Protokoll der Sitzung vom 01.09.2005

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hingegen wollen erreichen, dass mehr Arbeitsplätze in Deutschland bleiben und dass im Saldo hier wieder neue Arbeitsplätze entstehen können. Deshalb wollen wir zum Beispiel das beiderseitige Verbandsmonopol auf dem Arbeitsmarkt lockern. Wir wollen betriebliche Bündnisse für Arbeit zulassen. Wenn die Mehrheit der Beschäftigten eines Betriebes zustimmt, dann soll in diesen Betrieben von Flächentarifverträgen abgewichen werden können. Damit bekommen diejenigen einen wichtigen Teil der Tarifautonomie zurück, der ihnen zusteht: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall bei der FDP)

Denn um deren Schicksal geht es. Wir wollen, dass sie das selbst in die Hand nehmen dürfen.

(Zurufe und Lachen bei der SPD)

Es braucht noch mehr, damit in Deutschland wieder mehr Menschen Arbeit finden, zum Beispiel die Einsicht, dass Menschen ihr Kapital nur dort investieren, wo sie erwarten können, angemessen entschädigt zu werden dafür, dass sie anderen ihre Ersparnisse überlassen und dabei riskieren, sie zu verlieren. Herr Kollege Fischer, ich weiß gar nicht, warum Sie lachen. Ihre Politik in Berlin

(Rolf Fischer [SPD]: Meine?)

- Ihre ureigene Politik in Berlin hat dafür gesorgt, dass wir Massenarbeitslosigkeit haben und sie nicht bewältigen.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD)

- Ich sehe das ganz ruhig. In 14 Tagen werden wir sehen, wie die Massen den Sozialdemokraten in Deutschland dafür die Abfuhr erteilen werden.

(Beifall bei der FDP)

Anleger sind auf der Suche nach angemessener Verzinsung und in Unternehmen gebundenes Kapital kann sich nur verzinsen, wenn die Unternehmen Gewinne erzielen, die sie an die Eigentümer und Kapitalgeber auszahlen können. Wer den Unternehmen die Gewinne nehmen will, der vernichtet Arbeitsplätze. Arbeitsplätze bleiben nur dort erhalten, wo sie erstens mehr einbringen, als sie kosten, und wo sich zweitens diejenigen, die die Arbeitsplätze bereitstellen, auch angemessen entlohnt fühlen.

Die Sozialdemokraten versprechen auch, die Krankenversicherung als Bürgerversicherung endgültig

zu ruinieren. Alle sollen einzahlen. Das hört sich gut an. Die Sozialdemokraten unterschlagen aber immer Folgendes: Müssten alle einzahlen, dann müsste auch an alle ausgezahlt werden, und zwar mehr, als eingezahlt wurde.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD)

- Ich sehe ein, dass ich das nicht begriffen habe, aber ich würde trotzdem mal auf diejenigen hören, die sich wissenschaftlich mit diesem Problem beschäftigen, und nicht nur auf diejenigen, die Parteiprogramme für die SPD schreiben.

(Beifall bei der FDP)

Folglich würde die gesetzlich garantierte medizinische Versorgung für alle immer schneller schlechter und das träfe gerade die wirtschaftlich Schwachen, aber auch die mittleren Einkommensschichten. Beide haben nämlich nicht genug Geld für private Zusatzversicherungen zu ihrer Bürgerversicherung. So würden die Sozialdemokraten mit ihrer Bürgerversicherung endgültig die staatlich gewollte Zwei-KlassenMedizin in Deutschland verankern.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen genau das nicht. Wir wollen, dass alle Menschen in Deutschland weiterhin erstklassig medizinisch versorgt werden können. Deshalb schlagen wir vor, das gesetzliche Zwangsversicherungsmonopol durch eine Versicherungspflicht zu ersetzen: Alle Krankenkassen stehen unter Kontrahierungszwang und im Gegenzug dürfen sie risikoäquivalente Beiträge erheben. Diejenigen, die sich diese Beiträge nicht leisten können, werden von der Allgemeinheit unterstützt. Ihre Krankenversicherungsprämien werden aus Steuern subventioniert.

Das hat mehrere Vorteile. Erstens werden die Kosten des Gesundheitssystems aufgedeckt und verursachergerecht zugeordnet, zweitens entsteht unter den Anbietern im Gesundheitswesen mehr Wettbewerb - das ist der sicherste Weg zu besseren Leistungen und mehr Effizienz - und drittens wird die Krankenversicherung von den Lasten der gesellschaftlichen Umverteilung entlastet. Trotzdem wird umverteilt, und zwar gerechter. Die Mittel werden dahin umverteilt, wo sie hingehören, nämlich direkt in die Hände des Staates. Dieser nimmt sie als Steuern von den Leistungsfähigeren und gibt sie denjenigen, die unterstützt werden sollen.

