Das gilt auch für die ärztliche Begutachtung traumatisierter Flüchtlinge, zu der heute ein weiterer Antrag der Oppositionsfraktionen vorgelegt worden ist, den wir gern in den Fachausschuss zur nochma
ligen Beratung dieses Themenkomplexes überweisen wollen, obwohl wir das, was mit diesem Antrag erreicht werden soll, im Ausschuss eigentlich schon auf den Weg gebracht haben. Der Kollege Wengler hat darauf hingewiesen. Ich zitiere aus dem Ausschussprotokoll vom 6. Februar 2008, Seite 15: Danach kommt der Ausschuss einstimmig überein, die Landesregierung zu bitten, die Behörden darauf hinzuweisen, dass eine Begleitung bei ärztlichen Untersuchungen im Rahmen der Praxis der Feststellung der Reisefähigkeit von traumatisierten Menschen möglichst weitgehend zugelassen werden sollte. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung der einstimmigen Bitte des Ausschusses Folge leisten wird, dies möglicherweise schon getan hat, ohne dass es einer weiteren formellen Aufforderung des Landtages dazu bedarf.
Dass traumatische und posttraumatische gesundheitliche Belastungen im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen fachärztlich zu begutachten sind, ist ebenfalls ohne einen weiteren Landtagsbeschluss und ohne Aufforderung an die Landesregierung in der Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden bereits sichergestellt.
Zur erneuten Beratung in den Ausschuss überweisen wollen wir auch den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW, der darauf abzielt, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, wie es in dem Antrag heißt, gemäß § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und ein sogenanntes Clearingverfahren zur Ermittlung des spezifischen Hilfebedarfs von minderjährigen Flüchtlingen verbindlich festzulegen. Wir schlagen vor, diesen Komplex nicht nur dem Innen- und Rechtsausschuss, sondern auch dem Sozialausschuss zu überweisen; denn die Inobhutnahme nach SGB VIII fällt fachlich in die Zuständigkeit der Jugendministerin. Auch sie hat allerdings nach unserer rechtlichen Einschätzung nicht die Möglichkeit, in diesem Punkt fachliche Weisungen zu erteilen, da bei der Inobhutnahme Jugendlicher, auch ausländischer junger Menschen, die Kreise und kreisfreien Städte mit ihren Jugendämtern in fachlicher Eigenverantwortung handeln.
Ein letzter Komplex ist das Thema Staatsangehörigkeitsrecht. Ich habe hierzu schon in der ersten Lesung vorgetragen, dass Text und Begründung des ursprünglichen Antrages der Grünen, dem sich FDP und SSW jetzt angeschlossen haben, exakt die Grundposition der SPD-Landtagsfraktion beschreiben. Auch wir kritisieren seit Jahren, so die Antragsbegründung der Grünen und jetzt auch der beiden anderen Fraktionen der Opposition, dass das derzeitige deutsche Staatsangehörigkeitsrecht die
Möglichkeit doppelter Staatsangehörigkeiten nur in Ausnahmefällen vorsieht und dass Kinder ausländischer Eltern, die durch Geburt in Deutschland auch die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, sich nach Vollendung des 18. Lebensjahres entweder für die deutsche oder die Staatsangehörigkeit der Eltern entscheiden müssen. Wir teilen die Auffassung, dass dieses sogenannte Optionsmodell mit der Verpflichtung zur ausschließlich einseitigen Orientierung bei Erreichen der Volljährigkeit der Lebenswirklichkeit nicht entspricht. Ich selbst kenne viele Menschen mit Migrationshintergrund - ich habe das schon in erster Lesung gesagt -, die sich sowohl als Bürger unseres Staates sehen, in dem sie seit ihrer Geburt leben, als sich auch und gleichermaßen als Teil der Herkunftsgesellschaft ihrer Eltern und Großeltern fühlen. Als SPD setzen wir uns auch auf Bundesebene für eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ohne ideologische Vorbehalte ein.
Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es in den Regierungsfraktionen von CDU und SPD nicht nur auf Bundesebene, sondern auch hier in Schleswig-Holstein gerade in der Ausländerpolitik nicht nur komplett deckungsgleiche Grundpositionen gibt. Realität ist auch folgende: In Koalitionen ist es nun einmal nicht möglich - leider, muss ich in diesem Fall sagen -, dass jede der beteiligten Parteien und Fraktionen jeweils durchgehend ihre eigenen Positionen in konkrete Politik umzusetzen in der Lage ist. Ich habe schon im Ausschuss darauf hingewiesen, dass meine Fraktion dem vorliegenden Antrag gern zustimmen würde, ihn aus koalitionspolitischen Gründen jedoch leider ablehnen muss. Daran ändert auch der heutige Antrag auf namentliche Abstimmung nichts.
Es ist uns leider nicht gelungen, Herr Kollege Hentschel, die CDU-Fraktion von dem guten integrationspolitischen Ansatz des Antrages der Grünen zu überzeugen. Wir sind andererseits fest entschlossen - auch das muss gesagt werden -, unsere Arbeit in der Großen Koalition für bessere Bildungschancen, für Haushaltskonsolidierung, für überfällige Verwaltungsreformen gemeinsam mit der CDU bis 2010 fortzusetzen und nicht an dieser Stelle trotz unvereinbarer Positionen in einer Einzelfrage die Koalition aufzukündigen, zumal es in dieser Frage gar keine landespolitische Kompetenz gibt, sondern bundesrechtliche Neuregelungen erforderlich wären, die angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene zurzeit gar nicht durchsetzbar wären. 2009 im Bund und 2010 im Land werden möglicherweise neue Mehrheiten auch neue
Ich habe unser Abstimmungsverhalten zu dem Antrag auf Überarbeitung des Staatsangehörigkeitsrechts mehrfach ausdrücklich begründet, hier im Landtag in erster Lesung und in den Ausschussberatungen. Es kann deshalb ehrlicherweise, Herr Kollege Hentschel - ich komme zum Schluss -, nicht die Rede davon sein, dass meine Fraktion, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung von gestern schreiben, im Innenausschuss geräuschlos CDU-Politik abgenickt hat. Auch die Werbung unseres Partei- und Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner, die Sie kritisieren, hat mit Unglaubwürdigkeit, die Sie ihm unterstellen, nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Die Opposition - das ist mein letzter Satz - sollte es unterlassen, in Einzelfragen unterschiedliche Positionen der Koalitionsfraktionen für untaugliche Spaltungsversuche zu nutzen. Die Versuche werden bis 2010 fehlschlagen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat deren Vorsitzender Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Puls, dann wollen wir einmal sehen, wie die Menschen das sehen und nicht nur, wie die „Binnenbefindlichkeit“ der SPD ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was muss ein Flüchtling eigentlich alles ertragen? Was muss er alles ertragen können? Man sollte annehmen, dass diese Fragen zu den Kernfragen gehören, bevor ein Flüchtling, ein Ausländer, nach Deutschland und nach Schleswig-Holstein kommt - aus einer Krisenregion geflüchtet, häufig mit schrecklichen Ereignissen konfrontiert, oftmals nach Verlust von Angehörigen oder anderen Bezugspersonen.
Doch für mich stellen sich diese Fragen mit nahezu der gleichen Heftigkeit auch noch, wenn der Flüchtling hier bei uns vor Ort ist. Sie ziehen sich geradezu wie ein roter Faden durch unsere heutige verbundene Debatte. Was muss ein Flüchtling eigentlich alles ertragen, noch dazu in einem Rechtsstaat, einem Staat, in dem die Würde des Menschen unantastbar ist, die Freiheit der Person unverletzlich?
Gleich mehrfach hat uns der Beauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein, Wulf Jöhnk, auf verschiedene unzureichende und zum Teil auch rechtsstaatlich bedenkliche Vorfälle in der täglichen Praxis mit Flüchtlingen und Ausländern aufmerksam gemacht, Vorfälle, bei denen die humanitären Rechte der Betroffenen auf der Strecke bleiben, schlimmer noch, bei denen nicht erkennbar ist, dass sich durch diese Vorfälle eine Verbesserung der gegenwärtigen Praxis einstellen wird, jedenfalls nicht ohne unsere heutigen Initiativen, zu deren Zustimmung ich Sie bereits an dieser Stelle auffordere.
