Religion ist nicht mehr nur Privatsache, sie ist wieder öffentlicher, über sie wird gesprochen und sie hat neue Anknüpfungspunkte zur Politik gefunden.
Das sind Elemente eines Wandlungsprozesses, den wir erleben und der sich durch alle Ebenen unserer Gesellschaft zieht. Mentalitäten ändern sich besonders in Zeiten der Unsicherheiten, Religion ist im Gespräch, wo wir wieder oder neu nach dem gesellschaftlichen Sinn und Sein fragen, wo Minarette das Stadtbild verändern und wo wir den interreligiösen Dialog mit den Muslimen weiter stärken wollen und sollen, wo der Einfluss des Glaubens auf die Politik und auf Werte im Allgemeinen und auf einzelne Politiker im Besonderen diskutiert wird.
Religion ist immer dort im Gespräch, wo es um Menschenwürde und um Menschenbild geht. Von der Rückkehr des Religiösen, von der Renaissance des Glaubens wird immer häufiger gesprochen. Der EKD-Vorsitzende, Bischof Huber, sieht in diesen viel zitierten Begriffen durchaus auch Zwiespältigkeiten. Es klinge so, als würden die Menschen einfach wieder gläubig, als würden die Kirchen automatisch voller. Dem sei natürlich nicht so, geändert habe sich aber etwas anderes: Kirchliches Leben als gesellschaftspolitischer Ausdruck dieses Glaubens wird sichtbarer, wird stärker als früher wahrgenommen. - Ich denke, dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Der Katholikentag - viele von Ihnen haben die Beratungen verfolgt - hat das auch eindrucksvoll bestätigt.
Die Große Anfrage will erstens die politische, parlamentarische und öffentliche Aufmerksamkeit auf diese Entwicklung lenken und sie stabilisieren helfen.
Sie soll zweitens den hohen gesellschaftspolitischen Stellenwert verdeutlichen, den Kirchen und Religionsgemeinschaften in unserer und für unsere Gesellschaft einnehmen. Unser Ziel war es, die besondere gemeinschaftliche Rolle zu betonen, die Kirchen einnehmen und die sich zum Beispiel in den vielfältigen diakonischen Aufgaben niederschlägt. Durch die quantitative Aufzählung wollen wir die hohe qualitative Bedeutung kirchlicher Arbeit deutlich machen, denn es geht dort auch immer um Einfluss und Macht.
Drittens. Der politisch wichtigste Grund für mich ist, neu und vertieft über die Identifikation von Kirchen zu sprechen, das heißt, sich über Wesen und Auftrag der Kirchen zu verständigen. Ganz profan meint dies, ob und wie sich Kirchen von anderen „Verbänden“ und sozialen Einrichtungen unterscheiden. Denn die Kirchen verfügen über eine ganz eigene Begründung und Herleitung ihrer Motive.
Die Antwort auf die Große Anfrage führt uns diese politische Vielfalt eindrucksvoll vor Augen. Der Ministerpräsident hat die Bereiche aufgezählt, die für die Kirchen und für uns gesellschaftspolitisch sehr wichtig sind.
Die Anfrage war umfassend und gleichzeitig sehr kleinteilig. Deshalb gilt mein großer Dank an dieser Stelle der Staatskanzlei, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Kirchen, die bei der Antwort mitgeholfen haben. Ich habe eine Zeit lang durchaus ein schlechtes Gewissen gehabt, ob ich wirklich so kleinteilig fragen sollte, aber ich glaube, die Antworten sind umfassend, sehr gut und sehr eindrucksvoll. Deswegen danke an die Kirchen, danke an die Mitarbeiter und diejenigen, die die Antwort gegeben haben.
Ein paar Daten, die mir wichtig sind: Etwa 44.000 Menschen sind ehrenamtlich in den Kirchen Schleswig-Holsteins tätig. Die Felder umfassen die engere kirchliche Arbeit ebenso wie das Engagement in einer der kirchlichen Kindertagesstätten und in den 70 Einrichtungen der Hospizarbeit. Ehrenamtlichkeit ist natürlich ein wichtiger wirtschaftlicher und finanziell kalkulierbarer Faktor. Kirchliches Ehrenamt ist aber vor allem ein sozialer, ein gemeinschaftlicher Beitrag, der gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und für den wir an dieser Stelle auch nur danken können.
Gleiches gilt für das Hauptamtliche, für Diakonie, für Caritas und für die Hilfswerke anderer Glaubenseinrichtungen, für Entwicklungsdienste, Bildungseinrichtungen und auch die kirchliche Publizistik. Sie sind unverzichtbarer Teil der sozialen Organisation unserer Gesellschaft, aber manchmal gerade deshalb als genuin religiöse Akteure nicht mehr so ganz klar erkennbar, wenn ich das für mich sagen darf. Das sollten sie aber sein, denn hier liegt eine Unterscheidung zu den anderen „sozialen“ Verbänden. Selbst wenn die Kirchen diese Frage für sich natürlich beantwortet haben, ist dies keineswegs heute gesellschaftlich völlig akzeptiert, gerade in Zeiten schwieriger Situationen in den öffentlichen Kassen und damit verbundener Konkurrenzen um Mittel.
