Protokoll der Sitzung vom 27.02.2008

Ich glaube, dass es gerade im Hinblick auf das Verhältnis von Mehrheit und Opposition, Mehrheit und Minderheit eine ganz wichtige Frage des parlamentarischen Stils und des parlamentarischen Klimas, der Form, in der man miteinander zusammenarbeitet, ist. Dazu gehörte auch, dass wir nach erster Sichtung der vielen Papiere, die wir natürlich von unserer fleißigen Verwaltung bekommen haben Stichwort: Wie sind die Sitten und Gebräuche in anderen Landesparlamenten -, zum Ergebnis gekommen sind, dass wir die Abgeordneten in Schleswig-Holstein sind. Was die Kolleginnen und Kollegen irgendwo sonst in Bayern vielleicht für richtig

(Holger Astrup)

halten oder in jahrzehntelanger Praxis liebgewonnen haben, muss nicht unbedingt auch für uns gelten. Wir verlegen ja auch nicht die Alpen nach Schleswig-Holstein. Wir sind im Grunde von der Frage ausgegangen, wie wir nach den bisherigen parlamentarischen Erfahrungen hier im Haus bestimmte Abläufe verbessern können.

All die einzelnen Dinge, die es dazu anzuführen gibt, hat Torsten Geerdts erläutert. Deshalb will ich nur aus meiner Sicht noch einmal den Schwerpunkt auf die Frage der Aktualität legen. Das ist mir besonders wichtig, also die Regelungen, die die Aktuelle Stunde betreffen, zum Beispiel, dass man die Anmeldefristen verkürzt. Ich will ergänzend noch ausdrücklich darauf hinweisen, dass auch in Zukunft der ergänzende Passus in der Geschäftsordnung steht - er steht da bisher auch schon drin -, dass man selbst dann, wenn man die Fristen schon versäumt hat, bei Fragen besonderer Aktualität einen Antrag stellen kann und dass es die Entscheidung des Landtagspräsidenten ist, ob er auch nach Ablauf der Anmeldefrist eine Aktuelle Stunde zulässt. Dieser Passus ist in der Vergangenheit, soweit ich weiß, nie in Anspruch genommen worden. Ich möchte die Fraktionen ermuntern, im Falle einer echten Aktualität darauf in Zukunft durchaus zurückzugreifen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dann erwarten wir weise Entscheidungen von Martin Kayenburg. Ich glaube, dass wir dadurch die parlamentarische Arbeit insgesamt lebhafter und aktueller und damit auch für unsere Wählerinnen und Wähler, für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes interessanter gestalten können.

(Beifall)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug und erteile für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Geerdts, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede als Parlamentarischer Geschäftsführer.

(Beifall)

Sie haben das nicht nur formal gut gemacht; auch inhaltlich bin ich voll zufrieden mit Ihren Ausführungen.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

Das spiegelt die Zusammenarbeit wider, die wir im Vorfeld in den nur zwei Runden, die wir miteinander gedreht haben, hatten. Es gab tatsächlich die Möglichkeit, viele Vorschläge einzuspeisen und sachlich miteinander darüber zu diskutieren, was Sinn macht, worauf wir uns verständigen können.

Wichtig sind mir die Punkte - Herr Astrup hat darauf hingewiesen -, die in dieser schwierigen Situation einer Großen Koalition die Rechte der Kleinen stärken. Das ist die Möglichkeit, eine Aktuelle Stunde erst Montagabend anmelden zu können. Es ist aber auch die Möglichkeit, zur Begründung von Dringlichkeitsanträgen tatsächlich drei Minuten sprechen zu können, ohne dass der Landtagspräsident oder eine seiner Stellvertreterinnen über die Frage entscheiden, ob zur Begründung der Dringlichkeit oder in der Sache gesprochen wird.

Das Entscheidende ist, dass wir die neue Geschäftsordnung nun mit Leben füllen und beispielsweise in der Aktuellen Stunde versuchen, frei zu sprechen. Das Spannende ist, dass jetzt Fragen anderer Abgeordneter zugelassen werden müssen. Denn es ist ein bisschen peinlich, wenn mich jemand fragt, ich nicht mehr das Argument der Zeit habe. Was will ich dann sagen? Insofern hoffe ich, dass ich Ihnen in Zukunft keine Antwort schuldig bleibe. Ich werde mich zumindest darum bemühen. Damit der Landtag ein bisschen lebendiger bleibt und wir uns nicht gegenseitig langweilen, schenke ich Ihnen die letzten drei Minuten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Vielen Dank, Frau Heinold. - Das Wort für den SSW erhält die Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne nun eine philosophische Diskussion über Sinn und Zweck von Geschäftsordnungen vom Zaun brechen zu wollen, gehe ich davon aus, dass alle hier in diesem Hohen Haus mit Geschäftsordnungen ihre ganz persönlichen Erfahrungen gemacht haben. Das Gleiche gilt für diejenigen im Land, die sich im Vereinsleben tummeln. Dass Geschäftsordnungen unter die Lupe genommen wer