Ich beginne mit dem Antrag „Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“. Bereits die Debatte über den Bericht der Landesregierung zu diesem Thema sprach Bände. Auf einer Grundlage, die die lösungsbedürftigen Probleme im Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen schlicht ausblendete, versicherte uns zwar der ehemalige Innenminister seines Mitgefühls gerade mit diesen Flüchtlingen. Aber alle Kritik, die 16- bis 17-Jährigen ausländerrechtlich nicht wie erwachsene Flüchtlinge zu behandeln, prallte indessen an ihm und den Regierungsfraktionen ab.
Dabei sind die Argumente wahrlich überzeugend, dass der Konflikt zwischen ausländerrechtlichen und jugendrechtlichen Gesetzesbestimmungen im Sinne des Jugendschutzes zu lösen ist. Der Flüchtlingsbeauftragte hat das bereits eindrucksvoll im Ausschuss vorgetragen. Die Folge ist, dass unbegleitete minderjährige, 16- bis 17-jährige Flüchtlinge grundsätzlich in einer geeigneten Einrichtung mit qualifizierter Betreuung in Obhut zu nehmen sind. Von einer Einweisung in eine Flüchtlingsaufnahmeeinrichtung ist abzusehen. Die Durchführung der Abschiebungshaft ist ausgeschlossen.
Übrigens ist der Flüchtlingsbeauftragte mit diesem Vorschlag nicht allein. Seit Ende letzten Jahres beanstandet die EU-Kommission offiziell den Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland, ohne dass wir bisher darauf reagiert hätten.
Ich bin daher zuversichtlich, dass die bisherige Praxis schon bald den vorgeschlagenen Verbesserungen weichen wird.
Verbesserung dringend nötig hat ebenfalls die ärztliche Begutachtung von traumatisierten ausreisepflichtigen Personen hierzulande. Hintergrund dieses Antrags ist der verwaltungsrechtliche Ablauf im Verfahren zur Prüfung der Flugreisetauglichkeit ausreisepflichtiger Ausländer im Kreis Pinneberg. Auch hier machte uns der Flüchtlingsbeauftragte unterstützt durch den Diakonieverein Pinneberg darauf aufmerksam, dass ganz offensichtlich nicht alle schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden mit traumatisierten Flüchtlingen - also psychisch kranken Menschen - angemessen umgehen. In Pinneberg scheint die Ausländerbehörde sogar bewusst auf besondere psychologische Begutachtungen zu verzichten und sich stattdessen mit ärztlichen Stellungnahmen zu begnügen, die eine schnellere Abschiebung gewährleisten.
Kritik vom Innenministerium gab es dazu bisher nicht. Schließlich bleibt die Form stets gewahrt. Nur die oder der Abzuschiebende bleibt irgendwo auf der Strecke, auf einer Strecke, auf der die zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse und inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse so lange hin und her geschoben werden, bis die Strecke für den Betroffenen zur Sackgasse wird, die - soweit bekannt gemacht - für alle ausreisepflichtigen Personen in einem krankhaften Zustand endete.
Dabei trägt der maßgebliche Erlass des Innenministeriums ausdrücklich dem Umstand Rechnung, dass für einen traumatisierten Menschen die amtlich festgestellte Abschiebung zu einer starken Verschlechterung der Gesundheit führen und einen psychischen Zusammenbruch mit lebensbedrohlichen Konsequenzen hervorrufen kann. Das soll heißen, dass die amtlich festgestellte Abschiebung zu einer Verschlimmerung der Krankheit im Inland führen kann. Das kann Auswirkungen auf die Reisefähigkeit im weiteren Sinne haben und damit auch zu einem inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis werden. Das wiederum wäre von der Ausländerbehörde festzustellen, erfordert aber eine psychologisch-psychiatrische fachärztliche Untersuchung. Genau genommen zielt unser Antrag daher auf nicht mehr, als dass der Erlass des Innenministeriums auch in Pinneberg angewendet wird. Dazu gehört, dass bei einer schlüssig vorgetragenen posttraumatischen Belastungsstörung eine fachärztliche Untersuchung vorgenommen wird, also von
Ebenso gehört für uns dazu, dass die ausreisepflichtige Person eine Vertrauensperson zu den ärztlichen Untersuchungen zur Vorbereitung der Aufenthaltsbeendigung mitnehmen darf. Ich habe im Ausschuss ausdrücklich darauf hingewiesen. Allein aus humanitären Gründen sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, eine traumatisierte, psychisch kranke Person in dieser Situation nicht alleinzulassen.
