Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Angelika Birk.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 29 Realschulen und 47 Gemeinschaftsschulen - so hat es die Ministerin Ende
April verkündet - sollen nach dem Sommer neu starten. Über 6.000 Schülerinnen und Schüler sind durch ihre Eltern auf diesen Schulen angemeldet worden. Bis heute ist es dem Ministerium nicht gelungen, ausreichende Rahmenbedingungen zu schaffen. Seit der Einführung der Kurzschuljahre vor 40 Jahren hat es eine solche Umstellung, wie sie ab August in Schleswig-Holstein geschieht, nicht gegeben: 76 neue Schulen, die bereits genehmigt sind, beginnen mit den 5. Klassen überall parallel zum Betrieb der auslaufenden Haupt- und Realschulen. Die Landesregierung trägt diesem Jahrhundertereignis keineswegs Rechnung.
Weniger Lehrerinnen und Lehrer als in anderen Schulen, unklare Zuständigkeiten, keine ausreichende Lehrerweiterbildung und keine geeigneten Räume sind an den neuen Schulen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Offensichtlich blockieren sich mittlerweile die Koalitionspartner, und die Unentschlossenheit der Ministerin behindert die nötigen Vorbereitungen. Das Ergebnis ist, dass die neuen Schulen ohne ausreichende Ressourcen und ohne ausreichende Vorbereitung in ein Abenteuer starten müssen.
Deshalb bringen wir einen Antrag in den Landtag ein, der die Landesregierung auffordert, unverzüglich die nötigen Voraussetzungen für einen Erfolg der neuen Schulen zu schaffen.
Wir konnten aus den Daten, die in der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP zur Lehrerplanstellenzuweisung standen, errechnen, dass an Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen Lehrerinnen und Lehrer im Durchschnitt mehr Schülerinnen und Schüler unterrichten müssen als an Gymnasien und erst recht in bestehenden Gesamtschulen.
Eine Schule, die sehr heterogene Gruppen und einen verbindlichen Ganztagsrhythmus hat, braucht mehr Lehrerinnen und Lehrer. Das hatte man bei der Gesamtschulgründung berücksichtigt und die Ausstattung mit Lehrkräften so gestaltet, dass die Gesamtschulen auf eine Vollzeitstelle 15,6 Schülerinnen und Schüler hatten, wo hingegen die Grund- , Haupt- und Realschulen bei etwa 20 liegen. Nun sollen die Gemeinschaftsschulen auf diesem Niveau bei 20,1 ausgestattet werden. Die Regionalschulen müssen im neuen Schuljahr 21,6 Schülerinnen und Schüler pro Lehrerstelle verkraften. Die Gymnasien haben mit 18,6 Schülerinnen und Schülern pro Lehrerstelle eine deutlich bessere Quote.
Deshalb fordern wir als Sofortmaßnahme 50 zusätzliche Stellen für die neuen Schulen ab August. Diese zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrer würden in den 5. Klassen der Regional- und Gemeinschaftsschulen das Schüler-Lehrer-Verhältnis etwas anheben. Wir könnten zusätzlich - so nach unserer überschlägigen Rechnung - drei Stunden pro Klasse für eine intensivere Betreuung bereitstellen.
Der Vorschlag der FDP, die aktuellen Probleme mithilfe des demografischen Faktors zu lösen, ist dazu nicht geeignet.
Denn im kommenden Jahr steigt die Zahl der Schülerinnen und Schüler noch an, und es werden deshalb kurzfristig dringend zusätzliche Lehrkräfte benötigt. Soweit wir das nachvollziehen konnten, hat das Ministerium dem auch in gewissem Umfang Rechnung getragen und das Schüler-Lehrer-Verhältnis in den Förderschulen, den Förderzentren etwas verbessert. Das war auch dringend nötig.
Aber erst nach sechs Jahren Aufbauzeit der neuen Schulen und erst, wenn alle Schüler durch die weiterführenden Schulen hindurchgegangen sind, die jetzt eingeschult werden, wird man den demografischen Faktor wirklich spüren.
Im Augenblick haben wir in den Bereichen der Sekundarstufe I und II noch einen Aufwuchs zu verzeichnen.
