Protokoll der Sitzung vom 23.04.2008

Ist diese Kapitalerhöhung wirklich notwendig und, wenn ja, muss sich Schleswig-Holstein daran beteiligen? Sollten die Zahlen stimmen, so müsste Schleswig-Holstein 400 Millionen € aus dem Landeshaushalt für die Kapitalerhöhung bereitstellen, wenn das Land seinen bisherigen Anteil von 20 % halten will. Diese 400 Millionen € hat das Land nicht. Es wird sie daher leihen müssen. Angesichts der zu erwartenden äußerst schweren Verhandlungen über den Landeshaushalt 2009/2010 kann ich mir nicht vorstellen, wie wir als Landespolitiker den Bürgerinnen und Bürgern erklären sollen, dass wir 400 Millionen € zusätzlich benötigen, um weiterhin 20 % an einer Bank zu halten, die wir sowieso in einigen Jahren ganz verkaufen wollen, während wir gleichzeitig in anderen Bereichen wieder harte Sparmaßnahmen vornehmen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Der SSW empfiehlt der Landesregierung daher, dass sie sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligt. Natürlich wird der Anteil des Landes an der HSH Nordbank dann in Zukunft kleiner und der Anteil von privaten Investoren vermutlich größer sein. Aber ist eine solche Entwicklung wirklich so dramatisch, wenn man bedenkt, dass auch Hamburg und die Sparkassenverbände immer noch beherrschende Anteile an der HSH Nordbank halten? Bisher besitzen diese Partner zusammen mit Schleswig-Holstein 73 % der Anteile. Auch wenn nicht alle die Kapitalerhöhung mitmachen, dürfte der Gesamtanteil dieser Anteilseigner immer noch bei über 50 % liegen. Letztendlich muss für uns entscheidend sein, was unsere heutigen Anteile am Tag X des Börsenganges wert sind. Unsere heutigen Anteile sind möglicherweise mehr wert, wenn ein privater Investor mit einsteigt oder seine Anteile erhöht. Auch diesen Gedanken sollte man nicht ausschließen.

Der Verkauf ist unserer Meinung nach davon abhängig, ob wir später einen höheren Verkauferlös erzielen können beziehungsweise welche Dividenden, welche Erlöse wir aus unseren Anteilen noch erhalten können. Das Ganze ist für uns langfristig also nur noch eine Rechenaufgabe. Deswegen sind wir derzeit so offen für einen Verkauf beziehungsweise offen für den Börsengang. Wir sehen genau, dass die Daseinsvorsorge, wie wir sie uns vorstellen, von der HSH Nordbank nicht mehr gewährleistet werden kann. Das wird von anderen Banken getan. Deshalb ist es, wie ich glaube, nur fair, mit offenen Karten zu spielen und zu sagen: Okay, wir

(Lars Harms)

sind nun auch für andere Lösungen als die offen, die bisher angedacht worden sind.

(Beifall bei SSW und FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag unter Nummer 2 der Drucksache 16/1989 durch die Berichterstattung der Landesregierung erledigt worden ist. Wird zu den Nummern 1 und 3 Ausschussüberweisung oder Sachabstimmung gewünscht?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ausschussüber- weisung!)

- Okay, es wird Ausschussüberweisung gewünscht.

Es ist beantragt worden, die Nummern 1 und 3 des Antrages Drucksache 16/1989 dem Finanzausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen des Landes Schleswig-Holstein (Landesbehindertengleichstellungsgesetz - LBGG)

Gesetzentwurf der Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1985 (neu)

