Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

(Wilfried Wengler)

grad zu erhöhen und um die Anmerkungen, die vom Landesrechnungshof zur Tätigkeit des ULD stammen, in sinnvoller Weise abzuarbeiten. Die Datenschutzakademie ist dabei ausdrücklich einzubeziehen. Hinzu kommt, dass Projekte - Herr Wengler hat darauf hingewiesen - in der Regel durch Drittmittel komplett finanziert sind. Allerdings sollten wir uns auch hier ein bisschen mehr Zeit gönnen, ein parlamentarisches Auge auf die Annahme von Projektaufträgen haben, weil es natürlich auch dort Konkurrenzsituationen zu anderen gibt. Folglich wäre es angebracht, sich in der nächsten Zeit einmal über die Entwicklung des Landesdatenschutzgesetzes zu unterhalten, um diese Änderungen in die Tat umzusetzen.

Doch zurück zum Bericht: Bedauerlicherweise musste die Schilderung von Fehlern bei der Missbrauchsaufdeckung beim Arbeitslosengeld-IIBezug aus dem Jahr 2006 weitgehend wiederholt werden. Die Träger der Leistung sollten die Neuorganisation in diesem Bereich aus meiner Sicht auch als Chance nutzen, hier eine deutliche Qualitätsverbesserung herbeizuführen. Im Datenschutzbericht begegnet uns auch ein weiterer alter Bekannter, die Datenweitergabe von Kreditnehmern durch Kreditgeber an Dritte zum Zwecke eines möglichen Verkaufs von Forderungen. Das darf nicht sein, und ich hoffe, dass der Bund dies mit dem Risikobegrenzungsgesetz tatsächlich abstellt und sich der Bundesfinanzminister - da kümmere ich mich einmal um meine eigenen Leute - an dieser Stelle nicht weiter querstellt, wie er das vor kurzem getan hat. Das ist nicht sonderlich klug.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begehen in diesem Jahr den 30. Geburtstag unseres Landesdatenschutzgesetzes.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Glückwunsch! Datenschutz ist in Schleswig-Holstein kein Drangsal, sondern ein Qualitätsmerkmal. Daher schließe ich mich auch dem Dank an das Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Leiter Thilo Weichert für 30 Jahre engagierte Arbeit an.

Alles in allem ist auch dieser Tätigkeitsbericht des ULD eine interessante Lektüre, die uns noch einige Zeit in den Ausschüssen begleiten sollte. Der Bericht ist daher an alle Ausschüsse - federführend an den Innen- und Rechtsausschuss - zur abschließenden Beratung zu überweisen.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Rother und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst ausdrücklich beim Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion bedanken, dass er dafür Sorge getragen hat, dass wenigsten einige Mitglieder der Regierung den Ausführungen der Parlamentarier zum Landesdatenschutzbericht folgen.

In seiner Pressemitteilung vom 15. April zu seinem Tätigkeitsbericht 2008 wies Herr Dr. Weichert darauf hin, dass der Datenschutz in Schleswig-Holstein und auf Bundesebene nunmehr sein 30-jähriges Bestehen feiern kann. Ich kann Ihnen versichern: Weitere Jahre werden folgen, denn wir müssen feststellen, dass dem Datenschutz insbesondere durch den technologischen Fortschritt immer mehr an praktischer Bedeutung zukommt.

Leider müssen wir ebenso feststellen, dass diese Tatsache in den letzten Jahren und insbesondere nach den Anschlägen des 11. September 2001 immer weniger von den Regierungen in Bund und Ländern gewürdigt wird. Trotz aller Sonntagsreden über die Bedeutung des Datenschutzes kommt es immer wieder zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die dem Gesetzgeber ins Stammbuch schreiben, er habe Gesetze verabschiedet, die in die Freiheitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern in ungerechtfertigter Weise eingreifen. Waren es in den Vorjahren Entscheidungen wie die zum großen Lauschangriff, die dem Gesetzgeber mangelndes Verfassungsverständnis nachgewiesen hatten, so waren es in diesem Jahr bereits drei Entscheidungen, nämlich die zur Online-Durchsuchung, die Eilentscheidung zur Vorratsdatenspeicherung und die Entscheidung zum Kfz-Screening im schleswig-holsteinischen Polizeirecht, die den Gesetzgeber beim ungezügelten Zugriff auf persönliche Daten in die Schranken wiesen.

Der Höhepunkt war sicherlich die Entscheidung zur Online-Durchsuchung im Februar dieses Jahres, als das Bundesverfassungsgericht sogar ein neues Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme schuf.

