Protokoll der Sitzung vom 23.04.2008

Wir legen auch einen Finanzierungsvorschlag für dieses millionenschwere Programm vor. SPD und CDU hingegen flüchten sich mit ihrem heutigen Berichtsantrag in eine inhaltliche Nullaussage! Ich war enttäuscht - das muss ich sagen -, als ich diesen schlampigen Antrag gesehen habe, der wieder alles auf die Regierung schiebt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Verzögerungstaktik statt verantwortungsvoller Politik! Wahlkampfgetöse statt Zukunftspolitik für unsere Kinder in Schleswig-Holstein!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Eigentlich waren wir doch schon viel weiter - Herr Klug hat es erwähnt -, als wir vor zwei Jahren gemeinsam auf einen GRÜNEN-Antrag hin beschlossen haben, mittelfristig ein beitragsfreies letztes Kita-Jahr umzusetzen. Es sollte das Jahr vor der Schule sein. Ich erinnere noch einmal daran: Es war Teil unseres Antrags zur Bekämpfung von Kinderarmut.

Wir waren uns einig, dass wir in Bildung investieren müssen, wenn wir Kinderarmut bekämpfen wollen. Umso unverständlicher ist es, dass die SPD nun die Umsetzung genau dieses Landtagsbeschlusses abblockt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Sie, meine Damen und Herren von der SPD, verhindern anscheinend, dass der fertige Gesetzentwurf der CDU in den Landtag eingespeist werden kann, weil Sie vor der Wahl mehr fordern wollen. Gleichzeitig werfen Sie der CDU vor, der Vorschlag würde nur bis zur Schließung der Wahllokale halten. Das ist ein peinliches und absurdes Doppelspiel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Warum unterschreiben Sie nicht einfach den anscheinend fertigen Gesetzentwurf, bringen ihn hier und heute ein und versuchen dann, die Details im Ausschuss zu klären?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Eltern brauchen bedarfsgerechte Kindergartenplätze.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Ich verstehe, dass Sie sich aufregen. Eltern brauchen bedarfsgerechte Kindertagesstättenplätze.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Herr Fischer, die Kollegin Heinold hat das Wort.

Sie wollen, dass ihre Kinder verlässlich, liebevoll und qualifiziert betreut werden. Sie sind darauf angewiesen, dass ihre Kinder in der Kindertagesstätte gesund ernährt werden. Eltern haben zunehmend Probleme, wenn das komplette Kindergeld durch die Kindergartengebühr aufgefressen wird. Unser Antrag geht genau auf diese Forderungen und Wünsche ein. Ich sage sehr deutlich: Dabei hat für uns das beitragsfreie Kindertagesstättenjahr eine genauso hohe Priorität wie unser Programm „Clever Starten“, das jährlich 10 Millionen € in den Bildungsauftrag der Kindertagesstätten investieren soll. Das beitragsfreie Kindertagesstättenjahr hat eine genauso hohe Priorität wie die Forderung, dass die Initiative „Kein Kind ohne Mahlzeit“ endlich dauerhaft aus Landesmitteln abgesichert wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Nach Diskussionen in der Fraktion haben wir uns entschieden, an unserer Forderung festzuhalten, dass das letzte Jahr vor der Schule beitragsfrei sein soll, auch wenn es ebenfalls gute Argumente dafür gibt, das erste Jahr zu wählen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: In der Tat!)

Ich sage aber auch: Es ist uns besonders wichtig, dass alle Kinder zumindest im letzten Jahr vor der Schule in die Kindertagesstätte gehen. Es sind gerade die letzten 5 % der Kinder, die heute nicht dorthin gehen, die später große Probleme und keine optimalen Lernchancen haben.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das stimm!)

Spiel und Spaß in der Gemeinschaft tragen dazu bei, dass die Lernfreude geweckt wird und dass die Sprache und das Sprechen gelernt werden können. Kostenfreiheit ist ein guter Anreiz, damit die Kinder in der Kita angemeldet werden. Kostenfreiheit schafft soziale Gerechtigkeit. Für meine Fraktion ist der vorschulische Bereich Teil unseres Bildungssystems. Deshalb sprechen wir uns in unserem Antrag auch dafür aus, mittelfristig den Besuch der Kindertagesstätte insgesamt beitragsfrei zu stellen.