(Dr. Ekkehard Klug)

den müssen, weil geguckt werden muss, ob sie noch stets den Anforderungen gerecht werden, die an sie zu stellen sind, leuchtet somit den meisten Menschen ein. Viele wissen, dass mit Geschäftsordnungen sowohl taktiert wie auch richtig Politik gemacht werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist es mir wichtig herauszustellen - der Kollege Astrup und die anderen Kollegen sprachen es auch schon an -, dass die interfraktionell eingebrachte Änderung der Geschäftsordnung des Landtages viel mehr ist als der kleinste gemeinsame Nenner. Sie ist im Gegenteil Ausdruck einer gemeinsam getragenen Auffassung von den Abläufen unserer Landtagssitzungen und spiegelt somit die besondere Kultur des Schleswig-Holsteinischen Landtages wider.

Ohne überheblich wirken zu wollen, ist es aus meiner Sicht durchaus angebracht, dass sich die Fraktionen in dieser Sache auch einmal auf die eigene Schulter klopfen, die kleinen wie die großen. Für die Große Koalition gilt zum Beispiel, dass sie mit diesem Antrag ihre Übermacht nicht auslebt. Sie hat sich glaubwürdig dafür eingesetzt, dass angepeilte Änderungen im Konsensus verabschiedet werden. Dafür gebührt ihr Lob. Sie erlag beispielsweise nicht der Versuchung, die Redezeiten im Plenum an der Größe der Fraktionen festzumachen, auch wenn dies zum Beispiel im Bundestag so gemacht wird.

Leidtragender einer solchen Regelung wäre nicht zuletzt der SSW gewesen. Darum sage ich klar und deutlich: Mit der Verfassungsreform von 1990 und der damit einhergehenden neuen Geschäftsordnung des Landtages wurde eben auch eine neue Parlamentskultur eingeleitet. Gradmesser dieser neuen Kultur war und ist, wie mit dem SSW verfahren wird. Weil ich die Geschäftsordnungsdebatte nach der Landtagswahl 2005 noch im Ohr habe, stelle ich für den SSW fest, dass wir uns - vielleicht mehr als andere - bewusst sind, dass die 1990 beschlossene Gleichstellung des SSW mit den anderen Fraktionen dieses Hauses nicht vom Himmel fiel. Sie wurde einvernehmlich beschlossen und genauso einvernehmlich beschließen wir heute, dass nur Geschäftsordnungsänderungen infrage kommen, die diese Parlamentskultur nicht verletzen.

Ziel dieser Änderungen ist es zum einen - das will ich jetzt nicht so weit ausführen -, den formellen Rahmen für die Einbeziehung aktueller Themen in die Landtagsdebatten zu stärken: Die Frist für die Beantragung einer Aktuellen Stunde wird verkürzt und nicht die Landesregierung wird künftig bei Aktuellen Stunden das letzte Wort haben, sondern ein

Mitglied des Landtages. Ich muss sagen: Heute hätte ich wirklich Lust gehabt, dem Wirtschaftsminister zu antworten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei Dringlichkeitsanträgen wird es künftig so sein, dass jeder Fraktion zur Begründung der Dringlichkeit eine Redezeit von bis zu drei Minuten zusteht - eine kleine, aber feine Änderung, weil wir in der Vergangenheit immer wieder unerfreuliche Debatten darüber geführt haben, ob zur Dringlichkeit geredet wird.

Zum anderen gibt es eine ganze Reihe von praktischen Änderungen, die insgesamt dazu beitragen werden, die Abläufe der Landtagssitzungen transparenter zu gestalten. Dazu gehören auch die Punkte, die der Kollege Geerdts ansprach und die zur Stärkung des Parlaments im Verhältnis zur Landesregierung beitragen.

Ich fasse zusammen: Die Fraktionen haben sich auf maßvolle und nachvollziehbare Änderungen geeinigt. Sie haben vertrauensvoll zusammengearbeitet und das ist das Beste an der ganzen Sache.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 16/1877 einstimmig angenommen worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, da heute Abend die Veranstaltung mit den Zivildienstleistenden und den Bundeswehrangehörigen stattfindet, rechtzeitig Schluss zu machen und den Tagesordnungspunkt 6 auf Donnerstag nach Tagesordnungspunkt 33 zu schieben.

Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/1440

Bericht und Beschlussempfehlung des Sozialausschuss Drucksache 16/1880

(Anke Spoorendonk)

Änderungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1912

Ich erteile der Berichterstatterin des Sozialausschusses, der Frau Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Maßregelvollzugsgesetzes durch Plenarbeschluss vom 11. Juli 2007 federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss überwiesen.