Der Arzt mag sich gern auf seine Therapiefreiheit berufen, falls er für die konkrete Untersuchung mit seinem Patienten allein sein will. Das bleibe ihm unbenommen. Aber die Ausländerbehörde sollte sich dann zumindest fragen, ob sie in diesem Arzt den vertrauensvollen Partner hat, auf dessen Begutachtung sie ihre Entscheidung über eine Abschiebungsverfügung stützen möchte oder nicht. Schließlich verlangt sie von der ausreisepflichtigen Person auch das Einverständnis zu einem Datenaustausch im Rahmen des Verfahrens.
Ich komme damit zur Durchführung der Abschiebungshaft. Seit Jahren üben Fachleute und Rechtsprechung heftige Kritik an den gesetzlichen Grundlagen über die Anordnung der Abschiebungshaft, vornehmlich der Sicherungshaft. Der Flüchtlingsbeauftragte Wulf Jöhnk bezeichnete sie kurzerhand als „gesetzgeberischen Murks“.
Lieber Kollege Puls, ich bin dankbar, dass Sie von dieser Stelle aus dem Flüchtlingsbeauftragten danken. Es wäre aber angemessener gewesen, es wäre in der Innen- und Rechtsausschusssitzung auch einmal zum Ausdruck gekommen, dass die SPD-Fraktion ihm wirklich dankt.
Leider hat sich daran auch mit der letzten Änderung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union nichts geändert. Nach wie vor sind die gesetzlichen Grundlagen für die Anordnung der Abschiebungshaft unzureichend und aus rechtsstaatlichen Gründen nicht akzeptabel. Denn sie ignorieren, dass in unserem Rechtsstaat nur unter genau bestimmten, engen Voraussetzungen in die Freiheit einer Person eingegriffen werden darf. Diese Voraussetzungen bestimmt der Gesetzgeber. Diese Verfassungsnorm
Was wir stattdessen vorfinden, ist ein Zirkelschluss, auf den ich noch einmal hinweisen will, der die vollziehbare Ausreisepflicht nicht nur als gesetzliche Voraussetzung für die Abschiebung nennt, sondern gleichzeitig auch für die Abschiebungshaft also den oftmals über Monate andauernden Freiheitsentzug zur Sicherung der Durchführung der Abschiebung. Dabei liegt auf der Hand, dass es dazu weiterer Voraussetzung bedürfte. Die Rechtsprechung verlangt beispielsweise eine sogenannte Vereitelungsabsicht, aber der Gesetzgeber schweigt noch. Denn das wollen wir ändern. Und wir müssen es ändern, denn wir können es nicht dauernd den Gerichten überlassen, wenn wir gesetzgeberisch eindeutig tätig werden können.
Damit komme ich zu guter Letzt zu unserem Antrag, das Staatsangehörigkeitsrecht zu überarbeiten. Ich hoffe sehr, dass die bisherigen Beratungen dazu beitragen konnten, auch der Union deutlich zu machen, dass das Leben bunt ist, dass sich Identität nicht auf schwarz oder weiß reduzieren lässt und wir in Deutschland jedenfalls dann zumindest Graustufen beim Staatsangehörigkeitsrecht zulassen sollten, wenn es um Jugendliche geht, die von Geburt an zwei Pässe haben, weil ihre Eltern Ausländer sind. Ich wäre dankbar, wenn die Kollegen von der Union nicht auf ihre Hamburger Parteifreunde warten würden, um zu der Erkenntnis zu kommen, sondern sich selbst dieser Gedankenwelt in der Beratung annähern könnten.
Ebenso hoffe ich, dass sich auch die SPD zu diesem ersten Schritt in ein bunteres Integrationsleben durchringen kann. Deutschland ist ein Einwanderungsland, es ist ein Einbürgerungsland. Wir sollten uns davor hüten, hier aufgewachsene junge Deutsche dazu zu zwingen, die eigenen Brücken der Herkunft ihrer Familie einzureißen. Ich gucke mir äußerst ungern solche Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ an, aber die 15 Kandidaten, die dort aufgetreten sind, muss man sich einmal angucken. Ich hatte das Gefühl, davon waren nur noch relativ wenige sozusagen naturalisierte Deutsche. Ich glaube nicht, dass das der Musik oder dem Kulturleben oder Deutschland insgesamt Abbruch tut.