Protokoll der Sitzung vom 28.02.2008

Dann geht es letztendlich um die Kernfrage: Was ist der bessere Weg? Ich habe mir von den Kollegen, die länger dabei sind, sagen lassen, dass die Plandebatte nicht ganz neu ist. Ich glaube, dass das Instrument, das wir im Hochschulgesetz verankert

(Niclas Herbst)

haben, flexibler und der heutigen Zeit angemessener ist.

Wir müssten auch klären, was Sie unter einem Hochschulentwicklungsplan verstehen, ob der sich von Zielvereinbarungen überhaupt wahnsinnig unterscheidet. Auch da freue ich mich auf den Ausschuss. Ich habe schon oft an dieser Stelle gestanden und behauptet: „Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.“ Das war nicht immer ganz ehrlich; in diesem Fall stimmt es aber.

(Heiterkeit und Beifall - Günter Neugebauer [SPD]: Sie müssen hier die Wahrheit sagen, Herr Kollege!)

- Ich habe heute Geburtstag, dann darf man auch mal ehrlich sein. Insofern muss ich mich nicht wiederholen. Was ich in Bezug auf die Ausschusssitzung tue, habe ich schon gesagt. In diesem Sinn beantrage ich Ausschussüberweisung.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

(Zurufe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Herbst, es gibt im Leben zwar Schöneres als Ausschussberatungen, aber auch die können sehr interessant sein und auch ich bin neugierig auf das, was uns bevorsteht.

Im Ernst, der Antrag der Grünen hat ja drei Teile, A, B, C. Dem A-Teil, Berichtsantrag, kann man bedenkenlos zustimmen. Das ist ein sinnvolles und akzeptables Ansinnen. Zu Punkt B, Hochschulentwicklungsplan, sage ich zum Schluss etwas.

Zu C, den Eckpunkten! Natürlich gehört die Beratung über Eckpunkte für Zielvereinbarungen ins Parlament. Das ist völlig unstreitig.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Es ist Aufgabe des Parlaments, politisch einen Rahmen zu definieren, in dem sich die Vereinbarungsverhandlungen zwischen Landesregierung und Hochschulen wiederfinden müssen. Das ist ein vernünftiges Vorgehen, das haben wir auch bisher immer so gemacht.

Wenn ich in aller Kürze auf das eingehen darf, was Sie als Eckpunkte vorschlagen, dann müssen wir da allerdings ein bisschen in die Detailberatung einsteigen. Denn nicht alles, was da steht, ist vernünftig und sinnvoll und ein paar Überschriften sind natürlich Selbstläufer. „Lehre als strategische Aufgabe der Hochschulen“ - wer würde dem widersprechen wollen? - Wenn Sie das allerdings als Rahmeneckpunkt für Zielverhandlungen definieren, müssen Sie schon sagen, welches die Parameter sind, welches die Messlatten sind, an denen Sie das messen wollen. Das können Sie nicht allein mit allgemeinen Formulierungen zur Didaktik oder zur Kapazitätsverordnung, sondern da müssen noch ein paar andere Dinge implementiert werden. Das kann man in den Beratungen nachholen.

Sie haben eine Mischung aus Überschriften zu Eckpunkten, die eigentlich einer Gesetzesänderung bedürften. Dann müssten Sie dazu allerdings auch Gesetzentwürfe vorlegen. Sie können im Rahmen von Zielvereinbarungen mit den Hochschulen nicht Dinge beschreiben, die eine Gesetzesänderung voraussetzen, zum Beispiel die Abschaffung der ministeriellen Genehmigung von akkreditierten Studiengängen. Ich verweise auf § 49 des Hochschulgesetzes, über den wir lange diskutiert haben und der eindeutig sagt:

„Bei Vorliegen der erfolgreichen Akkreditierung und des grundsätzlichen Einverständnisses … genehmigt das Ministerium die Einrichtung oder Änderung eines Studienganges.“

Das ist nach unserer Auffassung eine sinnvolle Regelung. Wenn Sie das ändern wollen, müssen wir über eine gesetzliche Änderung reden; das machen wir nicht im Zielvereinbarungsprozess.

Ich greife nur zwei, drei weitere Punkte heraus. Wissenschaftliche Weiterbildung passiert nicht nur schon, sondern ist als originäre Aufgabe der Hochschulen im Gesetz verankert. Das müssen die Hochschulen machen. Die spannende Frage im Zielvereinbarungsprozess ist ja, in welchem Umfang die Hochschulen dem vereinbarten Ziel nachkommen und was das für Auswirkungen hat. Da sind wir wieder bei der Frage der leistungsorientierten Mittelvergabe, die allerdings etwas präziser formuliert werden muss, als es in Ihrem Papier steht.