(Beifall bei der FDP)

Viertens - das ist kurzfristig der wichtigste Vorteil -

(Wolfgang Kubicki)

werden die Kosten des Gesundheitswesens von den Kosten der Arbeitsplätze entkoppelt.

(Beifall bei der FDP)

Die Lohnnebenkosten sinken und die Arbeit wird preiswerter. Deshalb wird sie stärker nachgefragt. Dann wird es auch etwas mit Hartz IV.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Steuersystem wollen die Sozialdemokraten einige Ausnahmen streichen, die Steuersätze aber nicht senken. Einige wollen sie sogar erhöhen. Das bedeutet, in Deutschland müssten mehr Steuern gezahlt werden. Angesichts der Tatsache, dass bereits jetzt jeder zweite in Deutschland erwirtschaftete Euro vom Staat ausgegeben oder umverteilt wird, ist das kontraproduktiv. Das wird noch offensichtlicher, wenn wir vom Erwirtschafteten die Abschreibungen abziehen. Dann bleibt das Volkseinkommen übrig. Das ist das, was in einer Volkswirtschaft noch verteilt werden kann. Davon beansprucht der Staat in Deutschland bereits heute knapp 56 %. Wer dem Staat angesichts dessen noch mehr Geld zuschanzen will, der bringt Deutschland noch stärker in die Bredouille.

Wir wollen deshalb dreierlei: Erstens wollen wir, dass der Staat weniger Geld ausgibt; wir wollen die Subventionen kürzen. Zweitens wollen wir die Menschen mit einem einfachen und gerechten Steuersystem ohne Ausnahmen und mit niedrigen Steuersätzen - 0 %, 15 %, 25 % und 35 % - von Steuerpflichten entlasten. Herr Finanzminister, was glauben Sie, wie viele Beschäftigte in der Finanzverwaltung wir sparen könnten, wenn es einfache Steuersätze und einfache Bemessungsgrundlagen ohne jeden Ausnahmetatbestand gäbe? Ich muss das nicht erklären, weil ich ja weiß, dass in den Reihen der Union mit Professor Kirchhof nun jemand dabei ist, der das im Zweifel auch anderen erklären kann.

(Beifall bei der SPD)

Der entscheidende Steuersatz beträgt bei uns 0 %. 7.700 € an steuerpflichtigem Einkommen pro Familienmitglied - egal, ob Erwachsener oder Kind - sind bei uns steuerfrei. Das bedeutet für eine vierköpfige Familie, dass sie mehr als 30.000 € im Jahr steuerfrei verdienen kann.

Drittens bewirken wir mit unserem System, dass sich die Leistungsfähigen angemessen an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen, weil wir die Steuerschlupflöcher schließen. Wir senken den Spitzensteuersatz auf 35 %. Niedrige Steuersätze und eine breite Bemessungsgrundlage - das ist ein modernes Steuersystem für einen leistungsfähigen Staat in einer dynamischen Welt.

Bei uns wissen die Bürger, woran sie sind; denn die FDP hat das Steuerkonzept, mit dem sie im Wahlkampf wirkt, bereits als Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Allen anderen fehlte bezüglich ihrer Vorschläge bislang der Mut dazu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Finanzminister verweist ebenfalls häufig darauf, dass das Steuersystem vereinfacht werden muss und dass die Löhne und die Kosten der sozialen Sicherung entkoppelt werden müssen. Er verweist dann immer auf den Vorschlag - Ehre, wem Ehre gebührt -, den Frau Merkel von Herrn Stegner übernommen hat, nämlich die Mehrwertsteuer zu erhöhen, um die Lohnnebenkosten zu senken.

