Berichtsantrag zum Rahmenbeschluss des Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zu Strafverfolgungszwecken
Dann bitte ich, zunächst über den Antrag abzustimmen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthal
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung ist um einen Sachstandsbericht zum Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Verwendung der Fluggastdaten um eine Beurteilung derselben gebeten. Den Bericht will ich Ihnen gern geben. Eine abschließende Beurteilung zum gegenwärtigen Zeitpunkt hingegen fällt mir schwer.
Zum Verfahrensstand! Der Vorschlag befindet sich noch nicht im Bundesratsverfahren. Die Beratung in den Bundesratsausschüssen wird frühestens Ende Januar stattfinden. Das Bundesratsplenum könnte dann Mitte Februar entscheiden. Die Befassung der Landesregierung ist für Februar 2008 geplant. Es gibt folglich noch keine ressortübergreifende Positionsbestimmung, die ich heute als Auffassung der Landesregierung präsentieren könnte.
Ich möchte zunächst verdeutlichen, worum es bei diesem Vorschlag überhaupt geht. Es geht nicht um die nationale Umsetzung des mit den USA geschlossenen Abkommens über die Weitergabe von Fluggastdaten zum Zweck der Terrorabwehr. Es geht auch nicht um die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/82/EG, die mit dem Ziel effektiverer Grenzkontrollen und der Bekämpfung der illegalen Einwanderung Fluggesellschaften zur Übermittlung von Fluggastdaten verpflichtet.
Vielmehr geht es um die Beteiligung des Bundesrates im Zusammenhang mit der Vorbereitung des besagten Rahmenbeschlusses. Dieser Rahmenbeschluss würde die EU-Mitgliedstaaten verpflichten, ein völlig neues und eigenständiges Speicher- und Übermittlungsregime zu etablieren. Kern des Vorschlages ist die Einrichtung von Zentralstellen für Fluggastdaten von internationalen Flügen. Das Ziel ist die Verhütung und Bekämpfung terroristischer Straftaten und der organisierten Kriminalität.
Die geplanten Zentralstellen sollen folgende Aufgaben haben: die Speicherung der von den Fluggesellschaften übermittelten personenbezogenen Daten, die Auswertung und Durchführung einer Risikoanalyse, die Weiterleitung der Daten verdächtiger Personen an Strafverfolgungsbehörden im eigenen Land sowie die Weitergabe an die Zentralstellen anderer EU-Mitglieder, die allerdings nur auf
Anfrage erfolgt, und - wichtig - unter bestimmten Voraussetzungen dürfen die Datensätze auch an Drittstaaten herausgegeben werden. Eine zentrale EU-Datenbank ist jedoch nicht vorgesehen.
Der Wissensdurst der EU ist bemerkenswert groß. Gespeichert werden 19 verschiedenen Datenfelder. Erfasst werden zum Beispiel Passdaten, Name, Anschrift, Telefonnummer, Zahlungsinformation, Reiseverlauf, Sitzplatznummer, um nur eine Auswahl zu nennen. Die Speicherfrist beträgt 13 Jahre, davon fünf Jahre in einer sogenannten aktiven Datenbank und acht Jahre in einer ruhenden Datenbank, auf die nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden darf. Das ist eine sehr lange Zeit, insbesondere wenn man an die dagegen kurze Speicherung von nur sechs Monaten denkt, die bei der Speicherung von Kommunikationsverbindungsdaten gilt. Ich erinnere an die Diskussion, die wir darüber schon geführt haben.
Der notwendige Datenschutz soll unter anderem durch die Anwendung des Rahmenbeschlusses Datenschutz in der dritten Säule gesichert werden. Das Manko ist allerdings: Dieser Rahmenbeschluss ist noch gar nicht verabschiedet wurden. Es ist auch nicht klar, wann und mit welchem Inhalt das überhaupt geschehen wird.
Zur vorläufigen Einschätzung! Es gibt aus meiner Sicht noch einige weitere kritische Aspekte, die zu erwähnen sind. Zunächst ist die Tendenz nicht unproblematisch - um das einmal diplomatisch zu formulieren -, durch europäische Regelungen immer stärker Private zur massenhaften Speicherung von Daten an unverdächtigen Bürgern zu verpflichten. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Weitergabe der Daten an nationale Behörden und an andere Mitgliedstaaten relativ gering und nur außerordentlich begrenzt justiziabel sind. Eine Reihe von Kritikern haben denn auch bereits verfassungsrechtliche Bedenken geäußert sowie Zweifel an der Vereinbarkeit mit der EU-Grundrechtecharta angemeldet. Diese Bedenken müssen vor einer Zustimmung ausgeräumt werden. Ich nehme diese Bedenken sehr ernst.
