Protokoll der Sitzung vom 28.05.2008

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2074 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Der Herr Landtagspräsident wartet, ich erteile ihm das Wort.

Martin Kayenburg, Landtagspräsident:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Alle Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtages und die Abgeordneten des SSW haben gemeinsam den Ihnen vorliegenden interfraktionellen Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes, Drucksache 16/ 2074 (neu), eingebracht. Diesen Entwurf will ich im Rahmen der ersten Lesung begründen und erläutern.

Erstens zum Grundsatz. Mit dem Gesetzentwurf soll das Abgeordnetengesetz novelliert werden, mit dem wir im Juni 2006 die Diätenstrukturreform bewirkt haben, ohne das Gesetz im Kern zu verändern. Der vorliegende Gesetzentwurf tastet die Reform nicht an. Es bleibt bei der Reduzierung der Zulagen für die Ausübung besonderer parlamentarischer Funktionen, es bleibt bei der Streichung der steuerfreien Aufwandsentschädigungen für Abgeordnete, es bleibt bei der radikalen Umstellung des Systems der Altersversorgung, nach der die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages für ihre Altersversorgung selbst verantwortlich sind - was im Übrigen kürzlich sowohl vom Präsidenten des Deutschen Steuerzahlerbundes wie auch in den Medien, „Süddeutsche Zeitung“ und „Welt online“, noch einmal als vorbildlich bezeichnet wurde.

(Anke Spoorendonk)

Gesetzliche Neuregelungen auf dem Gebiet der Statistik und des Sozialrechts machen gleichwohl eine Änderung des Abgeordnetengesetzes erforderlich. Gleichzeitig sollen die Mitarbeitervergütungen angehoben und einige klarstellende Detailregelungen eingefügt werden.

Zweitens zum Entwurf im Einzelnen! Ich will die Änderungen kurz vorstellen.

2.1: Neufestsetzung des Maßstabes: In § 28 des Abgeordnetengesetzes ist das Verfahren der Anpassung der Entschädigung der Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages geregelt. Maßstab für die Anpassung ist - vereinfacht dargestellt - die allgemeine Einkommensentwicklung in Schleswig-Holstein. Nach dem geltenden Recht erfolgt die Anpassung entsprechend einem Faktor, der sich aus einer bestimmten Relation der Entwicklungen des Bruttomonatsverdienstes von Arbeitern, Angestellten und Beamten ergibt. Die prozentualen Veränderungen der Einkommensentwicklung teilt mir das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein nach bestimmten Vorgaben mit. Aufgrund neuerer Regelungen des Verdienststatistikgesetzes und weil in den neuen Tarifverträgen im öffentlichen Dienst nicht mehr zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden wird, ist das Statistische Amt nicht in der Lage, mir den nach geltendem Recht zu berechnenden Index mitzuteilen. Die erforderlichen Grunddaten werden in der dem Gesetz zugrunde liegenden Form nicht mehr erhoben. Mit dem Entwurf soll den eingetretenen Gesetzes- und Tarifänderungen unter Beibehaltung des materiell Gewollten Rechnung getragen werden - Artikel 1 Nr. 8 des Gesetzentwurfs.

2.2: Mitarbeiterkostenerstattung! Die Mitarbeiterkostenerstattung gemäß § 9 Abs. 1 des Abgeordnetengesetzes soll von jetzt 855 € auf 900 € angehoben werden. Abgeordneten sollen also zukünftig nachgewiesene Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Höhe von bis zu 900 € monatlich erstattet werden. Mit dieser Erhöhung soll die zwischenzeitliche Tarifentwicklung seit der letzten Anhebung der Mitarbeiterkostenerstattung am 1. Januar 2003 jedenfalls teilweise nachvollzogen werden - Artikel 1 Nr. 1 des Entwurfs.

2.3: Weitere Einzelregelungen! Der Entwurf enthält darüber hinaus einige Detailregelungen, die ich nur stichwortartig erwähnen will. Für Anträge auf Reisekostenentschädigung wird eine Ausschlussfrist eingeführt. Genauso wird eine Ergänzung der Kostenerstattung bei der Dienstwagenre

gelung vorgenommen - Artikel 1 Nr. 2 und 3 des Entwurfs.

Die Voraussetzungen der Finanzierung der eigenverantwortlichen Altersversorgung von ledigen und kinderlosen Abgeordneten werden klargestellt Artikel 1 Nr. 5 des Entwurfs.

Beim Zuschuss zu den Kosten in Krankheitsfällen wird das Abgeordnetenrecht an Veränderungen im Sozialrecht angepasst: Auch Abgeordnete sollen unter anderem - wie Versorgungsempfänger und Rentner - zukünftig keinen Zuschuss zu ihren Pflegeversicherungskosten erhalten - Artikel 1 Nr. 7, 10 und 11 des Entwurfs.