Der federführende Sozialausschuss hat ihn in drei Sitzungen, zuletzt am 14. Februar 2008, beraten. Die Beratungen waren durch das Bestreben geprägt, dem Landtag eine einvernehmliche Beschlussempfehlung zuzuleiten. In einigen Teilbereichen ist es allerdings nicht gelungen, gemeinsame Formulierungen zu finden. Daher empfiehlt Ihnen der Sozialausschuss mit den Stimmen von CDU und SPD bei Enthaltung von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der aus der Drucksache 16/1880 ersichtlichen Gegenüberstellung anzunehmen. Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage sind durch Fettdruck kenntlich gemacht. Der beteiligte Innen- und Rechtsausschuss hat kein Votum abgegeben.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne dann die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Heike Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es um Maßregelvollzug geht, dann ist in der Regel die Gesellschaft nur dann daran interessiert, wenn die Medien über Ausbrüche oder über gutachterliche Prognosen berichten, die nicht zutreffend waren und bei denen es anschließend wieder zu Straftaten gekommen ist.

Der Maßregelvollzug ist aber eine verfassungsrechtlich sensible Angelegenheit. Auf der einen Seite geht es um den Schutz von Bürgerinnen und Bürgern vor Straftaten und der Gewährleistung von deren Sicherheit, auf der anderen Seite um die per

sönlichen Rechte der Patienten und insbesondere um deren Therapie und Wiedereingliederung in die Gesellschaft.

Bei aller Rücksicht auf die Rechte der untergebrachten Personen muss für uns als CDU-Fraktion zunächst der Schutz der Öffentlichkeit im Vordergrund stehen. Daher begrüßt die CDU-Fraktion insbesondere die rechtlichen Klarstellungen, die in der Gesetzesnovelle vorgenommen worden sind. Ein Beispiel dafür ist der Bereich der Durchsuchungen. Selbstverständlich muss es möglich sein, bei einer möglichen Gefährdung der Ordnung innerhalb der Einrichtung oder aber auch der Öffentlichkeit nicht nur die Patienten selbst, sondern auch deren Sachen und die Unterbringungsräume der Patienten zu durchsuchen. Hier wird für die Einrichtungen Rechtssicherheit geschaffen und es wird eine Rechtslücke geschlossen. Mit den Regelungen zu den Sicherheitskontrollen sind sowohl für das Personal als auch für die untergebrachten Menschen klare Maßstäbe gesetzt worden.

Ein weiterer Beitrag zur Sicherung sind die bereits laufenden und teilweise abgeschlossenen Erweiterungs- und Umbauarbeiten in den Kliniken in Schleswig und in Neustadt, die sich mit Sicherheit auch positiv auf die Patienten und deren Unterbringungssituation auswirken werden. Gleiches gilt für die bereits erfolgte Bereitstellung und die Aufstockung des Personals um 35 Stellen.

Maßregelvollzug ist ein tiefer Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte eines Menschen, und zwar sowohl im Rahmen der Freiheitsentziehung als auch im Rahmen der medizinischen und therapeutischen Behandlungen. Daher müssen neben den Sicherheitsaspekten eines solchen Gesetzes auch insbesondere die Rechte der untergebrachten Menschen geschützt werden. Mit dem neuen Maßregelvollzugsgesetz werden diese Rechte geschützt und weiter gestärkt. Ziel des Maßregelvollzugs ist es, die Patienten durch ärztliche, psychotherapeutische und weitere therapeutische Maßnahmen zu behandeln und sie zu befähigen, ein in die Gesellschaft eingegliedertes Leben zu führen, und zwar ohne Straftaten. Gerade vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung ist von besonderer Bedeutung, dass die Gesetzesnovelle hier auch die Mitarbeit der untergebrachten Menschen im Vollzug einfordert, denn nur wer sich aktiv und aus eigenem Bestreben mit seiner Erkrankung und der damit verbundenen Lebenswirklichkeit auseinandersetzt, hat auch die reelle Chance, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen.

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

Für uns gehört dazu auch der Kontakt zu Menschen außerhalb der Klinik. Der Besuch von Familienangehörigen oder Freunden kann in erheblichem Umfang ein Ansporn sein, an der eigenen Person zu arbeiten und das Ziel der Entlassung zu erreichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Betroffene wissen, dass es Menschen außerhalb der Anstalt gibt, die auf sie warten. Daher haben wir uns analog zum Strafvollzugsgesetz auf eine verbriefte Mindestbesuchszeit festgelegt, die das sicherstellen soll.

Ein weiterer Punkt für die erfolgreiche Eingliederung in die Gesellschaft ist die Möglichkeit des Probewohnens zur Vorbereitung auf die Entlassung. Wir versprechen uns davon einen gleitenden und einen begleiteten Übergang von der Klinik in ein Leben ohne Straftaten. Die Patienten werden auch durch die Neuregelungen zum persönlichen Besitz, zur Informationsfreiheit und zur Religionsausübung weiter in ihren Rechten gestärkt.