Staatskirchenrechtlich drückt sich diese Formel in der Institution sui generis aus. Die Kirchen begründen sich anders als die säkularen Sozialverbände, eben religiös, aus dem Glauben, aus dem Gottesbezug heraus. Diese unterscheidende Begründung, die
ich persönlich teile, gilt es deutlicher zu machen. Hier sind die Kirchen stärker als bisher gefragt, wenn sie in der allgemeinen Konkurrenzsituation nicht verlieren wollen.
Lassen sie mich zum Schluss noch zwei weitere wichtige Aspekte ansprechen. Die Antwort auf die Anfrage zeigt, wie bunt die Glaubenslandschaft in Schleswig-Holstein geworden ist. Wir freuen uns sehr, dass sich wieder jüdische Landesverbände in Schleswig-Holstein gebildet haben. Dies gilt es zu bewahren, auch wenn die Zahl der Zuwanderer jüdischen Glaubens fast auf null gesunken ist, wie die Antwort zeigt. Der Abschluss von Staatsverträgen vergleichbar mit denen der evangelischen und katholischen Kirche sichert den jüdischen Gemeinden Schutz und Förderung zu.
Der zweite Punkt: Wir sind der Meinung, dass die Scientologen nicht in den Bereich der Kirchen gehören.
Deshalb kommen sie auch in diesem entsprechenden Kapitel unserer Anfrage nicht vor. Sie sind eine Organisation, eine Sekte, mit dem Ziel der größtmöglichen Ausbeutung ihrer Mitglieder. Das hat mit Freiheit des Glaubens nichts zu tun und - wenn Sie mir diese saloppe Formulierung erlauben - da geht es nicht um Kirche, da geht es nur um Knete.
- So ist es. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Antwort auf die Große Anfrage nicht das Ende, sondern der Anfang einer intensiven öffentlichen Debatte über die Inhalte und die Notwendigkeiten unserer Kirchen und Religionsgemeinschaften in Schleswig-Holstein ist, eine Debatte, die Politik und Kirchen zusammen dialogorientiert führen sollten und die nur eines zum Ziel haben kann: dass diese Gesellschaft gemeinschaftlicher wird. Wenn wir das erreichen, haben wir eine Absicht, die wir mit der Großen Anfrage verbunden haben, auch erreicht. Ich würde mir das sehr wünschen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Herrn Abgeordneten Rolf Fischer. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Herlich Marie Todsen-Reese.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich einfach sagen: Ich freue mich! Ich freue mich, dass wir nach der Debatte im November 2007 über unsere Große Anfrage zum Religionsunterricht heute erneut ein wichtiges Thema zu den Kirchen und Religionsgemeinschaften in Schleswig-Holstein auf der Tagesordnung haben. Kirche hat wieder Konjunktur. Und das ist gut so. Davon bin ich fest überzeugt.
Darum danke ich dem Kollegen Rolf Fischer ausdrücklich für die Große Anfrage und für den Redebeitrag eben, dem ich mich voll und ganz anschließen kann. Auch ich wünsche mir, dass wir diese Debatte gemeinsam miteinander fortsetzen.
Mein besonderer Dank gilt Ihnen, Herr Ministerpräsident Carstensen, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Beantwortung der Großen Anfrage, aber auch für Ihren persönlichen Redebeitrag eben, für die klaren Aussagen und für das klare Bekenntnis zu unseren Kirchen und Religionsgemeinschaften. - Herzlichen Dank!
Der Dank gilt aber auch den Vertretern der Nordelbischen Kirche, der katholischen Kirche und der Religionsgemeinschaften für die Unterstützung bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage.
Die Antworten auf die Fragen nach der Entwicklung der Mitgliederzahlen und des Kirchensteueraufkommens, nach der finanziellen Förderung durch das Land mit den Staatsleistungen und den freiwilligen Landeszuwendungen einerseits und nach den Leistungen der Kirchen in der diakonischen und karitativen Arbeit, in den Bereichen „Kirche und Kultur“ mit der Denkmalpflege bei Gebäuden und Friedhöfen, in den Bereichen „Kirche und Ökologie“ sowie „Kirche und Medien“ andererseits lassen erahnen - um es vorsichtig auszudrücken -, dass unsere Kirchen finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Vor diesem Hintergrund sind und es sei mir erlaubt, dies zu sagen - die kritischen Anmerkungen des Landesrechnungshofs und die des Kollegen Günter Neugebauer zu den Zahlungen des Landes Schleswig-Holstein an die Nordelbische Kirche wenig hilfreich. Ich sage ganz deutlich: Die CDU-Landtagsfraktion steht zu der vertraglichen
und sie steht zu dem geplanten Staatskirchenvertrag mit der katholischen Kirche sowie zu den Zahlungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften in unserem Land.
