Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

Ich will das einmal anhand der Zahlen deutlich machen, die die Ministerin selbst Anfang März in einer Antwort auf meine Kleine Anfrage zu den Personalzuweisungen an die Schulen vorgelegt hat. Dort wird für die Gymnasien - die Zahlen für die anderen Schularten sind dort auch genannt, aber hier geht erst einmal um die Gymnasien - gesagt, dass diese Schulart im nächsten Schuljahr 4.592 Lehrerstellen bekommen soll. Das sind in der Tat 123 mehr als im jetzigen Schuljahr. Dem aber steht bei den zugrunde gelegten Schülerzahlen auch ein Mehr in einer Größenordnung von fast 4.500 Schülern gegenüber. Zu berücksichtigen ist auch, dass 85 Lehrerstellen von diesen 123 eigentlich bloß einen Ausgleich für den Verlust darstellen, der sich für die Schulen im Bereich der Unterrichtskapazität aus dem Wegfall der Vorgriffsstunde ergibt. Das heißt, von den 123 zusätzlichen Stellen bleiben effektiv für eine Verbesserung der Unterrichtssituation an den Schulen nur 38 über.

Wenn Sie mir sagen - dazu haben Sie mir auch eine Kleine Anfrage beantwortet, Frau Ministerin -, im nächsten Schuljahr tritt durch den Wegfall der Vorgriffsstunde ein Schwund an Unterrichtskapazität an den Gymnasien in einer Größenordnung von 85 Stellen ein, muss man zumindest einen Teil der 123 neuen Stellen, die Sie sozusagen als Personalzuschlag bei den Gymnasien angeben, als Ausgleich einrechnen. Sonst geht Ihre Rechnung nicht auf.

(Beifall bei der FDP)

Das ist wie mit dem Starfighter von Herrn Stegner. Sie können die Verwaltungsstruktur nicht überall als Finanzierungsgrundlage einrechnen.

So bleiben effektiv 38 Stellen für eine bessere Unterrichtsversorgung übrig. Das bedeutet bei den 4.500 zusätzlichen Schülern, die bei der Bedarfsberechnung zugrunde gelegt sind, eben ein Zahlenverhältnis von 1:118. Dass das eben nicht dazu beitragen kann, die Situation an den Schulen zu verbessern, kann jeder relativ leicht erklären. Wie gesagt, es kommt noch der Mehrbedarf durch das G8-Modell hinzu, der bisher überhaupt nicht beziffert worden ist.

Diese Ausgangslage bestimmt die Rahmenbedingungen, unter denen die Schulen die Profiloberstufe einführen. Auf einer Veranstaltung in der vergangenen Woche in Neumünster haben Vertreter der dortigen Gymnasien vorgerechnet, dass die Personalzuweisungen, die die Schulen für das nächste Schuljahr erhalten sollen, dergestalt sind, dass sie eine vollständige Abdeckung der durch die Verordnung vorgeschriebenen Unterrichtsstunden in der Oberstufe überhaupt nur hinkriegen, wenn sie pro Klasse eine Klassenstärke von 27 bis 28 einkalkulieren, also die Gruppengröße in der Oberstufe wirklich haarscharf bis an den Klassenteiler ansteigen lassen. Auch das hört man landauf, landab aus den Schulen in Schleswig-Holstein in ähnlicher Weise. Das heißt, auch hier werden sich die Unterrichtsbedingungen für den Oberstufenunterricht, jedenfalls gegenüber den Leistungskursgrößen in der Vergangenheit, deutlich verschlechtern.

Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zu den Grünen machen. Die Grünen haben soeben den Vorschlag unterbreitet, die Schularten gleichzustellen, und zwar im Hinblick auf die Stundenzahlen der Lehrer und der Schüler und im Hinblick auf die Bezahlung des Personals. Da frage ich Sie: Was bedeutet eigentlich in Ihrem Sinn Gleichstellung?

Es gibt im Prinzip zwei Möglichkeiten. Die eine ist die, dass sich jene, die bisher bessere Konditionen haben, nach unten bewegen. Für die Gymnasien bedeutet das in der Praxis, dass dortige Stellen gestrichen werden müssen. Das müssen Sie denen dann allerdings auch sagen. Andererseits fände man auf dem Arbeitsmarkt keine jungen Gymnasiallehrer mehr für die Aufnahme einer Tätigkeit im schleswig-holsteinischen Schuldienst. Die kriegen nämlich aus allen anderen Bundesländern viel attraktivere Angebote. Dann müssten Sie schon sagen, dass Sie beispielsweise - jedenfalls in Mangelfächern wie Mathe und Physik - den Unterricht an den Gymnasien in Zukunft durch Grund- und Hauptschullehrer erteilen lassen müssen. Das ist Möglichkeit Nummer 1.