Darüber hinaus brauchen wird ein neues Planstellenzuweisungsverfahren, wodurch für die unterschiedlichen neuen Schularten eine gerechte Stellenverteilung geschaffen wird. Für die Gemeinschafts- und für die Regionalschulen gibt es dies noch nicht. Außerdem brauchen wir für die Lehrkräfte eine vermehrte Weiterbildung. Darüber haben wir schon oft gesprochen. Es muss auch eine Freistellung möglich sein, um an anderen guten Schulen zu hospitieren. Für die Schulklassenräume, die im Aufgabenbereich der Schulträger liegen, sind nicht genügend Projektgruppenunterrichtsräume da. Oft sind hier kleinere Umbauten erforderlich. Dazu muss man sich auch auf Landesebene verhalten. Hier muss man mit den Schulträgern in einen Dialog treten. Für einen Ganztagsbetrieb brauchen wir natürlich auch Kantinen. Hier stehen wir noch ganz am Anfang.
Wenn wir Schülerinnen und Schüler individuell fördern und jedem Kind eine Chance geben wollen, dann erhält die Überleitung von der Halbtagsschule zur Ganztagsschule eine große Bedeutung. Wir ha
ben uns für die gebundene Ganztagsschule stark gemacht. Hier haben wir einen Etappensieg erreicht. Die Koalition hat 15 weitere Schulen genehmigt. Das ist aber nur ein kleiner erster Schritt. Wir dürfen nicht zulassen, dass an allen anderen offenen Ganztagsschulen bedürftige Kinder abgemeldet werden, weil ihre Eltern weder das Mittagessen noch die Gebühren, die für den Nachmittag fällig werden, bezahlen können.
Dies sage ich in aller Kürze als Begründung für unseren Antrag. Unser Ziel ist es, die Chancengleichheit zwischen Gemeinschaftsschulen und Gymnasien herzustellen. Wir denken, auch die Regionalschulen werden sich dieser Vision anschließen. Wenn man jetzt aber schon mit einem Fehlstart beginnt, dann enttäuscht man viele Hoffnungen. Das können wir nicht zulassen. Wir bitten um die Unterstützung des ganzen Hauses.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Birk, Sie tun so, als wäre im schulpolitischen Bereich seit dem Jahr 2005 in diesem Land gar nichts passiert. Ich frage Sie, was Sie in den neun Jahren geleistet haben, in denen Sie die Verantwortung trugen, wenn Sie jetzt in diesem Bereich so große Defizite erkennen wollen.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert in ihrem Antrag eine ausreichende Ausstattung der neuen Schularten Regional- und Gemeinschaftsschule. Dazu ist von der Seite der CDU anzumerken, dass es grundsätzlich unser Ziel sein muss, an allen Schulen in unserem Land eine gute Ausstattung vorzuhalten. Kommen wir aber zum Kern des Antrags zurück. Es dürfte auch der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht entgangen sein, dass die Koalitionspartner im letzten Jahr ein umfangreiches Bildungspaket geschnürt haben, um so zu gewährleisten, dass die neuen Schularten Regional- und Gemeinschaftsschule die von Ihnen geforderte ausreichende Ausstattung erhalten. Dazu im Einzelnen:
Schleswig-Holsteins Schülerinnen und Schüler erhalten im Zuge der Umbaumaßnahmen der Schullandschaft mehr Unterricht und eine bessere individuelle Förderung. Dafür investiert das Land in den Folgejahren 540 Millionen €. Das muss einmal gesagt werden. Diese Summe macht einmal mehr deutlich, dass die Bildungspolitik gemeinsam mit der Haushaltskonsolidierung den Hauptschwerpunkt der politischen Arbeit der Koalition darstellt. Das ist auch gut so, denn hier investieren wir mit jedem Euro in die Zukunft unserer Kinder und somit in die Zukunft unseres Landes.