Der vorschulische Bereich ist in Deutschland seit Jahrzehnten komplett unterfinanziert. Die Quittung dafür haben wir mit der PISA-Studie erhalten. Vergleichszahlen der OECD machen deutlich: Deutschland muss mehr in die Bildung seiner Kinder investieren. Dazu gehört auch die beitragsfreie Kindertagesstätte. Meine Fraktion schlägt vor, dieses Ziel an die Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform zu knüpfen, damit für alle Bürgerinnen und Bürger deutlich wird: Wird bei der Bürokratie gespart, dann kann im Gegenzug in Bildung investiert werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir appellieren dringend an die Landesregierung, endlich mit einer konsequenten Verwaltungsstrukturreform zu beginnen, damit die benötigten Mittel frei werden. Für die von uns heute geforderten Sofortmaßnahmen brauchen wir hingegen sofortige Finanzierungskonzepte. Meine Fraktion hat sich als einzige Fraktion nicht gescheut, einen konkreten Vorschlag zu machen. Wir beauftragen nicht einfach die Landesregierung nach dem Motto: Sagt, wie das gehen kann. Nein, wir haben den Mut zu sagen, wo Mittel eingespart werden können, wo umgeschichtet werden kann und wo wir höhere Einnahmen akquirieren können und müssen.

Wir schlagen eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer vor, eine Umschichtung innerhalb des Schleswig-Holstein-Fonds - überwiegend zulasten des Straßenbaus - und eine verbindliche Vereinbarung mit den Kommunen darüber, dass die eingesparten Mittel aus der Sozialstaffel kommunal zweckgebunden für die frühkindliche Bildung ausgegeben werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alternativ statt additiv, Konzepte statt Traumtänzerei! Die Zukunft unserer Kinder liegt nicht in der Asphaltierung der Straßen, sondern sie liegt in einem gut finanzierten Bildungssystem. Wer mehr soziale Gerechtigkeit schaffen will, der darf sich auch nicht davor scheuen, das Schaffen von Eigentum höher zu besteuern. Unser Vorschlag der Erhöhung der Grunderwerbsteuer würde dazu führen, dass sich ein Hauskauf in Höhe von 200.000 € um 2.000 € erhöht. Im Gegenzug würden unter Berücksichtigung der hohen Abzüge durch den Länderfinanzausgleich zusätzlich immer noch circa 8 Millionen € in die Landes- und Kommunalkassen fließen. Frau Ministerin, das ist nicht absurd.

Ein weiterer Baustein zur Finanzierung ist die von den Kommunen eingesparte Sozialstaffel, wenn die beitragsfreie Kindertagesstätte umgesetzt wird. Hier

(Monika Heinold)

werden erhebliche Mittel frei. So gibt der Kreis Nordfriesland jährlich 1,9 Millionen € für die Sozialstaffel aus. In der Stadt Norderstedt sind es 1,5 Millionen € und im Kreis Steinburg 770.000 €.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, wenn Sie mit unseren Finanzierungsvorschlägen nicht einverstanden sind - ich habe schon das erste Grummeln gehört -, dann legen Sie selbst Finanzierungsvorschläge auf den Tisch!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Es geht aber nicht, dass der Tisch einfach leer bleibt, und zwar frei nach dem Motto: Finanzminister, nun mach doch mal. Wer Goodies verteilt, muss auch sagen, wo die bitteren Pillen sind. Ich war in den letzten Tagen wieder auf mehreren Veranstaltungen zum Thema Kindertagesstätten. Als ich dort sagte, dass mit dem Doppelhaushalt 2009/10 die beitragsfreie Kindertagesstätte im ersten Jahr kommt, da hat mir das niemand geglaubt.