(Dr. Ekkehard Klug)

Möglichkeit Nummer 2 ist: Sie passen nach oben an.

(Zuruf)

- Ich rede jetzt zu den Grünen. - Dann müssten Sie allerdings irgendwo einen nennenswerten zweistelligen Millionenbetrag für den Landeshaushalt locker machen, um das finanziell zu unterfüttern.

(Beifall bei der FDP)

Insofern fände ich es interessant, wenn die Grünen Klarheit darüber herbeiführen würden, welchen der beiden prinzipiell denkbaren Wege sie denn nun tatsächlich dem Land Schleswig-Holstein und den Schulen empfehlen.

Eine kurze Bemerkung zur Anmeldesituation! Es lässt sich feststellen, dass es vielerorts ziemlich große Probleme gibt, weil das Modell der Regionalschule, das die CDU als ihren Beitrag zu den neuen Schulstrukturen ins Schulgesetz eingeführt hat, an vielen Standorten unter mangelnder Nachfrage zu leiden hat. Für das kommende Schuljahr gab es aus den Hamburger Umlandkreisen insgesamt nur vier Anträge. Aus Presseberichten und aus dem, was man von Vertretern der betroffenen Kommunen hört, weiß man, dass von diesen vier neuen Schulen zwei mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht eingerichtet werden können, weil sie nicht die erforderliche Größe erreichen werden.

Bitte beachten Sie die Redezeit, Herr Kollege.

Mein letzter Satz: So wird die Regionalschule aller Voraussicht nach nur ein punktuelles Bildungsangebot an einzelnen Standorten sein. Die Situation, die wir bekommen werden, wird die sein, dass Gymnasien und Gemeinschaftsschulen als Regelschulen existieren. Es wird allenfalls punktuell hier und da einmal eine Regionalschule geben. Die FDP meint daher, dass man vor diesem Hintergrund alternativ die Option einer Realschule als Angebotsschule andenken sollte. Ich denke, wir werden im Landtag bald über eine Volksinitiative zu diesem Thema zu sprechen haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Für den SSW im Landtag hat nun Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landeselternbeirat der Gymnasien beklagt, dass bei steigenden Schülerzahlen der Gymnasien immer weniger Lehrer an diesen Gymnasien unterrichten würden. Hintergrund der Initiative der Eltern scheint eine Unterschriftensammlung einer Initiative in Itzehoe zu sein, in der Eltern die nicht Nichtbesetzung von Lehrerstellen an den hiesigen Gymnasien kritisieren und sofortige Neueinstellungen fordern, weil es zu massiven Stundenausfällen gekommen sei. Ein Blick in den letzten Bericht zur Unterrichtsversorgung zeigt, dass die Zahl der ausgefallenen Stunden in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist. Aus Sicht des SSW befinden wir uns also auf dem richtigen Weg.

Hinzu kommt, dass an den Gymnasien für das kommende Schuljahr doch weniger Kinder angemeldet wurden als in den Jahren zuvor. Dafür gibt es viele Gründe. Der Kollege Höppner hat versucht, diese Gründe zu analysieren. Ich erspare mir eine Wiederholung. Dennoch ist es richtig, dass diese Betrachtungen den betroffenen Schülerinnen und Schülern nicht helfen. Der SSW versteht natürlich die Sorgen der Eltern. Umgekehrt gilt aus Sicht des SSW, dass wir in der Frage der Lehrerversorgung nur weiterkommen, wenn sowohl bei der Lehrerausbildung als auch bei der Weiterentwicklung des Schulwesens nicht nur an eine Aufstockung gedacht wird, sondern auch daran, wie Lehrkräfte besser eingesetzt werden können. Ohne Strukturänderungen werden wir nicht weiterkommen, davon bin ich überzeugt.

Die Fragen lauten: Wie können wir sicherstellen, dass die Qualität des Unterrichts weiterhin gesichert und gesteigert wird? Wie können wir mit Strukturänderungen sicherstellen, dass öffentliche Mittel effizienter eingesetzt werden? Das sind die Gretchenfragen, um die wir nicht herumkommen. Darum bin ich felsenfest davon überzeugt, dass wir in zehn Jahren ein anderes Schulwesen als heute haben werden.