Diese 540 Millionen € entsprechen mehr als 1.300 Lehrerstellen für Regional- und Gemeinschaftsschulen. Von diesen 1.300 Stellen gehen rund 1.000 Stellen direkt in mehr Unterricht. Rund 300 Stellen fließen in die Absenkung der Stundenverpflichtung. In der Aufbauphase der neuen Schularten werden 160 Lehrerstellen und in den Folgejahren 175 Lehrerstellen für eine bessere Unterrichtsversorgung bereitgestellt, die sich aus den neuen Stundentafeln und aus dem Förderbedarf ergeben. Zusätzlich stehen sechs beziehungsweise vier Wochenstunden zur Differenzierung und zur Gruppenbildung zur Verfügung. Bis zum Eintreten der Absenkung der Unterrichtsverpflichtung im Schuljahr 2010/2011 erhalten die neuen Schulen außerdem aus dem Förderfonds eine Unterstützung in Form von zwei Lehrerwochenstunden pro Lerngruppe für den pädagogischen Mehraufwand.
Im Rahmen der bereits beschlossenen Fortbildungsinitiative werden in den nächsten vier Jahren weitere 1,4 Millionen € zur Verfügung gestellt. Auch die Förderung der offenen Ganztagsschulen wird sich im neuen Schulsystem weiterentwickeln. Hierfür werden die Betriebskostenzuschüsse von 2009 bis 2011 mit 19,8 Millionen € doppelt so hoch sein wie in der bisherigen Haushaltsplanung, in der 9 Millionen € vorgesehen sind. Die Investitionskostenzuschüsse für den Ausbau der offenen Ganztagsschulen bis 2009 betragen 32 Millionen €. Zudem werden für die im Jahr 2009 startenden 15 gebundenen Ganztagsschulen in Schleswig-Holstein 50 zusätzliche Stellen geschaffen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Ich möchte hier aufgrund der Behauptungen der Mitglieder der Fraktion der Grünen, dass die Schulen nicht ausreichend auf den Umbau der Schullandschaft vorbereitet seien, noch einmal auf Folgendes hinweisen: Die jetzt an den Start gehenden ungefähr 75 Regional- und Gemeinschaftsschulen wachsen von unten heraus an. Das heißt, die Schulen werden schritt
weise umstrukturiert. Sie werden dabei schrittweise begleitet. Es ist selbstverständlich, dass eine entsprechende Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen an den Schulen erfolgt. Ich bitte Sie aber auch, die Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land nicht für dumm zu verkaufen. Für jede ausgebildete Lehrkraft gehört die Binnendifferenzierung zum alltäglichen Handwerkszeug. Jahrgangsübergreifendes Lernen wird ebenfalls vielerorts praktiziert. Wir müssen das Rad also nicht neu erfinden und so tun, als ob unsere Lehrerinnen und Lehrer nicht in der Lage wären, sich den veränderten Strukturen zu stellen. Ich betone noch einmal: Wir werden die Lehrkräfte an unseren Schulen nicht allein lassen. Wir werden die von mir genannten Maßnahmen umsetzen, um gemeinsam einen erfolgreichen Umbau unserer Schullandschaft voranzubringen. Ich bitte um die Überweisung des Antrags an den Bildungsausschuss.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Schulgesetz, das wir im vergangenen Jahr verabschiedet haben, bringt für das Schulwesen in Schleswig-Holstein die einschneidendsten strukturellen Veränderungen seit vielen Jahren. Das Interesse der Eltern und der Schulträger an den beiden neuen Schularten Regionalschule und Gemeinschaftsschule ist groß. Dies gilt ganz besonders für die Gemeinschaftsschulen, die den gymnasialen Bildungsgang in der Fläche erhalten. Eine solche Umgestaltung ist auch von Skepsis und von Befürchtungen begleitet. Das kann auch gar nicht anders sein. Ich bin mit dem Antragsteller daher völlig einer Meinung, dass wir es nicht zulassen, dass Eltern, Lehrer und Schüler zum Beispiel durch eine Schlechterstellung der neuen Schularten oder bei der personellen oder materiellen Ausstattung demotiviert werden.