Im Übrigen enthält der Entwurf einige redaktionelle Änderungen im Sinne einer Klarstellung der gesetzlichen Regelungen.

Drittens zum Ergebnis! Das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein hat auf der Grundlage des im heute vorgelegten Gesetzentwurf vorgeschlagenen Anpassungsverfahrens die Höhe der Diätenanpassung für dieses Jahr ermittelt. Dementsprechend hat das Statistische Amt als Maßstab für die Anpassung der Entschädigungen nach § 6 Abs. 1 und 2 des Abgeordnetengesetzes für das Jahr 2008 eine Einkommensentwicklung zugrunde gelegt, die im Jahr 2007 gegenüber dem Jahr 2006 eingetreten ist. Maßstab ist dabei die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je geleisteter Arbeitsstunde der Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein, wie sie anhand der Ergebnisse der Arbeitskreise Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder und Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder festgestellt wird.

Auf der Grundlage dieser Daten hat mir das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein als Diätenanpassung für das Jahr 2008 insoweit 1,1 % als Erhöhungsfaktor mitgeteilt.

Viertens. Namens der Fraktionen beantrage ich, den Gesetzentwurf dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Landtagspräsidenten. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2074 (neu) dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 21 auf:

(Landtagspräsident Martin Kayenburg)

Alimentation kinderreicher Beamter

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/2069

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit Absatz 3 des Antrages wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht jetzt gegeben werden soll. Ich bitte Sie um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist Absatz 3 des Antrages angenommen, und ich bitte den Herrn Finanzminister Rainer Wiegard jetzt um seinen Bericht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der erneute Berichtsantrag der FDP befasst sich mit einem Sachverhalt, den wir schon im Rahmen einer Kleinen Anfrage im März dieses Jahres beantwortet haben. Herr Kubicki, der Unterschied ist - wenn ich ihn richtig erkannt haben -, dass Sie im März wissen wollten, wie die Familiensituation mit mehr als zwei Kindern ist. Dieses Mal wollen Sie wissen, wie die Situation ab dem dritten Kind ist. - Oder ist es umgekehrt? - Das ist der bedeutende Unterschied. Insofern verweise ich auch auf die Antwort der Landesregierung Drucksache 16/1931 vom März, in der wir diesen Sachverhalt schon einmal dargestellt haben. Da Sie das aber erneut begehrt haben, bin ich natürlich gern bereit, Ihnen erneut Auskunft zu geben, die allerdings nicht von der Auskunft abweicht, die wir bereits im März gegeben haben.

Es geht in der Tat um ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1998. Sie wollen wissen, warum bisher nichts im Sinne dieses Bundesverfassungsgerichtsurteils geschehen ist. Das ist falsch, es ist nämlich etwas geschehen. Der damals zuständige Bund hat im Rahmen der Veränderungen des Bundesbesoldungsgesetzes entschieden, für die Jahre 1999 und 2000 den Familienzuschlag jeweils ab dem dritten Kind um 200 DM anzuheben und diesen Betrag ab 2001 zu dynamisieren. Seit dem 1. Januar 2008 beträgt der Familienzuschlag für das dritte und jedes weitere Kind monatlich 237,27 €. Das ist die notwendige, erforderliche Reaktion, die im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gefolgt ist.

Seit der Veränderung der Zuständigkeiten im Rahmen der Föderalismusreform I im September 2006

sind die Länder für das Besoldungsrecht in ihrem Zuständigkeitsbereich verantwortlich.

Wir haben, wie Sie wissen, seit dem Jahr 2007 anstelle der vollständigen Streichung des Weihnachtsgeldes, der Sonderzahlung, die wir damals in diesem Landtag verabschiedet haben, den Beamten pro Kind eine Sonderzahlung zu Weihnachten - nennen wir es Kinderweihnachtsgeld - in Höhe von 400 € zugebilligt. Da macht es keinen Unterschied, ob das nun für das erste, zweite, dritte oder vierte Kind ist. Aber der Unterschied ist natürlich schon: Wer drei Kinder hat, bekommt diese 400 € auch dreimal. Deshalb haben wir ausdrücklich darauf verzichtet, eine Staffelung dieses Kinderweihnachtsgeldes vorzunehmen.

Aus diesem Grunde sind wir der Auffassung, dass das Abstandsgebot zum Sozialhilferegelsatz für Kinder, das das Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben hat, eingehalten ist. Darüber sind wir natürlich nicht mit allen einer Meinung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mit den Gerich- ten nicht!)