Dass man Strukturänderungen nicht als Bedrohung aufzufassen braucht, zeigt die Zahl der Anmeldungen an den Gemeinschaftsschulen im nördlichen Landesteil. Ganz viele Kommunen scheinen begriffen zu haben, dass sie mit der neuen Schulform auch den eigenen Schulstandort stärken und dass damit nicht der Untergang des Abendlandes vorprogrammiert ist.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Dr. Ekkehard Klug)

Aber auch das Folgende möchte ich loswerden: Der Verbandsvertreter Walter Tetzloff, Sprecher des Philologenverbandes in Schleswig-Holstein sieht, in der aus seiner Sicht ganz schlechten Lehrerversorgung an den Gymnasien einen landesweiten Trend. Er hat sich in der Presse so geäußert:

„Der Verdacht besteht, dass man schulpolitisch die Gymnasien ein wenig aushungern will, um die neuen Schulformen attraktiv zu machen.“

Ich finde, das ist ganz schön starker Tobak, der wirklich in die bildungspolitische Mottenkiste gehört.

(Beifall beim SSW)

Wir haben hier im Plenum vor ein paar Monaten über den Stand der Genehmigungen von neuen Gemeinschafts- und Regionalschulen debattiert. Dabei wurde deutlich, wie gut die Gemeinschaftsschule von den Schulträgern angenommen wird. Es mag sein, dass einige Bildungspolitiker davon überrascht worden sind. Fest steht aber, dass die Anmeldezahlen diesen Trend belegen. Gemeinschaftsschulen scheinen Elternschulen zu sein. Es ging auch aus Presseberichten hervor, dass Eltern vor Ort Druck ausüben mussten, um die entsprechenden Anträge auf den Weg zu bringen. Mit anderen Worten, Eltern wollen eine Schulform, die ein Höchstmaß an individueller Förderung ermöglicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darum denke ich, dass es gut ist, dass sich die gemeinsame Beschulung langsam aber deutlich durchsetzt. Die Eltern zeigen mit ihrem Anmeldeverhalten, dass sie für ihr Kind die Gemeinschaftsschule wollen.

(Beifall beim SSW)

Dafür gibt es Beispiele. Zum Beispiel liegen in Schleswig bei der Dannewerkschule, die ab dem nächsten Schuljahr Gemeinschaftsschulunterricht anbietet, 125 Anmeldungen vor. Bei der Bruno-Lorenzen-Schule, die ab übernächstem Schuljahr Gemeinschaftsschule wird, sind es 100. Bei der Regionalschule, der Gallbergschule, wurden 45 Kinder angemeldet, was einem Fünftel entspricht. Das sind die Fakten. So sieht es auch im Rest des Landes aus.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen, dass die Regionalschulen aus meiner Sicht kein Imageproblem haben, dem man mit etwas professionellem Marketing schon auf die Beine helfen

könnte. Die Regionalschule bietet eben nicht die Möglichkeiten einer Gemeinschaftsschule. Vielmehr engt sie Optionen ein. Das wollen die Eltern offensichtlich nicht. Sie wünschen sich, dass ihrem Kind eine Welt eröffnet wird. Sie wollen nicht, dass Türen zugeknallt werden. Grundsätzlich gilt daher auch, dass die Übergänge zwischen den Schularten aus meiner Sicht weiterhin ein Problem des Schulgesetzes bleiben. Ich verstehe die Aussage der Kollegin Eisenberg nicht, aber sie kann mir im Ausschuss noch einmal erklären, weshalb zwischen Regionalschulen und Gymnasien jetzt eine so große Durchlässigkeit besteht. Ich fasse das nicht richtig.

