Protokoll der Sitzung vom 23.04.2008

Sie haben nun allerdings mit der um drei Monate vollzogenen Verschiebung des Berichts über die Zukunft der Kindergartenfinanzierung bestätigt, dass Sie diese Klarheit nicht wollen. Sie werden Ihr Tauziehen wohl auch in den nächsten Monaten weiter fortsetzen.

Meine Damen und Herren, bereits 2006 hat sich der Landtag einstimmig für ein beitragsfreies Kindergartenjahr bis zum Ende dieser Wahlperiode ausgesprochen. Warum setzen Sie nicht wenigstens

(Präsident Martin Kayenburg)

diese Entscheidung um und klären die dafür erforderliche Finanzierung aus dem Landeshaushalt?

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Stattdessen streiten Sie sich über weitere - sicherlich wünschenswerte - Schritte, die dann in mittelfristiger Zukunft 2011 oder 2013 folgen sollen. Sie handeln wie jemand, der die Weihnachtsgeschenke für die nächsten fünf Jahre bestellt, obwohl der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht und mit der Pfändung des Gehaltskontos droht.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sehr witzig, Herr Kollege!)

Dabei ist eine Entlastung der Eltern wenigstens in einem ersten Schritt mehr als überfällig. Hier im Norden haben die Eltern für Kindergartenplätze so hohe Gebühren zu entrichten wie nirgendwo sonst in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Studie, die im vorigen Monat im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und der Zeitschrift „Eltern“ veröffentlicht worden ist, hat diese Zahlen zutage gefördert, und für Schleswig-Holstein ist diese Schlusslichtrolle wahrlich beschämend.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine Damen und Herren, seit vier Jahren, also noch zu rot-grünen Regierungszeiten, sind die Landesmittel für die Kindertagesstätten in SchleswigHolstein auf dem Stand von 60 Millionen € eingefroren. Gleichzeitig sind in diesem Zeitraum nicht nur Betriebskosten gestiegen, sondern entgegen allen Voraussagen ist auch die Zahl der Kinder, also die Zahl der Kita-Plätze, die mit diesem Geld finanziert werden müssen, angestiegen, sodass die Situation eingetreten ist, dass die Belastungen der Eltern von Jahr zu Jahr steigen. Das ist der Hintergrund, vor dem Sie über mögliche Vorschläge für Entlastungen diskutieren.

Die Landesförderung, die einst auf 20 % der Personalkosten in den Kitas ausgerichtet war, macht beispielsweise in der Stadt Flensburg heute gerade einmal einen Anteil zwischen 13 und 14 % aus. Mehrfach haben wir als FDP-Fraktion in den Haushaltsberatungen der letzten Jahre eine Anhebung dieser Landesmittel beantragt. Wir haben dafür aber keine Zustimmung der Regierungsfraktionen bekommen. Gerade vor diesem Hintergrund können wir zu Recht von Ihnen fordern, jetzt Taten vorzuweisen, statt immer nur schöne Worte in die Zukunft und ins Land hineinzublasen.

Meine Damen und Herren, angesichts dessen, was die schleswig-holsteinische Landesregierung in der Vergangenheit in der Kindergartenpolitik zustande gebracht hat, verdienen bloße Ankündigungen kein Milligramm Vertrauen.

Bei aller Notwendigkeit, die Eltern von hohen Gebühren für Kindergartenplätzen zu entlasten, gibt es in dem Zusammenhang, über den wir sprechen, ein zweites, wie ich finde, ebenso wichtiges Thema, das nicht unbeachtet bleiben darf, nämlich die Qualität der Arbeit in den Kindertageseinrichtungen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber reden Sie überhaupt nicht. Hier geht es um Aus- und Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher. Es geht um gute fachliche Begleitung der Kindergartenentwicklung im Sinn der Stärkung frühkindlicher Bildung. Es geht auch um Gruppengrößen. Ich erinnere daran, dass der Präsident der Unternehmensverbände Nord im Dezember letzten Jahres von der Zielmarke Gruppengröße 15 gesprochen hat. Davon sind wir weit entfernt. Ein solches Ziel wird man sicherlich auch nur schrittweise erreichen können. Aber das sind qualitative Anforderungen, qualitative Ziele, die zu einer echten Verbesserung der Kinderbetreuung und der frühkindlichen Bildung beitragen.