Ich greife zwei, drei weitere Punkte heraus: Qualitätsentwicklung und Evaluation sind unstreitig. Auch das ist allerdings ein Prozess, der nicht nur in Zielvereinbarungsprozessen beschrieben ist, son

(Niclas Herbst)

dern der Aufgabe der Hochschulen und gesetzlich fixiert ist.

Teilzeitprofessuren, Bezahlung von Professorinnen und Professoren - Sie meinen doch nicht im Ernst, dass wir in Zielvereinbarungen zwischen dem Ministerium und den Hochschulen festschreiben, wie die Besoldung der Hochschullehrer ist! Dafür bedarf es gesetzlicher Grundlagen. Wenn Sie das anders regeln wollen, müssten Sie dazu einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

Auch die Verbesserung der Gleichstellung an den Hochschulen ist unstreitig, auch das ist ein ganz zentraler Punkt in den Zielvereinbarungen. Da sind wir Ihrer Auffassung. Ich möchte allerdings eher von Frauenförderung als von Gleichstellung reden, denn es geht ja darum, den Frauenanteil an den Hochschulen in erheblichem Maße zu verbessern.

Ihr Punkt mit der Lehrerbildung - da kann man unterschiedlicher Auffassung sein - ist unsystematisch. Sie legen hier etwas vor, was Sie als Eckpunkt für Zielvereinbarungen verstanden wissen wollen, wozu Sie parallel einen Gesetzentwurf eingebracht haben, von dem Sie wissen, dass wir ihn ablehnen werden. Das muss im Gesetzgebungsprozess geklärt werden und gehört nicht in den Zielvereinbarungsprozess.

Der letzte Punkt, zu dem ich kurz etwas sagen will meine Redezeit ist gleich zu Ende -, ist der Erichsen-Prozess. Das ist ein wichtiger und zentraler Punkt. So etwas muss natürlich über Zielvereinbarungen präzisiert werden. Allerdings sind wir schon etwas weiter, als Sie das in Ihrem Papier formulieren. Sie schreiben:

„Die Landesregierung wird beauftragt, die Vorgaben für den Bereich Medizin … zu aktualisieren.“

Ich weise darauf hin, dass wir im Hochschulgesetz einen Medizin-Ausschuss implementiert haben, der die Aufgabe hat, diese Dinge konkret fortzuschreiben und umzusetzen. Das ist bereits geregelt, das kann man hier vielleicht noch einmal unterstützend sagen. Hier haben wir ein Umsetzungs-, aber kein Konzeptionsdefizit.

Zum Technologietransfer. Diesbezüglich hat der Minister bereits angekündigt, dass es Vorbereitungen zu einem Gesetz gibt. Das ist vernünftig und wir werden darüber reden, sobald der Gesetzentwurf vorliegt.

Sie sehen: Unter Strich sind wir sehr damit einverstanden, dass wir über diese Dinge diskutieren, und

ich verweise darauf, dass wir darüber im Ausschuss vertiefend zu beraten haben.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP hat Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Zeitraum von 2009 bis 2014 will die Landesregierung neue Zielvereinbarungen mit den Hochschulen abschließen. In diesen fünf Jahren kommen auf die Hochschulen allerdings gleichzeitig enorme Herausforderungen zu. Aller Voraussicht nach wird in diesen Jahren die Nachfrage nach Studienplätzen massiv steigen. Dies resultiert aus hohen Altersjahrgängen, die die Studienberechtigung erwerben, und der Verdoppelung der Abgängerzahlen wegen der G8-Einführung in anderen Bundesländern; 2016 kommt es in Schleswig-Holstein zur Verdoppelung der Abgängerzahl. Darüber hinaus kommen die Probleme hinzu, die sich aus der Einführung der Bachelor-Master-Struktur ergeben. All diese Punkte werden den Zeitraum, auf den sich die Zielvereinbarungen erstrecken, ganz wesentlich bestimmen.

Falls die Hochschulen weder die Mittel noch die Gestaltungsspielräume erhalten, die sie für die Bewältigung dieser Probleme benötigen, droht in Deutschland und somit auch in Schleswig-Holstein ein bildungspolitisches Desaster von bisher noch nicht gekannten Ausmaßen.

Eine neue Untersuchung des Hochschulinformationssystems hat mit Stand Februar 2008 alarmierende Zahlen zutage gefördert: Die Abbrecherquote in den neu eingerichteten Bachelor-Studiengängen liegt bei 30 % und damit um fast die Hälfte höher als in den alten Studiengängen; da betrug sie 21 %. Im Übrigen ist auch die Anzahl der Auslandssemester in den neu eingeführten Studiengängen im Vergleich zu der der alten Studiengänge deutlich rückgängig. Insofern findet nicht die versprochene Internationalisierung, sondern das Gegenteil statt.