Ich will nicht auf den Ansatz der FDP eingehen, jetzt wieder Realschulen anzubieten. Meine Position dazu kennen Sie, lieber Kollege Klug. Ich fasse jedoch zusammen. Der SSW hat im Rahmen von Bildungsdebatten immer wieder kritisiert, dass das Gymnasium nicht in die Schulreform einbezogen worden ist, die wir in diesem Land auf den Weg gebracht haben. Das Gymnasium läuft nebenher. Es gibt natürlich Veränderungen im Bereich des gymnasialen Unterrichts, das sind aber Veränderungen, die nichts mit dem zu tun haben, was wir in Schleswig-Holstein eigentlich auf den Weg gebracht haben. Das bedauern wir. Ich bin sicher, dass sich das im Laufe der Zeit ändern wird. Der SSW steht dazu, dass wir mit der Einführung der Gemeinschaftsschule einen guten Weg beschreiten. Die Pointe bei der Einführung der Gemeinschaftsschule ist nicht nur, dass sie eine Schule für alle ist. Vielmehr ist die Pointe, dass diese Schule schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren kann.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Die individuelle Förderung der Kinder ist der zentrale Punkt. Das kann man schnell und hoffentlich auch unbürokratisch auf den Weg bringen. Das ist ganz zentral. Darum ist diese Schulform unserer Meinung nach auch die Schulform der Zukunft.

(Beifall beim SSW)

Ich danke Frau Abgeordneter Spoorendonk. - Die Frau Ministerin hat erneut um das Wort gebeten. Bitte sehr, Frau Ministerin.

(Anke Spoorendonk)

Ich muss Ihre Aufmerksamkeit noch einmal eine Minute lang in Anspruch nehmen. Ich will noch drei Bemerkungen machen. Vieles reizt mich, aber in aller Kürze sage ich: Erstens. Ich werde es hier wohl nicht mehr erleben, dass sich jemand hinstellt und sagt: Wir haben in den letzten Jahren am deutlichsten die Unterrichtsversorgung an den Grundschulen angehoben. Das können Sie nachlesen. Sie runzeln schon wieder die Augenbrauen. Sie müssen die Berichte nicht so selektiv lesen, wie Sie das immer tun. Das ist eine Tatsache. Das ist auch gewollt. Das ist bildungspolitisch richtig. Es kommt auf den Anfang an.

Sie stellen sich hier hin und sagen an einem Tag, nämlich gestern, was für ein Wahnsinn das sei, dass hier Millionen versprochen werden. Indirekt tun Sie aber mit dem, was Sie heute hier gesagt haben, genau das gleiche. Wir haben also die Unterrichtsversorgung an den Grundschulen bewusst stärken wollen. Man kann das nachprüfen. Ich habe hier gestanden und gesagt: Natürlich geht das auch auf Kosten der gymnasialen Oberstufe mit ihrem sehr teuren Schleswig-Holstein-Modell. Auch das war ein Grund für die Profiloberstufe. Das muss man ganz ehrlich sagen.

Zweitens. Diese Zahlenspielereien und statistischen Vergleiche sind sehr beliebt. Sie bringen uns letztlich aber nicht weiter, sie führen auch in die Irre. Man kann auch immer unterschiedliche Parameter miteinander vergleichen.

Drittens. Wenn es darum geht, was zählt, will ich nicht den alten Spruch anführen, entscheidend sei, was hinten herauskommt. Ich sage es lieber so: Es geht um den Qualitätsaspekt. Wir sind von dem Inputdenken doch längst abgekommen. Wir haben inzwischen ein output-gesteuertes Schulsystem. Dabei zählen Vergleiche und Tests, auch Vergleiche mit anderen Bundesländern. Wie kommt es denn, dass in einem Land mit riesigen Klassenfrequenzen, die die Eltern hier nie ertragen würden - bei Klassen mit über 33 Schülern gäbe es hier Massenproteste -, trotzdem gute Leistungen erbracht werden? Man kann die Parameter also wirklich stark in Frage stellen. Es kommt nicht darauf an, dass ein Schüler sechs Stunden Unterricht hat. Vielmehr kommt es darauf an, dass die sechs Stunden oder meinetwegen auch nur fünf Stunden Unterricht, die erteilt werden, von A bis Z gut sind. Es kommt darauf an, dass die Leistungen und das Wissen der Schüler gut sind. Am Ende dieses Jahres werden die PISA-E-Ergebnisse vorgelegt. Im Länderver

gleich sind unsere fünfzehnjährigen Gymnasiasten getestet worden. Ich bin gespannt, was Sie zu den guten Ergebnissen sagen werden.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und stelle fest, dass die Berichtsanträge Drucksachen 16/1995 und 16/1998 durch die Berichterstattung ihre Erledigung gefunden haben. Damit sind diese Tagesordnungspunkte erledigt.

Ich erinnere Sie daran, dass wir uns vorgenommen haben, am Ende der Beratungen Tagesordnungspunkt 41 a aufzurufen. Das tue ich jetzt:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein (Kinderschutzgesetz)