Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

(Monika Heinold)

Auch diese Frage ist beantwortet, sehr klar, sehr deutlich, sehr kurz, ohne darum herumzureden.

„3. Wie wurden diese Einnahmeausfälle in der Haushaltswirtschaft ausgeglichen?“

Auch diese Frage ist korrekt beantwortet. - Die vierte Frage lautete:

„Was sind im Einzelnen die Gründe der Landesregierung, die Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel weiterhin abgeschaltet zu lassen?“

Auch diese Frage ist beantwortet worden, und Frau Ministerin Trauernicht ist darauf eingegangen: Es liegt nicht an der Landesregierung, dass Krümmel und Brunsbüttel im Moment abgeschaltet sind, sondern es liegt daran, dass es noch keinen Antrag auf Wiederanfahren gegeben hat, und den stellen nicht wir, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

„5. Mit welchen Einnahmeausfällen rechnet die Landesregierung …“

und so weiter. Auch die folgenden Fragen sind beantwortet worden.

Nun will ich auch etwas zur politischen Diskussion sagen. Wir sind in einer Großen Koalition und wir wissen, dass wir sehr unterschiedliche Auffassungen in der Energiepolitik und insbesondere zur Kernkraft haben. Deswegen hat Tobias Koch außerordentlich recht. Ich will dazu nichts sagen, weil das nicht die Diskussion ist, die ich im Moment in der Großen Koalition führen kann. Darüber brauchen wir uns keine Gedanken zu machen. Das ist die parteipolitische Diskussion, die wir führen, bei der wir Unterschiede haben, hier und dort. Dass ich die Auffassung vertrete, die auf der einen Seite des Hauses herrscht, weiß jeder und daraus machen wir kein Hehl. Aber ich mache daraus auch kein Regierungshandeln, weil wir eben diese Unterschiede in der Koalition haben, die wir im Moment nicht zusammenbinden können.

Die Äußerung von Tobias Koch ist völlig richtig. Die Einnahmeausfälle, die kommen, stellen sich dann ein, wenn endgültig abgeschaltet ist. Ich denke, hierüber sollten wir uns irgendwann auch einmal Gedanken machen.

(Beifall bei CDU und SPD - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Was wollte uns der Ministerprä- sident damit sagen?)

Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/1851, dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Da ich keine anderen Informationen aus den Fraktionen habe, rufe ich nun zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 17 und 21 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Stoffpläne entrümpeln, individuelle Förderung stärken

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/1852

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/1911

b) Förderung von Ganztagsangeboten an Gymnasien

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/1874

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne somit die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inzwischen haben viele Eltern in Schleswig-Holstein verstanden, dass das neue Schulgesetz auch Veränderungen für das Gymnasium bringt und viele haben plötzlich Angst - Angst vor dem Lernstress, wenn der Stoff von neun Jahren in acht Jahre gepackt werden soll, und sie sehen vor ihren Augen schon einen Acht-Stunden-Schultag als Regel, ohne einen ganzheitlichen Lernrhythmus und ohne Räume für Schulessen.

(Unruhe)

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit für dieses wirklich wichtige Thema.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grünen begrüßen die Möglichkeit, schon nach zwölf Jahren zum Abitur zu kommen. Wir haben aber schon beim Modellversuch von G8 vor einigen Jahren in der rot-grünen Koalition unsere Zweifel an der Stoffverdichtung ausgerechnet in der Sekundarstufe I geäußert.

Wir weisen gleichzeitig noch auf eine andere Ungerechtigkeit hin. Kritik in dieser Hinsicht kommt nicht so sehr von den Eltern der Gymnasialschüler, sondern mehr von denjenigen, die ihren Blick auf die Regionalschule und auf die Gemeinschaftsschule richten. Es wird nämlich deutlich, dass bei der jetzt geplanten Regelung Gymnasialschülerinnen und Gymnasialschüler in der Pubertät deutlich mehr Lehrerressourcen zur Verfügung haben als ihre Altersgenossen in anderen Schularten. Das passiert eben, wenn man die Schulzeit von neun Jahren auf acht Jahre verdichtet und versucht, einen großen Teil der sich anders verteilenden Unterrichtsstunden in der Sekundarstufe I des Gymnasiums unterzubringen.

Es gibt noch eine dritte Sorge. Die Gemeinschaftsschulen befürchten, dass ihre Schülerinnen und Schüler, sofern sie in die Oberstufe eines Gymnasiums wechseln - das wird bei vielen Gemeinschaftsschulen, die keine eigene Oberstufe haben, der Fall sein -, benachteiligt sein könnten. Sie fragen sich außerdem, warum hochbegabte Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler an den Gemeinschaftsschulen das Abitur nicht auch schon nach acht Jahren machen können.

