Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

So eine Denkweise will ich wirklich niemandem hier unterstellen. Für mich ist es aber selbstverständlich, das Prinzip Sicherheit vor Wirtschaftlichkeit nicht nur öffentlich zu verkünden, sondern dieses Prinzip auch konsequent in der Praxis anzuwenden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegt auch nicht in der Verantwortung meiner Reaktorsicherheitsbehörde, dass fast neun Monate ohne Leistungsbetrieb Vattenfall schon viel Geld gekostet haben. In Hessen dauerte der Stillstand zweier Reaktoren noch deutlich länger. Dort war es der RWE-Konzern, der wirtschaftliche Verluste erlitten hat. Dort wie hier sind jedoch die langen Stillstandszeiten von der Stromwirtschaft nie als sicherheitstechnisch unnötig bezeichnet worden. Das finde ich schon wichtig. Es liegt auf der Hand, dass eine Betreibergesellschaft einen Wiederanfahrantrag unverzüglich stellen wird, sobald sie meint, dass alle nötigen Prüfungen abgeschlossen sind. Ein solcher Antrag auf Wiederanfahren liegt meiner Behörde nicht vor. Wenn sich Aufsichtsbehörde und Betreiber einig sind, dass in Brunsbüttel und Krümmel bisher die Voraussetzungen zum Wiederanfahren noch nicht gegeben sind, dann sollte auch niemand diese Übereinstimmung in Zweifel ziehen. Ich bin sicher, dass dies auch niemand hier im Haus beabsichtigt hat.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Ministerin für ihren Bericht. Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach dem Beitrag der Ministerin müssen Sie Ihren Redebeitrag kräftig überar- beiten!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 28. Juni 2007 schaltete sich erst das Kernkraftwerk Brunsbüttel ab, anschließend brannte ein Transformator am Kernkraftwerk Krümmel aus und brachte auch dieses Kraftwerk zur Abschaltung. Daraufhin untersuchte - nach einer Reihe von dilettantischen Management- und Kommunikationsversuchen seitens Vattenfall und der Sozialministerin Trauernicht als zuständiger Atomaufsicht eine unabhängige Expertenkommission genau diese Störfälle. Auf der siebenstufigen internationalen Sicherheitsskala wurden diese mit der Stufe 0 bewertet. Dies geschah nicht von der FDP-Fraktion. Das heißt, sie hatten keinerlei sicherheitstechnische Bedeutung.

Trotzdem boten diese Vorfälle monatelang Anlass zu gegenseitigen Schuldzuweisungen und zu den unterschiedlichsten, teils auch absurden Forderungen aus Politik, Wirtschaft und Bevölkerung. Konsequenzen hat bislang keiner gezogen. Die beiden Kraftwerke Krümmel und Brunsbüttel sind bis zum heutigen Tag außer Betrieb, also seit ziemlich genau acht Monaten.

Am 23. Januar bat ich die Landesregierung, mir darzustellen, was im Einzelnen die Gründe dafür sind. Ich denke, wenn man ernsthaft über Alternativen der Energieversorgung in diesem Land diskutieren will und muss, wobei Sie wissen, dass ich der Letzte bin, der sich dieser Diskussion verschließt, dann muss man die Gründe dafür in Erfahrung bringen. Ich habe übrigens in Rücksprache mit dem Finanzministerium erwartet, dass uns das Finanzministerium auf die Frage nach den Auswirkungen auf den Landeshaushalt eine Antwort gibt. Stattdessen bekommt man von Frau Trauernicht eine Lehrstunde über die Sicherheitsrelevanz ihrer Atomaufsicht. Das ist ihre Aufgabe, die wir nie infrage gestellt haben und die wir nie bezweifelt haben. Ich hätte mir gewünscht, dass das Finanzministerium auf unsere ganz einfache Frage nach den Auswirkungen auf den Landeshaushalt eine ebenso einfache Antwort gegeben hätte.

(Beifall bei der FDP)

Diese haben wir aber nicht. Stattdessen antwortet die Sozialministerin heute wieder: Erstens. Es gibt keine Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Zweitens. Das Wiederanfahren sei nicht Sache des Landes. Drittens. Die Folgekosten sind ihr egal. Ich

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

hätte mir gewünscht, dass die Sozialministerin wenn sie denn schon antwortet - etwas ausführlicher geantwortet hätte. Frau Trauernicht, ich hätte mir gewünscht, dass Sie ein wenig mehr Sachlichkeit in die Diskussion hineingetragen hätten. Beides wollten Sie nicht. Sie werden Ihre Gründe dafür haben.