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/2026

Wird das Wort zu Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Somit erteile ich für den Erstantragsteller, der FDP-Fraktion, dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg zur Grundsatzberatung das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stand der Dinge ist - ich gehe davon aus, hierüber besteht noch weitgehend Einigkeit -, dass der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung und sein Team aus dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren herausgelöst werden sollen, um sie direkt dem Landtag zu

unterstellen. Vor dem Hintergrund, dass es bisher lediglich eine Empfehlung des Innen- und Rechtsausschusses, des Sozialausschusses und des Petitionsausschusses vorliegt, dass aber ein konkreter Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen des Landes Schleswig-Holstein bislang nicht vorhanden war, haben FDP, Grüne und SSW Ihnen heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Anbindung des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung an den Landtag umfangreich und umfassend regelt. Hierdurch erwarten wir, dass der Landesbeauftragte die Interessen und Rechte von Menschen mit Behinderung gegenüber der Landesregierung, also der Exekutive, unabhängiger vertreten und durchsetzen kann, als dies bisher der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage ganz deutlich: Es ist bedauerlich, dass sich die Große Koalition nicht entschließen konnte, diesem ge- meinsamen Vorschlag der Oppositionsfraktionen beizutreten. Dabei will ich auch noch einmal daran erinnern, wie dieser Vorschlag zustande kam. Er ist ja nicht neu. Wir haben ihn im vergangenen Herbst im Sozialausschuss schon einmal zur Abstimmung gestellt, sozusagen als Alternative beziehungsweise als Ausfluss unseres damaligen Gesetzes zur Zen- tralisierung von Aufgaben. (Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist geschönt!)

- Das ist nicht geschönt; das ist eine Tatsache, lieber Kollege Hentschel.

Schauen Sie nun einmal - das lohnt wirklich - in den Gesetzentwurf von Union und SPD, der nachgeschoben wurde, und betrachten Sie dabei bitte folgenden, aus unserer Sicht gravierenden Punkt. Das bestehende Gesetz sowie der Entwurf der Oppositionsfraktionen sieht in § 4 vor, dass Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und die Interessenverbände von Menschen mit Behinderung ein Vorschlagsrecht haben, so wie dies bislang der Fall ist. Genau dieses Vorschlagsrecht will die Große Koalition nun offensichtlich abschaffen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Herr Kollege Geerdts, ich frage Sie: Warum sollen Behindertenverbände künftig kein Vorschlagsrecht mehr haben? Befürchten Union und SPD eine un- (Lars Harms)

liebsame Einmischung insbesondere dann, wenn es um die parteipolitische Zuordnung von Posten geht? Dankenswerterweise bleibt uns ja die Aussprache über die Wiederwahl von Frau Wille-Handels in diesem Plenum erspart. Aber ich verstehe nicht, warum Sie den Behindertenverbänden in Zukunft das Vorschlagsrecht für einen Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung wegnehmen wollen.

Mit ihrem Gesetzentwurf kündigt die Große Koalition den bisher in Schleswig- Holstein praktizierten Konsens auf, dass Menschen mit Behinderung ein gewisses Maß an Mitspracherecht bezüglich der Person haben sollen, die sich für ihre Angelegenheiten einsetzt.

(Beifall bei der FDP)

Ich würde mich sehr freuen, wenn es dafür im Ausschuss eine plausible Erklärung gäbe. In der Anhörung wird sich dann zeigen, ob eine Beschneidung des Mitspracherechts von den Menschen mit Behinderung als sinnvoll angesehen wird oder nicht.

Vielleicht zeigt sich die Große Koalition aber auch großzügig gegenüber den Menschen mit Behinderung und entscheidet sich doch noch für den Entwurf der Oppositionsfraktionen. Ich glaube, die Eckpunkte, die Sie dem Gesetzentwurf entnehmen können, sprechen für diesen Gesetzentwurf:

Der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung wird als Beamter auf Zeit ernannt.

Den Fraktionen kommt, wie bei der Bürgerbeauftragten, ein Vorschlagsrecht zu.

Das Vorschlagsrecht der Behindertenverbände bleibt selbstverständlich erhalten.

Eine Regelung, dass der Stellvertreter oder die Stellvertreterin die Geschäfte bei vorzeitiger Abberufung oder Entlassung des Landesbeauftragten weiterführt, wurde aufgenommen.

Analog zur Bürgerbeauftragten darf auch der Landesbeauftragte weder einer Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft angehören.