(Beifall bei der FDP)

(Thomas Rother)

Durch diese Entscheidung stellte das Bundesverfassungsgericht sicher, dass der technologische Fortschritt keinen vor dem Zugriff der Sicherheitsbehörden ungeschützten Raum für das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger schaffen darf. Sie zeigte allerdings auch, dass es der Gesetzgeber bis heute versäumt hat, durch eine entsprechende Grundgesetzänderung selbst diesem Aspekt Rechnung zu tragen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landesdatenschützer lobte im Rahmen seiner Pressemitteilung auch die Landesregierung. Sie habe sich unmissverständlich gegen die Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten ausgesprochen, und sie habe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kfz-Screening akzeptiert.

(Zuruf von der CDU: Da kann man mal se- hen!)

So gern und so oft wir uns mit Herrn Dr. Weichert in fachlichen Fragen beieinander sehen - ich erinnere daran, dass der damals amtierende Innenminister in einer Pressemitteilung bei der Vorlage seines Polizeigesetzes erklärt hat: Thilo allein zu Haus. - Er ist immer noch zu Haus, wenn ich ihn jetzt auch nicht mehr hier sehe. Es ist sichergestellt worden, dass die Kommentarlage damals von Herrn Dr. Weichert und der FDP-Landtagsfraktion vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden ist - im Gegensatz zu Ihrer Auffassung. Insofern wundern wir uns, Herr Dr. Weichert, dass Sie die Landesregierung in dieser Frage loben.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, wenn ich den Satz zu Ende führen darf, gern. Wir halten es für selbstverständlich, dass die Landesregierung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts akzeptiert. Das ist nichts, was man loben muss.

(Beifall bei der FDP)

Herr Oppositionsführer, wären Sie so freundlich, dem Hohen Haus zu verraten, von wem der Gesetzentwurf stammte, aufgrund dessen das Bundesverfassungsgericht das von Ihnen eben hervorgehobene neue Grundrecht beim Urteil über die Online-Durchsuchung definiert hat?

- Das war ein Gesetzentwurf des Landes NordrheinWestfalen, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, des dortigen Innenministeriums unter Führung meines Parteifreundes Wolf,

(Lachen bei der SPD)

dem ich als Innenminister genau wie Ihnen hier gesagt habe, dass wir das für verfassungswidrig halten. Er wollte das auch nicht einsehen, wie Sie es nicht einsehen wollten. Beide - Sie und der Kollege Wolf - sind entsprechend abgestraft worden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch beim Thema Vorratsdatenspeicherung haben nach unserer Auffassung CDU und SPD versagt. Wir haben noch im November letzten Jahres einen Antrag in den Innen- und Rechtsausschuss zur Abstimmung gebracht, in dem die Landesregierung aufgefordert werden sollte, den Entwurf zum Bundesgesetz zur Vorratsdatenspeicherung im Bundesrat nicht zu billigen. Dieser Antrag wurde von CDU und SPD abgelehnt. Als Erfolg gab Dr. Weichert die immer größere Akzeptanz des ULD hinsichtlich der Auditierung von Verwaltungsverfahren auf ihre Datenschutzkonformität bei den Kommunen an.

Auch das in Schleswig-Holstein mittlerweile etablierte und expandierende Gütesiegel wird mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union im neuen Projekt „European Privacy Seal“ nun auf europäischer Ebene weiterentwickelt. Ebenso ein Erfolg unseres Datenschutzzentrums.

Wie aber die vielen Beispiele von Datenschutzverstößen oder auch der Ausblick auf Entwicklungen auf europäischer Ebene zeigen, müssen im Datenschutz immer noch Kenntnisse geschärft oder aber die Gesetzgebungsorgane im Bereich der Sicherheitsgesetzgebung gezügelt werden, Stichwort „Entwurf eines Rahmenbeschlusses zur Weitergabe personenbezogener Daten im polizeilichen und justiziellen Rechtsverkehr“. Darüber werden wir im Ausschuss ja auch anhand weiterer Berichte noch einige Diskussionen zu führen haben.

Wir halten aber für uns fest: Trotz der Lobeshymnen auf die Landesregierung ist der Datenschutz in Schleswig-Holstein bei dem Landesdatenschützer und seinen Mitarbeitern in den besten Händen. Herr Dr. Weichert, wann immer ich außerhalb des Landes bin - ob bei Strafverteidigertagungen oder sonstigen Veranstaltungen -, bin ich stolz, dass Schleswig-Holstein unter Ihrer Führung im Datenschutz besonders gelobt wird.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Wolfgang Kubicki)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Fraktionsvorsitzender, KarlMartin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Weichert! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Ich möchte darauf hinweisen, dass der Bericht nicht nur sachlich sehr gut - wie bereits dargestellt worden ist -, sondern auch sehr interessant ist. Deswegen möchte ich einmal ein paar Überschriften aus dem Bereich „Datenschutz in der Wirtschaft“ vorlesen. Da findet man Überschriften wie „Ohne Daten keine Muckis“, „Datenschutz im Tank!“, „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“, „Der Wolf im Schafspelz“, „Anonym auf die Insel?“ oder „Kreative Kundenbindung“. Das sind tolle Überschriften, die machen Lust zum Lesen. Verwaltungsberichte so zu schreiben, hat etwas.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, der Datenschutzbeauftragte äußert sich nicht nur zu aktuellen Entwicklungen im Lande, sondern auch zu Fragen der Rechtsentwicklung in Land und Bund. Ich finde das ausgesprochen gut. Immerhin wurden in den letzten Jahren mehrfach Gesetze und Maßnahmen von obersten Gerichten für verfassungswidrig erklärt: der große Lauschangriff 2004, die präventive Telekommunikationsüberwachung 2005, die Überwachungsbefugnisse des Zollkriminalamts 2004, der europäische Haftbefehl 2005, der Fluggast-Datentransfer an US-Sicherheitsbehörden 2006, die Rasterfahndung ohne konkrete Gefahrenlage 2006 und in Schleswig-Holstein das Kfz-KennzeichenScanning und die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten.

