dass man mit dieser komischen Fusionstechnologie irgendwann - wahrscheinlich in 50 Jahren - so weit sein wird. Diese Technologie kommt viel zu spät und ich glaube auch nicht, dass etwas daraus wird.

Weiterhin müssen die Mitgliedstaaten der Ostseeparlamentarierkonferenz sobald wie möglich

Landanschlüsse zur Stromversorgung von im Hafen liegenden Schiffen als zukunftsfähige und umweltschonende Infrastruktur anbieten. Ich glaube, dieses Thema ist bei Ihnen, Herr Minister, in guten Händen. Da muss Dampf gemacht werden. Denn in ökologisch nachhaltigen maritimen Technologien stecken die Innovationspotenziale. Wir müssen die maritime Wirtschaft ökologisieren. Dazu gehört das Bewusstsein, dass wir Meeresschutz und Meeresnutzung zusammen denken müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Matthiessen. - Für den SSW im Landtag hat Frau Abgeordnete Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir uns in der Septembersitzung des Landtages mit dem von CDU und SPD initiierten Bericht über integrierte Meerespolitik befassten, wurde praktisch schon ein Teil der Resolution der diesjährigen Ostseeparlamentarierkonferenz mit abgearbeitet. Denn auch in dieser Resolution spielt die integrierte Meerespolitik eine entscheidende Rolle.

Dennoch ist es folgerichtig, dass wir uns nicht nur Einzelelemente aus der Resolution herauspicken. Wir werden der Bedeutung der Ostseeparlamentarierkonferenz nur gerecht, wenn wir uns die Resolution als Ganzes zu eigen machen. Und genau darum geht es heute. Denn wir wollen der Landesregierung weitere konkrete Hausaufgaben mit auf den Weg geben.

Da sich die Resolution der BSPC an die Regierungen der Ostseeregion, an den Ostseerat und an die EU richtet, fordern wir die Landesregierung zum einen dazu auf, sich bei der Bundesregierung dafür stark zu machen, dass die Lotsenpflicht in der Ostsee ausgeweitet und international geregelt wird. Zum anderen geht es darum, die Projekte „Clean Ship“ und „Clean Port“ weiter zu forcieren. Hinzu kommt die Bitte an den Ostseerat, eine Task-Force Meerespolitik einzusetzen.

Fest steht, dass wir es bei all diesen Punkten mit dicken Brettern zu tun haben. Der deutschen Delegation gelang es zum Beispiel nicht, in der Resolution die Forderung nach einer Task-Force durchzusetzen. Umso wichtiger ist es, dass wir mit unserem gemeinsamen Antrag deutlich machen, dass aufgeschoben nicht aufgehoben bedeutet.

(Detlef Matthiessen)

Die diesjährige Ostseeparlamentarierkonferenz hatte die Überschrift „Nachhaltige Entwicklung in der Ostseeregion - Soziale Wohlfahrt, Maritime Politik, Energiesicherheit“. Sie fand erstmals in Berlin statt und sollte damit auch ein Zeichen setzen. Dass die Konferenz in Berlin stattfand, sollte deutlich machen, dass auch die Bundesebene in der Ostseekooperation angekommen ist und der Kollege Thönnes hat dafür eine hervorragende Vorarbeit geleistet.

In Schleswig-Holstein haben wir uns in der Vergangenheit hin und wieder darüber aufgeregt, dass sich die Bundesebene zu wenig in Sachen Ostseekooperation engagiert. Das ist jetzt nicht mehr der Fall.

Umgekehrt stellt sich für den SSW seit Längerem die Frage, wie sich der Landtag künftig in die Ostseekooperation einbringen soll. Aus Sicht des SSW gehört die Ostseezusammenarbeit zu den Kernaufgaben des Parlaments. Der eingangs erwähnte Bericht zur integrierten Meerespolitik belegt einmal mehr, dass Schleswig-Holstein auf diesem Feld wirklich etwas zu bieten hat.

Es reicht aus unserer Sicht aber nicht aus zu sagen: Die Landesregierung wird es schon richten. Dass die Landesregierung und auch der Europaminister hier gute Arbeit leisten, steht außer Frage. Wir müssen uns aber auch immer wieder die Frage stellen, wie wir uns als Landtag einbringen wollen. Mit anderen Worten: Sollte sich der Landtag künftig ausschließlich auf das Parlamentsforum „Südliche Ostsee“ zurückziehen und die Arbeit in der BSPC dem Bundestag überlassen, so würde dies aus Sicht des SSW zu einem Ungleichgewicht führen, das letztlich nicht in unserem Interesse sein kann, zumal wir - ich sagte es bereits - auch wirklich ein Know-how zu bieten haben. Ich denke, dieses Thema sollten wir im Europaausschuss noch vertiefen.

Es ist auf jeden Fall gut, dass vom Landtagspräsidenten jetzt deutlich gemacht worden ist, dass für die Arbeitsgruppe, die vom Bundestag ausgeht, vonseiten Schleswig-Holsteins ein Mitglied benannt werden kann. Ich finde, das ist gut.

Wir sollten uns im Europaausschuss, wie ich meine, auch detailliert mit dem HELCOM-Plan für die Ostsee beschäftigen, weil am 15. November die entscheidende Sitzung von HELCOM stattgefunden hat.

Ein letztes Stichwort: Die Resolution enthält auch die Aufforderung, dass sich der Ostseerat verstärkt um das Thema der grenzüberschreitenden Arbeitsmärkte kümmern soll. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die im deutsch-dänischen Grenz

land lebenden Minderheiten als Kulturund Sprachvermittler maßgeblich dazu beitragen, dass wir in Schleswig-Holstein etwas zu bieten haben, was auch anderen Grenzregionen zugutekommen könnte. Auch das sollten wir, wie ich denke, weiterhin offensiv vertreten und in die Ostseekooperation einfließen lassen.

(Beifall bei SSW, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. - Für die Landesregierung hat nun der Europa- und damit auch Ostseeminister Döring das Wort.