Zum Landeshaushalt! Frau Atomministerin, Sie sind der Auffassung, dass es keinerlei Auswirkungen hat, wenn man zwei Kernkraftwerke nicht am Laufen hält, da die Einnahmen trotzdem fließen, nur eben später. Ich will mich mit Ihnen gar nicht über den Barwertverlust unterhalten, den eine Einnahmeverschiebung bei einem kreditfinanzierten Haushalt zur Folge hat. Das interessiert Sie wahrscheinlich nicht sonderlich. Das lässt sich alles relativ einfach berechnen. Dabei wird ein Millionenbetrag herauskommen. Vielleicht fragen Sie einmal Herrn Wiegard. Frau Heinold könnte Ihnen dies auch problemlos vorrechnen. Ich will Ihnen die Pressemitteilung Ihres Kabinettskollegen Austermann vom 6. Februar 2008 vorlesen. In dieser Mitteilung verkündete er, dass Schleswig-Holstein im Jahr 2007 Schusslicht aller Bundesländer im Wirtschaftswachstum ist, was Sie scheinbar auch nicht sonderlich zu interessieren hat. Ich zitiere:

„Statistisch gesehen werfen uns Sondereffekte zurück: Die Abschaltung zweier Kernkraftwerke, der Abzug von Motorola mit 700 Arbeitsplätzen, der Umsatz-Einbruch bei einem großen Medizintechnik-Unternehmen sowie die Übernahme von Spar durch Edeka und die Verlagerung des Edeka-Fleischwerks nach Mecklenburg-Vorpommern. Rechnet man diese Sondereffekte heraus, so liegt Schleswig-Holstein beim Wachstum klar im oberen Drittel aller Bundesländer.“

Minister Austermann konkretisiert seine Aussage im Wirtschaftsausschuss, indem er sagte, dass allein die Abschaltung der beiden Kraftwerke seit dem Sommer 2007 das Land Schleswig-Holstein ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozentpunkten gekostet hat. Oder anders formuliert: Ohne die Abschaltung wären wir bei 1,9 % Wachstum. Es ist völlig egal, wie man zur Kernenergie steht. Dass aber ein Wegbleiben des Wirtschaftswachstum negative Auswirkungen auf die Einnahmeseite des Haushaltes hat, kann selbst diese Atomministerin nicht bestreiten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Frau Ministerin, Sie schreiben in Ihrer Antwort so schön, dass das Atomgesetz den Kernkraftwerken

keine Restlaufzeiten, sondern Reststrommengen vorschreibt. Das heißt: Jeder Tag, an dem Krümmel und Brunsbüttel nicht laufen, verlängert die Laufzeiten um mindestens einen Tag. Wenn so Ihr Beitrag zur Einhaltung des Atomkonsenses aussieht, dann wünsche ich Ihnen damit weiterhin viel Spaß.

Noch ein Wort zu den Folgekosten. Sie sprechen es in einem Satz in Ihrer Antwort selbst an: Vattenfall hat bestehende Stromlieferverträge, die Sie zu erfüllen haben. Wenn die selbst produzierte Strommenge nicht ausreicht, dann muss zugekauft werden. Das muss bezahlt werden, und zwar am Ende von den Verbrauchern in Schleswig-Holstein. Man muss also keine hellseherischen Fähigkeiten haben, um einen Strompreisanstieg, der wiederum angekündigt wurde, vorherzusehen.

Frau Ministerin Trauernicht, ich habe Ihnen das in zahlreichen Debatten zu diesem Thema bereits gesagt: Wenn keine sicherheitsrelevanten Probleme in den Kernkraftwerken mehr bestehen, dann müssen Sie für das Wiederanfahren sorgen. Wenn sicherheitsrelevante Probleme bestehen, dann sorgen Sie als Aufsichtsbehörde dafür, dass diese so schnell wie möglich beseitigt werden.

Herr Abgeordneter!

Frau Präsidentin, ich komme zu meinem letzten Satz. - Was Sie hier im Bezug auf die Auswirkungen auf den Landeshaushalt abgeliefert haben, ist schlicht erbärmlich, um ein Wort von gestern zu nehmen. Das ist peinlich und einer Ministerin nicht würdig.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Tobias Koch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorübergehende Stillstand von zwei der drei schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke wirft Frage zu ganz unterschiedlichen Aspekten auf. An erster Stelle steht hier ohne Zweifel die Frage nach der Sicherheit und dem Schutz der Bevölkerung. Ganz automatisch ergeben sich auch Zu

(Dr. Heiner Garg)

sammenhänge zu dem Themenkomplex der gesicherten Energieversorgung, des Klimaschutzes und des Atomausstiegs. Daneben zeigen sich aber auch finanzielle Auswirkungen auf den Landeshaushalt.