Ich sehe insgesamt noch eine Menge Klärungs- und Erörterungsbedarf. Es ist wichtig, die offenen Fragen schnell und gründlich zu klären, denn ist der Rahmenbeschluss erst einmal gefasst, wird es kaum noch Einflussmöglichkeiten geben. Deswegen bin ich der FDP dankbar, dass wir bereits zu diesem frühen Datum zumindest bei uns allen das Bewusstsein wecken, was da auf uns zukommt.
Sobald die Meinungsbildung der Landesregierung abgeschlossen ist, bin ich gern bereit, dem Landtag erneut Rede und Antwort zu stehen.
Vielleicht noch eine Sache, Herr Kubicki - auch wenn das vielleicht eher Nebensache ist. Ihre Rede war schon im Internet, auch wenn das gesprochene Wort gilt. In Ihrem Redemanuskript steht, es gebe keinen normierten Zwang, die Daten danach zu löschen. Den gibt es: Artikel 9 Abs. 3, Löschpflicht nach 13 Jahren. Wir unterhalten uns über den Zeitraum von 13 Jahren. Das Wichtigere ist wohl der Zeitraum der Speicherung. Ich sage das nur, damit das sachlich richtiggestellt ist.
Über all den Problemen, die wir haben, hoffe ich, dass der Begriff „Flugangst“ nicht eine andere Bedeutung bekommt.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das gilt nur für die öffentlichen Behörden!)
Ich danke dem Herrn Minister für seinen Bericht und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Oppositionsführer, der Vorsitzende der Fraktion der FDP, Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Justizminister für seinen Bericht außerordentlich dankbar und stelle fest: Die Freundschaft ist noch nicht ganz erloschen. In der Sache ist das wirklich in guten Händen.
Am 5. Dezember hat der Verkehrsausschuss des Bundesrates den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zu Strafverfolgungszwecken verhandelt.
Ziel dieses Rahmenbeschlusses ist es, Fluggastdaten - sogenannte Passenger-Name-Records oder kurz PNR - über Fluggäste internationaler Flüge in Staaten der Europäischen Union oder von diesen in Drittstaaten zu speichern, untereinander auszutauschen, auszuwerten und für Zwecke der Verhütung und Bekämpfung terroristischer Straftaten und von Straftaten der organisierten Kriminalität zu nutzen. Zu diesem Zweck sollen die Fluggesellschaften verpflichtet werden, direkt oder über einen Datenmittler zu jedem Fluggast insgesamt 18 Datenelemente, bei unbegleiteten Minderjährigen zusätzlich sechs Datenelemente, zu übermitteln. Dazu gehören bei Erwachsenen unter anderem das Reisebüro, das
Alle Daten sollen fünf Jahre aktiv und danach in einer ruhenden Datenbank mindestens weitere acht Jahre gespeichert werden. In dem Vorschlag des Rates werden die Fluggesellschaften verpflichtet, die Daten zu übermitteln und zu speichern, zu der die Vereinigten Staaten von Amerika unter anderem auch die europäischen Fluggesellschaften bei einem Anflug auf die USA verpflichtet haben.
Im Regelwerk wird davon ausgegangen, dass mit der geplanten Datenverarbeitung ein „erhöhter Schutz vor Terroranschlägen und schweren Straftaten im Rahmen der organisierten länderübergreifenden Kriminalität im EU-Raum“ erreicht werde. So viel zum Inhalt des Vorschlags.
Diese geplante Fluggastdatenspeicherung reiht sich nahtlos in die Debatten um Vorratsdatenspeicherungen, Telekommunikationsüberwachungen und Online-Durchsuchungen ein. Ihnen ist gemeinsam, dass auch hier in die Privatsphäre von Menschen eingegriffen wird, ohne dass diese auch nur den geringsten Anlass für eine Überwachungsmaßnahme gegeben hätten - es sei denn, die Nutzung eines Verkehrsmittels an sich wäre schon Anlass genug, die Daten der Nutzer zu erheben. Das ist absurd. Ich stelle mir so etwas einmal beispielsweise für den öffentlichen Personennahverkehr, für die Bundesbahn oder andere Verkehrsmittel vor.