Sie sehen, es hat sich eine ganze Reihe neuer Fragen ergeben. Diese Fragen gedeihen gewissermaßen vor einer großen Welle von Fragen, die uns aus Süddeutschland erreichen. Wir Grünen sind auch in Süddeutschland politisch aktiv. Deshalb habe ich mich einmal bei meinem Kollegen Kretschmann und meiner Kollegin Rastätter erkundigt, die in Baden-Württemberg mit einem starken Sturm der Entrüstung von Eltern konfrontiert sind. Die Eltern haben dort im Grunde ähnliche Fragen wie bei uns. Es wird gefragt: Warum wird in der Sekundarstufe I eigentlich nicht möglichst wenig verdichtet und stattdessen dort verdichtet, wo die Leistungsträger

am Gymnasium sind, nämlich in der Oberstufe? Letzteres geschieht zwar auch, aber trotzdem haben wir es mit dem Problem einer nicht unerheblichen Mehrzahl von Stunden zu tun.

Ebenso wird darüber geklagt, dass nicht deutlich wird, wie mit dem Stoff umgegangen wird. Ich komme darauf noch zu sprechen. Auch auf die Unterschiede zu Baden-Württemberg komme ich noch zu sprechen. In Baden-Württemberg ist es so, dass G8 faktisch durch die Hintertür zu einer Ganztagsschule geführt hat, ohne dass die dortige Kultusbürokratie und die Kommunen sich darauf eingestellt haben. Es fehlt also an Aufenthaltsräumen, Mensen und Küchen. Auf dieses Thema wird der Kollege Klug bei den Ausführungen zu seinem Antrag sicher noch zu sprechen kommen. Außerdem wurden in Baden-Württemberg - anders als hier - keine Landesmittel zur Verfügung gestellt. Das Gymnasium war dort auf die IZBB-Mittel der Bundesregierung angewiesen. Es hat dort ziemlich viel Unruhe gegeben.

Man muss sich allerdings vor Augen halten, dass die Fünft- und Sechstklässler dort 36 Wochenstunden Unterricht hatten. Jetzt hat man die Notbremse gezogen und ist auf 32 Stunden zurückgegangen. In Baden-Württemberg gibt es allerdings noch die sogenannten Poolstunden, die vor allem für die individuelle Förderung gedacht sind. Die Zahl dieser Stunden wurde von zwölf auf zehn reduziert. Dies wurde von unseren grünen Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg kritisiert.

Welches ist die Botschaft, die von den Eltern kommt? Sie wird recht gut in einem Text zusammengefasst, den der Pädagoge Fritz Reiss am 11. Februar in der „Süddeutschen Zeitung“ in einem Interview vortrug: Die Eltern entdecken langsam, dass mehr Stoff und mehr Unterrichtsstunden der alten Art gar nicht das sind, was sie wollen. Sie entdecken plötzlich: Es braucht Zeit für individuelles Lernen, für Üben. Es braucht Zeit für Arbeitsgemeinschaften. Sie entdecken auch, dass das reine Pauken und die reine Festlegung auf Stundentafeln traditioneller Art am Gymnasium nicht die Lösung bringen. Das ist eine neue Entwicklung bei der Mehrheit der Eltern von Gymnasialschülerinnen und Gymnasialschülern, die ich begrüße. Diese Entwicklung zeigt, dass die Debatte über gemeinsames Lernen nicht an einer Schulart Halt macht, sondern die Eltern aller Schülerinnen und Schüler interessiert.

Man muss in dieser Debatte nunmehr eine Lösung finden. Man muss sich zunächst anschauen, was unser Schulgesetz bisher vorsieht und was das Kul

tusministerium bisher geplant hat. In SchleswigHolstein ist, soweit ich informiert bin, geplant, dass in den Klassen 5 und 6 Gott sei Dank nicht 36 Stunden, sondern 32 Stunden statt bisher 28 Stunden unterrichtet werden soll. In den darauffolgenden Klassen wird es dann noch einen weiteren Aufwuchs an Unterrichtszeit geben. Die Zahl von 36 Unterrichtsstunden wird aber zumindest in der Mittelstufe, soweit ich informiert bin, nicht erreicht.

(Zuruf von der CDU)

- Ja, das steht alles in der Kontingentstundentafel. Sie werden das sicher gleich noch besser und genauer referieren können als ich.