Das hängt damit zusammen, dass in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein ist das der Fall die Aufnahmekapazität in vielen Bachelor-Studiengängen auf Biegen und Brechen nach oben getrieben wird. Auf diese Weise will man auf dem Papier das Plansoll erfüllen, mehr Studierende aufzunehmen. Hierzulande hört man: Wenn zwischen Hochschulen und Wissenschaftsministerium auf der

(Jürgen Weber)

sogenannten Arbeitsebene über Aufnahmezahlen für die neuen Studiengänge verhandelt wird, dann spielt sich das unter anderem so ab: Die Hochschule verweist auf den beschränkten Umfang der personell verfügbaren Lehrkapazität und die Vertreter des Ministeriums entgegnen dann: Verzichtet doch auf die personalaufwendigen kleinen Lehrveranstaltungen.

Das ist ganz einfach. Dann macht man eben keine Seminare mit bis zu 30 Teilnehmern mehr. Dann fährt man eben die Schiene des akademischen Großküchenbetriebs mit 100 oder mehr Teilnehmern und so wird dann das Problem der zu geringen Lehrkapazität in vielen Fächern gelöst. Auf diese Art und Weise schafft man allerdings Rahmenbedingungen, die nicht für den Studienerfolg garantieren, sondern zu den hohen Studienabbrecherzahlen, die ich vorhin erwähnte, zwangsläufig beitragen werden.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zweite Problem ist die enorme Arbeitsverdichtung auf Neudeutsch spricht man von Workload -, die man in sehr vielen der neuen Studienordnungen feststellen kann.

Das ist allerdings erst der Anfang der bevorstehenden Schwierigkeiten. Denn innerhalb der Fünfjahresfrist, die durch die neuen Zielvereinbarungen abgedeckt wird, wird die schwierige Frage des Übergangs vom Bachelor- zum Master-Studiengang praktisch zu lösen sein. In ganz vielen Studiengängen, in denen man die neuen Strukturen derzeit nur im Bachelor-Modell hat, entscheidet sich dann nach sechs Semestern der Übergang zum Master-Studiengang. Dann stellt sich die spannende Frage, in welchem Umfang die Aufnahmekapazitäten gewährleistet werden. Bereits heute ist absehbar, dass diese Master-Studiengänge das Stiefkind vieler Universitäten sein werden. Der Direktor der Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin, Dieter Dohmen, sagt deshalb voraus, dass in Deutschland in zehn Jahren bis zu 100.000 hoch qualifizierte Akademiker fehlen werden.

Die Verknappung des akademischen Nachwuchs auf dem bisherigen Level eines Diploms, Magisters oder Staatsexamens stellt ein Problem dar, mit dem sich Deutschland noch herumschlagen werden muss. Also, auch hier kommt es darauf an, wie die Kapazitäten bemessen sind. In Hamburg hat die Universitätspräsidentin eine 70-prozentige Quote für die Master-Studiengänge gegenüber dem Hamburger Senat herausgehandelt. Das zeigt, dass man

um Ressourcen in den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen in Schleswig-Holstein sprechen muss; das ist ein sehr wichtiger Punkt für das Land. Von daher schlage ich vor, dass wir die neuen Zielvereinbarungen zum Thema einer Anhörung machen, die der Bildungsausschuss des Landtages noch möglichst vor der Sommerpause mit Vertreterinnen und Vertretern der einzelnen Hochschulen und der entsprechenden Gruppen durchführen sollte.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich deren Vorsitzender, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SSW begrüßt, dass die Grünen heute einen Antrag eingebracht haben, in dem sie Eckpunkte zu den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen einfordern. Wir haben nun dieses neue Hochschulgesetz und insofern müssen wir auch mit diesem Gesetz arbeiten. Dazu gehört aus meiner Sicht auch eine Debatte über die Zielvereinbarung.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass wir uns als Parlament damit beschäftigen, wie die Zielvereinbarungen mit den Hochschulen des Landes ausgestaltet werden. Wir dürfen dies nicht nur der Landesregierung überlassen. Mit der Ausgestaltung der Zielvereinbarungen können wir die Ansprüche des Landesgesetzgebers an die Hochschulen formulieren und auch die Rahmenbedingungen setzen.

Die Grünen schlagen vor, dass die Landesregierung einen Hochschulentwicklungsplan für die nächsten fünf Jahre vorlegt. Nun spricht in der Tat einiges dafür, eine übergeordnete Planung für die Hochschulen des Landes zu erarbeiten und in einem Konzept darzulegen, wie sich unsere Universitäten und Fachhochschulen aus gesellschaftspolitischer Sicht weiterentwickeln sollen.