Nein, wir haben hier die gleiche Debatte wie bei der Vorratsdatenspeicherung. Der Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates ist aus unserer Sicht mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass im Vorschlag der Begriff der „Verhütung“ von Straftaten benutzt wird. Das ist mehr als der uns aus dem Polizeirecht bekannte Begriff der Abwehr einer konkreten Gefahr. Die Verhütung von Straftaten setzt bereits vor dem Entstehen einer Gefahr an. Hier wird eine vorbeugende Bekämpfung von Straftaten eingeführt, die noch nicht einmal eine konkrete Gefahr voraussetzt. Das hat mit rechtsstaatlichen Grundsätzen - ich verweise hier auf wirklich auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes nichts mehr zu tun.
Unser Landesdatenschützer hat in einer sehr eindringlichen Stellungnahme auf die Gefahren und wirtschaftlichen Risiken hingewiesen, die durch eine Verhinderung von Geschäftsreisen, durch fehlerhafte Interpretation von Daten im Einzelfall, aber auch durch die systematische Auswertung von Geschäftskontakten durch fremde Nachrichtendien
ste entstehen können. Die Folge der Fluggastdatenübermittlung kann nämlich sein, dass Reisende, ohne Anlass für die Verdächtigung einer Straftat gegeben zu haben, durch bestimmte Reisegewohnheiten auffallen oder in einen Rechtfertigungsdruck kommen. Ich möchte daran erinnern, dass die Amerikaner sogar erheben, welche Speisen der Fluggast während des Fluges zu sich nimmt, um daraus mögliche Erkenntnisse darüber zu erhalten, ob jemand als Terrorverdächtiger einzustufen ist oder nicht. Ich höre, da lacht jemand. Aber es sind bereits Einreiseverbote in die USA aufgrund dieser Tatsache ausgesprochen worden, ohne jeden sonstigen konkreten Hintergrund.
(Dr. Heiner Garg [FDP]: Welches Menü wä- re denn politisch korrekt? - Minister Uwe Döring: Schweinefleisch!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Firmen, die ihre Mitarbeiter ins Ausland schicken, werden es sich möglicherweise genau überlegen, ob ihre Angestellten künftig das Flugzeug nutzen sollten, damit keine Reiseprofile erstellt werden. Dass die Gefahr des Missbrauchs der Daten besteht, zeigt ein Fall vor wenigen Jahren, der mir vorliegt. Seinerzeit wurde ein Gespräch von Geschäftsreisenden im Flugzeug aufgezeichnet und durch einen befreundeten Nachrichtendienst einer befreundeten Macht an die Konkurrenten im eigenen Land weitergeleitet.
Das Gleiche gilt natürlich auch für Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen. Durch die Fluggastdatenspeicherung werden natürlich auch die Reisegewohnheiten und Profile von Abgeordneten erstellt und ausgewertet werden können. Und was ist beispielsweise mit Journalisten, die im Ausland recherchieren?
Aus dem Vorschlag der Kommission ist nicht zu entnehmen - Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen -, welche Rechte die Betroffenen haben. Wie kann jemand, die oder der betroffen ist, nachfragen, an wen seine Daten weitergegeben wurden? Wie kann er überhaupt sicherstellen, dass unter Umständen falsch übermittelte Daten korrigiert werden? Er erfährt ja möglicherweise erst aus einer Reaktion, deren Ursache ihm gar nicht bekannt geworden ist, dass da möglicherweise etwas falsch gelaufen ist. Zwar gibt es den Vorschlag der Mindestdatenspeicherfrist der Fluggastdaten, Herr Minister, aber es gibt keinen normierten Zwang, jedenfalls nicht in Bezug auf die Privaten, die Daten nach den 13 Jahren auch tatsächlich zu löschen.