Das ist übrigens eine Voraussetzung dafür, dass wir in Zukunft bei internationalen Vergleichsstudien, bei denen Deutschland im Bereich der frühkindlichen Bildung und Kinderbetreuung in allen letzten Untersuchungen einen beschämenden Platz ganz im Schlusslichtbereich bekommen hat, besser abschneiden werden, wenn wir mehr in die Qualität der Kinderbetreuung und der frühkindlichen Bildung investieren.

Auch das ist nicht zum Nulltarif zu haben. Deshalb halten wir es für notwendig, dass man beide Ziele etwa gleichermaßen im Auge behält und auch den Mitteleinsatz so steuert. Auch das muss man bei den Entscheidungen im Auge behalten.

Wenn das Land Mittel für die Kindergärten bereitstellt, können wir von den Kommunen zu Recht fordern, dass sie einheitliche Kriterien für Sozialstaffeln beachten. Was der Landesrechnungshof hier kürzlich aufgedeckt hat, ist wirklich eine Schande. Wenn Eltern, die über kein eigenes Erwerbseinkommen verfügen und Leistungen nach dem SGB II erhalten, für ihr Kind ein weiten Teilen des Landes nach den örtlichen Sozialstaffelregelungen keinerlei Gebührenermäßigungen erhalten, so ist

(Dr. Ekkehard Klug)

das ein unter keinen Umständen hinnehmbarer Zustand.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass genau das die Situation ist, die heute in der Stadt Flensburg, aber auch in den Kreisen RendsburgEckernförde, Ostholstein, Nordfriesland, Herzogtum Lauenburg und Dithmarschen besteht.

Für Schleswig-Holstein - daran darf ich erinnern sind seit 16 Jahren sozialdemokratische Ministerinnen für die Kindergartenpolitik des Landes verantwortlich.

(Jürgen Weber [SPD]: Aber nicht für die So- zialstaffeln!)

- Natürlich ist das ein Thema, mit dem sich der Gesetzgeber auch beschäftigen muss, mit dem das Land auch umgehen muss.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum haben Sie dieses Thema in der Diskussion über Kindergartenpolitik überhaupt nie angefasst? Hier liegt ein Versäumnis der Landespolitik. Es ist wirklich höchste Zeit, das dieser Missstand, den der Landesrechnungshof aufgedeckt hat, abgestellt wird.

Es geht darum, dass Kindern aus armen Familien in Kitas eine Chance auf Kinderbetreuung und auf eine bessere Bildungsperspektive haben. Das ist das Thema, um das es hier geht. Gerade dieser Personenkreis, von dem ich gerade gesprochen habe, war im Fokus der Initiative „Kein Kind ohne Mahlzeit“. Die Oppositionsfraktionen haben im vergangenen Jahr einen gemeinsamen Antrag eingebracht mit dem Ziel, Kindern aus armen Familien in den Kitas eine kostengünstige Mahlzeit zu ermöglichen. Frau Ministerin Trauernicht hat das aufgegriffen und Mittel aus Stiftungsgeldern dafür bereitgestellt. Aber auch hier gibt es in der Umsetzung gravierende Mängel und Probleme. Das muss ich ansprechen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn in einer Reihe von Kreisen die Kinder nach einer vierstündigen Förderzeit, in der Regel um zwölf Uhr, die Kita verlassen, sind gerade die sogenannten Sozialstaffelkinder überhaupt nicht mehr im Kindergarten, wenn das Mittagessen aufgetischt wird. Das ist eine absolut bizarre Situation. Man stelle sich das einmal vor: Man macht eine Initiati

ve, und die Kinder, die man erreichen will, sind jedenfalls in einem Teil des Landes gar nicht mehr da und nicht mehr erreichbar. Auch aus diesem Grund - darauf bezieht sich unser Antrag - muss man das Thema „einheitliche Kriterien für die Sozialstaffel“ anpacken. Es kann nicht anders sein. Das ist auch ein Thema für die Landespolitik.