Es ist toll, dass diese Gesetze vom Bundesgericht kassiert worden sind, es ist aber auch beschämend für die Parlamente. Ich möchte an dieser Stelle den Hinweis loswerden, dass es vielleicht Sinn machen würde, in Zukunft den Warnungen unseres Datenschützers im Vorfeld etwas mehr Beachtung zu schenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Denn immerhin hat er mehrfach auf diese Entwicklungen hingewiesen, auch in Stellungnahmen an

den entsprechenden Ausschuss. Diese Stellungnahmen sind von der Mehrheit dieses Hauses ignoriert worden. Wenn man ihn schon so lobt, sollte man ihm auch einmal zuhören.

Es gibt noch eine strategische Frage, die in der Diskussion ist: Das ULD macht etwas, was ungewöhnlich ist, es macht Datenschutz nämlich nicht nur durch Überwachung und Kontrolle, sondern sehr viel durch Beratung und Zertifizierung von Behörden und privaten Firmen. Durch Beratungsmaßnahmen versucht man zu erreichen, dass die harten Kontrollmaßnahmen - wenn nicht überflüssig - zumindest nicht ständig stattfinden müssen.

Es ist in schleswig-holsteinischen Verwaltungen mittlerweile Standard, dass das ULD um eine Auditierung gebeten wird, um Verfahren auf ihre Datenschutzkonformität zu prüfen und sie dann mit einem Gütesiegel zu zertifizieren. Diese Dinge sind mittlerweile bundesweit bekannt. Der Datenschutz profitiert davon. Das Datenschutzzentrum hat dadurch erhebliche Einnahmen. Auch das ist wichtig.

Deswegen habe ich auch nicht verstanden, dass der Kollege Wengler neulich in einer Zeitungsmitteilung gesagt hat, an dieser Stelle sollte man jetzt kürzen. Genau das, was der Datenschutz in Schleswig-Holstein macht, macht seine Qualität aus.

Wir müssen uns grundsätzlich entscheiden, was wir wollen: Wollen wir den klugen Weg, der beschritten worden ist, dann müssen wir dem Datenschützer auch die entsprechenden Freiheiten lassen und die Möglichkeit schaffen, Einnahmen zu generieren und dafür entsprechend Leute zu beschäftigen. Das ist eine Grundsatzentscheidung, zu der wir uns endlich einmal positiv stellen sollten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es gibt einige Punkte im Bericht, die mich aufschrecken lassen. Es ist nicht zu akzeptieren, wenn eine Strafverfolgungsbehörde einen beschlagnahmten PC an einen Verband der Unterhaltungsindustrie weiterreicht und so Zugriff auf sämtliche gespeicherten Daten einschließlich privater Daten ermöglicht, um im Fall von Urheberrechtsverletzungen Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Erschreckt hat mich auch, dass das kein Einzelfall war, sondern dass es sich um ein systematisches Vorgehen handelte. Das sollte in Zukunft nicht mehr stattfinden. Es ist gut, dass wir den Datenschutz haben, der bei solchen Fällen dafür sorgt, dass die Alarmglocken schrillen.

Erschreckt hat mich bei der Lektüre des Berichtes auch, wie zum Beispiel mit sozial schwachen Menschen, insbesondere mit ALG II-Empfängerinnen und -Empfängern umgegangen wird, die gezwungen werden, ihre Kontoauszüge regelmäßig vorzulegen. Das bedeutet, das alle unter Generalverdacht gestellt werden. Das ist datenschutzrechtlich nicht zulässig. Das muss in Zukunft korrigiert werden.

Meine Damen und Herren, es gibt einen einfachen Grundsatz: So viele Daten wie nötig, so wenig Daten wie möglich. Wenn wir uns daran orientieren und die Vertraulichkeit der Daten gewähren, dann fahren wir gut. Dies zu gewährleisten, ist Aufgabe des ULD.

Ich habe den Eindruck, dass der Datenschutz in diesem Land in guten Händen ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)