Allerdings ist Frau Merkel ein paar Schritte weiter als Herr Stegner. Sie spielt ja auch in einer höheren Klasse und ich sage ausdrücklich: Sie spielt auch um Klassen besser. Während Herr Stegner nämlich immer bei allgemeinen Floskeln stehen bleibt, bekennt sich Frau Merkel zu einem konkreten Plan: 2 Prozentpunkte Mehrwertsteuer mehr und dafür 2 Prozentpunkte weniger Beitrag zur Arbeitslosenversicherung. Sie unterschlägt dabei aber einiges. Weil die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer größer ist als die beitragspflichtige Lohnsumme, gewänne der Staat bei der Mehrwertsteuer mehr Geld, als er bei der Arbeitslosenversicherung verlöre. Mit dieser Nettomehreinnahme, die Frau Merkel den Deutschen aus der Tasche ziehen möchte, will sie sich bei den Ministerpräsidenten der unionsregierten Länder Unterstützung einkaufen. Dafür habe ich ein gewisses politisches Verständnis, wirtschaftlich ist das aber bedauerlicherweise der falsche Weg.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es würde Deutschland nämlich schaden. Erstens würde die Mehrwertsteuererhöhung die Wirtschaft belasten. Insbesondere würde die Schwarzarbeit angekurbelt. Zweitens wirken Mehrwertsteuererhöhungen immer regressiv. Niedrige Einkommen werden im Verhältnis viel stärker belastet als höhere Einkommen. Drittens ist die Mehrwertsteuer im Prinzip eine Lohnsummensteuer. Deshalb würde Arbeit kaum preiswerter. Viertens kann Deutschland es sich leisten, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken, ohne dafür Steuern erhöhen zu müssen. Man muss nur unsere Kombination aus Subventionsabbau und Steuerreform umsetzen.

Das alles zeigt: Auf die für Deutschland derzeit wichtigsten Fragen haben die Sozialdemokraten, die hier in Schleswig-Holstein und auch noch in Berlin in der Regierung sitzen, nur untaugliche Antworten. Union und FDP haben in der Summe ihrer Programme die

(Wolfgang Kubicki)

tauglichen Antworten. Wir werden nach dem 18. September dafür sorgen, dass die neue christlich-liberale Bundesregierung unter Führung von Angela Merkel den Menschen in Deutschland genau diese tauglichen Antworten gibt.

(Beifall bei der FDP)

Dann kann die große Koalition hier in SchleswigHolstein auch wieder auf ihren Finanzminister hören und ihn über die Nachschiebeliste dafür sorgen lassen, dass die Ausgaben im Haushalt 2006 sinken, die Investitionen trotzdem steigen und es so tatsächlich zu mehr Arbeit und besserer Bildung in SchleswigHolstein kommen kann.

Wer es ganz einfach haben und ganz sicher gehen will, der wartet einfach auf unsere Vorschläge zum Haushalt 2006. Dort schreiben wir wieder auf, wie das geht.

(Beifall bei der FDP)

Das Präsidium dankt dem Oppositionsführer. - Ich erteile das Wort für die CDU-Landtagsfraktion dem Fraktionsvorsitzenden Johann Wadephul.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kubicki, wir hatten schon die Hoffnung, dass das neue Verfassungsamt des Oppositionsführers vielleicht auch dazu beitragen würde, dass hier etwas mehr Substanz - etwas mehr Butter bei die Fische - kommen würde.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich will nur mal sagen: Man kann sich nicht an einem Tag morgens hier hinstellen und in einer Polizeidebatte bei Anwesenheit der GdP und natürlich im Nachklang zu den Demonstrationen, die wir gestern erlebt haben - ich darf mir noch einmal Ihren Antrag von heute Morgen anschauen -, eine zweite Einsatzhundertschaft und die komplette Einführung der zweigeteilten Laufbahn der Polizei fordern, wissend, dass das Millionen kostet, und sich hinterher dann hier hinstellen und sagen, dass die Sparkonzepte unzureichend sind. Das passt nicht zusammen. Hier erwarte ich in Zukunft etwas mehr Substanz.

(Beifall bei CDU und SPD)

Im Gegensatz zum Herrn Oppositionsführer möchte ich die Aufmerksamkeit auf die eine oder andere Zahl lenken, die ich für besonders erwähnenswert halte. Nach Jahren einer stetig steigenden Neuverschuldung beraten wir heute den ersten Haushaltsentwurf für das

nächste Jahr 2006, in dem die Nettoausgaben erstmals wieder sinken - zwar nur etwas, aber sie sinken, Herr Kollege Kubicki -, in dem die Neuverschuldung um 140 Millionen € gesenkt wird und in dem trotzdem 100 Millionen € mehr als 2004 investiert werden. Die Investitionsquote des Landes steigt damit von 8,4 % auf 9,3 %. Ich will nicht so vermessen sein und das als Trendwende bezeichnen, aber es sind erste richtige und wichtige Schritte in die richtige Richtung.