In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Kollegen Magnussen wird ebenso wie in dem jetzt vorliegenden Bericht zum Antrag der FDP-Fraktion allein bei der Oberflächenwasserabgabe mit einer Mindereinnahme in Höhe von 12,7 Millionen € für das Jahr 2008 gerechnet. Dieser Mindereinnahme liegt dabei die Annahme zu Grunde, dass das Kernkraftwerk Brunsbüttel spätestens Ende März und das Kernkraftwerk Krümmel spätestens Mitte 2008 wieder ans Netz gehen wird. Im Falle eines späteren Anfahrens dürften sich die Mindereinnahmen in diesem Jahr entsprechend erhöhen.

Und mit den Mindereinnahmen bei der Oberflächenwasserabgabe ist es ja allein noch nicht getan. Darüber hinaus werden sich bei den betroffenen Gemeinden, beim Land und beim Bund Mindereinnahmen bei Gewerbe- und Körperschaftssteuerabgabe ergeben, die noch deutlich das Volumen bei der Oberflächenwasserabgabe übersteigen werden.

(Beifall bei der CDU)

Auch wenn diese finanziellen Auswirkungen im Vergleich zum Sicherheitsaspekt nur von nachrangiger Bedeutung sein mögen, so wird doch schnell deutlich, dass die Auswirkungen für den Landeshaushalt gravierend sind. Angesichts eines nach wie vor verfassungswidrigen Haushaltes 2008 ist jeder Euro, den wir weniger einnehmen, eine Katastrophe.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn man sich dann im Vergleich vor Augen führt, über welche finanziellen Größenordnungen wir diskutieren, zum Beispiel gestern bei der Finanzierung der Privatschulen oder auch bei der Frage des beitragsfreien letzten Kindergartenjahres, wird erst recht deutlich, wie schmerzhaft eine Mindereinnahme in dieser Größenordnung ist.

(Günter Neugebauer [SPD]: Was sind jetzt Ihre Vorwürfe?)

Nun weist das Sozialministerium in seinem Bericht darauf hin, dass es sich bei den Mindereinnahmen lediglich um Einnahmeverschiebung handele. Da das Atomgesetz den einzelnen Kernkraftwerken keine Restlaufzeiten, sondern Reststrommengen zuweise, könne der Produktionsausfall nachgeholt und der Strom eben später produziert werden. Mit

anderen Worten: Aufgrund der Stillstandszeit wird das Kernkraftwerk Brunsbüttel nicht - wie bisher zu erwarten - im Jahr 2009 seine Reststrommenge verbraucht haben und abgeschaltet werden, sondern es wird auch im Jahr 2010 weiterhin Strom produzieren. Im Jahr 2010 flössen dann Mehreinnahmen bei Steuern und Oberflächenwasserabgabe in den Landeshaushalt, welche die jetzigen Mindereinnahmen wieder ausgleichen würden. Dieser Hinweis der Regierung ist einerseits richtig, andererseits macht er deutlich, wo das eigentliche Problem in dieser Frage liegt.

Das eigentliche Problem aus Sicht des Landeshaushaltes liegt weniger in dem vorübergehenden Stillstand der Kernkraftwerke, sondern vielmehr in ihrer endgültigen Abschaltung, nämlich dann, wenn nach den Bestimmungen des Atomgesetzes die Reststrommenge produziert worden ist.

Die Oberflächenwasserabgabe von rund 40 Millionen €, die überwiegend von den drei Kernkraftwerken gezahlt wird, wird dann nicht nur anteilig reduziert oder zeitlich verschoben, nein, sie wird nahezu gänzlich entfallen. Das Gleiche gilt für die Gewerbe- und Körperschaftsteuereinnahmen. Auch diese werden dann gänzlich ausfallen, sofern sie bisher von den drei Kraftwerksgesellschaften entrichtet wurden.

Schleswig-Holstein ist damit der finanzielle Verlierer des Atomausstiegs.

(Beifall bei der CDU)

In keinem anderen Bundesland wird der Einnahmeausfall durch die Abschaffung der Kernkraftwerke in Relation zur Einwohnerzahl so groß sein wie in Schleswig-Holstein.

(Zurufe von der SPD)

- Ich komme gleich zu unseren Vorschlägen. Aus Sicht des Landeshaushaltes spricht deshalb alles dafür, die Restlaufzeit der Kernkraftwerke zu verlängern,

(Zurufe von der SPD)

auf die daraus resultierenden positiven Auswirkungen für Klimaschutz und Versorgungssicherheit will ich an dieser Stelle gar nicht weiter eingehen.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Andernfalls, wenn es dazu nicht kommen sollte, müssen wir dafür sorgen, dass Schleswig-Holstein ein starker Standort für Energieerzeugung bleibt,

(Tobias Koch)

damit auch zukünftig die Wertschöpfung bei uns im Land erfolgt und hier Steuern gezahlt werden.

Wenn wir im Falle einer Abschaltung der Kernkraftwerke im gleichen Maße wie bisher Stromproduzent und auch Stromexporteur bleiben wollen, führt kein Weg an neuen Kohlekraftwerken vorbei.