Deshalb klagen auch Beamte vor den zuständigen Gerichten. Vor den Verwaltungsgerichten in Schleswig-Holstein wird derzeit in sieben Fällen auch darüber verhandelt, ob das Abstandsgebot eingehalten ist und insbesondere, welche Besoldungsteile für diese Bewertung angerechnet werden müssen. Die dem Oberverwaltungsgericht SchleswigHolstein vorliegenden Fälle sind noch nicht entschieden. Wir rechnen aber in diesem Jahr mit einer Entscheidung.

Ich sagte bereits, das Abstandsgebot zur Sozialhilfe - das Bundesverfassungsgericht hat 115 % vorgegeben - ist nach unserer Auffassung eingehalten, denn bei einem Vergleich der Sozialhilfe mit der Besoldung der Beamten einschließlich der Familienzuschläge ist das gesamte Arbeitseinkommen einzubeziehen, also nicht nur der Kernteil der verfassungsrechtlich geschützten Alimentation. Aus dem aktuellen Sachstand von heute ergibt sich das, was wir Ihnen im März mitgeteilt haben.

Erstens. Das Abstandsgebot ist nach unserer Bewertung eingehalten.

Zweitens. Das Oberverwaltungsgericht wird vermutlich in diesem Jahr eine gerichtliche Klärung herbeiführen. Diese Entscheidung werden wir abwarten. Wir haben in der Zwischenzeit alle laufenden Verfahren ruhend gestellt, weil natürlich klar ist, dass wir uns in jedem Fall einem solchen Urteil unterwerfen werden und damit alle Kläger und An

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

tragsteller gleichstellen, nicht nur diejenigen, die in dieser Sache geklagt haben.

(Beifall bei CDU, SPD und der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht und erteile für die antragstellende Fraktion der FDP Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich gehe davon aus, dass Sie sich ordnungsgemäß vorbereitet haben. Dann haben Sie festgestellt, dass wir auch in der Kleinen Anfrage nach drei und mehr Kindern gefragt haben und nicht nach dem zweiten. Aber diese kleine rhetorische Geste bin ich von Ihnen gewöhnt, wenn es darum geht, sich über ernsthafte Probleme auch ernsthaft zu unterhalten.

(Günter Neugebauer [SPD]: Jetzt mal nicht so empfindlich!)

- Ich bin da weniger empfindlich, aber die Betroffenen sind sehr empfindlich, Kollege Neugebauer. Das konnten Sie gerade bei der Deutschen Steuergewerkschaft feststellen, als Sie den dort Beschäftigten erklären wollten, wie die Sozialdemokraten für gerechten Lohn eintreten können, aber 1.200 Steuerbeamten die entsprechende Entlohnung vorenthalten.

Der von uns vorgelegte Antrag zur Alimentation kinderreicher Beamter ist ein Antrag, den man äußerst ungern auf die Tagesordnung setzt, aber es muss sein. Es ist schon fast beschämend, dass seit Jahren die Beamten in Schleswig-Holstein mit drei und mehr Kindern einklagen müssen, was ihnen seit Jahr und Tag zusteht.

Dieses Beispiel zeigt wieder einmal, dass Reden über Kinder- und Familienförderung, die von CDU und SPD in Wahlkampfzeiten nur allzu gern geschwungen werden, nichts anderes sind als Sonntagsreden, wenn es um den eigenen Beritt geht.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben es in diesem Haus bisher nicht geschafft, ein beitragsfreies Kindergartenjahr umzusetzen, Sie haben dafür den Kommunen 120 Millionen € aus der Finanzausgleichsmasse weggenommen und damit die Finanzierung von Kindergartenplätzen erschwert. Sie haben die Familien im ländlichen

Raum bei den Schülerbeförderungskosten benachteiligt. CDU und SPD haben mit ihren Erhöhungen der Mehrwertsteuer in Berlin die Lebenshaltungskosten insbesondere für Familien erhöht. Sie schaffen es nicht einmal, die eigenen kinderreichen Bediensteten anhand der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßstäbe zu besolden. Ich sage, das ist ein Skandal.

(Beifall bei der FDP)

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 1998 festgestellt, dass die damals geltende Alimentation für Beamte mit drei und mehr Kindern nicht mehr angemessen war. Der damals noch zuständige Bundesgesetzgeber - darauf haben Sie hingewiesen - hatte auf Grundlage der Eckpunkte dieser Entscheidung 1999 das Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz verabschiedet und die Beamtenbesoldung angepasst. Der Familienzuschlag für die Jahre 1999 und 2000 wurde entsprechend für das dritte und jedes weitere Kind um circa 100 € erhöht. Dieser Betrag wurde in den Folgejahren dynamisiert.