Das Verfahren der Planstellenaufteilung auf die verschiedenen Schularten und auf die verschiedenen Schulämter und Schulen muss so transparent wie möglich und auch innerhalb der vom Haushaltsgeber, also von uns, zur Verfügung gestellten Personalmittel so flexibel wir möglich gehandhabt werden. Die Planstellenzuweisung findet jedes Jahr öffentlich statt, weil die entsprechenden Erlas
se nicht nur den Schulämtern, sondern auch den Personalräten und den Kreiselternbeiräten zugängig gemacht werden. Einen solchen Erlass hat es auch in diesem Jahr am 8. Februar gegeben. Er hat die Verteilung auf die Schulämter geregelt. Für die Gemeinschaftsschulen wurde die Verteilung allerdings auf die einzelnen Schulen bezogen. Dabei ist zurzeit natürlich mehr Bewegung im Verfahren, als das in der Vergangenheit der Fall war. Nicht nur die Schülerzahlen ändern sich, sie nehmen in der Regel deutlich ab, auch ihre Verteilung auf die Schularten entsprechend der Umwandlung in eine der beiden neuen Schularten ändert sich.
Die zugehörigen Statistiken hat die Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Dr. Klug wenige Wochen nach Veröffentlichung des Planstellenzuweisungserlasses mitgeteilt. Daraus leiten die Grünen nun ab, die SchülerLehrer-Relation sei bezogen auf Vollzeitstellen für die Gemeinschafts- und für die Regionalschulen substantiell schlechter als für die Gymnasien und Gesamtschulen. Offenbar ist von den Antragstellern übersehen worden, dass bei den Zahlen für die Regional- und Gemeinschaftsschulen sowohl die wenigen bereits bestehenden als auch die künftigen Regional- und Gemeinschaftsschulen auf der Basis der bisherigen Haupt-, Real- und Gesamtschulen eingerechnet wurden. Die Schüler-Lehrer-Relation ist wegen der unterschiedlichen Lehrverpflichtung auch nicht besonders aussagekräftig. Von Interesse ist vielmehr die Relation des erteilten Unterrichts pro Schüler.
Die Formulierungen dieser Antwort auf die Kleine Anfrage sind nicht ganz einfach nachzuvollziehen. Manchmal sollten die Ministerien bei der Beantwortung von Fragen etwas kundenorientierter im Sinne der alten Anglerweisheit formulieren: Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht unbedingt dem Angler.
Da das Planstellenzuweisungsverfahren von den Schülerzahlen als wichtigster, aber nicht alleiniger Kennziffer ausgeht, weist der Erlass bereits vorsorglich darauf hin - das ist entscheidend -, dass die darin enthaltenen Zahlen nicht endgültig sein können, sondern dass ein Nachsteuern nötig sein kann, wenn sich die Kennziffer ändert.
Wegen der besonderen Verantwortung der Gemeinschaftsschulen für Differenzierungsmaßnahmen im Sinne der bestmöglichen individuellen Förderung wird bei den Gemeinschaftsschulen von einer Klassengröße von 25 Schülerinnen und Schülern ausgegangen. Über den Förderfonds sollen die
Wenn der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nun fordert, über das Nachsteuern hinaus, das in der Antwort auf die Kleine Anfrage angekündigt wird, eben mal schnell 50 zusätzliche Stellen in die Gemeinschafts- und Regionalschulen zu geben, muss auch definiert werden, woher diese Stellen kommen sollen.
Wollen Sie einen Nachtragshaushalt, in dem der Landtag die Aufstockung des Lehrerpersonalbudgets beschließt? Oder wollen Sie, dass wir 50 Stellen aus den anderen Schulkapiteln an die Regionalund Gemeinschaftsschulen schieben und damit woanders Probleme bei der Unterrichtsversorgung auslösen?
Es sind mit dem Antrag der Grünen viele ungeklärte Fragen verbunden. Ich denke, es ist das Vernünftigste, diese Fragen im Ausschuss zu diskutieren und ihnen dort nachzugehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Birk, es ist richtig, wir haben gefordert, dass die Landesregierung auf ihren Plan verzichten soll, in der nächsten Wahlperiode Lehrerstellen zu streichen. Aber das reicht in der Tat nicht aus, um die Probleme zu bewältigen. Dass wir darüber hinaus für eine gute Unterrichtsversorgung mehr Lehrerstellen benötigen, habe ich im Übrigen auch im Artikel der „Lübecker Nachrichten“ deutlich gemacht, auf den Sie sich berufen. Also lassen Sie das bitte mit der Aussage, wir würden die Probleme allein mit dem sogenannten demografischen Faktor lösen wollen! Das stimmt nicht, das ist Unsinn.