Das Land gibt schon jetzt immerhin 60 Millionen € aus. Wir hätten uns für die Vergangenheit mehr gewünscht. Es werden - das ist Ihr Versprechen für die Zukunft - wesentlich mehr Mittel in die Kindergartenfinanzierung hineingehen. Ich denke, wer zahlt, kann zumindest teilweise die Musik mitbestimmen, die gespielt wird. Das gilt dann auch für die Frage der Kriterien für die Sozialstaffeln.

Lassen Sie mich kurz Folgendes anmerken. Frau Ministerin Trauernicht ist am 11. März 2008 in der Kieler Regionalausgabe der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ mit einem alternativen Lösungsvorschlag zitiert worden. Die Ministerin hat mir eben vor der Sitzung versichert, sie habe das, was in der Zeitung berichtet wurde, nie gesagt, und das sei eine Falschmeldung. Ich hätte mir gewünscht, das wäre schon etwas früher richtiggestellt worden.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben den Vorschlag, die Kernbetreuungszeiten auf 9 bis 13 Uhr zu verschieben, als verfrühten Aprilscherz verstanden. Dass das gerade für berufstätige Eltern gravierende Probleme neuer Art aufwerfen würde, müsste eigentlich jedem auf Anhieb klar sein. Deshalb war uns nicht so recht ersichtlich, wie jemand auf so eine Idee hätte kommen können. Aber gut, das ist von der Ministerin vor der Sitzung mir gegenüber klargestellt worden.

Letzte Anmerkung! Ich bitte um eine Antwortung seitens der Landesregierung auf die Frage, inwieweit die ungeklärten Punkte bei der Krippenfinanzierung in das Thema Kindergarten hineinreichen. Ich höre von den Trägern, den Wohlfahrtsverbänden, dass es für dieses Jahr vom Land keine Betriebskostenzuschüsse für Krippenplätze geben wird und dass jeder zusätzliche Krippenplatz, der in diesem Jahr schon eingerichtet wird, von der Betriebskostenseite aus dem besagten 60-Millionen-€-Topf mitfinanziert werden muss.

Herr Abgeordneter, achten Sie bitte auf die Redezeit.

(Dr. Ekkehard Klug)

Das hieße, dass für Kindergartenplätze pro Kind noch weniger an Mitteln zur Verfügung stünde als in der Vergangenheit. Damit würde das Land in diesem Jahr, 2008, genau das Gegenteil von dem verursachen, was hier für die Zukunft versprochen wird, nämlich statt einer Entlastung der Eltern käme es zu zusätzlichen Belastungen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Wahlkampf sind die Versprechen immer riesengroß. Und danach? - Danach zerplatzen sie wie Seifenblasen, und die Wählerinnen und Wähler reiben sich verwundert oder auch verärgert die Augen.

(Konrad Nabel [SPD]: Das kennt Ihr gut!)

Das Thema Kindertagesstätten taugt nicht für billige Wahlkampfpolemik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

In Schleswig-Holstein zahlen die Eltern bundesweit die höchsten Beiträge. Es ist erwähnt worden. Den Kindertagesstätten fehlt Zeit und Geld, um den umfänglichen Bildungsauftrag umzusetzen.

Die Gruppen sind zu groß, um dem individuellen Anspruch eines jeden Kindes gerecht zu werden. Noch immer werden Kinder hungrig nach Hause geschickt, weil niemand das Geld für eine warme Mittagsmahlzeit aufbringen kann.

Es besteht also großer Handlungsbedarf, und es müssen Prioritäten gesetzt werden. Genau das macht meine Fraktion mit dem heute vorgelegten Antrag.

Wir setzen drei Schwerpunkte. Wir fordern ein beitragsfreies Kindertagesstättenjahr, wir fordern mehr Geld für die Umsetzung des Bildungsauftrages, und wir fordern Landesmittel für gesunde und warme Mahlzeiten für alle Kinder in der Kindertagesstätte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir legen auch einen Finanzierungsvorschlag für dieses millionenschwere Programm vor. SPD und CDU hingegen flüchten sich mit ihrem heutigen Berichtsantrag in eine inhaltliche Nullaussage! Ich war enttäuscht - das muss ich sagen -, als ich diesen schlampigen Antrag gesehen habe, der wieder alles auf die Regierung schiebt.