(Zurufe von der SPD)

- Ich habe gesagt, dass dies beschlossen sei und dass die Große Koalition dies umsetzen wolle. Das hat mir niemand geglaubt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Zuruf des Abgeordneten Wolf- gang Baasch [SPD])

Herr Baasch, wir gehen einmal zusammen los. Dann schauen wir mal. Wenn ich heute den blamablen Berichtsantrag von Ihnen sehe, dann ist es kein Wunder, dass die Menschen im Land skeptisch sind und Ihnen nicht glauben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor zwei Jahren hat der Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen, dass wir das letzte Jahr vor der Schule beitragsfrei gestalten wollen. Dieses gemeinsame Ziel sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Ich hätte erwartet, dass Sie den Gesetzentwurf dazu heute auf den Tisch legen. Meine Fraktion wird weiter dafür streiten, dass die Kindertagesstätten eine höhere Qualität bekommen und dass wir die Eltern entlasten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Heike Franzen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade unsere Generation erwartet viel von ihren Kindern. Die Anzahl der Kinder ist im Vergleich zu uns sehr viel niedriger. Trotzdem sollen sie sich selbst, ihre Kinder und uns finanzieren, versorgen und pflegen. Dabei sollen sie auch noch flexibel, innovativ und wettbewerbsfähig sein. Wir alle sind dafür verantwortlich, dass sie dafür in Form von guter Betreuung und Bildung das notwendige Rüstzeug bekommen. Mit „wir“ meine ich nicht nur dieses Hohe Haus, sondern uns alle, die ganze Gesellschaft. Hier ist auch die Eigeninitiative des einzelnen Bürgers gefordert.

(Beifall bei der CDU)

Kinder und ihre Bildung, Erziehung und Betreuung sind in den letzten drei Jahren - also seit der Bildung der Großen Koalition hier in Kiel, aber auch in Berlin - in den Mittelpunkt der politischen Arbeit gerückt. Das ist auch gut so. Wir haben in dieser Zeit einen Bildungsauftrag für die Kindertagesstätten und ein neues Schulgesetz verabschiedet. Wir bauen die offenen Ganztagsschulen mithilfe der Kommunen weiter aus. Wir haben den Schutz der Kinder in der Landesverfassung verankert. Wir haben ein bundesweit beachtetes Kinderschutzgesetz auf den Weg gebracht, das in der Debatte zum nächsten Tagesordnungspunkt noch einmal Thema sein wird. Wir wollen den Ausbau der Betreuung von unter Dreijährigen vorantreiben. Wir haben die vorschulische Sprachförderung durch verpflichtende Deutschkurse vor dem Schuleintritt in erheblichem Maß intensiviert. Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir mittelfristig das letzte Kindergartenjahr für die Eltern kostenfrei machen wollen, um zum einen allen Kindern die Möglichkeit zu geben, schon vor der Schulzeit für die Schulzeit gefördert und fit gemacht zu werden, und zum anderen sollen die Eltern finanziell entlastet werden. Man kann wohl mit Recht behaupten, dass sich diese Landesregierung um ihre Landeskinder kümmert.

Kinder haben ein Recht auf Bildung und Erziehung, und damit haben die Kindertagesstätten neben dem Erziehungsauftrag selbstverständlich auch einen Bildungsauftrag. Dabei sind uns die Förderung von Sprache und Motorik sowie die Hinführung zur Schrift, zu musischen Grundkenntnissen und zu mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Erscheinungsformen zur Vorbereitung auf die Grundschulzeit besonders wichtig.

(Monika Heinold)

Bei der Sprachförderung in den Kindertagesstätten gibt es bereits ein gut ausgebautes Förderkonzept, das auf drei Handlungsfeldern beruht. Eines dieser Felder ist die SPRINT-Maßnahme, die im letzten halben Jahr vor der Einschulung die Kinder gezielt fördert.

Die vorschulische Sprachförderung wird in Schleswig-Holstein in der Zukunft noch weiter an Bedeutung zunehmen, da sich insbesondere der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund unter sechs Jahren bereits jetzt auf 22,5 % beläuft. Diese Kinder befinden sich teilweise bereits in den Kindertagesstätten und werden in absehbarer Zeit in das Schulsystem hineinwachsen.

Auch die verbindliche Zusammenarbeit von Grundschulen und Kindertagesstätten hat einen gesetzlichen Rahmen bekommen. Eine enge Vernetzung der beiden Bildungseinrichtungen war notwendig, damit die Stärken und Schwächen unserer Kinder besser erkannt und begleitet werden können und nicht an der Schnittstelle "Einschulung" verloren gehen.