Neu ist, dass der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung in seinem Bericht Anregungen und Vorschläge zur Änderung oder Ergänzung gesetzlicher Regelungen aufnehmen und dem Landtag weitere Berichte vorlegen kann: Diese Regelung entspricht § 6 Abs. 2 des Bürgerbeauftragtengesetzes. Das war übrigens einer der Gründe, warum wir den Landesbeauftragten beim Landtag ansiedeln wollten. Diese Möglichkeit hat sich bewährt

und sollte deshalb gerade auch für den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung gelten.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schließlich stellen Übergangsvorschriften sicher, dass der bisher im Amt befindliche Landesbeauftragte bis zum Ablauf seiner Amtszeit als Beauftragter des Landtages seine Aufgaben weiter wahrnimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der damals gefundene Minimalkonsens, den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung beim Landtag anzusiedeln, war richtig, und ich will ihn heute auch nicht zerreden. Aber das, was die Große Koalition als Gesetzentwurf vorgelegt hat, entspricht nicht umfassend dem Wunsch, den das Parlament im vergangenen Herbst geäußert hat. Deswegen möchte ich Sie herzlich bitten, sich in den Ausschussberatungen doch noch ein Stück auf die Opposition zuzubewegen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Für die CDU-Fraktion hat nun die Frau Abgeordnete Heike Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns liegen heute zwei Gesetzentwürfe vor, die sich mit dem Amt des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung befassen. Beide Entwürfe sehen vor, das Amt des Landesbeauftragten zukünftig beim Landtagspräsidenten einzurichten. Ich denke, dass wir uns in dieser Zielsetzung alle einig sind.

Die CDU-Fraktion will sowohl den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung als auch die Bürgerbeauftragte unabhängig und eigenständig für unser Land. Wir glauben aber, dass eine Verzahnung im administrativen Bereich sinnvoll sein könnte. Beide Beauftragten kümmern sich um soziale Belange: Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten ist beim Landtag angesiedelt, der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung im Sozialministerium. Das macht auf Dauer keinen Sinn.

Mit der Umsetzung unseres Gesetzentwurfs würden wir den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung und die Beauftragte für soziale Angele

(Dr. Heiner Garg)

genheiten in ihrer Unabhängigkeit gleichstellen, was meiner Fraktion ein Anliegen ist. Herr Garg, wenn Sie nachlesen, werden Sie feststellen, dass es im Moment auch kein Vorschlagsrecht von Verbänden für die Bürgerbeauftragte gibt. Insofern wollen wir an dieser Stelle ebenfalls eine Gleichstellung. Aber wir sind gern bereit, im Ausschuss weiter darüber zu verhandeln.

Wir sind jedenfalls davon überzeugt, dass die Arbeit des Beauftragten für Menschen mit Behinderung noch effektiver und schneller sein wird, wenn wir eine verbesserte Koordination haben, dass vielleicht auch Zuständigkeitsüberschneidungen und Doppelzuständigkeiten mit der Bürgerbeauftragten vermieden werden können, was sicherlich für beide Beauftragten von Vorteil wäre.

Ich halte die Ansiedlung des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung beim Landtag aus weiteren Gründen für angezeigt: Eine Vielzahl von Fällen für den Landesbeauftragten wird über die Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landtages an ihn herangetragen. Auch deshalb ist die Nähe wichtig. Der Informationsfluss zwischen dem Landesbeauftragten und dem Landtag wird durch eine solche Änderung noch besser gestaltet. Herr Garg, dem Landesbeauftragten war es schon immer unbenommen, Anregungen und Vorschläge zu unterbreiten, so wie er dies in seinen Berichten immer wieder getan hat. Wir sind die Letzten in diesem Haus, die eine solche Anregung nicht aufnehmen und weiterberaten.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir schon! - Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Warum schreiben Sie es dann nicht hinein?)

- Weil es eine Selbstverständlichkeit ist.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein!)

Außerdem sollten wir berücksichtigen, wie eng bereits die Zusammenarbeit zwischen dem Landtag, insbesondere zwischen dem Landtagspräsidenten, Herrn Kayenburg, und dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung ist. So werden seit Jahren Schwerpunktthemen gemeinsam aufgegriffen. Dies zeigt sich insbesondere bei der Durchführung gemeinsamer Fachtagungen hier im Landeshaus.