(Zuruf von der CDU)

- Ich habe zehn Minuten Redezeit. Ich weiß gar nicht, warum Sie so hektisch sind. Ich komme jetzt auf unsere Vorschläge zu sprechen. Ich darf dazu hier doch wohl etwas vortragen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts des geschilderten Sachverhalts haben wir gefragt, warum jene vier Stunden mehr eigentlich nur den Kindern an den Gymnasien zur Verfügung gestellt werden. Zum Lernen und zur Förderung werden sie doch auch bei den anderen Schularten gebraucht. Unser erster Ansatz ist folglich, Gerechtigkeit in der Sekundarstufe I anzustreben. Ich weiß, dass man die entsprechenden Maßnahmen nicht einfach aus der Portokasse finanzieren kann. Wir sprechen hier ja aber auch über die kommenden Haushaltsjahre. Wir sprechen nicht nur über die nächsten Monate, bis es im August mit G8 losgeht. Unsere Zielperspektive ist: Wir möchten, dass den Schülerinnen und Schülern aller Schularten der gleiche Umfang von Lehrerzeit zur Verfügung steht. Diese Zeit sollte nicht mit neuen Stoffplänen vollgestopft werden. Es sollte vielmehr versucht werden, in den Lehrplänen, die in SchleswigHolstein schon anders als in anderen Bundesländern sind, mehr exemplarisches Lernen vorzusehen? Wo kann man weiter straffen? Was kann man aus den Erfahrungen mit den Modellschulen in Schleswig-Holstein lernen, um die Zeit tatsächlich für andere Lernformen zu nutzen und auch von dem leidigen 45-Minuten-Takt abzukommen? Es ist ja längst erlaubt, anders zu lernen. Das muss nun endlich auch in der Praxis umgesetzt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zweite wichtige Forderung von uns ist, dass man sich - auch wenn es sich nur um 32 und später vielleicht einmal um 34 Unterrichtsstunden handelt - faktisch auf den Übergang zum Ganztagsbetrieb

einstellt. Vielfach wird man es sicher mit einer Mischung von einer offenen Ganztagsschule und ein oder zwei Tagen, wo der Ganztagsbetrieb nicht von der Kommune, sondern von der rein schulischen Zeit her gestaltet wird, zu tun haben. Wir dürfen die Augen vor solchen Entwicklungen nicht verschließen. Deshalb finden wir den Antrag der FDP auch richtig, wonach auch die Gymnasien sowohl die baulichen Zuschüsse als auch die Zuschüsse für die offene Ganztagsschule bekommen sollen, denn sie befinden sich genau wie viele andere Schulen in der Übergangsphase zum Ganztagssystem.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittens haben wir noch einen Gedanken im Zusammenhang mit der Frage, wie das neunte oder zehnte Schuljahr jetzt eigentlich genutzt wird und wie sich die Frage von acht oder neun Jahren bis zum Abitur darstellt. Wir haben bereits heute Morgen in der Berufsschuldebatte deutlich gemacht, dass der Haupttrend - das zeigt sich auch in den anderen Bundesländern - auf zehn Schuljahre als Pflichtschulzeit in den allgemeinbildenden Schulen hinausläuft. Dem sollten wir auch beim mittleren Schulabschluss und beim Hauptschulabschluss Rechnung tragen.

Wir fordern, dass der Übergang - ob ein Kind nun von der Gemeinschaftsschule, von der Regionalschule oder vom Gymnasium kommt - so gestaltet wird, dass diejenigen, die eine längere Schulzeit brauchen, das zehnte Schuljahr nutzen können und diejenigen, die gewissermaßen schneller sind, das Abitur nach acht Jahren machen können. Warum soll der Übergang nicht auch von der Gemeinschaftsschule zur Oberstufe möglich sein? Er wird unmöglich gemacht, wenn Sie mit starren Plänen im Hinblick auf Fremdsprachen und bestimmte Unterrichtsfächer Flexibilität verhindern. Wir glauben, dass wirklich jeweils dem Lernrhythmus des Kindes Rechnung getragen werden sollte.

Das zehnte Schuljahr oder das elfte Schuljahr wird von Bessergestellten häufig jetzt schon für Auslandsreisen genutzt. Vielfach wird im zehnten oder im elften Schuljahr viel wiederholt. Das heißt, man kann dieses Jahr tatsächlich für diejenigen als Puffer nutzen, die mehr Zeit brauchen, und zwar unabhängig davon, ob sie eine Gemeinschaftsschule, eine Regionalschule oder ein Gymnasium besuchen. Unser Vorschlag geht also in Richtung von mehr Flexibilität. Wir sind uns bewusst, dass unsere Vorstellungen nicht von einem Tag auf den anderen zu realisieren sind. Wenn eine öffentliche Debatte im Gange ist und neue Probleme auftauchen, ist es aber an dieser Stelle unsere Aufgabe, Lösungen

(Angelika Birk)