Die Zahlen in den Antworten zeigen aber auch eines ganz deutlich: Fast 80 % der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner bekennen sich im Jahr 2008 zum christlichen Glauben. Sie sind Mitglied unserer Kirchen. Das ist ebenso erfreulich wie die Tatsache, dass sich die Zahl der Kirchenaustritte deutlich reduziert hat.
Hinzu kommen noch die zahlreichen weiteren Religionsgemeinschaften, deren Mitgliederdaten leider nicht erhoben werden. Hier sollten wir gemeinsam Möglichkeiten der Abhilfe schaffen, zum Beispiel dadurch, dass in den Meldebögen zumindest auf freiwilliger Basis entsprechende Angaben erbeten werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Fragenkatalog der Großen Anfrage war im Wesentlichen darauf ausgerichtet, das Engagement der Kirchen und Religionsgemeinschaften in wichtigen gesellschaftlichen Aufgabenfeldern zu hinterfragen, zu durchleuchten und damit transparent zu machen. Die Antworten liefern dazu eine Fülle von Daten und Fakten, die eindrucksvoll insbesondere die Bedeutung unserer beiden großen Kirchen, der Nordelbischen Kirche und der katholischen Kirche, für unsere Gesellschaft unterstreichen. Beide großen Kirchen erbringen mit ihren Diensten und Werken vielfältige karitative Leistungen, zum Beispiel in der Kinder- und Jugendhilfe, der Familienhilfe, der Eingliederungshilfe, bei den Einrichtungen für die Behindertenhilfe, der Krankenpflege und der Altenhilfe, bei der Suchtkrankenhilfe, der Gefangenenhilfe und der schweren Hospizarbeit. Die CDULandtagsfraktion ist allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Hauptamtlichen wie insbesondere auch Ehrenamtlichen, sehr dankbar für allen Dienst an den Menschen, die Hilfe und Unterstützung benötigen.
und Ökologie“ und „Kirche und Medien“, deren Wahrnehmung und deren Angebote und Beiträge als Bereicherung unseres gesellschaftlichen Lebens in Schleswig-Holstein nicht wegzudenken sind. Dies gilt in besonderer Weise für das reiche kulturelle Angebot und hier natürlich ganz besonders Sie mögen es einer langjährigen begeisterten Kirchenchorsängerin nachsehen - für die Kirchenmusik in den Gotteshäusern unseres Landes. Ob es die großen Oratorien sind oder das Requiem von Brahms, Verdi oder Mozart, ob es die Orgelkonzerte sind oder die dynamisch-rhythmischen Gospelchöre, ob es die Krippenspiele, die Kinderchöre oder die Soloauftritte von Querflöte und Orgel, Sologesang und Orgel sind: Diese Musik ist zugleich auch Verkündigung von Gottes Wort, und sie erreicht die Herzen der Menschen manchmal mehr man verzeihe mir diese Anmerkung - als eine noch so gute Predigt.
Wenn ich die Angaben zu der Zahl der Kirchenmusiker und deren Qualifikation sehe, kann ich mir an dieser Stelle einen Appell an unsere Kirchenvertreter nicht verkneifen: Vernachlässigen Sie nicht die Kirchenmusik! Sie füllt Ihnen Ihre Kirchen. Welch gute Gelegenheit, um die Besucher enger an Ihre Kirchengemeinde zu binden!
Einen besonderen Dank und Respekt hat die Nordelbische Kirche für ihr Engagement im Bereich Ökologie, Umweltschutz, Klimaschutz und Nachhaltigkeit verdient. Das Jugendpfarramt auf dem Koppelsberg bei Plön war wesentlicher Motor für die Einrichtung des FÖJ, des Freiwilligen Ökologischen Jahres, zum 1. Juli 1991.
Ich will nicht verhehlen, dass es in der Vergangenheit durchaus unterschiedliche Auffassungen zur inhaltlichen und insbesondere zur finanziellen Ausgestaltung und Ausstattung der FÖJ-Plätze gab. Der Wert und die Notwendigkeit des FÖJ waren und sind aber immer unstrittig. Darum freue ich mich auch über das Bekenntnis zum Freiwilligen Ökologischen Jahr in der vorliegenden Antwort der Landesregierung und über die klare Aussage, dass die Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und der Nordelbischen Kirche fortgesetzt und ein Folgevertrag abgeschlossen werden soll, wenn der derzeitige Vertrag zum 31. Juli 2009 auslaufen wird.
Beachtlich ist auch die Liste von ökumenischen Aktivitäten mit Bezug zur Agenda 21 und für den Klimaschutz. Zu nennen sind etwa die „Ökumenische Stiftung für Schöpfungsbewahrung und Nach
haltigkeit“ mit Sitz in Ratzeburg, die nachhaltige Lebensstile fördert, zu entsprechenden Diskussionen anregt und Projekte durchführt; ich nenne als Beispiel die Veranstaltung „Bread and Fish“ in Lübeck, die mit großem Erfolg durchgeführt wurde.