Wir erwarten als FDP von unserer Landesregierung einen klaren Widerspruch zu diesen Plänen, der im Bundesrat auch zu vernehmen ist, Herr Minister. Ich bin guter Hoffnung, dass Sie sich in dieser Frage - ich hoffe das wirklich und unterstütze Sie sehr - innerhalb des Kabinetts durchsetzen werden.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne begrüßen wir zuvor ganz herzlich Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften des Max-Planck-Gymnasiums in Kiel. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mobilität, das heißt die Freiheit, jederzeit an einen beliebigen Ort dieser Welt reisen zu können, besitzt in unserer Gesellschaft, insbesondere im Bereich des Luftverkehrs, einen überragenden Stellenwert. Einerseits ist diese Mobilität eine Voraussetzung für das Funktionieren unserer Gesellschaft - das gilt auch für den wirtschaftlichen Bereich -, andererseits macht sie uns anfällig für terroristische Anschläge. Jede Störung dieser Mobilität, jeder erfolgreiche Anschlag würden automatisch dazu führen, dass wir weitreichenden Forderungen nach Kontrollen und verstärkten Sicherheitsmaßnahmen gegenüberstünden.
Wir sind in der Pflicht, die sensiblen und hoch anfälligen Verkehrsinfrastrukturen wirksam zu schützen, ohne aber die Mobilität der Bürgerinnen und Bürgern mehr zu beeinträchtigen, als unbedingt notwendig ist. Aus dieser scheinbaren Zwickmühle hilft uns die moderne Informationstechnologie, die es uns erlaubt, die Mobilität der Menschen zu erhalten, sogar auszubauen und gleichzeitig wirksam gegen internationalen Terrorismus und Verbrechen vorzugehen. Beispiele sind das Schengener Informationssystem, das VISA-Informationssystem, das Eurodac-System für Asylbewerber und nicht zuletzt die anstehende Nutzung von Fluggastdaten, Daten, die nicht speziell zu Sicherheitszwecken erhoben werden, sondern ohnehin bei den Fluggesellschaften schon vorhanden sind. Die USA und Kanada praktizieren dies bereits seit Jahren.
Der nun vorliegende Vorschlag des Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen - es wurde schon gesagt: Passenger-Name-Records oder PNR zu Strafverfolgungszwecken regelt unter anderem Verwendungszweck, Datenumfang, Speicherungsund Übermittlungsbedingungen, Datenschutz und Datensicherheit. Passenger-Name-Records dürfen im Rahmen der Verhütung und Bekämpfung terroristischer Straftaten und der organisierten Kriminalität nur verarbeitet werden zur Identifizierung von Personen und deren Komplizen, die an einer Straftat beteiligt sind oder sein könnten, zur Entwicklung und Aktualisierung von Risikoindikatoren, zur Gewinnung von Erkenntnissen über Reisegewohnheiten, zur Verwendung im Rahmen polizeilicher Ermittlungen und der strafrechtlichen Verfolgung.
Die zu speichernden Daten sind bereits beschrieben worden. Noch einmal: Es sind Daten, die bereits heute von allen Fluggesellschaften erhoben und gespeichert werden, und das ohne Rahmenrichtlinie.
Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass die Daten für einen Zeitraum von fünf Jahren nach ihrer Übermittlung gespeichert werden. Nach Ablauf der Fünfjahresfrist werden die Daten für weitere acht Jahre vorgehalten. In diesem zweiten Zeitraum - Herr Minister Döring hat es bereits gesagt - ist ein Zugriff nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde und nur in den Ausnahmefällen zulässig, in denen auf eine bestimmte akute Bedrohung reagiert werden muss. Alle Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Daten nach Ablauf des Achtjahreszeitraums gelöscht werden.
Alle Mitgliedstaaten müssen auch dafür sorgen, dass die Daten physisch geschützt sind, das Kontrollen des Zugangs, der Datenträger, der Speicherung, der Verarbeitung, des Zugriffs, der Übermittlung und der Übertragung eingerichtet werden sowie Personalprofile für Zugriffsberechtigte erstellt werden. Darüber hinaus werden gemeinsame Protokolle und Verschlüsselungsstandards festgelegt. Der Datenschutz ist entsprechend dem Rahmenbeschluss des Rates über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden, geregelt. Das beinhaltet für die betroffenen Personen insbesondere das Recht auf Information, Zugang, Berichtigung, Löschung oder Sperrung sowie das Recht auf Schadenersatz.
Abschließend ist festzustellen, dass nach heutigem Stand die rechtlichen Bedingungen zur Erhebung und zweckgebundenen Verarbeitung der Passagier